Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Zentralistisches Urteil zum Pandemiegesetz.
    Verfassungsgericht

    Das italienische Verfassungsgericht (VG) hat sich mit dem Landesgesetz befasst, auf dessen Grundlage Südtirol 2020 einen teilweise eigenständigen Weg im Umgang mit der Pandemielage eingeschlagen hatte. Es war im Landtag mit 28 zu einer Stimme bei sechs Enthaltungen großmehrheitlich beschlossen worden. Die einzige Gegenstimme war übrigens vom FdI-Abgeordneten Alessandro Urzì gekommen. Weil die damalige Regierung1Regierung Giuseppe Conte II wider Erwarten entschied, das Gesetz nicht anzufechten, konnte es ungehindert in Kraft bleiben.

    Wenig überraschend urteilte das grundsätzlich sehr zentralistisch ausgerichtete Verfassungsgericht nun, dass mit dem Gesetz, das die sogenannte zweite Phase regeln sollte, die autonomen Zuständigkeiten des Landes überschritten worden waren. Zu dem Urteil kam es, weil der Inhaber eines Meraner Restaurants, der in der Pandemie systematisch gegen die geltenden Regeln verstoßen hatte, eine Strafe angefochten hatte, die ihm auf der Grundlage des Landesgesetzes aufgebrummt worden war. Das mit dem Rekurs befasste Gericht rief das VG an, um die Rechtmäßigkeit des Gesetzes überprüfen zu lassen.

    Wichtig ist, dass die Güte und Verfassungsmäßigkeit der im Gesetz enthaltenen Corona-Maßnahmen nicht Gegenstand des VG-Urteils war. In dem Verfahren ging es nur um die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem italienischen Staat und Land Südtirol.

    Im Oktober 2020 hatte Prof. Francesco Palermo, mit dem ich beileibe nicht immer einer Meinung bin, in einem Beitrag für den A. Adige geschrieben:

    Die einzigen wirklichen Gegenkräfte sind die Gebietskörperschaften. Regionen und Gemeinden verfügen für ihr eigenes Gebiet über ähnliche Befugnisse zur Bewältigung gesundheitlicher Notlagen wie die [zentrale] Regierung. Dies kann zu einigen Überschneidungen, Verwirrung, manchmal zu wenig verantwortlichen Eingriffen einiger Verwaltungen führen. Es wäre jedoch schlimm, wenn es diese Möglichkeit nicht gäbe, was die zutiefst demokratische Tragweite der Autonomie beweist.

    – Francesco Palermo

    Mit der einsamen Ausnahme von Südtirol haben die Regionen bislang keine eigenen Gesetze zur Bekämpfung der Pandemie erlassen. Und das ist sehr schlecht.

    – Francesco Palermo

    Anstatt Südtirol zu »beneiden« könnten — und sollten vielleicht sogar — die (auch gewöhnlichen) Regionen ihre eigenen Gesetze beschließen. Es könnte zu Anfechtungen kommen und sie könnten daraus auch als Verliererinnen hervorgehen, doch sie würden [damit] die Kräftebalance verteidigen. Und vielleicht könnten sie dem nationalen Gesetzgeber auch bessere Lösungen zur Verfügung stellen. Vielleicht auch nicht, doch einen Versuch wäre es dennoch wert. Es sei denn, man findet es sehr bequem, sich über die [zentrale] Regierung zu beschweren, ohne selbst irgendeine Verantwortung zu übernehmen.

    – Francesco Palermo

    Übersetzung von mir (vgl.)

    Die Untätigkeit der meisten anderen Regionen macht es den Zentralregierungen und auch dem Verfassungsgericht sehr leicht, gegen die wenigen Aufmüpfigen vorzugehen, die Autonomie und Subsidiarität einfordern und verteidigen. Gäbe es einen breiteren Konsens, den Zentralismus herauszufordern und auch selbst Verantwortung zu übernehmen, gäbe es für Rom viel größere Anreize, sich mit der Kompetenzverteilung zu befassen.

    Dass sich Landesregierung und Landtag damals nicht in vorauseilendem Gehorsam gebeugt, sondern an demokratisch beschlossenen Maßnahmen festgehalten haben, die sie im Namen der Südtirolerinnen für angemessen hielten, ist in meinen Augen ein gutes Zeichen.

    Siehe auch: 01 02 03

    • 1
      Regierung Giuseppe Conte II


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  • Kann Südtirol Staat?
    Neuerscheinung

    Buchvorstellungen

    • Mölten: Do 11. April – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Celovec: Če 25. april – 18.00 uri – Knjigarna Mohorjeva-Hermagoras
    • Montan: Do 23. Mai – 20.00 Uhr – Haus der Vereine
    • Marling: Mi 29. Mai – 20.00 Uhr – Vereinshaus

     

    Zurückliegende Termine (Aufstellung)
    • Glurns: Mo 25. März – 20.00 Uhr – Gemeindehaus (3. Stock)
    • Laas: Do 21. März – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Ahrntal: Fr 15. März – 20.00 Uhr – Mittelschule St. Johann
    • Tirol: Di 12. März – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Kastelruth: Do 7. März – 20.00 Uhr – Bibliothek Seis
    • Leifers: Do 29. Februar – 20.00 Uhr – Deutsche Bibliothek
    • Vintl: Di 27. Februar – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Schenna: Fr 23. Februar – 20.00 Uhr – Vereinshaus
    • Eppan: Do 1. Februar – 20.00 Uhr – Bibliothek St. Pauls
    • Freienfeld: Fr 19. Jänner – 18.00 Uhr – Gasthaus Post Maria Trens
    • Innsbruck: Di 9. Jänner – 20.00 Uhr – Geiwi-Turm
    • Villnöß: Di 12. Dezember – 20.00 Uhr – Feuerwehr St. Peter
    • Auer: Do 7. Dezember – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Sëlva: Ju 23. nuvëmber – 20.00 ëures – Tublà da Nives
    • Margreid: Di 21. November – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Kaltern: Mi 15. November – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Latsch: Di 14. November – 20.00 Uhr – Bildungshaus Schloss Goldrain
    • Karneid: Do 9. November – 20.00 Uhr – Vereinshaus Steinegg
    • Völs: Do 26. Oktober – 20.30 Uhr – Stanglerhof
    • Salurn: Do 19. Oktober – 20.00 Uhr – Bibliothek Herrenhof
    • Brixen: Di 17. Oktober – 19.30 Uhr – Cusanus-Akademie
    • Andrian: Fr. 6. Oktober – 20.00 Uhr – Pfarrsaal
    • Tramin: Do 28. September – 20.00 Uhr – Bürgerhaus
    • St. Pankraz: Di 19. September – 20.00 Uhr – Bürgersaal
    • Sarntal: Mi 30. August – 20.00 Uhr – Turm Kränzelstein
    • Gais: Do 3. August – 20.00 Uhr – Feuerwehrhalle
    • Meran: Mi 2. August – 19.30 Uhr – OstWestCountryClub
    • St. Leonhard i. P.: Sa 15. Juli – 19.30 Uhr – Jaufenburg
    • Weißenbach/Ahrntal: Do 6. Juli – 19.30 Uhr – Vereinshaus
    • Eppan: Di 4. Juli – 19.30 Uhr – Tannerhof, Girlan
    • Schlanders: Mo 12. Juni – 20.00 Uhr – Bibliothek Schlandersburg
    • Bozen: Fr 9. Juni – 14.30 Uhr – Palais Widmann (Gedenken an Silvius Magnago)
    • Nals: Do 8. Juni – 20.00 Uhr – Kulturtreff Sonne
    • Partschins: Mo 5. Juni – 19.30 Uhr – Bibliothek
    • Vahrn: Mi 31. Mai – 19.30 Uhr – Bibliothek
    • Bozen: Di 23. Mai – 19.30 Uhr – Bibliothek Haslach
    • Eppan: Mo 8. Mai – 20.00 Uhr – Bibliothek St. Michael
    • Kurtatsch: Mi 19. April – 20.00 Uhr – Kulturhaus
    • Bozen: Do 13. April – 14.00 Uhr – Filmsaal des Landtags

    Angaben ohne Gewähr · Infos: noiland.org

    Der Verein Noiland Südtirol – Sudtirolo hat am 23. März im Rahmen einer Pressekonferenz bei der Eurac in Bozen sein Weißbuch zur Südtiroler Eigenstaatlichkeit vorgestellt.

    Kann Südtirol Staat? — so der Titel der umfangreichen Publikation — entstand in Zusammenarbeit mit zahlreichen Expertinnen und unter der Aufsicht eines wissenschaftlichen Beirats. Die Autorinnen der insgesamt 40 Kapitel gingen der Frage nach, ob Südtirol als eigenständiger Staat bestehen kann und gelangten zum Schluss, dass das Land die politisch-demokratischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen hat, als unabhängiger Staat erfolgreich zu sein, so wie Luxemburg, Malta, Island oder die drei baltischen Staaten.

    Beitrag zur Versachlichung

    Der europäische Einigungsprozess spielt dabei eine wichtige Rolle, da sich im Zuge dieser Entwicklung für die europäischen Regionen neue Spielräume eröffnen. Im Buch wird nachvollziehbar aufgezeigt, welche Schritte erforderlich wären, um einen unabhängigen Staat zu gründen. Dargelegt werden Chancen, aber auch Risiken, Bedingungen und mögliche Strategien.

    Noiland bekennt sich ausdrücklich zur Rechtsstaatlichkeit und gibt an, dass ein Prozess zur Erlangung der Unabhängigkeit bevorzugt in Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem italienischen Staat erfolgen sollte. Dadurch wäre ein rechtlich und politisch unstrittiges Ergebnis gewährleistet.

    Die Autorinnen — mit unterschiedlicher Haltung zur Eigenstaatlichkeit — beschäftigten sich eingehend mit der Frage, wie weit die politische Mitbestimmung gehen kann und was Demokratie darf. Soll es in einem geeinten Europa möglich sein, einen neuen Staat zu gründen, wenn die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung es wünscht?

    Das Autorenteam unterstreicht, dass ein Südtiroler Staat nur als gemeinsame Anstrengung aller hier lebenden Sprachgruppen gelingen kann. Ein unabhängiges Südtirol soll und muss allen offenstehen und zur Heimat werden.

    Kann Südtirol Staat? ist ein Blick in eine vielleicht gar nicht so entfernte Zukunft. Die Idee zu dieser Publikation entstand vor fast zehn Jahren, als die Regionalregierungen in Schottland und Katalonien in Weißbüchern wichtige Fragen zur Unabhängigkeit einfach und verständlich erklärten.

    Kann Südtirol Staat?
    Noiland (Hrsg.)
    Bozen, 2023 – UVP € 19,90
    ISBN 979-12-210-0918-7
    www.noiland.org

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 09



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  • Ist die Südtiroler Volkspartei am Ende?
    Vor dem »Konkurs«


    Die Regierungspartei ist nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Abstimmungen im Landtag werden zu Zitterparteien, weil die SVP geschrumpft, weil die »Mehrheit« knapp ist und weil die eigenen Reihen nicht geschlossen sind. Im Gegenteil, manche warten nur darauf, Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) eines auszuwischen.

    Die einst mächtige und erfolgreiche Sammelpartei, ein Auslaufmodell? Bei den Landtagswahlen 2023 rutschte die SVP historisch tief nach unten, unter 35 Prozent. Darauf reagierten auch deutsche Medien überrascht.

    Die Streitereien unter den »Freunden im Edelweiß«, zwischen den Kompatscher-Gegnern und der kleinen Gruppe um Kompatscher sowie der Zwist zwischen Parteiobmann Philipp Achammer und dem Landeshauptmann steuerten die SVP in die politische Sackgasse. Die Kompatscher-Feinde haben sich nach den dürftigen Ergebnissen der Landtagswahl durchgesetzt, der Wahlverlierer Bauernbund ist wieder Taktgeber und die Koalition mit der harten Rechten, von den Freiheitlichen bis zu den Fratelli, stellt den Landeshauptmann politisch bloß — der König ist nackt.

    Die SVP ist wieder abgerutscht, es begann schon bei der letzten Landtagswahl mit Luis Durnwalder als Spitzenkandidat (2008) und setzte sich mit seinem Erben Kompatscher fort. Drei Landtagswahlen, bei denen die Partei weit unter die 40-Prozent-Marke rutschte.

    Achammer zog seine Konsequenzen und kündigte den Rückzug von der Obmannschaft an. Das keineswegs harmonische Duo Achammer-Kompatscher steht nur mehr einer 13-köpfigen, überschaubaren »Truppe« vor, die zwar immer noch die größte im Landtag, aber nur mehr mit Prothesen gehfähig ist.

    Nur mehr ein Bewerber

    Plötzlich war die Obmannschaft verwaist, das Interesse, Achammer zu beerben, war nicht gegeben. Das sagt viel über den Zustand der Partei aus, die nur mehr ein Dachverband für Interessengruppen ist, die sich das Land unter sich aufteilen. Die Klammer scheint verlorengegangen zu sein, ebenso die politischen Konzepte und Perspektiven sowie der Anspruch, tatsächlich »das Volk« vertreten zu wollen. Hat sich die Partei aufgegeben?

    Zaghaft ließ Kompatscher die SVP wissen, dass er sich für die Obmannschaft zur Verfügung stellen würde. Zehn Jahre zu spät. Nach dem Ausscheiden von Luis Durnwalder hätte Kompatscher wie sein Vorvorgänger Silvius Magnago die Parteiobmannschaft übernehmen sollen. Eine Kandidatur aus der Not heraus, wenig überzeugend, kaum mitreißend.

    Kompatscher hatte Glück, dass einer aus seinem weiteren Kreis, der Kammerabgeordnete Dieter Steger, auch sein Interesse formulierte, auf Philipp Achammer folgen zu wollen. Glück deshalb, weil Kompatscher und seine Partei »fremdeln«, die Parteistrukturen von den traditionellen Kräften und Seilschaften dominiert werden und inzwischen in ihrer Zusammensetzung anders aussehen als die Wählerinnen und Wähler der Volkspartei.

    Die Partei verweigerte sich dem Wandel im Land, einem Wandel, den die SVP auch mit ihrer Politik angestoßen hatte. Laut dem ehemaligen Landtagsabgeordneten der Grünen und Historiker Hans Heiss sorgte die neue Autonomie ab 1972 für einen Modernisierungsschub. Der auch zur Auflösung des »Volkskörpers« der SVP führte. Ein Teil des Volkes der Volkspartei verließ die SVP, die Aufregung in der Partei darüber scheint sich in Grenzen zu halten.

    Ein Blick weit zurück, in die Elendsjahre: Der langjährige SVP-Obmann Silvius Magnago blieb lange unangefochten. In den 1960er Jahren, weil er mit österreichischer Schützenhilfe im Hintergrund gekonnt die Verhandlungen mit der italienischen Regierung führte, aber genauso in den 1970er und folgenden Jahren, weil er aus dem Paket das Zweite Autonomiestatut formte und dieses Stück für Stück mit seinem Unterhändler und Vize Alfons Benedikter umsetzte.

    Sein Nachfolger Luis Durnwalder verzichtete auf die Obmannschaft, erdrückte er doch mit seinen zehntausenden Vorzugsstimmen seine Partei und ihre Strukturen. Die SVP war nicht mehr das Schwert des Landeshauptmannes wie einst unter Magnago, sondern sein Wahlverein. Durnwalder kümmerte sich wenig darum, wer an der Spitze der Partei stand.

    Schon in seiner Ära schrumpfte die Zahl der Parteimitglieder, aber noch überschau- und verkraftbar. 2012 zählte die SVP nach einem Minus von 3 Prozent noch mehr als 50.000 Eingeschriebene. Zwei Jahre später betrug der Rückgang erschreckende, satte 30 Prozent. Damals wurden wegen Untätigkeit zehn Ortsgruppen aufgelöst. 2022 waren es dann nur mehr 23.000 Mitglieder. Ein historischer Tiefstand, schlagzeilte Salto. Innerhalb weniger Jahre liefen der Volkspartei die Hälfte der Eingeschriebenen weg. Im fernen Jahr 1991 konnte die SVP noch auf 80.000 Mitglieder verweisen. Mit diesem Schrumpfen ging auch der Verlust an Wählenden einher. Die Titanic sinkt, unaufhörlich.

    Mit harten Bandagen

    Luis Durnwalder hatte seinen Vorgänger Silvius Magnago bereits als Landeshauptmann abgelöst, nicht aber als Parteiobmann. Der langjährige Parlamentarier Roland Riz übernahm nach Magnagos Rücktritt die Obmannschaft.

    Im Jahr 1991 mussten die Stellvertreter neu gewählt werden. Gleich fünf bewarben sich für drei Parteijobs: Luis Durnwalder, Franz Grießmair, Siegfried Messner, Ferdinand Willeit und Hubert Frasnelli. Gewählt wurden Durnwalder, Messner und Willeit. Frasnelli fiel durch. Der engagierte Arbeitnehmer ging unter, weil der Traminer Deutschnationale Werner Micheli vier Stimmen für Frasnelli nicht in die Wahlurne warf. 1995 verurteilte die Partei Micheli, 1996 nach einer Anzeige von Frasnelli das Bezirksgericht Meran. Mit einer Straftat verhinderte also 1991 ein Stimmzähler Frasnellis Einzug in die Parteiführung.

    Im Jahr 1992 trat Roland Riz als Übergangsobmann zurück. Mehrere Kandidaten bewarben sich für die Obmann-Nachfolge, darunter Siegfried Brugger, Franz Pahl, Hubert Frasnelli, Oswald Schiefer, usw. Zwei rockten regelrecht die Landesversammlung, der »Stahlhelm« Pahl mit scharfen ethnischen Tönen, nicht weniger dezidiert Frasnelli, der für eine soziale Autonomie warb.

    Siegfried Brugger und die anderen Mitbewerber fielen mit ihren Bewerbungsreden nicht sonderlich auf. Martha Ebner, die eine Bozner Ortsgruppe im Kursaal in Meran vertrat, lobte Frasnelli für seine visionäre Rede. Hätte man sich nicht vorher auf Brugger festgelegt, würde sie für Frasnelli stimmen, sagte sie sinngemäß. Das System hatte sich aber auf Brugger festgelegt, schreibt Hubert Frasnelli in seiner bitterbösen Abrechnung Die Herrschaft der Fürsten, Macht, Zivilcourage und Demokratie in Südtirol.

    Brugger siegte und blieb bis 2004 an der Spitze der Partei. Später folgten noch Elmar Pichler-Rolle, der sich gegen Dieter Steger durchsetzte, Richard Theiner und Philipp Achammer, der seit zehn Jahren die Partei führt. Bei diesen Wahlen standen immer mehrere Kandidaten zur Auswahl, es gab also das Interesse, Obmann der Volkspartei zu werden.

    Das scheint der Vergangenheit anzugehören. Nur mehr ein Kandidat bewirbt sich um die Achammer-Nachfolge, Parlamentarier Dieter Steger. Er soll sich, so ein Vorwurf, wenig um den eigenen Bezirk Bozen Stadt und Land kümmern. Ein dürftiges Zeugnis für die Obmannschaft der Gesamtpartei.

    Steger, der Konkursverwalter?

    In einem Stol-Interview sagte Steger, dass sich niemand um den Job reiße. Kein Wunder, das einst riesengroße Vertrauen in die SVP ist dahin. Steger traut sich aber zu, Vertrauen wieder zu gewinnen: »[…] das ist machbar, auch wenn wir alle wissen, dass es 5 vor 12 ist. Wir müssen endlich aufhören mit den internen Streitereien und Grabenkämpfen. Wir müssen wieder zusammenstehen«, appelliert Steger im Stol-Gespräch an seine Partei.

    Es ist inzwischen wohl 5 nach 12. Warum soll die Partei zusammenstehen, wenn man mit den ehemaligen politischen Feinden koaliert? Die Parteichefin der einstigen Feinde, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI), kommt in Südtirol gut an. Die Autonomie – wenn auch löchrig genug – wird als normal und selbstverständlich und nicht mehr als ein anzustrebendes Ziel empfunden.

    Der Politikwissenschaftler Günther Pallaver kam in seiner kritischen Betrachtung der SVP schon vor Jahren zum Schluss, dass sich die SVP-Bilanz sehen lassen kann. Es scheint, ihr eigener Erfolg ist der SVP auf die Füße gefallen. Der Erfolg macht sich angesichts der Wahlergebnisse überflüssig.

    Wird also der künftige Parteiobmann so etwas wie ein Konkursverwalter sein, der das einstige Erfolgskonzept nur mehr abwickelt? Die SVP, ein Fall für den Mistkübel der Geschichte?


    Autor:innen- und Gastbeiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung oder die Position von BBD wider, so wie die jeweiligen Verfasser:innen nicht notwendigerweise die Ziele von BBD unterstützen. · I contributi esterni non necessariamente riflettono le opinioni o la posizione di BBD, come a loro volta le autrici/gli autori non necessariamente condividono gli obiettivi di BBD. — ©


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  • Reisepässe: Landesbedienstete für die Polizei.

    Autor:a

    ai

    |

    0 Comentârs → on Reisepässe: Landesbedienstete für die Polizei.

    Ende November letzten Jahres hatte die italienische Verbraucherinnenorganisation Altroconsumo das Ergebnis einer Recherche veröffentlicht: Demnach sei die Reisepasserneuerung in Italien nicht nur — im Vergleich mit anderen europäischen Ländern — sehr teuer, sondern auch noch mit unverhältnismäßig langen Wartezeiten verbunden. In sechs von 17 Städten, in denen der Verein entsprechende Erhebungen durchgeführt hatte, gab es überhaupt keine freien Termine, um an einen Reisepass zu gelangen. Unter den elf Städten mit verfügbaren Slots war Bozen nach Venedig jene mit der längsten Wartezeit: knapp acht Monate allein, um den Antrag stellen zu können, zuzüglich Ausstellungszeit.

    Nun will das Land Südtirol der Staatspolizei Bedienstete und Geld zur Verfügung stellen, um den kollabierenden Dienst irgendwie zu retten. Das ist einerseits sinnvoll, wenn tatsächlich eine Verbesserung erreicht werden kann.

    Andererseits ist dieses Modell unter mehreren Gesichtspunkten fragwürdig: Südtirol ist in Italien Nettozahler und muss dem Zentralstaat trotzdem in immer mehr Bereichen (Justizverwaltung, Post…) selbst unter die Arme greifen, um grundlegende Dienstleistungen mehr schlecht als recht aufrecht zu erhalten. Die diesbezüglichen Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer legislativen und/oder exekutiven Autonomie halten sich dabei aber trotzdem stark in Grenzen. Um nicht zu sagen: sie sind de facto inexistent, Rom bestimmt weiterhin allein, wo es lang geht. Und dies, während der Staat — speziell auch die Polizei — die Südtirolerinnen deutscher Muttersprache als Bürgerinnen zweiter Klasse behandelt (vgl. 01 02) und mitunter auch noch beleidigt.

    Anstrengungen, das verbriefte Recht auf Gebrauch der Muttersprache zu gewährleisten, werden kaum unternommen und führen jedenfalls zu keinem spürbaren Ergebnis. In diesem Kontext auch noch personelle und finanzielle Hilfe zu leisten, grenzt an Selbstverhöhnung.

    Umso mehr, als den Zentralstaat meist keine Sorgen plagen, wenn es darum geht, uns mit nationalistischem Gehabe zu zeigen, wo der sprichwörtliche Hammer hängt.

    Eine zeitlich befristete Unterstützung für einen zentralstaatlichen Dienst kann also sinnvoll sein, wenn sie Bürgerinnen kurzfristig einen konkreten Nutzen bringt. Uns sollte aber auch bewusst sein, dass wir damit immer wieder nur Löcher stopfen, damit das Schiff gerade so nicht untergeht. Wir tragen zur Aufrechterhaltung von dysfunktionalen, im mitteleuropäischen Vergleich katastrophalen Dienstleistungen bei, die Südtirol als Autonomie eigentlich längst selbst übernehmen sollte, um sie den Ansprüchen der Bevölkerung entsprechend zu gestalten.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Vom PD noch weiter nach rechts.

    Autor:a

    ai

    |

    1 Comentâr → on Vom PD noch weiter nach rechts.

    Der PD ist in Südtirol und in Italien immer wieder als nationalistische, autonomiefeindliche Kraft in Erscheinung getreten. Jetzt ist der ehemalige Parteivorsitzende auf Landesebene, Alessandro Huber della Torre di Valsassina, in die Bürgerliste von Angelo Gennaccaro eingetreten.

    Nach der Landtagswahl im Herbst war Huber damit aufgefallen, dass er eine ethnische Einheitsfront der italienischen Kräfte gefordert hatte, die die SVP erpressen sollte, um trotz schlechten Wahlergebnisses einen zusätzlichen Regierungsposten für Politikerinnen der italienischen Sprachgruppe herauszuholen. Als sich dann eine Landtagsmehrheit unter Beteiligung rechtsextremistischer Kräfte abzeichnete, trat er — der regelmäßig Jugendliche nach Auschwitz begleitet — als vehementer Kritiker der Koalition in Erscheinung und unterstützte die Gruppe No Excuses.

    Jetzt also die abermalige Pirouette: Mit dem Eintritt in die Civica wird Huber selbst Teil einer »Grenzpartei«, die auf Landesebene der beanstandeten Koalition angehört und somit für die Reinwaschung und Ermächtigung der neofaschistischen Kräfte entscheidend mitverantwortlich ist.

    Dass es noch krasser geht, machte jüngst Claudio Del Piero vor: Der ehemalige PD-Vizebürgermeister von Brixen trat im Vorfeld der Gemeindewahl unvermittelt Fratelli d’Italia bei — nach reiflicher Überlegung, wie er behauptete. Hoaggl ischs eh nimmer.

    Siehe auch: 01 02



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  • ANPI gegen faschistische Relikte — in Spanien.

    Autor:a

    ai

    |

    0 Comentârs → on ANPI gegen faschistische Relikte — in Spanien.

    Kürzlich hatte ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Regierung von Kastilien und León ein Mausoleum der italienischen Faschisten — die Pirámide de los Italianos — unter Schutz stellen hat lassen. Es handelt sich dabei um den offenen Versuch, das Bauwerk den spanischen Bestimmungen im Umgang mit faschistischen Relikten zu entziehen, deren Anwendung zu seinem weiteren Verfall oder womöglich gar zu seiner Beseitigung führen würden.

    Nun hat sich auch der italienische Partisaninnenverband ANPI über seine Delegation von Bari, die enge Kontakte zur spanischen Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica (ARMH) pflegt, zu Wort gemeldet. Das ANPI kritisiert dabei die Unterschutzstellung vehement, da sie einem Bauwerk, das die Propaganda faschistischer Regimes verkörpere, einen unangemessenen Wert beimesse.

    Politiker von Fratelli d’Italia würden ferner mit ihrer Genugtuung über die Rettung der Pyramide beweisen, dass sie die Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit ablehnen und dieses Erbe sogar aktiv für sich beanspruchen.

    Faschistische Relikte in Südtirol, wie das sogenannte Siegesdenkmal in Bozen, das Alpini-Denkmal in Bruneck oder die Beinhäuser von Burgeis, Gossensaß und Innichen stehen seit langem unter staatlichem Schutz. Sie werden mit reichlich öffentlichen Mitteln instand gehalten und sind nach wie vor Gegenstand bejahenden Gedenkens.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05



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  • Sellner-Vannacci: Hass im Bündel.

    Autor:a

    ai

    |

    1 Comentâr → on Sellner-Vannacci: Hass im Bündel.

    Beim Antaios-Verlag des Rechtsextremisten Götz Kubitschek gibt es neuerdings ein »interessantes« Sonderangebot: Wer die Bücher Remigration von Martin Sellner und das ebenfalls bei Antaios in deutscher Sprache erschienene Verdrehte Welt des italienischen Generalmajors Roberto Vannacci im Doppelpack bestellt, kann 4 Euro sparen:

    Bildschirmfoto der Antaios-Website – Querbalken von mir

    In der Südtiroler Politik haben beide Extremisten ihre Fans und Verbündeten: Während sich Sellner neulich mit dem Landtagsabgeordneten Jürgen Wirth Anderlan in Wien getroffen hat, steht Vannacci bei Matteo Salvini (Lega) auf der Wunschliste der möglichen EU-Wahl-Kandidatinnen weit oben. Die Lega ist sowohl staatsweit als — dank SVP — auch in Südtirol Teil der Regierungsmehrheit.

    Trotz des Eklats und der massiven Proteste, die Sellners Treffen mit deutschen Rechten in Potsdam ausgelöst hat, liebäugelt auch die inzwischen immer weiter nach rechts abgedriftete STF mit seinen offen rassistischen Thesen.

    Der ehemalige Sprecher der Identitären Bewegung in Österreich wurde vorgestern übrigens von der Aargauer Kantonspolizei »remigriert« und mit einem zweimonatigen Einreiseverbot in den Kanton belegt, als er in Tegerfelden einen Vortrag hielt. Schon im Vorfeld der Veranstaltung soll die Zürcher Kantonspolizei bei den Bundesbehörden interveniert haben, um eine generelle Einreisesperre gegen Sellner zu erwirken. Seit 2018 gilt in Großbritannien, seit 2019 auch in den USA ein Einreiseverbot für den Extremisten. In Deutschland wurde eine ähnliche Maßnahme diskutiert.

    Anders als der Aargau hat Südtirol leider keinerlei Zuständigkeiten für eine Abweisung oder ein Einreiseverbot.

    Generalmajor Vannacci wurde nach Veröffentlichung seines Buches zuerst als Leiter des Militärgeographischen Instituts abgesetzt, im letzten Dezember aber schon wieder zum Generalstabschef der operativen Landstreitkräfte ernannt. Im Februar wurde er wegen Verletzung des militärischen Neutralitätsgrundsatzes bei halbierter Entlohnung für knapp ein Jahr vom Dienst suspendiert und veröffentlichte im März ein weiteres Buch.1Titel: Il coraggio vince. Gleichzeitig erhielt er Unterstützung von der Lega.

    Siehe auch: 01

    • 1
      Titel: Il coraggio vince.


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