In ihrer Strategie, die deutsch-italienische Achse zu sprengen, setzte die englische Regierung auf Südtirol.
Im April 1938 hatten sich als Touristen getarnte Agenten des englischen Secret Sercive (sic) nach Südtirol begeben und sowohl dem Deutschen Verband [s. Wikipedia] als auch dem VKS (Völkischer Kampfring Südtirols), der 1934 gegründeten, nationalsozialistisch ausgerichteten Untergrundorganisation, den Vorschlag unterbreitet, ihnen bei terroristischen Aktionen gegen das faschistische Regime behilflich zu sein. Viel bedeutsamer war allerdings das explizite Angebot, die Südtiroler voll und ganz zu unterstützen, falls diese bereit wären, gleich wie die Sudetendeutsche Partei Henleins das Selbstbestimmungsrecht zu fordern.
Die NS-Ideologie des VKS und die damit verbundene absolute Unterordnung unter das Führerprinzip somit auch unter die von Deutschland betriebene Achsenpolitik, aber auch das Schweigen des Deutschen Verbandes, führten dazu, dass dieses Angebot mit ausdrücklichem Bezug auf die »Rücksicht auf die politischen Notwendigkeiten des Reiches« abgelehnt wurde.
Der Umstand, dass die politische Führung Südtirols dieses englische Angebot ablehnte, bedeutete allerdings nicht, dass Großbritannien diese politische Perspektive endgültig begrub. Auf Grund des Unmuts und der Unsicherheit in Südtirol, die sich vor und nach dem unmittelbaren Bekanntwerden der Umsiedlungsvereinbarungen zwischen Italien und Deutschland breitgemacht hatten, schien England verstärkt die Möglichkeit geortet zu haben, nochmals die Karte Südtirol einzusetzen.
Zu Ostern des Jahres 1939, so berichtet der deutsche Generalkonsul in Mailand, Otto Bene, sei angeblich von englischer Seite nochmals das Angebot unterbreitet worden, »die Südtiroler Volksgruppe beim Völkerbund als Minderheit anzumelden und ihre Forderung nach kultureller Autonomie bis zum Selbstbestimmungsrecht zu unterstützen.«[…]
Ein reibungsloses Funktionieren der Achse [zwischen Rom und Berlin] hing aber nach Meinung Englands und Churchills wesentlich von der Lösung des Südtirolproblems ab.
Churchill versucht […] die ideologischen Widersprüche Hitlers auszuspielen, wenn er diesem vorwirft, entgegen den völkischen Grundsätzen des Nationalsozialismus ohne Skrupel bereit zu sein, die »Heimat des Patrioten Hofer«, wie er 1946 Südtirol im englischen Unterhaus nannte, als Preis für seine Bündnispolitik mit Italien zu zahlen […].[…]
Vielleicht wäre die Südtirolpolitik nach Kriegsende anders verlaufen, wenn die politische Führung des Landes, statt eine Option zwischen dem »Gauner Hitler« und dem »Idioten Mussolini« zu akzeptieren, das englische Angebot bezüglich einer Selbstbestimmung nicht abgelehnt hätte.
Günther Pallaver, TAZ, 11. Jänner 2013
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