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Die merkwürdige Haltung der VP.

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Ob und inwiefern Cossigas Selbstbestimmungsvorschlag ein Gewinn für Südtirol gewesen wäre, bleibt schwer ermittelbar. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hätte die Initiative eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Außerdem beruht das Ansinnen auf gestrigen Sichtweisen und bricht aus dem »nationalstaatlichen« Denken, einem Muster des vorletzten Jahrhunderts, nicht aus.

Nicht zuletzt wäre die Genehmigung der Vorlage durch das Parlament wohl sehr unwahrscheinlich gewesen. Doch gerade deshalb ist zweifelhaft, ob es da lohnt, sich im vorauseilenden Gehorsam zu distanzieren.

Bemerkenswert und geradezu erschütternd sind — und darum geht es hier — die in diesem Zusammenhang von der Sammelpartei vorgebrachten grundsätzlichen Argumente, die zum Teil recht arg nach Machterhaltung oder Ahnungslosigkeit gen Himmel stinken und gleichzeitig auch einen seriösen Einsatz für die Unabhängigkeit nachhaltig schädigen könnten:

Das Recht auf Selbstbestimmung sei im Völkerrecht verankert, heißt es da, dessen Aufnahme ins nationale Recht sinnlos, ja kontraproduktiv.

Dabei ist diese juridische Redundanz gerade in Ländern, die Volksbefragungen zur Unabhängigkeit bereits erlauben — wie etwa Kanada (Québec) — gang und gäbe. Es kann eine Berufung auf internationales Recht geben; ausschlaggebend ist jedoch in gefestigten, westlichen Demokratien zumeist das innerstaatliche Recht. In diesem Falle sieht die kanadische Rechtsordnung die Möglichkeit einer Abspaltung konkret vor und reglementiert sie.

Eine juridische Grundlage für die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung gibt es in Italien derzeit nicht. Cossigas Vorlage — wie auch immer man zu ihr steht — hätte die Selbstbestimmung ins italienische Grundgesetz geholt. Sozusagen eine »Durchführungsbestimmung« des internationalen Rechts, welches bekanntermaßen nicht selten ein zahnloser Tiger bleibt, so es von den Staaten nicht ernstgenommen, umgesetzt, angewandt wird.

Nun kann die SVP in diesem Sinne gegen Cossigas konkreten Vorstoß sein, nicht aber prinzipiell — und glaubwürdig — gegen eine Festschreibung des Selbstbestimmungsrechtes in der Verfassung, was sie jedoch seit einigen Wochen geradezu gebetsmühlenartig zu verstehen gibt!

Nur am Rande fällt ein weiterer Widerspruch auf, der den Verdacht des politischen Opportunismus erhärtet: Stichwort Schützenpetition. Warum sollte man bitte einen Verweis auf die Selbstbestimmung in die österreichische Verfassung aufnehmen, nicht aber in die italienische, also jene, die uns unmittelbar betrifft? Wovor fürchtet sich die Sammelpartei?

Eine Erklärung bleibt sie schuldig!



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Comentârs

8 responses to “Die merkwürdige Haltung der VP.”

  1. elmar pichler rolle avatar
    elmar pichler rolle

    Wie immer holen die Medien Stellungnahmen von zahlreichen SVP-Exponenten ein oder – umgekehrt – SVP-Exponenten geben “freiwillig” Erklärungen gegenüber den Medien ab. Das ist des Guten einige Male gewiß zu viel, aber daran ist eben noch zu arbeiten seitens der Partei bzw. vor allem ihrer Führung. In einer Welt, die auch in Südtirol jeden Tag ein neues (oder altes) Thema als Schlagzeile haben will, ist es eben so. Jedenfalls habe ich als Obmann für die SVP offiziell Stellung genommen. Dabei habe ich, wenn ich mich recht erinnere, nie argumentiert, dass wir prinzipiell gegen den Vorstoß von Senator Cossiga sind. Im Gegenteil. Ich habe gesagt, dass wir mit Cossiga Kontakt aufnehmen möchten – und ich hoffe, dass dies in der Tat bald möglich sein kann. Ich habe weiters gesagt, dass wir die Lage genau prüfen werden, und zwar auch die juridisch-politische Entwicklung. Es mag sein, dass einige SVP-Politiker festgestellt haben, dass wir nicht auf die Zustimmung Italiens angewiesen sind, um das Selbstbestimmungsrecht ausüben zu können. Ähnlich haben aber auch österreichische Stellen auf die Schützenpetition reagiert (“nicht erforderlich, weil international geregelt…”). Wir haben diese Sache, so viel möchte ich an dieser Stelle sagen, keinesfalls als Hirngespinst Cossigas ad acta gelegt und es gibt ja ständig neue Entwicklungen (Maxiregion Lombardei-Venetien zum Beispiel). Wir beraten derzeit intern und wir werden nicht nur mit Cossiga das Gespräch suchen. Aber wir müssen uns gut vorbereiten, wenn wir in diese Diskussion einsteigen. Dann ist ein Chor aus vielen Stimmen, so positiv dies auch immer sein mag, nicht zielführend. In diesem Sinne bis bald.

  2. Valentin[o] avatar

    Le frasi dell’Obmann della Svp mi sembrano un ottimo punto di partenza per una discussione sulla Autodeterminazione senza eccessi, come invece si è finora fatto da più parti. Mi aspetterei prese di posizioni più decise non solo dalla SVP ma in particolare dai Verdi (quelli multietnici, non quelli delle ultime tornate elettorali) e (perchè no) da un partito cosiddetto “italiano”, che si prenda il coraggio di discutere sull’argomento Selbstbestimmung con cognizione di causa, senza isterismi e soprattutto non avendo il timore di perdere voti (eterna fobia della Sinistra locale).
    Che siano i DS/Linksdemokraten? Non credo, aimè (vedi Margheri). Il Partito Democratico? Lo spero ma sarà  una cosa seria? O solo una risposta locale a Benussi?

    Un’altra cosa. Mi auguro che, come dice Elmar Pichler Rolle, non si coinvolgano interlocutori inaffidabili quanto Cossiga ma si apra un vero confronto tra la Svp e gli alleati “italiani” a Bolzano/Bozen e a Roma (chi lo sa: magari Prodi si rivela un nuovo Zapatero… molto improbabile…), nonchè con il proprio stesso elettorato che, ricordiamolo, non è composto soltanto da contadini filo-austriaci (pochi a dire il vero) bensì ladini, mistilingui, sudtirolesi socialdemocratici e progressisti (in crescita), imprenditori liberali ecc.
    Un universo che va ben oltre gli Schuetzen, l’Heimatbund e altre componeneti pseudo-destrose che vogliono l’autodeterminazione senza se e senza ma. Rivolgersi agli scettici senza teorie intellettualistiche (:-) e pregiudizi di sorta non sarebbe affatto un male.

    Ciao pérvasion e Buona Estate.
    arrivederci a tutti su queste ed altre piattaforme.

    Valentino Liberto

  3. M.Taibon avatar

    ed io invece penso che la risposta di Elmar sia piuttosto debole, anzi, la ritengo debolissima; non perché io non sia d’accordo, ma per il fatto che la risposta è troppo evasiva. “Um den Brei herumreden”. Nient’altro.

    E aggiungo: lui che pochi mesi fa parlava cosà­ fieramente del diritto all’autodeterminazione di un popolo, fino ad oggi non ha mai preso in considerazione che i ladini sono un popolo e non una frange del popolo tedesco (ideologia abbastanza diffusa nel suo partito) e che dunque non il Sudtirolo, ma le valli tedesche avrebbero il diritto all’autodeterminazione, sì, ma anche quelle ladine – separatamente.

    ebbè, ci sarà  occasione di discuterne, a patto che lui quando mi vede non faccia finta che io non ci sia, perché è una battuta un po’ troppo da goffo. “Chi ha visto Taibon”. Elmar, e in tante cose ti dico:
    “Kehr vor Deiner eigenen Tür”.

    herzlich
    Mateo Taibon

  4. pérvasion avatar

    Obschon ich grundsätzlich der Meinung bin, dass die Ladiner – wie jedes Volk – ein Recht auf Selbstbestimmung haben, glaube ich nicht an die trennende Lösung einer Unabhängigkeit der »deutschen Täler«, der »italienischen Städte« oder der »ladinischen Dolomiten«. Das ist die alte, m. E. überholte Doktrin, die sich auch im Wortlaut des Cossiga-Vorschlags wiederfindet. Und im Völkerrecht. Unserer Zeit – und speziell unserem Land – wird sie nicht gerecht.

    Dessen ungeachtet müssen die Rechte der Ladiner entschieden gestärkt werden.

  5. M.Taibon avatar

    ja und nein.
    Wenn Pichler Rolle das Recht eines Volkes beschwört, dann muss er auch das Recht der anderen anerkennen – hat er bisher nicht getan.
    Der Grundfehler ist aber der, dass Pichler Rolle wie viele andere das Selbstbestimmungsreicht als ein ethnisches Recht der Deutschen ansehen – und nur der Deutschen.
    So reif, von einem Recht auf Eigen-Regie einer Territoriums zu sprechen, ist man noch nicht. Damit wäre man freilich beim Modell der viersprachigen Schweiz. Und so gesehen gebe ich pérvasion uneingeschränkt Recht.
    Nur: die Idee der ethnischen Hegemonie des Deutschtums, das über die anderen im Land entscheidet, entspringt einem höchst nationalistischen Geist bzw. Ungeist.

  6. schneeflocke avatar
    schneeflocke

    Auch um diesen interessanten Blog aus seiner Sommerlethargie zu erwecken, möchte ich kurz meine Interpretation des bisherigen Diskussionsverlaufes auf den Punkt bringen:

    Während einige, immer weniger werdende “former south tyroleans” nostalgische Gründe für die “Rückkehr” nach Österreich bzw. “Tiroler Wiedervereinigung” hegen und vor allem ethnisch-national(e)istische Argumentationen ins Feld führen, so liegt für mich der Charme des katalanischen Projektes in seiner Rationalität: Die Autonomie/Eigenstaatlichkeit führt zu Vorteilen für die gesamte Region (auch unabhängig von der “Ethnie”).

    Um es für former south tyrol deutlich zu formulieren: Jede ethnisch interpretierte Form der Selbstbestimmung (i.S. einer Rückkehr/Wiedervereinigung) dürfte an den emotionalen Barrieren scheitern bzw. wäre nur für verschwindend geringe Bevölkerungsteile eine erwünschte Option.
    Ein rationaler Diskurs, der ethnische/national(e)/istische Elemente ausschließen muss, könnte zu einer Erweiterung der Handlungsoptionen führen. Rational wäre es aus meiner Sicht, die ökonomischen und politischen Vorteile eines eigenständigen former south tyrols ins Feld zu führen.

  7. Étranger avatar
    Étranger

    “Ein rationaler Diskurs, der ethnische/national(e)/istische Elemente ausschließen muss, könnte zu einer Erweiterung der Handlungsoptionen führen. Rational wäre es aus meiner Sicht, die ökonomischen und politischen Vorteile eines eigenständigen former south tyrols ins Feld zu führen”.

    Non mi pronuncio sulla possibilità  di aumentare i vantaggi economici, ma sui vantaggi politici ho dei dubbi. In ST la politica è interamente basata su interessi di gruppo, una sospensione delle linee di frattura che dividono la popolazione nei gruppi oggi riconosciuti porterebbe senz’altro ad una riformulazione dello scenario politico, ma probabilmente il primo frutto di questa riformulazione sarebbe “amaro” (ad esempio a causa di una massiccia perdita della rendita assicurata dal criterio della rappresentanza etnica).

  8. schneeflocke avatar
    schneeflocke

    “Non mi pronuncio sulla possibilità  di aumentare i vantaggi economici, ma sui vantaggi politici ho dei dubbi.” Why not? Südtirol passt weder in das italienischen N-E-Modell noch in die sozioökonomische Realität der österreichischen Bundesländer (vielleicht am ehesten zu Kärnten, weniger zum bayernzentrierten N-Tirol). Oder positiv formuliert: Südtirol verfolgt – aus den Gründen, die Du auch andeutest – ein relativ eigenständiges sozioök Entwicklungsmodell. “Lobbyistische” Entscheidungen haben sich bisher stets als Vorteil erwiesen. Nur wenige Beispiele: Die starke Subventionierung der Bauern entstand auch aus ethnischen Gründen, hat aber zu einer starken Stellung des ländlichen Raumes in ST geführt. Im Vergleich mit den umliegenden italienischen Regionen schneiden wir diesbezüglich ungleich besser ab. Ähnlich mit dem Handwerk, dem Tourismus, dem technischen Umweltschutz, dem öffentlichen Dienst, etc. etc. Chi più ne ha, più ne metta. Ich gebe Dir recht, dieser Politikstil stößt zunehmend auf Grenzen und produziert vor allem soziale und ökologische Fehlentwicklungen. Ergebnis ist jedenfalls ein einzigartiges Entwicklungsmodell, das sich Innovationen öffnen muss.
    Und hier schneiden aus meiner Sicht die nördlichen Nachbarn bedeutend besser ab als die Freunde im Süden: Italien hat etwa im Unterschied zu Ö die mitteleuropäische Öffnung verschlafen, die italienischen Infrastrukturen (wirtschaftspolitischer wie technischer) sind in keinem Bereich mit den ö vergleichbar (ja, ja, mein Zweitlieblingsthema Eisenbahn). Warum soll dies bei allem Respekt vor Italien, immerhin der fünften oder sechsten Wirtschaftsmacht der Erde, nicht thematisiert werden? Ein eigenständiges Südtirol könnte auch ökonomisch seine Mittlerposition verstärkt nutzen und sich wirklich als authentische “Magie der Vielfalt” positionieren.
    Durch unsere geografische Lage sitzen wir bereits in einer Renditeposition.

    Ökonomische Wandlungsprozesse brauchen ein solides soziales Fundament. Auch hier würde ich eher nach N (oder W) denn nach S blicken: Die governamentalen, sozialen und organisatorischen Innovationen sind aus meiner Sicht beachtenswert: Es muss nicht Mailand mit Wien verglichen werden, aber ein Vergleich zwischen Ibk mit BZ und TN ist zulässig. Auch in den beiden Nachbarstädten leben “konservative” Leute, auch dort gibt es “zementierte Machtpositionen”, dennoch entsteht viel Neues.

    Der Verlust von Renditepositionen (weniger für die BürgerInnen, aber mehr für politische Gruppen) ist zweifellos ein Ergebnis der Selbstbestimmung, wie sie in diesem Forum andiskutiert wird. Und deshalb wohl auch der Grund, dass sich “üblichen bekannten” politischen Akteure im Zweifel für die “dynamische Autonomie” entscheiden.

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