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Zwischen Nationalismen.

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Leserbeitrag von Libertè

Norden und Süden,
Stadt und Landschaft,
Deutschland und Italien,
all diese scharfen Kontraste
gleiten sanft ineinander.
Selbst das Feindlichste scheint
hier gesellig und vertraut.

— Stefan Zweig in ‘Herbst Winter 1913’

So heißt es in der weit verbreiteten und schon etwas alten Broschüre »Die Magie der Vielfalt – Südtirol«.
Herbst Winter war damals in der Meraner Gegend, zu der Zeit lag diese in der Mitte Tirols, Italien war weit weg und Deutschland auch.
Doch was sagt uns das, wenn der SMG nichts besseres einfällt, als dieses Gedicht? Es ist der verzweifelte Versuch, sich an zwei Dinge anzupassen, die man nicht ist: Italiener/Deutscher. Wenn man auf Südtiroler Websites unterwegs ist, begegnen einem überall bundesdeutsche Fähnchen, ist man jedoch auf österreichischen Seiten sieht man österreichische. Sind wir jetzt endgültig mehr deutsch als österreichisch, müssen wir uns überhaupt noch abhängig von einem Nationalstaat machen? Ist es gut, dass wir uns immer gegenseitig als Deutsche und Italiener bezeichnen, wobei wir alle eines sind (sofern wir es wollen), nämlich Südtiroler, nur eben mit anderer Sprache?
Nach dem Krieg war hier gar nichts gesellig und vertraut. Unser Ziel sollte sein, dass es hier wieder gesellig und vertraut zugeht. Nicht zwischen Deutschland und Italien, sondern zwischen Deutsch-/Ladinisch- und Italienischsprachigen. Die Kontraste zwischen Deutschland und Italien sind nämlich schon viel geringer geworden, und es ist nicht mehr das Feindlichste, das Feindlichste ist schon lange das festhalten am Status quo und am eigenen Nationalismus. Solange es zu keinem WIR-Gefühl kommt, bleibt friedliches Zusammenleben in ganz Tirol nur ein Traum, es ist die Aufgabe der Südtiroler hier voranzuschreiten, für Europa.


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Comentârs

14 responses to “Zwischen Nationalismen.”

  1. hunter avatar
    hunter

    zu der Zeit lag diese in der Mitte Tirols, Italien war weit weg und Deutschland auch

    ich glaube, dass damit kulturkreise gemeint sind. auch im hoferlied ist vom schmerz deutschlands die rede.

    Wenn man auf Südtiroler Websites unterwegs ist, begegnen einem überall bundesdeutsche Fähnchen, ist man jedoch auf österreichischen Seiten sieht man österreichische.

    das stimmt überhaupt nicht. selbst auf tirol.at wird die deutsche sprachversion mit einer deutschen flagge angezeigt. ich glaube, das hat nichts mit deutschnationalismus oder anbiederung zu tun. es hat sich einfach eingebürgert, dass die deutsche flagge für die deutsche sprache steht. bei englisch ist es ähnlich. da sieht man auch nicht immer die amerikanische sondern meist die englische fahne. ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. ich denke, es hat praktische gründe.

    1. Steffl avatar
      Steffl

      das stimmt überhaupt nicht. selbst auf tirol.at wird die deutsche sprachversion mit einer deutschen flagge angezeigt

      das stimmt m.E. nach sehr wohl, tirol.at ist vielleicht eher die ausnahme. ein beispiel von vielen: bei cineplexx.bz.it war anfangs für deutschsprachig die österreichische flagge angezeigt. nach einwänden (so ein gerücht) von deutsch-und italienischsprachigen südtirolern hat man diese entfernt und mit der deutschland-fahne ersetzt. südtirol hat ein identitätsproblem und besonders ein problem mit seiner jahrhundertelangen geschichte als teil österreichs. diese probleme und deren nicht-lösung werden uns alle eines tages um die ohren gehauen, einen vorgeschmack sieht man im internet bei den “volksprotesten”. man hat es aber auch beim runden tisch mit dem nordtiroler moderator und seinen einblicken in die österr. sichtweise südtirol gegenüber gesehen.

    2. Libertè avatar
      Libertè

      Ich glaube, dass damit kulturkreise gemeint sind. auch im hoferlied ist vom schmerz deutschlands die rede.

      Eben dies ist der Punkt, ist Österreich Deutschland?
      Ich weiß in Nordtirol wird diese Frage von der jüngeren Generation eindeutig mit Nein, beantwortet. Und es würden sich wohl einige am Deutschland aufhängen, wenn dies von der Tiroler Tourismuswerbung genutzt würde.
      Zu den Fähnchen möchte ich sagen:
      -Die Seite tirol.at ist mir bekannt, allerdings handelt sich dabei um eine Seite für den Deutschen Gast. Bei diesen wird meistens diese Flagge benutzt.
      -Bei Seiten für Österreicher wird meist deren Flagge benutzt z.B:
      http://www.mpreis.com/ bzw. bei beiden Zielgruppen (wie im Englischsprachigen Raum) die geteilte z.B http://www.eurotours.at/de
      Der Grund dafür ist das System der Nationalstaaten.
      Es ist genauso praktisch, den Text hinzuschreiben, wenn nicht sogar einfacher.

  2. Hannoveraner avatar
    Hannoveraner

    Die Kontraste zwischen Deutschland und Italien sind nämlich schon viel geringer geworden

    Unsinn. Solange ich mich erinnern kann, waren die Gegensätze noch nie so groß wie heute: wirtschaftlich, finanziell, und insbesondere auch kulturell. Italien ist in Deutschland der Inbegriff für südeuropäischen Schlendrian.

    Südtiroler, Österreicher und Bundesdeutsche sind übrigens alles Deutsche http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche#Die_moderne_deutsche_Nation , oder von mir aus, um es mit Herder zu sagen, Angehörige derselben Kulturnation. Sie sind halt heute nur Staatsangehörige von verschiedenen Nationalstaaten. Jedenfalls haben sie sehr viel mehr miteinander gemein als beispielsweise Engländer mit Schotten.

    Solange es zu keinem WIR-Gefühl kommt, bleibt friedliches Zusammenleben in ganz Tirol nur ein Traum.

    Es gibt kein “Wir-Gefühl” in Europa, dafür sind die Unterschiede zu groß. Ein “Wir-Gefühl” kann nur eine Gruppe entfalten, die etwas gemeinsam hat. Die Sprache, zum Beispiel, ist ein starker Anhaltspunkt. Nicht unbedingt allein zwingend, siehe Schweiz. Aber doch das mE entscheidende Element. Wenn es fehlt, fehlt auch sehr schnell das “Wir-Gefühl”, siehe Belgien, trotz einheitlichem Staatsgebiet und weiteren oberflächlich verbindenden Faktoren.

    1. pérvasion avatar

      Wenn wir Konflikte entschärfen wollen, anstatt sie künstlich anzustacheln, müssen wir m. E. endlich aufhören, Sprachen als Grenzen bzw. als Mittel zur Abgrenzung zu verstehen. Besonders eklatant wird dies in Grenzregionen, von denen es in Europa Hunderte gibt — und ganz speziell in den Alpen, wo sich Sprachräume seit Jahrhunderten überlagern. Wenn wir etwa Südtirol als (nur) deutsch oder (nur) italienisch definieren, sprechen wir gleichzeitig Tausenden das Heimatrecht ab. Ähnliche Vorstellungen haben im letzten Jahrhunderten zu Weltkriegen und in Südtirol zur Option geführt.

      Damit Südtirol erfolgreich werden kann, muss es sich fernab der Nationalismen als mehrsprachige Region definieren, die es seit Jahrzehnten ist. Tirol als Ganzes ist gar seit Jahrhunderten mehrsprachig, ein Selbstverständnis, das die Nationalismen zerstört hatten und das jetzt langsam wieder gedeiht.

      1. Hannoveraner avatar
        Hannoveraner

        und ganz speziell in den Alpen, wo sich Sprachräume seit Jahrhunderten überlagern.

        Insbesondere auf den südlichen Teil Tirols traf das überhaupt nicht deutlich zu, nirgends war die Sprachgrenze des deutschen Sprachraums klarer abgegrenzt als hier, vgl.:

        http://de.wikipedia.org/wiki/Lied_der_Deutschen#Grenzen

        wo es heisst:

        Die deutsche Sprachgrenze war nicht deutlich umrissen, am schärfsten noch in Südtirol aufgrund der klaren Ränder der Gebirgstäler sowie der Salurner Klause.

        Auch heute liegt der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung in machen Tälern tw. bei annährend 100%, z.B im Ahrntal, 98,79%:
        http://www.provinz.bz.it/astat/de/bevoelkerung/439.asp?demographischestruktur_action=4&demographischestruktur_article_id=198728

        Tirol als Ganzes ist gar seit Jahrhunderten mehrsprachig

        Statistisch gesehen nicht unrichtig, wobei seit Beginn der Aufzeichnungen bis zur Trennung Tirols der deutsche Sprachanteil konstant bei 90% lag,

        http://www.provinz.bz.it/astat/de/bevoelkerung/439.asp?demographischestruktur_action=300&demographischestruktur_image_id=288283,

        deutlich höher, als beispielsweise in Schleswig und Holstein. Den Dänen und Friesen, die dort lebten und noch leben, hat aber noch nie jemand ihr “Heimtrecht” streitig gemacht, insofern ist die hier geäußerte Sorge mE unbegründet. Zur Zugehörigkeit zu irgendeiner übergeordneten Gebietskörperschaft haben sich die Menschen dort per Volksabstimmung aber entscheiden müssen.

        Nichts anderes liegt vor den Einwohnern Südtirols, wobei hier noch die Besonderheit einer dritten Möglichkeit besteht, dass sie sich für einen eigenen Staat entscheiden. Insofern, alles Gute auf diesem Weg.

      2. pérvasion avatar

        Um zu behaupten, die Sprachgrenze sei kaum irgendwo so klar definiert gewesen, wie in Südtirol, muss man sämtliche Ladiner — die in ihrem Siedlungsgebiet bis heute eine sehr große Mehrheit stellen — aber auch die Italiener des Unterlandes ausklammern. Eine etwas zweifelhafte Übung.

        wobei seit Beginn der Aufzeichnungen bis zur Trennung Tirols der deutsche Sprachanteil konstant bei 90% lag

        Ich hatte »Tirol als Ganzes« geschrieben, die von dir erwähnten Daten beziehen sich aber nur auf Südtirol in seinen heutigen Grenzen.

      3. fabivS avatar
        fabivS

        Zugewanderte Minderheiten innerhalb Südtirols Grenzen gab es mindestens ab dem XIX Jahrhundert. Da gibts verschiedene schriftlichen Quellen und auch mündlich überlieferte Familienerzählungen. Dies wiederspiegelt sich aber viel weniger in den damaligen Statistiken, denn einerseits war die Assimilierung anscheinend viel unbesorgter als heute, andererseits erklärten sie sich viele doch als Deutsche, wegen politischer Überlegungen.
        Von den Ladinern ganz zu schweigen. Übrigens gab es angeblich noch 1850 Romanischsprachige in Münstertal, die samt Obervintschgau bis im XVIII hauptsächlich romanisch war.
        Noch zu erwähnen ist die Tatsache dass die heut festgestellte südliche Sprachgrenze eine Kristallisierung einer einst viel Flüssigeren Sprachsituation zwischen Trient und Bozen darstellt.
        Doch zwelfelsfrei war und ist die Mehreit der Bevölkerung Südtirols deutschsprachig und es ist gut so. Nun ist es aber sehr erfreulich, dass in den jüngsten Zeiten die verschiedenen Mehr- und Minderheiten einander als Bereicherung sehen; denn es war im XX Jahrhundert, als die Nationalismen stärker waren, fast nie so. Sie können sich leicht vorstellen was dies bedeutete…

    2. Libertè avatar
      Libertè

      Aus besagten Wikipedia Artikel erfährt man aber auch das sich nur 5% der Österreicher als Deutsche bezeichnen, und dein Gedenkengut legt wohl dieser Satz eindeutig fest:

      In Österreich existiert vor allem im “Dritten Lager” ein deutschnationaler Flügel, dessen Anhänger sich als Volksdeutsche sehen.

      Zweig war sehr, schon zu seiner Zeit, für ein geeinigtes Europa. Inwieweit er aber für ein Grossdeutschesreich, war entzieht sich meiner Kenntnis.

      1. Hannoveraner avatar
        Hannoveraner

        Unsinn. Wenn, dann auch bitte vollständig zitieren. Das erklärt dann auch, wie Menschen sich heute gerne bezeichnen.

        Unterstützt durch die erfolgreiche Geschichte der Zweiten Republik ging auch eine eindeutige Abgrenzung gegenüber den Deutschen einher. Dazu trug neben den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus auch die Tatsache bei, dass sich Österreich gegenüber den Besatzungsmächten als “erstes Opfer des Nationalsozialismus” bessere Friedensbedingungen erhoffte.

        Deutsch zu sein ist eben heutzutage nicht populär. Ich bin auch lieber Hannoveraner und sage, die Preussen waren Schuld.

      2. Libertè avatar
        Libertè

        Für mich ist diese Diskussion beendet!

        Deutsch zu sein ist eben heutzutage nicht populär

        Wer denkt dies sei der Grund weshalb sich Österreicher nicht als Deutsche fühlen…

      3. hunter avatar
        hunter

        das österreichische “nation building” war ein sehr komplexer prozess, zu dem viele faktoren beigetragen haben. hier eine freilich ungenügende kurzzusammenfassung:
        im zuge der nationalisierung europas, die den deutschen sprachraum später erfasste als andere, und der niederlage habsburgs, wollte man in österreich nicht unbedingt mit habsburg und dem namen österreich in verbindung gebracht werden und sprang auf den nationalen zug auf. z.b. gab es in tirol eine abstimmung (zweifelhafter natur zwar) bei der sich über 90% für einen anschluss an deutschland aussprachen. bergdeutschland war z.b. einer der namen, unter dem die neue kleine republik firmieren sollte. die erste verfassung wurde unter dem namen deutschösterreich, welchen die alliierten in der folge untersagten, verabschiedet.
        nach dem zweiten weltkrieg änderte sich das bild. deutschland war in der tat nicht mehr so “populär”. der opfermythos trug dann noch das seinige dazu bei, dass man sich in österreich von den bösen deutschen abnabelte. eine art österreichisches nationalgefühl ist dann erst mehrheitlich ab den 1960er-Jahren auszumachen.

  3. Obervinschger avatar
    Obervinschger

    @fabviS: @Hannoveraner & Co.: Ja der obere Vintschgau war sehr lange rätoromanisch, “rumauntsch”, wie wir im Dialekt sagen. So manches Wort, Unwort, Beschreibung hat sich vom rumauntschen in den Dialekt hinübergerettet. Für den genauen Betrachter, für den sehr genauen Beobachter, gibt es Unterschiede im Verhalten und Handeln (Stw. Mentalität) zwischen Unter- und Obervinschgern. Ich will hier nicht den Vinschgau als Talschaft trennen/zerreden aber es ist eben so.
    Ich fühle mich als Tiroler, ja ich bin Angehöriger der deutschen Kulturnation. Zuerst bin ich aber Tiroler. Als Tiroler (von Kufstein bis nach Borghetto), denke ich sollte man sehen, dass Tirol immer mehrsprachig war. Der Nationalismus hat uns Tiroler m.E. nur Schlechtes gebracht. Genau aus diesem Grund sollten wir uns vom nationalen Denken verabschieden und die Politik sollte sich endlich mal anstregen Süd-Tirol aus dem italienischen Nationalstaat zu lösen.

  4. Libertè avatar
    Libertè

    Und sie schlägt wieder zu:
    Die deutsch-nationale Logik http://www.suedtirolnews.it/d/artikel/2014/03/27/rassistischer-fragebogen-in-der-schule.html#.UzQY35KQX9W
    Wieder wird schön zwischen Deutschen und Italienern geredet…

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