Grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie Unschuldsvermutung und Verhältnismäßigkeit stehen in Italien nicht sehr hoch im Kurs. Das ist bekannt. Auch die neueste römische Maßnahme, die seit einigen Tagen für Gesprächsstoff sorgt, ist diesbezüglich keine Ausnahme. Dass jeder, der in seinem Arbeitsbereich mit Minderjährigen in Kontakt kommt, einen Strafregisterauszug beizubringen hat und der Arbeitgeber bei Nichtbeachtung bis zu 15.000 Euro Strafe zahlen muss, mag gut gemeint sein. Zielführend – geschweige denn durchdacht – ist diese Vorschrift jedoch bestimmt nicht. Zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch gibt es effektivere, weniger bürokratische Methoden.
Was in der ganzen Diskussion meist außer Acht gelassen wird, aber gesamtgesellschaftlich noch viel schwerer wiegt als nur dieses eine “dumme Gesetz” (das keines ist, da es sich wieder einmal um ein von der Exekutive verabschiedetes “gesetzesvertretendes Dekret” handelt), ist der erschreckende Dilettantismus, mit dem hier zu Werke gegangen wird und vor allem die Nonchalance, die daraus resultiert.
Die Akzeptanz von Gesetzen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einer davon ist die Verhältnismäßigkeit. Ein anderer die konsequente Exekution. Ein dritter betrifft die Umsetzbarkeit. Wenn die betroffenen Institutionen, Betriebe und Vereine am Donnerstag erfahren, dass sie bis Sonntag die Strafregisterauszüge für ihre Mitarbeiter brauchen, es aber noch nicht einmal klar ist, wer aller einen solchen Auszug benötigt, dann ist das eine bürokratische Hürde, die nicht genommen werden kann. Und selbst wenn man von der Verpflichtung bereits unmittelbar nach Verabschiedung des Dekrets am 4. März 2014 erfahren hätte, so wären die Gerichte – sprich der Staat – wohl nicht in der Lage gewesen, innerhalb so kurzer Zeit die hunderttausenden – wenn nicht Millionen – Auszüge auszustellen. (Könnte man ein Gericht eigentlich verklagen, wenn man trotz nachweislich rechtzeitigen Antrags seinen Auszug nicht fristgerecht bekommt und somit gezwungen wäre, ein Gesetz zu missachten sowie Gefahr laufen würde, 15.000 Euro Strafe zu bezahlen?)
Es wäre spannend gewesen, wenn alle Betroffenen in Italien am Freitag pflichtbewusst die Gerichte gestürmt hätten. Aber das ist freilich nicht passiert. Denn längst hat – verständlicherweise – diese Gleichgültigkeit um sich gegriffen, die einen Sätze wie “Das ist doch Schwachsinn. Und überhaupt. Das geht sich nie aus. Ich warte erstmal ab. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.” sagen lässt. Und so ist einmal mehr von “Aufschub” und “Nachbesserung” die Rede, weil die Vorschrift nicht fristgerecht umsetzbar ist und somit auch nicht mit Inkrafttreten exekutiert werden kann.
Die Konsequenz daraus ist, dass sowohl Gesetzgeber als auch Gesetze nicht mehr ernst genommen werden (können). Einen schlimmeren Befund für einen demokratischen Rechtsstaat kann man sich kaum vorstellen.
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