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Billige Werbeveranstaltung im Palais Widmann.

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Die italienische Ministerin für Verfassungsreformen, Maria Elena Boschi (PD), weilte jüngst aufgrund des Wirtschaftsfestivals in Trient und fand am Montag (6. Juni) Zeit für einen Abstecher nach Südtirol. Dort betonte sie bei einem Auftritt mit Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP), wie herrlich die Zusammenarbeit mit unserem Land funktioniere und dass die Zentralregierung stets zur Beibehaltung unserer Autonomie gestanden habe. Dies war denn auch die große Botschaft: Obwohl viele für eine Abschaffung der Autonomien plädiert hätten, sei die römische Regierung »von Anfang an« für eine Aufrechterhaltung gewesen.

Boschi muss es ja wissen, hatte sie doch — wie zuvor schon der heutige Ministerpräsident Renzi — noch Ende 2014 als Ministerin ein Plädoyer für die Abschaffung aller Autonomien gehalten.

Also: Südtirol muss dankbar sein, weil seine Autonomie zwar nicht ausgebaut, aber immerhin noch beibehalten wurde. Und: In kürze würden auch noch die Durchführungsbestimmungen zu Handel und Jagd erlassen — wovon erstere nichts mehr als die (teilweise) Wiederherstellung einer bereits früher bestehenden Zuständigkeit wäre und zweitere das wenig prickelnde Zugeständnis beinhaltet, dass Südtirol in Abstimmung mit Rom die Liste der jagdbaren Arten festlegen könnte.

Wir treten sozusagen seit Jahren nur noch auf der Stelle und sollten jetzt wohl auch noch jubeln, so wie es Landeshauptmann und Landespresseamt unisono tun.

Kein Wort darüber, dass die Regierung Renzi erst letztes Jahr erneut ein Handelsgesetz des Landes angefochten hat, was es der Aspiag nun erlauben könnte, gegen den Willen unserer Landesregierung ein Mega-Einkaufszentrum in Bozen zu errichten. Kein Wort auch über das Ortsnamengesetz, das dank römischen Widerstandes nach wie vor einer Umsetzung harrt. Nur Friede, Freude und Eierkuchen.

Doch der eigentliche Grund für den ministeriellen Besuch dürfte wohl sowieso ein anderer gewesen sein: Boschi, die uns SüdtirolerInnen schon mal darauf hinwies, dass wir »zuallererst Italiener« sind, war auf Werbetour für das alles entscheidende Verfassungsreferendum. Im Herbst wird darüber abgestimmt, ob Renzis radikal zentralistische Reform von der Bevölkerung angenommen wird oder nicht. Im Falle einer Niederlage will der Ministerpräsident seinen Hut nehmen.

Mit Autonomieschreck … pardon: Autonomiefreund Gianclaudio Bressa im Schlepptau nutzte Ministerin Boschi die Gelegenheit, um im Landhaus Werbung für eine Reform zu machen, die den Interessen unseres Landes diametral entgegensteht. Sie behauptete zwar, dass die Vertretung von Südtirol und dem Trentino im Parlament gestärkt würde, vergaß aber hinzuzufügen, dass diese stärkere Vertretung irrelevant sein wird. Weil das neue Wahlgesetz das Verhältnis von Mehr- und Minderheit so stark verzerrt, wird niemand mehr auf die paar Stimmen aus den beiden autonomen Ländern angewiesen sein — ganz egal, ob es zwei, vier oder zwölf sind.

Ich muss schon sagen: Es ist durchaus legitim, dass eine Regierung für ihre Politik wirbt und auch bei Volksabstimmungen eine klare Position einnimmt. Sie muss nicht neutral sein. Dass unser Landeshauptmann aber widerspruchslos hinnimmt, dass Boschi das Landhaus für ihre zentralistische Propaganda nutzt, ist mehr als nur enttäuschend.

Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07



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Comentârs

7 responses to “Billige Werbeveranstaltung im Palais Widmann.”

  1. G.P. avatar
    G.P.

    Na ja, die Naivität von LH Kompatscher in dieser Hinsicht ist schon seit Langem bekannt und kaum mehr zu überbieten. Und die Medien übernehmen durch die Bank wieder einmal brav den Text des Landespresseamtes …

    1. Tirola Bua avatar
      Tirola Bua

      Naivität ist das falsche Wort. Opportunismus und Arschkriecherei wären da schon geeigneter.

  2. Tirola Bua avatar
    Tirola Bua

    Zum Glück haben wir nur Freunde in Rom.

  3. @schierhangl avatar
    @schierhangl

    ISt die Verfassungsreform eine notwendige Strukturanpassung oder die Abschaffung der Regionen mit Sonderautonomie?
    Die Antwort auf diese Frage kann bisher keiner eindeutig geben.
    Giuseppe Vandai versucht eine Analyse und eine Einschätzung der geplanten Reform
    http://www.flassbeck-economics.de/italien-wie-man-eine-kranke-demokratie-reformiert-teil-1/?output=pdf
    http://www.flassbeck-economics.de/italien-wie-man-eine-kranke-demokratie-reformiert-teil-2/?output=pdf

    Ob die Verfassungsreform auch die Regionen mit Sonderautonomie betrifft, hängt wohl auch davon ab welche Innovationen der Südtirol-Konvent zu bieten hat. Diese Antwort ist Südtirol wohl selber (!!!) schuldig. Wieviel von der Skepsis gegenüber einer Reform ist also Panikmache wie der Fall Flughafen Bozen, wo Angst vor Übernahme durch den NAtionalstaat geschürt wurde?

    “Oltre i capitoli sul superamento del bicameralismo, c’è quello su una nuova visione dei rapporti tra lo Stato e gli enti locali. Spariscono definitivamente le province (escluse ovviamente quelle di Trento e Bolzano) e per le regioni a statuto ordinario è prevista una forte compressione delle competenze legislative. Per le regioni e le province a statuto speciale è prevista invece una sorta di moratoria con la concessione di un anno di tempo per adeguare le proprie carte costitutive alla nuova realtà  nazionale. Per il Trentino Alto Adige, infine, esiste la cosiddetta “clausola di salvaguardia” in base alla quale il nuovo statuto dovrà  essere adottato d’intesa tra Roma, Trento e Bolzano.”

    Maurizio Ferrandi (http://www.salto.bz/article/30052016/chi-e-che-bussa-sto-konvent-uno)

    “Il processo di revisione che nasce a Trento e Bolzano in questi mesi è legato strettamente alla riforma nazionale. Se questa dovesse bloccarsi è molto probabile che anche a livello locale potrebbe avvenire la stessa cosa.”

    Maurizio Ferrandi (http://www.salto.bz/article/30052016/chi-e-che-bussa-sto-konvent-uno).

    Autonomiekonvent und Verfassungsreform sollten daher wohl gemeinsam betrachtet werden.
    Da ein Referendum ansteht ist Presse und Politik gefordert, um eine informierte öffentliche Meinung zu ermöglichen….

    1. @schierhangl avatar
      @schierhangl

      Weitere Information zum Thema Verfassungsreform in puncto Auflösung der Provinzen:
      Ist eine strukturelle Anpassung Gefahr oder Chance?
      “Italia delle 36 regioni” unterhttp://salto.bz/article/30102015/triveneto-oder-aufraeumen

  4. bzler avatar
    bzler

    Glaubt ihr wirklich, dass Kompatschers Weg ineffizienter ist, als der des dauernd laut bellenden Zaias (zum Beispiel)?

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