Vor 28 Jahren ist Politische Bildung als eigenes Fach aus den Schulprogrammen verschwunden. Sie wurde zum „transversalen Unterrichtsprinzip“ erklärt, quer durch alle Fächer ohne Note und zentrale Verantwortung. Entsprechend stark gesunken ist ihr Stellenwert im Schulprogramm. Vielleicht hat man damals angenommen, es genügten für diesen Stoff einige Stunden Projektunterricht pro Jahr oder gar, dass sich jeder Staatsbürger auf seine Weise politisch bilden solle.
Nach einigen misslungenen Anläufen — z.B. bei der Gelmini-Reform von 2008/09 — hat jetzt der Verband der Gemeinden Italiens ANCI dieses Anliegen aufgegriffen und die Wiedereinführung des Fachs „educazione alla cittadinanza“ in beiden Schulstufen mit eigener Benotung verlangt. Am 20. Juli 2018 hat ANCI einen Gesetzesvoranschlag als Volksbegehren lanciert, der nach Unterzeichnung durch 50.000 Bürgerinnen vom Parlament behandelt werden muss. Durch die Umgestaltung der Fächer Rechtskunde, Geschichte und Philosophie sollen pro Schuljahr 33 Stunden gewonnen werden, die nur der Politischen Bildung dienen. Das ist auch noch wenig, wenn man bedenkt, wie viele komplexe Politikthemen weit mehr als eine Wochenstunde für eine etwas vertiefte Behandlung mit zeitgemäßer Didaktik erfordern. In den meisten Bundesländern Deutschlands sind dem Fach Sozialkunde oder Politische Bildung zwei Stunden gewidmet.
Im Begleitbericht zum Volksbegehren erläutert ANCI mit Leidenschaft und Realitätssinn die Gründe für die Wiedereinführung dieser Materie als eigenständiges Schulfach. Man könnte noch anfügen, dass es in einer Zeit, in der die Jugendlichen politische Fragen vor allem in ihren social-media-Kommunikationsblasen behandeln und die Zeitungslektüre ziemlich rar geworden ist, umso dringlicher geworden ist, politische Bildung im Schulprogramm zu verankern. So könnten nicht nur zumindest einige komplexe politische Fragen der Zeit mit fachlicher Vorbereitung und Begleitung gemeinsam regelmäßig behandelt werden, sondern auch mehr politisches Interesse geweckt werden. Um das Interesse für Politik steht es nämlich unter Südtiroler Jugendlichen gar nicht gut. Andererseits sind sie der politischen Bildung nicht abgeneigt. Laut ASTAT-Jugendstudie 2016 befürworten 59,4% der Jugendlichen die Einführung eines eigenen Schulfachs „Politische Bildung“ (ASTAT, Jugendstudie 2016, S.87).
Die Notwendigkeit, die politische Bildung zu stärken, hat auch der Südtiroler Landtag soeben anerkannt. Im Rahmen des neuen Landesgesetzes zur direkten Demokratie hat er die Einrichtung eines eigenen Büros für politische Bildung und Bürgerbeteiligung beschlossen (Art. 24 des L.G. 25.07.2018, schon in Kraft). Dies allein wird es noch nicht richten, zumal dieses Büro vor allem in der außerschulischen und Erwachsenenbildung tätig werden wird. Deshalb käme eine Reform im Sinne des ANCI gerade recht. Der Volksbegehrensgesetzentwurf kann noch bis zum 19.01.2019 in allen Gemeindesekretariaten unterschrieben werden (sofern die entsprechenden Bögen aufliegen).
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