Der Appell der rund 40 Historiker zur Historisierung des Duce-Frieses am Gerichtsplatz, ohne das Werk selbst zu zerstören, war überfällig. Leider kommt er sehr spät, 54 Jahre nach der Vervollständigung des Piffrader-Werks, und erst als Reaktion darauf, dass der Landeshauptmann und der Kulturgüterminister sich einen Ruck gegeben haben und Hand daran legen lassen. So beschwören die Wissenschaftler ihr Wissen und ihre ethische Verantwortung, doch die unkommentierte Botschaft der Kontinuität, die das ganze Ensemble des Gerichtsplatzes Jahrzehnte lang ausgestrahlt hat (inklusive nächtlicher Bestrahlung), scheint nicht gestört zu haben. “Die Monumente der faschistischen Epoche”, schreiben die Historiker, “sollten nicht mehr Ausdruck von Identitäten und als Anstoß von Gegen-Identitäten dienen, sondern endlich radikal und wirkungsvoll historisiert werden.” Gut so, lassen sie denn keinen Zweifel daran, dass ein Denkmal, das den Faschismus verherrlicht, Krieg, Rassismus und Gewalt glorifiziert, anders als bisher einzuordnen gehört. Doch warnen sie eindringlich davor, das Piffrader-Fries zu demontieren und an einen anderen Ort zu verbringen. Informationstafeln sollen genügen. Denkmäler wirken aber, neben der künstlerischen Gestaltung, gerade auch durch Material, Position, Größe und Wucht. Seine Ausmaße und dominante Position an der Fassade des Finanzamtes sind es, die dem Platz das Gepräge eines faschistischen Aufmarschplatzes geben. Nicht von ungefähr werden wort höchst selten Feste, Konzerte oder Märkte abgehalten. Den einzigen Grund für die Nicht-Entfernung, den die Historikergruppe nennt, ist jener, dass eine Abnahme seinen öffentlichen Wert steigern und zum emotionalen Objekt erheben würde. Das klingt so, als würde ein Duce-Denkmal im Museum die Gefühle der Mitbürger beleidigen, hoch oben am öffentlichen Gebäude aber nicht. Da auch bundesdeutsche Historiker diesen Appell mittragen, frage ich, bei welchen nationalsozialistischen Denkmälern man so vorgegangen ist und wo diese stehen. Wenn man solche Vergleiche als unpassend abtut, frage ich weiter, ob nicht auch Mussolinis Verbrechen ausreichen, ihn als Monument aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.
Gerade der Kontext eines Museums oder eines Mahnmals wäre die wirklich deutliche Historisierung, doch das Fries an seinem jetzigen Ort kombiniert mit einer Informationstafel ist kein Mahnmal. Diese Forderung passt wieder nur in eine Tradition der Verharmlosung, die es unseren italienischen Mitbürgern nicht zumutet, einen deutlichen Strich zwischen faschistischer Vergangenheit und der heutigen Werthaltung einer demokratischen Gesellschaft zu ziehen. Zudem gibt es in Bozen keinen Platz, der wirklich im Zeichen eines Mahnmals steht. Im Gegenteil: wenige kleine Denkmäler erinnern an die Verfolgten, die Mauer des SS-Durchgangslagers steht irgendwo weitab, doch zwei große Plätze präsentieren sich genauso,wie sie ihre faschistischen Auftraggeber haben wollten. Überall in der Welt haben sich neue Demokratien von ihren jüngsten Diktatoren distanziert, indem sie deren Selbstverherrlichungszeugnisse entfernten. In Bozen gibt es kein von allen Sprachgruppen gemeinsam getragenes Museum für Zeitgeschichte, und das Finanzamt selbst eignet sich nicht als Gedenkstätte. In dieser Situation muss Distanzierung mindestens bedeuten, den Tätern nicht mehr Gewicht und Sichtbarkeit zu geben als den Opfern: den italienischen Demokraten, den unterworfenen Afrikanern, den deportierten Juden, den überfallenen Nachbarvölkern, den nationalen Minderheiten usw. Berlin hat dem Holocaust-Denkmal einen ganzen Platz gewidmet. Ein bestehendes Denkmal für die Verfolgten auf den Gerichtsplatz zu stellen wäre das Mindeste. Den Piffrader-Duce gleichzeitig in eine öffentlich zugängliche Gruft unterhalb desselben Gebäudes zu versenken und ihn bildlich dem Unheil gegenüberzustellen, das er angerichtet hat, würde einer solchen deutlichen Distanzierung und modernen Erinnerungskultur entsprechen, unter dem Motto: den Duce versenken, aber die Lehren aus dem Faschismus nicht vergessen, und den Platz dem Gedenken seiner Opfer widmen.
Dieser Artikel ist als Gastkommentar auch in der aktuellen ff (07/2011) erschienen.
Siehe auch: 01
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