Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Verkehrssicherheit: Italien hinkt Jahrzehnte hinterher.

    In einigen Teilen Norditaliens zerstören Unbekannte seit Monaten Geschwindigkeitsmessanlagen. Dies hat die Tageszeitung il Fatto Quotidiano Ende Jänner zum Anlass genommen, um mit dem Verkehrsplaner Alfredo Drufuca zu sprechen. Der weist darauf hin, dass Italien bei geschwindigkeitssenkenden Maßnahmen anderen europäischen Ländern 30 bis 40 Jahre hinterherhinke. Radarkontrollen und Bodenschwellen seien in Italien die einzigen gesetzlich vorgesehenen Eingriffsmöglichkeiten, noch dazu mit äußerst strengen — um nicht zu sagen völlig absurden — Einschränkungen. In fast allen anderen Ländern des Kontinents sei hingegen die gesamte Maßnahmenpalette, die uns zur Eindämmung gefährlichen Fahrverhaltens zur Verfügung steht, schon vor Jahrzehnten in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen worden. Das, so Drufuca, lasse sich auch an den Unfall- und Opferstatistiken ablesen. Selbst Ampeln, die bei Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit auf rot schalten, seien streng genommen gar nicht zugelassen, wiewohl sie einige mutige Kommunen dennoch installiert hätten. Obschon seit 2010 vorgesehen, sei eine entsprechende Durchführungsverordnung bis heute nicht erlassen worden.

    Dem Verkehrsplaner zufolge müsste Italien gar nichts neu erfinden, da es reichen würde, funktionierende Gesetze von Deutschland, Niederlande, Frankreich oder der Schweiz einfach abzuschreiben. Doch dazu wird es wohl in absehbarer Zeit nicht kommen: Vielmehr will Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) den italienischen Rückstand noch einmal deutlich ausbauen. Radargeräte sollen demnach weiteren Einschränkungen unterworfen werden:

    • Bürgermeisterinnen müssen die Aufstellung noch besser als bisher begründen, jeder einzelne Standort ist von der zuständigen Präfektur genehmigen zu lassen.
    • Außerorts muss einen Kilometer vor jedem Gerät ein entsprechender Warnhinweis aufgestellt werden, damit Raserinnen bequem abbremsen können.
    • Auf Straßen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung unter 50 km/h sollen Geschwindigkeitskontrollen ganz verboten werden, sodass 30er und 40er Limits ad absurdum geführt werden.
    • Es wird einen gesetzlichen Mindestabstand zwischen den Radarkontrollen geben. Wer also einen Radar sieht, weiß fortan, dass ab dort für eine gewisse Strecke freie Fahrt herrscht.
    • Messgeräte dürfen sich nur dann in Fahrzeugen befinden, wenn keine andere Möglichkeit besteht.

    Wer sich an Begrenzungen hält, muss sich also vermutlich bald noch mehr als ohnehin schon von Dränglern und Raserinnen nötigen und überholen — das heißt dann auch: gefährden — lassen, da sie in diesem Staat als geschützte Spezies gelten. Verkehrssicherheit, Gesundheit und Klima lassen grüßen. Dass Minister Salvini dafür nichts übrig hat, wissen wir natürlich längst.

    Das ist übrigens einer von zahlreichen Bereichen, wo Südtirol als unabhängiger Staat schnell zu den anderen europäischen Ländern aufschließen könnte, ohne dass dies Kosten verursachen (oder im Gegenzug für Italien irgendeinen Nachteil bedeuten) würde. Solange wir jedoch dazugehören, müssen wir diese absurden Gesetze und ihre teils schwerwiegenden Folgen einfach ertragen.

    Siehe auch: 01 02 03 04 || 01



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  • Regierungsmehrheit implodiert.

    Autor:a

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    Nach unzähligen Pannen gleich zu Beginn der neuen Legislatur, kommt der ohnehin knappen Mehrheit von SVP und Recht(sextrem)en jetzt schon ein Mitglied abhanden: Andreas Leiter Reber, der bezüglich der Zusammenarbeit mit den postfaschistischen Fratelli d’Italia ohnehin Bedenken angemeldet und sich bereits bei der Wahl der Landesregierung der Stimme enthalten hatte, kündigte heute an, die Mehrheit und die eigene Partei zu verlassen. Er werde fortan als freier Abgeordneter im Landtag agieren.

    Somit schrumpft die Fraktion der Freiheitlichen auf Landesrätin Ulli Mair zusammen und die politische Mehrheit kommt statt auf 19 nur noch auf das kleinstmögliche Maß von 18 Abgeordneten. Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) hatte zuvor für die Schaffung einer Regierung mit elf Mitgliedern das Vorhandensein einer 19 Mitglieder umfassenden Mehrheit zur Grundbedingung gemacht.

    Die bereits stark fragmentierte Parteilandschaft im Landtag fächert sich weiter auf. Zu den bisherigen fünf Einzelfraktionen1Uniti/Lega, Civica, PD, Widmann und Vita kommen zwei weitere dazu.

    Seine Entscheidung ausgelöst habe die Tatsache, dass die Mehrheit dem Ansehen der parlamentarischen Institutionen und der Demokratie in kürzester Zeit mehrmals Schaden zugefügt habe, zuletzt mit dem Chaos um die Bildung einer Regionalregierung, so Leiter Reber.

    Siehe auch: 01

    • 1
      Uniti/Lega, Civica, PD, Widmann und Vita


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  • Föderalisierung als Gefahr für die Autonomie.

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    0 Comentârs → on Föderalisierung als Gefahr für die Autonomie.

    Ausgerechnet eine Regierungsmehrheit unter Führung der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) soll nach dem Wunsch der Lega die asymmetrische Autonomie im italienischen Staat umsetzen, wie sie Artikel 116 der Verfassung seit der Reform von 2001 vorsieht und mehrere Regionen schon seit Jahren fordern. Wie berichtet, gehen unter anderem PD und 5SB dagegen auf die Barrikaden.

    Eine etwaige stärkere Föderalisierung des Gesamtstaates könnte nach allgemeiner Lesart auch für die bereits autonomen Gebiete von Vorteil sein, da so das Vorhandensein unterschiedlicher Formen von Selbstverwaltung in das Bewusstsein und in den Genpool des Zentralstaates übergehen würde. Autonomie wäre nicht mehr wie heute eine kleine Ausnahme, sondern, wiewohl regional unterschiedlich ausgeprägt, die allgemeine Regel.

    Die Wesentlichen Betreuungsstandards

    Dennoch birgt die asymmetrische Autonomie der 15 Normalregionen auch Risiken für die sechs bestehenden Sonderautonomien Aosta, Friaul und Julien, Sardinien, Sizilien, Südtirol und Trentino. Ein warnendes Beispiel dafür, was uns erwarten könnte, bietet die Erfahrung mit den Wesentlichen Betreuungsstandards (WBS) im Gesundheitswesen.

    Ursprünglich waren die WBS ausschließlich für die Gesundheitssysteme der gewöhnlichen Regionen plus Sizilien gedacht, denen damit eine zentral(istisch)e Regie und Kontrolle übergestülpt wurde. Die anderen autonomen Gebiete sollten ihr Gesundheitswesen im vorgegebenen Rahmen nach eigenen Kriterien formen und auslegen können, die Übermittlung von WBS-Daten nach Rom war freiwillig und unverbindlich. Mit der Zeit jedoch stieg der Druck — auch zum Beispiel von oppositioneller Seite in Südtirol — sich der zentralstaatlichen Überwachung »freiwillig« zu unterwerfen. Ist ein solches Kontroll- und Bewertungssystem erst einmal etabliert, wird es nämlich schwierig, sich ihm gänzlich zu entziehen.

    Dabei wurden aber zwei zentrale Aspekte regelmäßig völlig außer Acht gelassen:

    • Die WBS waren von Anfang an nicht dafür konzipiert, Systeme zu überwachen und zu vergleichen, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Auslegung zu sehr unterscheiden. Eine vom zentralen Modell abweichende Organisation kann das WBS-Raster teils gar nicht erfassen und abbilden, weshalb autonome Lösungen bisweilen ungeachtet ihrer Leistungsfähigkeit (!) bestraft werden. Wenn also Südtirol gewisse Leistungen beispielsweise nicht über das Gesundheitssystem im engeren Sinne, sondern über eine andere Schiene abwickelt, werden ihm dafür womöglich keine Punkte im WBS-Raster angerechnet.
    • Bereiche, in denen Südtirol aus den unterschiedlichsten Gründen (auch aus denen, die im ersten Punkt genannt wurden) erst gar keine Daten »freiwillig« ans Ministerium nach Rom lieferte, flossen dennoch in die »freiwillige« Erhebung ein und bedingten somit eine negative Gesamtbewertung.

    So konnte sich trotz angeblicher Freiwilligkeit — im Zusammenspiel mit einer hilflosen Kommunikation des Landes und recherchefaulen Medien — über die Jahre der Mythos eines Südtiroler Gesundheitswesens etablieren, das im Vergleich mit denen des Gesamtstaates zu den allerschlechtesten gehörte. Wiewohl es natürlich auch hierzulande teils grobe Probleme gibt, entsprach dieser Befund keineswegs der Realität. Nicht hilfreich war zudem, dass das benachbarte Trient sich anders als Südtirol oder Aosta ohne Zwang viel bereitwilliger dem gesamtstaatlichen System unterwarf, was weitere Verwirrung stiftete. Das Trentino konnte nämlich nicht hauptsächlich deshalb viel bessere Bewertungen als Südtirol erzielen, weil es tatsächlich ein so viel leistungsfähigeres Gesundheitswesen hat, sondern weil das WBS-System aufgrund seiner Auslegung autonome Organisation und Lösungen tendenziell bestraft. Wer freiwillig oder unfreiwillig darauf verzichtet, wird belohnt.

    Letztendlich führte dies so weit, dass vor wenigen Jahren auch die autonomen Regionen und Länder dazu verpflichtet wurden, gänzlich dem WBS-System beizutreten. Wenn es ein staatsweites Monitoringsystem erst einmal gibt, ist die Versuchung, ihm alle, ungeachtet ihrer autonomen Zuständigkeiten, zu unterwerfen, sehr groß. Das damit einhergehende Risiko ist nun, dass Südtirol dazu gedrängt wird, nicht vor allem die echten Probleme in seinem Gesundheitswesen zu beheben, sondern — ungeachtet der tatsächlichen Notwendigkeit — auch Dienste so umzubauen, dass dies möglichst hohe WBS-Bewertungen sicherstellt. Zumindest aber wird man dazu übergehen müssen, Daten so zu erfassen, dass sie WBS-konformer werden, unerheblich ob dies eigentlich sinnvoll ist. Insgesamt nehmen die Anreize stark zu, das eigene System dem staatsweiten ähnlicher zu machen. Der Antrieb, sich gute Praktiken auch vom Ausland (etwa vom deutschsprachigen Raum, mit dem enge Kooperationen bestehen) abzuschauen, sinkt hingegen, da die damit erzielten Ergebnisse im WBS-System womöglich nicht honoriert werden.

    Die Wesentlichen Leistungsstandards

    Ein wichtiger Bestandteil der asymmetrischen Autonomie, wie sie die rechtsrechte Regierung von Giorgia Meloni (FdI) vorantreibt, ist tatsächlich die Festlegung von Wesentlichen Leistungsstandards (WLS), die alle Regionen zu gewährleisten haben. In wirklich föderal ausgelegten Staatsgebilden gibt es so etwas nicht, doch in Italien scheint es ohne eine zentralistische Regie offenbar nicht zu gehen. Das sehr reale Risiko ist nun, dass auch dieses System über kurz oder lang — verpflichtend oder nicht — den bisher autonomen Regionen und Ländern übergestülpt wird. Genauso nämlich wie die asymmetrische Autonomie an sich wird nämlich auch die Erwartungshaltung hinsichtlich der Sicherstellung der einheitlichen Standards ins staatsweite Mindset übergehen. Für Medien, Öffentlichkeit und Politik wird also die Versuchung groß sein, auch die Gebiete mit Sonderstatut über den einheitlichen Kamm zu scheren. Ein Gebiet, das in gewissen Bereichen tatsächlich autonome Lösungen sucht, wird dann — wie schon im Gesundheitswesen — möglicherweise schlechte Bewertungen erzielen, womit abermals der Druck steigt, sich selbst unverbindlichen zentralen Vorgaben zu unterwerfen. Das dient dann zwar der Punktezahl, schadet aber der Autonomie und führt womöglich auch zu einer Verschlechterung der tatsächlichen Leistungsstandards.

    Siehe auch: 01 02



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  • Francia: maggioranza favorevole all’insegnamento delle lingue minorizzate.

    Secondo un sondaggio effettuato dall’istituto Cluster 17 per conto della rivista Le Point, la maggioranza dei cittadini dello stato francese (58%) è favorevole a un più ampio autogoverno regionale, con punte del 92% in Corsica e del 71% in Bretagna ed una leggera prevalenza (51%) anche nella regione di Parigi, l’Île de France.

    Ancor più accentuato è il sostegno all’introduzione delle lingue minorizzate nel sistema dell’istruzione pubblica, che in alcuni territori è già realtà. Il consenso nei confronti di tale proposta è del 62% complessivo a livello statale — e raggiunge addirittura il 100% in Corsica, superando nettamente anche l’83% di favorevoli nei territori d’oltremare. Nella capitale francese il consenso arriva al 60%, a fronte del 33% di oppositori. Notevole il fatto che la fascia d’età di gran lunga più favorevole all’ingresso delle lingue cosiddette «regionali» nelle scuole pubbliche è quella più giovane (18-24 anni), che fa segnare un impressionante 86% di consenso a livello statale, mentre i contrari si fermano al 12%. Viceversa la generazione più anziana (75 anni e oltre) è l’unica a dichiararsi maggioritariamente (63%) contraria al plurilinguismo — segno che una politica che per decenni ha stigmatizzato i parlanti delle lingue diverse dal francese ha sortito l’effetto desiderato, causando spesso anche l’interruzione della loro trasmissione intergenerazionale.

    L’analisi dei risultati in base all’orientamento politico svela inoltre che i più freddi nei confronti delle lingue minorizzate sono proprio i sostenitori del presidente in carica, Emmanuel Macron, che complessivamente si dicono favorevoli al loro insegnamento solo per un 48% (42% i contrari), mentre i più convinti sono i seguaci di Jean-Luc Mélenchon, di sinistra, che appoggiano l’inclusione delle lingue «regionali» al 70% (24% i contrari).

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Martialisch-mittelalterliche Sicherheitspolitik.

    Autor:a

    ai

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    3 Comentârs → on Martialisch-mittelalterliche Sicherheitspolitik.

    Die öffentliche Sicherheit den italienischen Streitkräften aushändigen? Bozen und Meran zumindest teilweise militarisieren, weil ein Land mit einer Polizeidichte, die im internationalen Vergleich geradezu überbordend ist, offenbar außerstande ist, ein paar Kleinkriminelle und gewaltbereite Jugendliche in Schach zu halten? Kann man machen. Merkwürdig nur, dass wir für diesen Schritt, den Sandro Repetto vom PD übrigens seit Jahren herbeisehnt, eine Sicherheitslandesrätin von den Freiheitlichen abwarten mussten, deren Partei ja angeblich für Eigenständigkeit (gar: Eigenstaatlichkeit) und nicht für noch mehr Zentralstaat stehen wollte. »Teil der neuen Sicherheitspolitik« soll dieses bedauerliche Muskelspiel sein, das eher an akute Terrorgefahr denn an den »begehrtesten Lebensraum« des Kontinents und an das »kleine Europa in Europa« des Landeshauptmanns denken lässt. Der begrüßt die Militarisierung Medienberichten zufolge jedoch ausdrücklich. Na dann.

    Was eigentlich hätte ein Sicherheitslandesrat von FdI oder ein etwaiger Landeshauptmann Marco Galateo anders gemacht als das Duo Mair-Kompatscher? Zum Beginn der Amtszeit hätten sich die Postfaschisten kaum etwas Schöneres wünschen können als diese mittelalterliche Auffassung von Sicherheitspolitik und den Einsatz der italienischen Armee auf Südtirols Straßen.

    Nicht zu jenen zu gehören, die aus taktischen Gründen diese SVP und diesen Landeshauptmann gewählt haben, ist zwar ein ziemlich schwacher Trost. Aber doch eine gewisse Erleichterung.

    Siehe auch: 01 02 03 04 || 01 02



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  • Kein Vertrauen in diesen Staat.

    Autor:a

    ai

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    0 Comentârs → on Kein Vertrauen in diesen Staat.

    Zu Jahresbeginn hatte das Landesstatistikinstitut Astat Daten über die Zufriedenheit der Südtirolerinnen mit den öffentlichen Diensten 2023 ( Astat-Info 01/24) publiziert. Auf den Aspekt der Digitalisierung und anschließend auf den der mangelnden Zweisprachigkeit des Personals war ich bereits eingegangen.

    Das Astat hatte mir jedoch auf Anfrage auch die nach Sprachgruppen aufgeschlüsselte Statistik über das Vertrauen der Bürgerinnen in die Verwaltungsebenen zur Verfügung gestellt, um die es im vorliegenden Beitrag gehen soll. Demnach ist der italienische Staat die Institution, die in Südtirol bei weitem das geringste Vertrauen (26%) genießt: Es folgen die EU (46%), die Region Trentino-Südtirol (56%), das Land (66%) und die Wohnsitzgemeinde (74%).

    Interessant ist die Betrachtung nach Sprachgruppenzugehörigkeit, da es hier beträchtliche Unterschiede gibt: Während sich bei den Südtirolerinnen italienischer Muttersprache Vertrauen (44%) und Misstrauen (53%) in den Staat noch einigermaßen die Waage halten, sind es die Angehörigen der sprachlichen Minderheiten, denen der Staat offenbar vor allem Misstrauen einflößt.

    Rund drei Viertel der Ladinerinnen (74%) und sogar ein noch etwas größerer Anteil der Deutschen (77%) stehen dem Staat misstrauisch gegenüber. Ein eklatantes Missverhältnis: Gut jede fünfte Deutschsprachige (21%) gibt sogar an, kein Vertrauen in die staatlichen Institutionen zu haben; das ist mehr als die Summe aus denen, die ein sehr großes (1%) oder ein ziemlich großes (14%) Vertrauen in den Staat haben.

    Der Anteil an den Italienerinnen in Südtirol, die dem Staat vertrauen (44%), ist demnach doppelt so groß wie jener an den Ladinerinnen (22%) und sogar dreimal so groß wie jener an den Deutschen (15%). Dass bei so niedrigem Vertrauen in die einflussreichste und mächtigste Institution eine demokratische Gemeinschaft auf Dauer gut funktionieren kann, ist für mich schwer vorstellbar.

    Beim Vertrauen in das Land Südtirol stellt sich die Gesamtsituation anders dar: Eine große Mehrheit der Südtirolerinnen (62%) vertraut dieser institutionellen Ebene sehr oder ziemlich, nur ein knappes Drittel (32%) tut dies wenig oder gar nicht.

    Bei der Betrachtung nach Sprachgruppenzugehörigkeit wird klar, dass das Land auch das mehrheitliche Vertrauen aller drei anerkannten Sprachgemeinschaften genießt. Doch anstatt ein Gegengewicht zur zentralstaatlichen Ebene darzustellen, die bei der deutschen und ladinischen Minderheit auf erhebliches Misstrauen stößt, ist auch das Vertrauen in die Südtiroler Landesinstitutionen bei den italienischsprachigen Bürgerinnen (84%) deutlich ausgeprägter als bei den ladinisch- (61%) und deutschsprachigen (52%). So erwecken offenbar auch die Institutionen der autonomen Selbstverwaltung im Rahmen des italienischen Staates nicht (mehr) das starke Vertrauen der Minderheiten.1Sehr großes Vertrauen genießt das Land Südtirol bei 32% der Italienerinnen, das ist ein über dreimal so großer Anteil als jener der Deutschen und Ladinerinnen (jeweils 10%). Wenigstens ein Teilindiz für die Gründe dieses Misstrauens in die Institution Land dürften wohl auch die bereits genannten Werte in puncto Verweigerung von Sprachrechten darstellen, da auch bei Diensten des Landes ein starkes Ungleichgewicht zu Lasten der Minderheitensprachen zu konstatieren ist.

    Dass die SVP nun mit italienischen Ultranationalisten gemeinsame Sache macht, dürfte der positiven Identifikation mit dem Land wohl ebenfalls keinen Dienst erweisen.

    Das extrem niedrige Vertrauen in den Staat, der sich hierzulande häufig durch nationalistisches Gehabe hervortut, anstatt auf Südtirols Besonderheit Rücksicht zu nehmen, sollte wohl genauso Anlass zur Sorge und zum Nachdenken sein wie die erheblichen Unterschiede zwischen den Sprachgruppen beim Vertrauen ins Land.

    Siehe auch: 01 02 03

    • 1
      Sehr großes Vertrauen genießt das Land Südtirol bei 32% der Italienerinnen, das ist ein über dreimal so großer Anteil als jener der Deutschen und Ladinerinnen (jeweils 10%).


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  • Transit: Italien verklagt Österreich.

    Autor:a

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    0 Comentârs → on Transit: Italien verklagt Österreich.

    Die italienische Regierung hat den ersten formalen Schritt gemäß Artikel 259 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU gesetzt, um Österreich wegen der Transitbeschränkungen in Nordtirol vor dem EuGH verklagen zu können. Auf Fingerzeig von Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega), der diese aggressive Vorgehensweise immer wieder angekündigt hatte, befasst Italien zunächst die EU-Kommission mit der Angelegenheit. Die hat drei Monate Zeit, um ein kontradiktorisches Verfahren einzuleiten und eine Stellungnahme abzugeben. Anschließend kann Italien vor den EuGH ziehen.

    Es ist das erste Mal überhaupt, dass Italien in dieser Form gegen ein anderes EU-Mitglied vorgeht. Dass dies gerade geschieht, um Umweltschutzmaßnahmen zu torpedieren, spricht Bände.

    Äußerst bemerkenswert ist dabei, dass LH Arno Kompatscher (SVP), der sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hatte, nun in der eigenen Regierung Seite an Seite mit denen sitzt, deren Parteien für diesen Frontalangriff auf unsere Umwelt, auf unsere Gesundheit und auf das Klima — kurzum auf unsere Lebensgrundlagen — verantwortlich sind. In der Landesregierung sind diese Herrschaften zudem ausdrücklich wegen der guten Verbindung nach Rom, die sie angeblich gewährleisten.

    Doch es scheint längst keinen Widerspruch mehr zu geben zwischen dem Anspruch, der nachhaltigste Landesvater ever sein zu wollen und der Realität, mit denen gemeinsame Sache zu machen, die so engagiert wie nie jemand zuvor gegen dieses Ziel ankämpfen. Ein wenig Situationselastik wird doch wohl noch gestattet sein; schließlich haben wir ja eine schöne Präambel vors Koalitionsprogramm gesetzt, die muss fürs Erste reichen.

    Österreich, Südtirol, den Alpen und im Grunde ganz Europa ist zu wünschen, dass die italienische Klage ein ganz großer Rohrkrepierer wird.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Tina, Milo & the Flag.

    Autor:a

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    2 Comentârs → on Tina, Milo & the Flag.

    Laut Tagesschau von Rai Südtirol hatten die Maskottchen von Olympia 2026, Tina und Milo, heute ihren ersten Auftritt in Südtirol: beim Hockeyspiel Pustertal gegen Bozen in der Brunecker Intercable Arena. Antholz und die Landeshauptstadt sollen folgen.

    Bildausschnitt Tagesschau vom 13.02.2024 (22.10 Uhr), Rai Südtirol

    Was nicht fehlen durfte, ist der allgegenwärtige banale Nationalismus. Die beiden Wiesel, die die Olympischen und die Paralympischen Spiele von Mailand und Anpezo repräsentieren, tragen jeweils eine Art Schal mit gut sichtbarer grünweißroter Flagge.

    Quelle: Olympics.com

    Das machen doch alle Austragungsorte so. Oder? Nicht wirklich: Wer sich durch die inoffiziellen (bis 1968) und offiziellen (ab 1972) olympischen Maskottchen klickt, wird feststellen, dass so gut wie alle ohne Nationalfarben ausgekommen sind. Nur bei drei weiteren war bzw. ist dies nicht der Fall: Sam (Los Angeles 1984, eine Anspielung auf Uncle Sam), Hidy und Howdy (Calgary 1988) und die Phryges (Paris 2024). Die anderen — einschließlich Neve, Glitz und Aster von Turin 2006 — waren flaggenfrei. Das Maskottchen von Montréal 1976, Amik, trug sogar einen Namen in der Algonkin-Minderheitensprache der indigenen Bevölkerung.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 || 01



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