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Wo sind die Hinterwäldlerinnen?

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Intolerant, bäuerlich (sic), bigott, konservativ, rückständig — kurzum: hinterwäldlerisch — seien die (Süd-)Tirolerinnen, ist eine immer wieder implizit oder explizit zu vernehmende Auffassung sich für besonders aufgeklärt haltender Südtirolerinnen über ihre Landsleute. Im heutigen A. Adige stellt Daniele Marini, wissenschaftlicher Leiter des Community Media Research an der Uni Padua eine Studie seines Departements vor, die mit diesem Mythos aufräumt. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Erhebung wurden in den Regionen Venetien, Friaul-Julien (FJ) und Südtirol-Trentino insgesamt 3.888 Interviews geführt, um die Akzeptanz gesellschaftlicher Verhaltensweisen zu analysieren.

Dabei erwiesen sich Südtiroler- und Trentinerinnen in (fast) allen relevanten Bereichen als die Tolerantesten im Vergleich mit den anderen untersuchten Regionen — und auch toleranter, als der staatliche Durchschnitt:

  • So halten in Südtirol-Trentino 95,2% der Befragten Lebenspartnerschaften ohne Heirat für »zulässig«, in Venetien nur 89,2% und in FJ 85,7%. (Italien gesamt: 90,2%)
  • Der Griff zur künstlichen Befruchtung wird (so gut wie) von allen hierzulande Befragten (100%) akzeptiert, in Venetien nur von 84,4% und in FJ von 83,1%. (Italien: 84,8%)
  • Auch die Sterbehilfe scheint in unserer Region kein Schreckgespenst zu sein, halten sie doch erstaunliche 90% für vertretbar, während sie in Venetien (77,6%) und in FJ (61,8%) deutlich weniger Zustimmung findet. (Italien: 75,9%)
  • Gegen gleichgeschlechtliche Sexualität haben in Südtirol-Trentino 90,5% der Befragten nichts einzuwenden; in FJ (81,6%) und Venetien (77,4%) ist die Akzeptanz wesentlich geringer. (Italien: 75,2%)
  • Schwangerschaftsabbrüche halten 76,2% der Südtiroler- und Trentinerinnen für vertretbar, in Venetien nur 67,6% und in Friaul-Julien gar nur 53,8%. (Italien: 61%)
  • Bei der Zustimmung zum Konsum leichter Drogen liegt Südtirol-Trentino (45%) knapp hinter Friaul-Julien (46,7%), aber deutlich vor Venetien (39,8%). (Italien: 44,1%)
  • Dass Südtirol und Trentino (23,8%) gerade bei der Akzeptanz von Prostitution hinter Venetien (25,9%) und FJ (26,9%) bleiben, halte ich persönlich für einen positiven Aspekt. (Italien: 27,4%)

Auch was die Toleranzprofile anlangt, schneidet Südtirol-Trentino besser ab, als Venetien und Friaul-Julien (FJ):

  • In die Gruppe der Intoleranten, die alle abgefragten Verhaltensweisen für unzulässig hielten, fallen hierzulande keine der Befragten (0%), in Venetien 11,2% und in FJ 13,9%. (Italien: 9,6%)
  • Dem Profil der ‘Strengen’ entsprachen 4,8% der Befragten in Südtirol-Trentino, 5,9% in Venetien und 9,7% in FJ. (Italien: 12,4%)
  • Als tolerant stufte Community Media Research satte 57,1% der Südtiroler- und Trentinerinnen, 55,2% der Veneterinnen und 44,4% der Befragten in FJ ein. (Italien: 49,2%)
  • In die Gruppe der Liberalen, die jede der genannten Verhaltensformen akzeptieren, fallen in unserer Region 38,1%, in FJ 31,9% und in Venetien 27,6%. (Italien: 28,8%)

Da werden sich einige wohl von liebgewonnenen Vorurteilen über die (Süd-)Tirolerinnen verabschieden müssen, jedenfalls was den Vergleich mit Italien betrifft. Interessant wäre es freilich, ein Gesamtbild der Euregio einschließlich Nord-/Osttirol — und ähnliche Daten auch über die Toleranz gegenüber Migrantinnen — zu erhalten.

Siehe auch: 01 02 || 01 02



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Comentârs

8 responses to “Wo sind die Hinterwäldlerinnen?”

  1. fabivS avatar
    fabivS

    Sì, ma questi dati non servono a nulla: quelli che si autodefiniscono tolleranti ed aperti, dell’Italia sanno poco e ne hanno comunque un’immagine romanzata.
    Nemmeno di fronte all’evidenza riusciresti a convincere ad esempio un Verde che il Tscheggl più esaltato è nella vita quotidiana in fondo più tollerante del giovanotto di Forza Nuova Verona che insulta gli zingari per strada o di quelli che malmenano i Gay a Roma. Perchè queste son realtà  che non lo riguardano e lui ignora o vuole ignorare. L’Italia per lui è un mito positivo.

  2. bzler avatar
    bzler

    Etwas augenzwinkernd aber doch: wenn man aus Statistiken der Selbsteinschätzung denn unbedingt etwas “Typisches” ableiten will, dann kann man nach Lektüre des folgenden Spiegel-Artikels wohl zum Schluss kommen, wie undeutsch und unösterreichisch wir Südtiroler sind. (Vorsicht Foto enthält entblößtes Hinterteil)

    http://www.spiegel.de/reise/deutschland/deutschland-fuehrt-fkk-weltrangliste-an-a-983379.html

    1. pérvasion avatar

      Ich habe — ebenfalls augenzwinkernd, zumindest ein bisschen — mit »Undeutschheit« kein Problem. Wir sind keine Deutschnationalen (oder auch nur Ö-Nationalen), die die »Einheit des Volkes« beweisen wollen/müssen. Ganz im Gegenteil.

      Allerdings handelt es sich bei der CMR-Erhebung nicht um »Selbsteinschätzung«: Es wurde ja nicht etwa gefragt, für wie tolerant sich die Befragten halten, sondern Toleranz aufgrund (erfragter) Akzeptanz für bestimmte Verhaltensweisen ermittelt.

      1. pérvasion avatar

        Warum glaubst du eigentlich, dass wir unbedingt etwas »Typisches« aus der Umfrage ableiten wollen? Ist nicht wirklich der Fall, obwohl es schon sein könnte, dass die relativ hohe Liberalität in Südtirol auch etwas mit dem Konsum deutschsprachiger Medien bzw. mit dem kulturellen Austausch mit anderen Ländern zu tun hat.

      2. Karl-Heinz avatar
        Karl-Heinz

        Wir sind keine Deutschnationalen, die die »Einheit des Volkes« beweisen wollen/müssen. Ganz im Gegenteil.

        Auch “wir” nicht. ;-)

      3. pérvasion avatar

        Ich weiß nicht wen du mit »wir« meinst… ich meinte jedenfalls BBD.

      4. Karl-Heinz avatar
        Karl-Heinz

        Genau deswegen hatte ich das wir in Anführungszeichen gesetzt und den Lachhannes ergänzend dazu.

        Ich kann natürlich nur von mir und wenigen Individuen in Deutschland sprechen, nicht von/für achtzig Millionen

  3. hunter avatar
    hunter

    https://www.suedtirolnews.it/unterhaltung/leute/roland-girardi-und-fabio-madonna-haben-geheiratet

    Wobei es das Stereotyp nach wie vor gibt, sonst müsste man nicht betonen, dass die Sarner keine Hinterwäldler seien.

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