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Konvent: Ihr dürft mitspielen.

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Unabhängigkeitsbefürworter, ihr dürft mitspielen — aber nach unseren Regeln. Und innerhalb eines vorgegebenen Rahmens. So oder ähnlich könnte man zusammenfassen, was einer der maßgeblichen »Sponsoren« des Autonomie- oder Südtirolkonvents, Senator Francesco Palermo in einem seiner Videos sagt. Wörtlich:

Einige sagen — wie zu erwarten war — dass es keine Reform, sondern eine Sezession braucht. Dieser Konvent ist daher unsinnig… das ist natürlich eine sehr gängige [?] politische Argumentation, weil natürlich: rechtlich gesehen kann ein Reformprozess nicht abseits des Verfassungsrahmens stattfinden. Aber eben ich glaube, das ist auch kein richtiges Thema, weil es ist Tatsache, dass ein Teil unserer Gesellschaft sich immer mehr für die Sezession ausspricht und nicht für einen Ausbau der Autonomie. Und ich glaube deswegen müssen auch diese Positionen in die Diskussion Eingang finden; was natürlich dann den Vorschlag am Ende anbelangt, dann ist es logisch, dass dieser Vorschlag sich im Rahmen des rechtlich möglichen bewegen soll. Jedenfalls glaube ich muss natürlich jede Position auch vertreten werden um zur allgemeinen Debatte bei[zu]tragen. All dies [um] zu zeigen, dass ein Reformprozess absolut notwendig ist [und] dass er nicht von den politischen Institutionen alleine in die Hand genommen werden kann […]

Diskutiert mit, was am Ende herauskommen darf, steht aber schon fest. Es ist allerdings reichlich erstaunlich, dass selbst bei einem offenen, partizipativen Prozess auf den Verfassungsrahmen Rücksicht genommen werden soll. Schon wieder soll nicht das politisch Gewollte, sondern das rechtlich Machbare das Maß aller Dinge sein. Umso absurder ist das, als hier mit dem Autonomiestatut ein Teil der italienischen Verfassung reformiert werden soll. Das Autonomiestatut ist per Definition nicht der Verfassung untergeordnet — es ist ihr gleichgestellt, beziehungsweise: es ist ihr Bestandteil. So gesehen kann es — bis auf übergeordnete Rechtsquellen wie die Menschenrechte — keinen feststehenden rechtlichen Rahmen für die Autonomiereform geben.

Allein aus diesem Grund plädiere ich dafür, dass Unabhängigkeits- und Selbstbestimmungsbefürworter den Konvent keinesfalls boykottieren, sondern massiv daran teilnehmen. Nur so wird sichergestellt, dass die auch von Senator Palermo angesprochenen Positionen protokolliert und wahrgenommen werden müssen. Politische Positionen, die im Konvent nicht artikuliert werden, existieren nicht — ein Rückzug auf den Aventin hat sich noch nie gelohnt. Möglicherweise gelingt es auch, zumindest eine Klausel in den neuen Statutsvorschlag einzubauen, die die Selbstbestimmung in Hinkunft zumindest erleichtert. Spielen wir also mit, lassen wir uns aber nicht auf einen vorgegebenen Rahmen eingrenzen!

Ich könnte auch Francesco Palermo selbst sprechen lassen — denn was er auf den Autonomiekonvent bezieht, könnte man unverändert auch für die Selbstbestimmung stehen lassen:

Und dann gibt es jene, die immer und schon eben seit ewig sagen, dass die politischen Umstände [für den Konvent] nicht gegeben sind. Das ist etwas, was wir seit wenigstens 15 Jahren hören und ich glaube, das bringt wirklich nichts. Erstens weil eben diese Umstände nie gegeben sein werden. Die Umstände müssen hingegen geschaffen werden. Und so ein Schritt ist natürlich ein wichtiger Schritt und stellt Weichen in diese Richtung. Diese Umstände hängen natürlich von vielen, vielen Faktoren ab und auch zum Beispiel vom Glück, denn wer weiß, wie sich die nationale und die internationale Situation überhaupt entwickelt. Und stellen [wir] uns einfach vor, was passieren würde, falls eben jetzt ein Fenster auch für eine breite Statutsreform [oder für die Unabhängigkeit, Anm.] offengeht und wir nicht bereit sind. Das wäre natürlich eine Katastrophe, die allerdings auch zeigen würde, dass wir nicht fortgeschrittener in Autonomiesachen sind, als andere Regionen […]



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Comentârs

7 responses to “Konvent: Ihr dürft mitspielen.”

  1. ProEuregio avatar
    ProEuregio

    … es wäre so einfach: hier die AutonomieRegion mit der angeblichen Musterautonomie Südtirol aber wohl weiterhin bevormundet von einer der Nationen der EU die sich selbst wichtiger nehmen als die ganze EU zusammen!
    Dort der Staat Italien, der sein Territorium gegen alle Föderalisierungsbestrebungen verteidigt, die Wirtschaft nicht in den Griff bekommt aber sich bei Geburtenstationen und Gebäudeabstände einmischt!
    – Hier das Land mit seinem Bevölkerungs- Sprach- u. Kulturgefüge deren angestammte Bevölkerung (wenn man das sagen darf?) ladinischer und deutscher Muttersprache als Teil Tirols welche sich noch nie selbst und demokratisch zum Status und zur Zukunft, – wenigstens für die kommende Generation äußern durfte und darf, dort die EU mitsamt den (meist Ego)-Nationen die es wohl aushalten müssten, ggf. NATION-UNABHÄNGIGE Regionen wie Baskenland, Katalonien, Schottland und Südtirol auch Teil der EU sein wollten ! ?

  2. Sabina avatar
    Sabina

    Die (potentiell) innovative Kraft dieses Konvents besteht darin, unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit zu geben, sich mit Zukunftsfragen für unser Land auseinanderzusetzen. Je heterogener die Beteiligung sein wird, desto stärker ist die demokratisierende Wirkung eines solchen Prozesses. Es liegen derzeit zwei Gesetzesvorschläge auf (http://www.landtag-bz.org/de/aktuelles/gesetzentwuerfe-aktuell.asp), von denen jener der politischen Mehrheit vom ersten Gesetzgebungsausschuss genehmigt worden ist, während jener der Grünen abgelehnt worden ist. Nun steht die Genehmigung durch den Landtag an, bei der sich zeigen wird, ob in den Mehrheitsvorschlag auch Aspekte des Gesetzesvorschlags der Grünen Eingang finden.
    Kernelemente des partizipativen Prozesses sind im Wesentlichen folgende:
    – Offene, dezentrale, unterschiedliche Zielgruppen berücksichtigende Veranstaltungen, in denen mit geeigneten Methoden erarbeitet und erhoben wird, was den Menschen, die in Südtirol leben für ihre Zukunft wichtig ist.
    – Die Bildung des sogenannten “Forums der 100”, in das in Südtirol lebende Menschen ab 16 entsandt werden, die sich hierzu bereit erklärt haben und die mittels eines geschichteten Stichprobenverfahrens (Geschlecht und Muttersprache) aus – hoffentlich – hunderten Bewerbungen ausgelost werden. Dieses Forum bildet den Resonanzkörper und das Bindeglied zwischen der Bevölkerung und dem Konvent.
    – Die Entsendung von 8 Bürgerinnen und Bürgern aus dem Forum in den 32köpfigen Konvent (so der Mehrheitsvorschlag, jener der Grünen sieht eine weit stärkere Beteiligung der Bevölkerung vor).
    – Außerdem besteht sowohl für die sogenannte “organisierte Zivilgesellschaft” als auch für einzelne BürgerInnen die Möglichkeit, dem Konvent Positionspapiere und Memoranden vorzulegen.
    Aus der Zivilgesellschaft werden demnach sowohl Themen als auch “Köpfe” Eingang in den Konvent finden. Für Südtirol und nicht nur für Südtirol ist dieser Weg völlig neu. Was bei einem derart umfangreichen politischen und sozialen Prozess am Ende herauskommen wird, hängt von so vielen Variablen ab, dass das (politische und soziale) Ergebnis zwar vorstellbar, in seiner ganzen Bandbreite aber dennoch nicht vorhersehbar ist.

    1. Christian Mair avatar
      Christian Mair

      Guter Initiative, volle Zustimmung!
      Durch eine möglichst vielschichtige Beteiligung würden die Positionen deutlich die in der Bevölkerung neben der Gründung eines völkischen Staates bestehen, welche Antworten an die regional-globalen Probleme der Zukunft gegeben werden können.
      Teile der Opposition werden somit in einen gestalterischen Prozess miteinbezogen und das populistische Element der “Wahlkampfdemokratie” wird zumindest teilweise verhindert.

      Im Video von Francesco Palermo wird weiters deutlich, dass die Politik verursacht durch den zunehmenden Machtverlust an die wirtschaftlichen Lobbys die (partizipative) Demokratie als Erweiterung der Machtbasis benötigt um Recht zu generieren und durchzusetzen.

      Als Paralelle möchte ich die Veranstaltungen rund um das Kaufhaus Bozen anführen, im Zuge dessen deutlich wird dass nicht nur Geldgeber und architektonische Lösung entscheidend sind sondern neue Themen in den Fokus gelangen, und zwar:
      1. Lösung des Verkehrsproblems:
      Parkhaus oder Integration von Zug, Rittner Bahn, Überetschbahn als Zubringer zu Virgl)
      2. Steuerstandort (wo liefert die Signaholding als Träger ihre Steuern ab, off-shore….)
      3. Ausrichtung des Zugverkehrs Südtirol insgesamt
      4. Zugang privater Geldgeber zu öffentlichen Investitionen
      …..

      1. Libertè avatar
        Libertè

        Als ob öko/-soziale Lobbies keine Macht hätten…

      2. pérvasion avatar

        Durch eine möglichst vielschichtige Beteiligung würden die Positionen deutlich die in der Bevölkerung neben der Gründung eines völkischen Staates bestehen

        Genau deshalb wollen wir mitspielen.

  3. Libertè avatar
    Libertè

    Was ist mit Personen die außerhalb Südtirols studieren, vlt sogar dort ihren Wohnsitz haben?
    Dürfen die dann nicht teilnehmen weil sie einen Lebensabschnitt außerhalb verbringen?

    1. Sabina avatar
      Sabina

      Wieso sollten diese nicht teilnehmen können?
      Zwei Möglichkeiten:
      1. an den offenen Veranstaltungen teilnehmen, die dezentral in ganz Südtirol stattfinden und sowohl methodisch als auch zeitlich so strukturiert sein sollen, dass sie möglichst vielen das Mitmachen ermöglichen – dazu müsstest du dich am jeweiligen Tag zum jeweiligen Ort begeben, also (kurz) heimkehren…
      2. über Online-Foren und schriftliche Stellungnahmen Themen und Positionen einbringen.
      Von den beiden finde ich die erste Variante weitaus ergiebiger, die zweite aber genauso wichtig. Sie ergänzen sich.
      Was die Teilnahme am Forum der 100 und am Konvent selbst betrifft, ist die physische Präsenz natürlich unabdingbar. Wobei auch hier auf Rahmenbedingungen geachtet werden muss, die Partizipation auch wirklich ermöglichen. Wenn ich Teile meiner Freizeit diesem bürgerschaftlichen Engagement widme, dann sollten die Treffen nicht dienstags um 9.00 Uhr stattfinden, per dire…

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