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Autonomiestatut: Absicherung und Änderungsverfahren.
Autonomiereform (10/10)

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ai


Soll eine Autonomie Bestand haben, muss sie rechtlich abgesichert sein gegen willkürliche und einseitige Eingriffe durch den Zentralstaat, gleich ob Regierung oder Parlament. Dies geschieht meist durch den Verfassungsrang der Autonomiestatuten, die nur mit erschwerten Verfahren, eben Verfassungsgesetzen, abgeändert werden können. So ist es auch in Italien. Zudem haben wir Südtiroler das Glück, über eine völkerrechtlich abgesicherte Autonomie zu verfügen, eine Seltenheit. Freilich gehen die Expertenmeinungen über die Reichweite dieser internationalrechtlichen Absicherung auseinander: Beschränkt sie sich auf das Paket und das bis 1992 umgesetzte Autonomiestatut? Erstreckt sie sich auch auf die seitdem erreichten Erweiterungen der Autonomie? Inwiefern sind auch die Finanzabkommen international abgesichert, etwa mit Briefwechsel zwischen Rom und Wien?

Manchmal hat man den Eindruck, die traditionellen politischen Akteure auf diesem Spielfeld — und das sind mit wenigen Ausnahmen Spitzenpolitiker von SVP und PD — lassen die Absicherung bewusst im Unklaren. Umso wichtiger ist dann auf der römischen Bühne die Rolle des mutigen Verteidigers der Autonomie zum Einen, jene des großzügigen Regierungsvertreters zum Anderen. Die Statutsreform bietet jedenfalls die Möglichkeit, sowohl das Änderungsverfahren des Statuts besser zu regeln (Art. 103), als auch die internationale Absicherung ins Statut selbst zu schreiben. Heute wird gleich im Art.1 des Statuts die »politische Einheit der einen und unteilbaren Republik Italien« beschworen, eine an dieser Stelle überflüssige Wiederholung des schon in der Verfassung (Art. 5) enthaltenen Grundsatzes. Stattdessen könnte auch das Autonomiestatut zumindest in einer Präambel auf seinen Ursprung im Pariser Vertrag und auf die völkerrechtliche Verankerung des Pakets im Rahmen der Streitbeilegung zwischen Italien und Österreich verweisen. Außerdem könnte in dieser Präambel die Schutzmachtfunktion Österreichs explizit anerkannt werden.

Nun stellt sich die Frage der Absicherung seit März 2014 neu, als die Regierung Renzi ihre Verfassungsreform auf den Weg brachte, die im Herbst 2016 mit einem Referendum abgeschlossen werden soll. Diese Reform bringt bekanntlich eine Rezentralisierung der politischen Macht und neue Eingriffsrechte des Staats in den ohnehin reduzierten Zuständigkeitsbereich der Regionen. Dagegen haben sich die autonomen Regionen erfolgreich verwehrt (vor allem die SVP) und eine Schutzklausel in die Renzi-Reform eingebaut (Art. 39, Abs. 13 Verfassungsgesetz Renzi-Boschi). Bis zur Überarbeitung der Statuten der fünf autonomen Regionen dürfen die neuen Verfassungsbestimmungen auf diese nicht angewandt werden. Also ein Bestandsschutz der Autonomie auf Zeit. Und dann? Welchen Schutz wird die Südtirol-Autonomie (bzw. die der Region) nach der Revision des Statuts haben? Und mit welchem Verfahren soll das Autonomiestatut künftig von den Südtirolern selbst abgeändert werden können?

Eines ist der Schutz vor einseitiger Abänderung durch den Staat, etwas anderes ist das Recht der Regionen und ihrer Bürger, ihre Autonomie demokratisch weiterzuentwickeln. Deshalb der Reihe nach.

a) Die Antwort auf die erste Frage ist einfach: Zusätzlich müsste sowohl in der Verfassung als auch im Statut eine Ausnahmeregelung für Trentino-Südtirol — sofern diese Einheit eine Region bleibt — verankert werden, die unsere Region permanent vor dem Durchgriffsrecht des Zentralstaats auf die autonomen Zuständigkeiten bewahrt. Ansonsten ist der Wert neuer Zuständigkeiten von vornherein relativiert und Dauerkonflikte vorprogrammiert. Die verfassungsrechtliche Absicherung müsste eigentlich umfassender sein, nämlich nicht nur einseitige Statutsänderungen verhindern und Einvernehmen vorschreiben, sondern Südtirol auch von der Suprematie-Klausel verschonen. Mit anderen Worten »Suprematie« des Zentralstaats im Namen der rechtlichen Einheitlichkeit ist das Gegenteil von Autonomie, davon möchte Italien das besonders autonome Südtirol von vornherein ausklammern.

Der Schutz gegen Abänderungen des Statuts durch den Staat (Parlament) kann auch demokratischer erfolgen. Schon in den 1990er Jahren haben die damaligen SVP-Abgeordneten Brugger und Zeller vorgeschlagen, dem Landtag das Recht zu verleihen, über jede Änderung des Autonomiestatuts durch das Parlament zu befinden. Heute muss der Landtag bei solchen Ansinnen zwar vom Parlament informiert werden, kann aber nur eine Stellungnahme abgeben. Neu wäre eine Zustimmungspflicht: Stimmt der Landtag z.B. mit 2/3-Mehrheit zu, kann die Änderung in Kraft treten. Lehnt er mit 2/3-Mehrheit ab, bleibt der Status quo. Diese Statutsänderung sollte sodann, falls eine ausreichende Zahl von Südtiroler Bürgern es wünscht, einem bestätigenden Referendum unterworfen werden können.

b) Zur zweiten Frage: Eine Änderung der Statuten der Regionen mit Sonderstatut kann in Italien nur durch einen Parlamentsbeschluss erfolgen. Im Unterschied zu den Normalregionen haben die Regionen Italiens mit Sonderstatut keine Statutsautonomie. Vielmehr gilt das Prinzip der Verhandlung und Übereinkunft (metodo pattizio) zwischen Staat und autonomen Regionen. Dies verlagert die Weiterentwicklung der Autonomie in die Spitzen der Exekutive (Landeshauptleute und Ministerien sowie die Chefs der jeweiligen Regierungsparteien).
Benötigt wird aber eine dezidierte Aufwertung der Parlamente, wenn die Statuten mit mehr demokratischer Legitimation abgeändert werden sollen. Jederzeit kann im Zug neuer politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen ein Reformbedarf entstehen. Dafür sollten künftig auch die beiden Landtage eigenständig die Initiative ergreifen und im Parlament eine Vorlage einbringen können, nicht nur wie heute vorgesehen die Region (Art. 103 Autonomiestatut). Ein Initiativrecht könnte auch eine Mindestzahl an Bürgern ausüben.
Autonomiestatuten sind wie Verfassungen nicht in Stein gemeißelt und müssen abänderbar sein. Heute schon gilt für Änderungen des Statuts das Grundprinzip des Einvernehmens, morgen hoffentlich auch. Das demokratische Plus bei den vorgeschlagenen Verfahren wäre: Das Autonomiestatut darf nur mit der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der politischen Vertreter der betroffenen Bevölkerung abgeändert werden, also des Landesparlaments.

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Comentârs

One response to “Autonomiestatut: Absicherung und Änderungsverfahren.
Autonomiereform (10/10)

  1. RoMo avatar
    RoMo

    Das Thema müsste man in den Konvent bringen.

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