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Catalunya (II).
Sprachpolitik

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Meinem selbst auferlegten Auftrag, das katalanische Modell in Südtirol bekannt zu machen, möchte ich auch weiterhin nachkommen. Der Anlass für diesen zweiten thematischen Block — über die Sprachpolitik — ist eine Anfrage zum Thema Sprachschutz als Konsumentenschutz, die ich bereits vor Monaten an die Südtiroler Landesregierung geschickt habe. Sie wird im Eintrag »Eine Anfrage. Und ihre Antwort?« [s.] näher erläutert. Indirekt ist dieser Artikel also auch unseren Volksvertretern gewidmet.

Durch die Übersetzung einiger Artikel aus der offiziellen Homepage der katalanischen Regierung (»Generalitat de Catalunya«) will ich Vergleichswerte zur Verfügung stellen, die im Idealfall als Diskussionsgrundlage für ähnliche Maßnahmen in Südtirol dienen können. Im Folgenden werden zum Beispiel die katalanischen Bestimmungen im Konsumentenschutz erläutert:

1. Katalanisch im Privatunternehmen:

• Verkaufs- und Dienstleistungsunternehmen, die ihre Aktivität in Katalonien ausüben, müssen in der Lage sein, Verbraucherinnen und Verbraucher in sämtlichen Amtssprachen Kataloniens [Katalanisch und Kastilisch (Spanisch), sowie Okzitanisch im Aran-Tal, Anm.] zu bedienen (Art. 32.1 Sprachpolitikgesetz).

• Fest angebrachte Beschriftungen und Informationsschilder sowie Dokumente, die Dienstleistungsangebote zum Inhalt haben und die an Nutzer und Verbraucher in öffentlich zugänglichen Einrichtungen gerichtet sind, müssen mindestens in katalanischer Sprache verfasst sein. Ausgenommen sind nur Markenbezeichnungen und ähnliche Beschriftungen [Slogans, Mottos…], die über das industrielle Eigentum geregelt werden (Art. 32.2 Sprachpolitikgesetz).

• Fest angebrachte Aufschriften und Informationen, welche am Arbeitsplatz vorzufinden und an jene Personen gerichtet sind, die dort arbeiten, müssen mindestens auf Katalanisch abgefasst sein (Art. 36.4 Sprachpolitikgesetz). Die Regierung der Generalitat hat die Aufwertung und den Gebrauch des Katalanischen im Bereich, auf den sich der erste Paragraph dieses Absatzes bezieht, durch angemessene Maßnahmen zu fördern (Art. 32.2 Sprachpolitikgesetz).

Konzessionsnehmer: Konzessionsnehmer der Generalitat de Catalunya und sämtlicher Lokalkörperschaften haben im Rahmen ihrer Aktivität und ihres internen Schriftverkehrs, sowie in Aufschriften, Gebrauchsanweisungen, in der Etikettierung und der Verpackung von Produkten und Diensten, die sie herstellen oder anbieten, bevorzugt die katalanische Sprache zu verwenden (Art. 30.1 Sprachpolitikgesetz).
Außerdem haben sie für die Kommunikation und Benachrichtigungen, einschließlich Rechnungen und andere Dokumente die katalanische Sprache bevorzugt zu benutzen, ohne das Recht der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken, diese Informationen auf Kastilisch (Spanisch) zu erhalten, falls sie dies anfordern (Art. 30.2 Sprachpolitikgesetz).

Unternehmen mit Vereinbarungen und subventionierte Unternehmen: Unternehmen, die eine Vereinbarung oder eine Zusammenarbeit mit der Generalitat oder irgendeiner öffentlichen Körperschaft eingegangen sind, oder Beiträge bzw. Subventionen von ihnen entgegennehmen, haben in Aufschriften, Benachrichtigungen und allen für die Öffentlichkeit bestimmten Dokumenten mindestens die katalanische Sprache zu verwenden, und dies zumindest soweit diese den Bereich der Subvention oder der Zusammenarbeit betreffen (Art. 33 Sprachpolitikgesetz).

2. Beschriftung und Etikettierung:

Fest angebrachte Beschriftungen und allgemeine Informationsschilder in Betrieben, welche Waren verkaufen oder Dienstleistungen anbieten, müssen zumindest in katalanischer Sprache verfasst sein (Art. 32.3 Sprachpolitikgesetz). Die Daten auf Produktetiketten, Verpackung und Gebrauchsanweisungen der Produkte die in Katalonien verkauft werden, können [wahlweise] auf Katalanisch, Kastilisch oder in jeder anderen Sprache der Europäischen Union verfasst sein. (Art. 34.1 Sprachpolitikgesetz). Der zweite Absatz des genannten Artikels sieht außerdem vor, dass sämtliche Pflichtangaben sowie selbst die freiwilligen Zusatzinformationen aller Produkte mit kontrollierter Herkunftsangabe, Landesbezeichnung (Catalunya) oder Qualitätsmarke, sowie aller handwerklich hergestellten Produkte zwingend zumindest auf Katalanisch verfasst sein müssen.

3. Katalanisch im Tourismus:

Der Tourismusbereich und die Gastronomie werden von einer eigenen Konsumentencharta abgedeckt, die außerdem um weitere gesetzliche Maßnahmen ergänzt wurde. Das ist der Fall bei touristischen Unterbringunsdiensten, welche dazu angehalten sind, die Preislisten sämtlicher Dienstleistungen sowie ihre Rechnungen zumindest auf Katalanisch zu verfassen; Restaurationsbetriebe haben sowohl im Außenbereich als auch im Gebäudeinneren die Preise ihrer Dienstleistungen und die Speise- und Weinkarten zumindest auf Katalanisch zur Verfügung zu stellen. Reiseunternehmer müssen dem Verbraucher alle Informationen über ihre Dienstleistungen und sämtliche Verträge mindestens auf Katalanisch anbieten.

4. Welche spezifische Verpflichtungen haben Banken, Sparkassen und Versicherungsgesellschaften?

Zusätzlich zu den sprachlichen Verpflichtungen, die alle Unternehmen betreffen, müssen Banken, Sparkassen und andere Finanzgesellschaften sowie die Versicherungsgesellschaften folgendes zwingend auf Katalanisch bereithalten:

– Schecks, Zahlscheine und Scheckhefte;
– alle anderen Dokumente, die sie ihren Kunden anbieten;

Es wird darauf hingewiesen, dass alle Bank- und Versicherungsverträge in separaten Exemplaren (!) auf Katalanisch und Kastilisch verfügbar sein müssen.

5. Versicherungen:

Die Versicherungspolicen müssen in Katalonien je nach Wunsch des Versicherungsnehmers auf Katalanisch oder Kastilisch abgefasst werden. Wo dies das Europäische Recht vorsieht, darf sie der Versicherungsnehmer außerdem auch in einer anderen Sprache der Union beantragen (Artikel des Gesetzes 18/1997).

6. Welche Unterlagen müssen mindestens auf Katalanisch verfasst sein?

Mindestens auf Katalanisch müssen alle Unterlagen vorhanden sein, welche Dienstleistungsbeschreibungen beinhalten, zudem Kataloge und Prospekte, Speisekarten und Menüs der Restaurants. Finanz- und Versicherungsgesellschaften, andere Unternehmen oder Freiberufler in bestimmten Handelsbereichen müssen ihre Kostenvoranschläge, Rechnungen und alle weiteren Unterlagen auf Katalanisch ausstellen, und zwar im Einklang mit den jeweiligen sektoralen Bestimmungen.

7. Katalanische Ortsnamen (Toponyme):

“Die einizge offizielle Form der Toponyme Kataloniens ist die katalanische, (…) außer jene des Aran-Tals, welche nur die aranesische Form besitzen.” (Art. 18.1 Sprachpolitikgesetz). Diese offizielle katalanische Bezeichnung ist die einzige juridisch anerkannte, und die Beschilderung hat sich danach zu richten (Art. 18.4 Sprachpolitikgesetz).
Territorialdeskriptive Publikationen — Karten und Reiseführer usw. — welche in Katalonien verlegt werden haben die Toponyme in ihrer offiziellen Form zu benutzen (Art. 3.3 des Dekrets 78/1991 über den Gebrauch von Ortsnamen). Toponyme sind Bezeichnungen der Gemeinden, der Ortschaften, geographischer Elemente, anderer territorialer Einheiten sowie von städtischen und außerstädtischen Wegen und Straßen (Art. 1.1 des selben Beschlusses).

8. Können Unternehmen und Einrichtungen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, sanktioniert werden?

Unternehmen und Einrichtungen können laut Gesetz 1/1990 vom 8. Jänner 1990 über Marktdisziplin und Verbraucher- und Konsumentenschutz (Verordnung 5b. und andere Artikel des Sprachpolitikgesetzes) bestraft werden. Rundfunkunternehmen können auch über die spezifische Gesetzgebung sanktioniert werden (zusätzliche Verordnung 5a. und andere Artikel des Sprachpolitikgesetzes).

9. Können Bürger ein Unternehmen anzeigen, das dem Sprachpolitikgesetz zuwiderhandelt?

Ja. Die Ämter für Sprachgarantien, welche beratend und informierend tätig sind, sowie Unternehmen beim Gebrauch der katalanischen Sprache zur Seite stehen, nehmen auch Reklamationen und Anzeigen entgegen, damit die zuständigen Behörden Inspektionen einleiten und ggf. Sanktionen verhängen können.

Auch wenn diese Aufstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, kann sie dennoch einen Überblick darüber geben, wie ein modernes Land mit einer seriösen Sprachpolitik seine mehrsprachige Spezifizität im Konsumentenschutz verankert. Nicht alles ließe sich 1:1 auf Südtirol übertragen. Doch die meisten hier genannten Rechte gibt es hierzulande für die deutsche und ladinische Sprache nicht, wie auch die Verbraucherzentrale bemängelt. Das heißt, dass über 70% der Südtiroler in ihrer Rolle als Konsumenten sprachliche Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Ein Mitgrund für grenzüberschreitenden Einkaufstourismus?

[Zur Erläuterung dieses Eintrags]

Zur Vertiefung: 01 | 02 03

Siehe auch: Eine Anfrage. Und ihre Antwort?, Produktbeschriftung, Geldinstitute.



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Comentârs

5 responses to “Catalunya (II).
Sprachpolitik

  1. Valentin[o] avatar
    Valentin[o]

    Condivido la parte “commerciale” dei provvedimenti catalani [nel senso di una loro ipotetica applicazione in Sudtirolo], un po’ meno quella sulla toponomastica, il mio chiodo fisso. Sarebbe giusta, si potrebbe applicare una legge del genere in Alto Adige [lasciando perdere, per una volta, gli italiani, le loro reazioni, le polemiche politiche usw., ipotizzando quindi che nessuno si opponga]? Io ho qualche dubbio.

  2. pérvasion avatar

    Wie gesagt plädiere ich nicht für die direkte Übertragung dieser Maßnahmen auf unser Land – der Eintrag soll vielmehr ein Denkanstoß oder eine Diskussionsgrundlage sein.

    Was die Ortsnamensgebung betrifft, so bin ich zwar persönlich ein ziemlich bedingungsloser Verfechter der sogenannten »historischen« Lösung, sprich der Abschaffung faschistischer Erfindungen. Mittlerweile glaube ich jedoch, dass dies eher ein Symptom der Überwindung ethnischer Spannungen sein könnte, als die zwingende Voraussetzung dafür.

    Ein anderer Lösungsansatz könnte – nicht ohne zuvor die Zuständigkeit den Kommunen zu übertragen – der basisdemokratische sein: Die Bevölkerung sollte selbst entscheiden dürfen, wie sich ihr Dorf oder ihre Stadt offiziell nennt. Und ich glaube dabei durchaus an die Fähigkeit, eine sprachgruppenübergreifende Verständigung zu finden. Die wenigsten deutschsprachigen Brixner werden dabei die Italiener um ihr Toponym bringen, ebensowenig umgekehrt die Italiener in Bozen. Kleinstgemeinden könnten dann die ohnehin nicht gebräuchlichen Erfindungen getrost abschaffen – oder wie im Engadin die ursprüngliche rhätische Form wiederbeleben, wo dies sinnvoll erscheint. Alles in allem nichts als ein möglicherweise positiver Ansatz mehr, den ich in die Waagschale der friedlichen Lösungswege lege. Und der in der Schweiz hervorragend funktioniert.

  3. Steve71 avatar
    Steve71

    Klingt gut ….
    … gibt es eigentlich zwischen Katalonisch und Kastilisch (hoffe ich hab das jetzt richtig geschrieben) grosse Unterschiede???
    Kurz so grosse Unterschiede wie zwischen Deutsch und Italienisch??

  4. Valentin[o] avatar
    Valentin[o]

    Ci vorrebbe uno studio storico della toponomastica totalmente super-partes, che sia capace di mettere in discussione anche qualche toponimo tedesco [non per vendetta, ma per correttezza e eguaglianza]: vedi la Ladinia, la Val Venosta e la Pusteria.
    Temo che la popolazione non sia pronta a una Toponomastik-selbstbestimmung. Il rischio è che nei comuni tedeschi si faccia tavola rasa dei nomi italiani, e in quelli italiani, al contrario, si cancellino i nomi tedeschi [a Bolzano, il rischio sarebbe quello dei nomi delle vie]. Inoltre l’importanza di certi macro-microtoponimi non rispecchia la popolazione residente: vedi Schlern-Sciliar, che è come se facesse parte del comune di Bz [per la frequenza in cui esso è chiamato in italiano], ma è nel comune di Völs-Fiè allo Sciliar [appunto…].

    Sì, come Steve, anch’io mi sono posto questo problema. Quali differenze [e punti in comune] ci sono tra la situazione della Catalunya e quella del Südtirol-Alto Adige? Se ci potessi fare un quadro generale [a scanso di equivoci: tu ne sai più di noi] te ne saremmo grati.

    Grazie
    VALENTINO LIBERTO

  5. pérvasion avatar

    Katalanisch ist – anders als Baskisch – eine romanische Sprache und damit dem Kastilischen wesentlich näher als das Deutsche dem Italienischen. Während jedoch ein Ausländer i. d. R. auf den ersten Blick kaum unterscheiden kann, ob eine Beschriftung kastilisch oder katalanisch ist, behaupten viele Spanier, die außerhalb Kataloniens wohnen, Portugiesisch sei für sie verständlicher als Katalanisch.
    Als Orientierungshilfe verlinke ich hier erneut die mehrsprachige Broschüre der »Generalitat«, die als kleine Einführung für Touristen gedacht ist. Das Ausmaß des Unterschieds zwischen Katalanisch und Kastilisch wird außerdem durch eine unvollständige vergleichende Auflistung bei Wikipedia klar.

    In Südtirol wäre eine weitgehende Einsprachigkeit, wie sie in Katalonien auf den Weg gebracht wurde, nicht nur nicht wünschenswert, sondern wohl auch nicht sinnvoll, weil sich die beiden großen Landessprachen zu sehr voneinander unterscheiden. Genau aus diesem Grund wären aber auch hier dringend griffige Maßnahmen zu ergreifen, um die Deutsche und Italienische Sprache im Handel gleichzustellen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die deutsche Sprache ein reines Anhängsel der »Kundenfreundlichkeit«, also des Entgegenkommens, und nicht ein Instrument des Verbraucherschutzes.

    [1] [2]

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