Categories
BBD

WM-Nachwehen.

Dies ist ein Artikel, den ich mir seit letztem Sommer immer wieder zu verfassen versprochen – und stets wieder aufgeschoben habe. Ein heißes Eisen eben: Die Fußball-WM hat in ganz Europa alte, nationalistische, vergessen geglaubte Töne wieder an die Tagesordnung gebracht. Wie schnell das doch geht. Im unbehagten Bozen feierte man am Siegesplatz, erhob die Hand zum römischen Gruß und beleidigte anderssprechende Mitmenschen. Ähnliches in Meran und Brixen, ohne dass die Straftaten schwarz-braunen Ursprungs auch nur halbherzig geahndet worden wären.

Nun ist es so, dass man gerne über den Anachronismus hinwegsehen kann, dass die sklerotischen Nationen gefeiert werden. Es ist Sport, und Sport ist meist politisch, ob wir das mögen oder nicht. Ausschlaggebend ist jedoch in jedem Fall, dass die Freude über den eigenen Erfolg nicht in die Verunglimpfung des Verlierers münden darf, was jedoch mit zum Teil erschreckenden, wenngleich minoritären Tönen geschehen ist.

Dasselbe in Groß gab es auch auf internationaler Ebene. Dass Boulevardblätter — Blöd-Zeitung an erster Stelle — die untersten Instinkte ansprechen, weiß man, muss es aber beileibe nicht akzeptieren. Was da an Vorurteilen und Klischees aufgetischt wurde, um Menschen billig gegeneinander aufzuwiegeln, ist einfach nicht zu glauben. Das Grenzt an Volksverhetzung. Sogar der Spiegel ist fett ins Näpfchen getreten, wenn auch nur in seiner Onlineversion und rasch revidiert. Zu Gast bei Freunden eben.

Die derart düpierte Nation, Italien, macht es nicht besser: Ein ehemaliger Minister beleidigt Finalgegner Frankreich mit rassistischen Ausfällen, Torwart Buffon wedelt in Rom mit dem Hakenkreuz (!) und »Sportbegeisterte« schänden einen jüdischen Friedhof mit Hakenkreuzen und judenfeindlichen Parolen.

Und das ist nur ein kleiner Auszug dessen, was eine WM in wenigen Wochen zu bewirken vermag: Das fragile gemeinsame Dach Europa droht einzustürzen, und dabei handelt es sich doch »nur« um ein Sportereignis.

Siehe auch ‹1 ‹2

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

Europäische Werte.
Kommentar

Unter dem Titel »mehr Werte — mehr Respekt« schrieb Chefredakteur Toni Ebner in der gestrigen Dolomiten-Ausgabe einen Leitartikel zum Thema Homoehen. Als Vorwand diente ihm dabei die durchaus teilbare Auffassung, die westliche Welt müsse ihre eigenen Werte bewusst pflegen, damit sie von Zuwanderern aus aller Welt — besonders Musliminnen — mit Glaubwürdigkeit Respekt dafür einfordern könne. Namentlich genannt wurden dabei der Humanismus, eine nicht näher definierte »Tradition« und das Christentum, wobei vor allem letzteres als Grundlage für die Anfeindungen gegen Homosexuelle herhalten musste.

Lassen wir einmal beiseite, dass gerade das Christentum jene Nächstenliebe predigt, die die Kirche in ihren Attacken gegen Anderslebende stets pünktlich untergräbt. Wie aber lässt sich die Ansicht Herrn Ebners mit humanistischen Werten vereinbaren? Eine der wohl größten Errungenschaften westlicher Demokratien ist die Trennung von Staat und Kirche. Wir werden von muslimischen Mitbürgerinnen ohnehin kaum verlangen können (und wollen), dass sie sich dem Diktat der katholischen Kirche unterordnen. Was wir jedoch einfordern sollten, ist die Akzeptanz unserer laizistischen und liberalen Grundordnung, die die Religion zur Privatsache erklärt. Darin besteht wohl auch der größte Unterschied zwischen einem großen Teil der islamischen Staatengemeinschaft und dem europäischen Selbstverständnis.

Wie jedoch können wir — frei nach Toni Ebner — von Zugewanderten verlangen, dass sie unsere humanistischen Werte respektieren, wenn wir selbst fordern, dass religiöse Grundsätze unsere Rechtsordnung bestimmen? Der Chefredakteur widerspricht sich darin selbst, mit dem einzigen Zweck, Homoehen und Immigration — kurzum: das »Fremde« — zu verteufeln.

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.

You are now leaving BBD

BBD provides links to web sites of other organizations in order to provide visitors with certain information. A link does not constitute an endorsement of content, viewpoint, policies, products or services of that web site. Once you link to another web site not maintained by BBD, you are subject to the terms and conditions of that web site, including but not limited to its privacy policy.

You will be redirected to

Click the link above to continue or CANCEL