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Resümee »SK«

Dieses Blog ist unter anderem der Punkt, wo alle Fäden meines Engagements zusammenlaufen. Aus diesem Grund veröffentliche ich hier die Diskussion, die ich gerade mit dem EU-Abgeordneten Kusstatscher auf dessen Seite führe. Mit einem vorläufigen Fazit: Mensch lässt mit sich reden. Man muss nur wollen. Vielleicht kann das auch anderen ein Vorbild sein, denn je mehr Menschen ihre Stimme für unser Ziel erheben, desto realisierbarer wird es:

Sehr geehrter Herr Kusstatscher, Sie haben mir eine Mail zukommen lassen, in der Sie mich auffordern, meine Identität offenzulegen. Natürlich könnte ich dies tun, doch ich finde es nun wirklich nicht zielführend. Ich glaube nicht, Sie persönlich beleidigt oder angegriffen zu haben, ich habe nur meine Meinung dargelegt und Ihnen (vielleicht manchmal pedantische oder unangenehme) Fragen gestellt. Ich denke, die Diskussion sollte, wie im Internet üblich, über Inhalte und Argumente geführt werden, und nicht im Namen einer bestimmten Identität. Finden Sie die Themen, die ich aufwerfe interessant, und haben sie dafür Rezepte und Lösungen, so glaube ich, dass Sie allgemein interessant sein könnten, unabhängig von deren Zuordnung an eine spezifische Person. – Andererseits habe ich natürlich nichts zu verbergen. Ich bin im Netz mit diesem »Nick« seit Jahren tätig und habe meine Identität schon öfters preisgegeben. Wenn Sie sich umfragen (d.h., wenn Sie wirklich sooo neugierig sind), dürfte es nicht schwierig sein, herauszufinden, wer ich wirklich bin. Nur: ich finde es irrelevant. Danke – auch für Ihre zukünftigen Antworten, falls Sie sie Ihren Lesern gönnen wollten. Gute Arbeit.

Kommentiert von: pérvasion | 25 November 2005 um 01:55 Uhr

Hallo, Frau/Herr ?, es wäre durchaus lustig mit Ihnen zu ratschen. Jedoch, ich bin schon sehr neugierig, mit wem ich es tun habe. Abstrakte Themen zu erörtern, kann auch wertvoll sein. Wenn jedoch auch subjektive Farbtöne dazukommen, wird alles viel interessanter.
Und noch etwas muss ich wiederholen: ich glaube, dass große Themen (und dann noch mehrere gleichzeitig aufgeworfene, wie in Ihrem Fall) in dieser Form im Internet zu erörtern, das scheint mir kaum zielführend zu sein.
Aber, vielleicht fangen wir mit einem Detailthema einfach an. Sie haben nun den Ball zum Aufschlag.
Schönen Sonntag und freundliche Grüße!
Sepp

Kommentiert von: sepp | 27 November 2005 um 12:23 Uhr

Herr Kusstatscher, stellen Sie sich vor, ich bin ein persönlicher Freund von Ihnen, hätte aber niemals den Mut, meine Meinung offen auf den Tisch zu legen. Würden Sie dann lieber auf eine interessante Diskussion verzichten, oder doch besser akzeptieren, dass ich meine Anonymität bewahre? Nein, ich bin kein persönlicher Freund des Europaparlamentariers S.K., das war nur ein Beispiel zur Veranschaulichung meiner Sichtweise. Gut! Sie stellen mich nun also vor die Wahl. Nicht viele Themen, sondern eines. Also, mein bevorzugtes Gesprächs- und Betätigungsfeld ist die Selbstbestimmung. Damit muss man in Südtirol natürlich immer aufpassen, weil man grundsätzlich verdächtigt wird, böses im Schilde zu führen. Ich nicht, doch das wird sich erst im Laufe der Diskussion – so sie denn stattfindet – im Detail herauskristallisieren. Ich hatte es schon einmal angedeutet: Mir schwebt eine höhere Form von Selbstbestimmung für Südtirol vor als die derzeitige, und zwar im Zusammenspiel sämtlicher Sprachgruppen. Das würde nämlich vieles erleichtern, was heute unmöglich scheint: Die VP hätte wohl keine Existenzgrundlage mehr. Der wahre oder gefühlte Belagerungszustand der deutschen Sprachgruppe würde sich auflösen. Und selbstverständlich müssten gerade die Deutschen sehr viel investieren, um die Italiener im Lande von dieser Idee überzeugen. Das Projekt Selbstbestimmung wäre NUR gemeinsam umzusetzen, und da haben Ihre Kollegen von Iniciativa per Catalunya – Verts, aber auch Esquerra Republicana (de Catalunya) interessante Rezepte und Vorschläge. In Katalonien wurde vieles erreicht, weil das System Selbstbestimmung dort partizipativ und nicht nationalistisch im herkömmlichen Sinne ist. Die Spanier vor Ort fühlen sich als Katalanen, und die Katalanen grenzen niemanden aus, weder Einwanderer aus anderen spanischen Regionen, noch Ausländer etc. Ein linkes, solidarisches, »inklusivistisches« Konzept für mehr Selbstbestimmung in Südtirol nach dieser Vorlage ist noch ausständig und hat ein großes Vakuum produziert. Wann beginnt in der Südtiroler Linken (ökosozial, sozialdemokratisch etc.) endlich eine Diskussion zu diesem wichtigen Thema? Finden Sie nicht auch, dass die heutigen Probleme in Südtirol so »eigen« und territorial sind, dass sie nur mit einem möglichst großen Handlungsspielraum vor Ort zu lösen sind?

Kommentiert von: pérvasion | 28 November 2005 um 00:29 Uhr

Nachtrag. Das Programm von Esquerra Republicana de Catalunya (Republikanische Linke Kataloniens – das Adjektiv »republikanisch« ist in einer Monarchie ja an und für sich schon eine kleine Frechheit), das ich zu 100% unterschreiben würde, falls es sich auf Südtirol bezöge: http://www.esquerra.org/web_nova/arxius/DIangles.pdf (Englische Version).
http://www.esquerra.org/web_nova/arxius/DIfrances.pdf (Französische Version).

Kommentiert von: pérvasion | 28 November 2005 um 00:39 Uhr

Hallo, geschätzter Herr, der seine Freude hat, sich hinter “pérvasion” zu verstecken! Eine Meinung teile ich nicht, nämlich, dass gute Freunde nicht offen und ehrlich Gegenmeinungen äußern könnten. Eher das Gegenteil ist wahr: wenn mich jemand gut versteht, wenn er mich respektiert und mag, dann kann er viel eher eine Kritik aussprechen und es besteht auch eher die Chance, dass ich diese Kritik ernst nehme. Einer, der mich bekämpft bzw. mich ablehnt, kann mich kritisieren, wie viel er will. Es prallt meist an mir ab.
Gut, lassen wir das!

Ihre Überlegungen zur Selbstbestimmung gefallen mir sehr gut. Wenn auch die Situation bei den Katalanen nicht ganz so ideal ist, wie Sie es sehen, teile ich die von Ihnen skizzierte Idee der Selbstbestimmung. Diese Frage hat bei uns in Südtirol oft deshalb einen negativen Beisgeschmack, weil die Selbstbestimmung nur für einen Teil der Bevölkerung gedacht wird und andere ausgrenzt werden und weil somit neue Minderheiten entstünden. Allen, die von abstrakter Selbstbestimmung schwärmen, rate ich, die Realisierung derselben möglichst konkret durchzuspielen.
Theoretisch klingt Selbstbestimmung sehr gut. Da kann fast niemand dagegen sein. Praktisch ist es viel schwieriger. – Für mich ist daher das große europäische Dach (mit Frieden, Bürgerrechten, Demokratie, Vielfalt von Kulturen, Subsidiarität usw. usf.) die wohl beste Problemlösung. Unter diesem Dach ist es dann nicht so wichtig, wo genau eine Region ihre Grenzen hat, weil überall “Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit” als Prinzipien gelten.

So, mein lieber Herr, heute kam ich endlich dazu, ein bisschen zu philosophieren, dank Ihrer Anregung! Auf ein anderes Mal! Über Weihnachten vielleicht etwas tiefer gehend!
Einen lieben Gruß an Ungenannt und an andere Leser/innen!
Sepp

Kommentiert von: sepp | 30 November 2005 um 20:51 Uhr

Freut mich, dass ich Sie irgendwie und indirekt auch positiv »beeinflusst« habe. Und missverstehen Sie mich bitte nicht: Ich »bekämpfe« Sie nicht, und lehne Sie nicht ab. Ganz im Gegenteil. Ich habe Sie gewählt und schätze Ihre Politik und Ihren Einsatz. Andernfalls wären meine Diskussionsansätze auch völlig sinnlos. Noch was: Sie einst persönlich kennenzulernen würde mich reizen, meinen Namen hier preiszugeben, ohne dass Sie mich persönlich kennen, oder etwa damit sich andere daran »ergötzen« ist mir eher unangenehm. Interpretieren Sie meine Ablehnungshaltung also nicht falsch.

Drei Punkte:

– Dass sämtliche Sprach- und Bevölkerungsgruppen, sowie alle Gesellschaftsschichten an einem etwaigen Projekt »Selbstbestimmung« teilhaben sollten, finde ich eine conditio sine qua non. Ohne einen allgemeinen Konsens hätte ein dahingehendes Engagement keinen Sinn. Da sind wir einer Meinung.

– Selbstbestimmung als gänzliche und endgültige Loslösung von Italien muss gar nicht zwangsläufig unser Ziel sein, welches Sie hier als unerreichbar darstellen. Wichtiger wäre m.E. der alltägliche Einsatz für einen größeren Handlungsspielraum und ein Höheres Maß an »Selbstregierung«. Das kann und soll kein abrupter Prozess sein, sondern eine allmähliche und behutsame Entwicklung. Die spezifischen Probleme Südtirols sind in Südtirol zu lösen, und eigentlich tun Sie bereits einen ersten kleinen Schritt, indem Sie grenzüberschreitend für Umweltschutz arbeiten und auch für direkte Demokratie eintreten. Das sind alles Stücke eines großen Puzzles. Meine Meinung ist nur, dass wir noch etwas mehr Mut und etwas mehr Selbstsicherheit brauchen, um diese Entwicklung entscheidend voranzutreiben. Sobald wir tatsächlich »unseres eigenen Glückes Schmied« sind, neben Geldverteilung auch Verantwortung für Eintreibung, Sicherheit, kulturelle Belange im weitesten Sinne (usf.) übernehmen müssen, wird eine freie, gemeinsame Entwicklung möglich sein.

– Zuletzt eine Frage: Inwiefern teilen Sie meine Analyse bzgl. Katalonien nicht?

Mit freundlichen Grüßen.

Kommentiert von: pérvasion | 02 Dezember 2005 um 18:02 Uhr

Diese Art von “Selbstbestimmung” wäre nicht nur für Südtirol heilvoll, sondern für jeden Winkel der Welt!

Zu Katalonien: ich bin zwar kein besonderer Kenner der Situation dort, nur – sofern ich richtig informiert bin – ist die Autonomie für unser kleines Südtirol weitergehend als jene für das viel größere Katalonien. Ich bin aber gerne bereit dazuzulernen.

Kommentiert von: sepp | 03 Dezember 2005 um 15:05 Uhr

Katalonien verfügt über eine Autonomie, die meines Wissens hingegen weiterreichend ist, als unsere. Es ist schon bezeichnend, wie sehr wir Südtiroler der Mär von der Vorzeigeautonomie verfallen sind; das führt dazu, dass wir nicht bereit sind, von anderen zu lernen. Das ist durchaus keine persönliche Kritik, sondern eine allgemeine Beobachtung.

Ich schreibe Ihnen jetzt ziemlich »anarchisch« – also unstrukturiert – einige Punkte nieder. Bin aber gerne bereit, Sie detaillierter zu informieren:

– Meines Wissens ist der einzige wirkliche Vorzug der Südtirolautonomie die internationale Verankerung. Diese hat aber Katalonien m.E. gar nicht nötig, weil der spanische Staat nicht nach mehr Zentralismus trachtet, im Gegenteil!

– Katalonien hat z.B. volle Zuständigkeit in Sachen Toponomastik. Spanische Erfindungen wurden bereits – im Konsens! – abgeschafft. Kein Spanier hat was dagegen, weil das Thema entschärft wurde.

– Katalonien hat mit den »mossos d’esquadra« eine eigene Polizei, welche die »Policia nacional« ersetzt. Somit ist die Tendenz, dass Katalonien für seine Sicherheit selbst verantwortlich sein wird.

– Katalanisch ist als »landeseigene Sprache Kataloniens« im Autonomiestatut verankert. Dies erlaubt der Regierung des Landes, spezielle Maßnahmen zu ihrem Schutz zu erlassen. Katalanisch ist einzige Sprache in der öffentlichen Beschilderung. Soll nicht heißen, dass das für Südtirol ein Modell wäre, allerdings würde uns unsere Autonomie eine solche Entscheidung nicht erlauben.

– Katalanisch ist im Umgang mit den Kunden auch für Privatfirmen pflicht. Missachtung wird geahndet. Das heißt, auch auswärtige Unternehmen (Banken, Ikea, MediaMarkt usw. usf.) müssen sich der landeseigenen Sprache bedienen. Eine hervorragende Maßnahme zum Sprach- und v.a. Konsumentenschutz. Die Verbraucherzentrale Südtirol fordert seit Jahren vergleichbare Gesetze. Bislang vergeblich.

– Mit dem neuen Autonomiestatut, das soeben verabschiedet wird, treibt Katalonien nicht nur die eigenen Steuern ein, sondern auch die staatlichen.

– Katalonien betreibt mehrere »nationale« Radio- und TV-Stationen, selbstverständlich auf Katalanisch.

– Katalonien ist für die Justiz zuständig und hat ein eigenes Bürgerliches Gesetzbuch (Zivilgesetz).

– Katalonien hat einen eigenen Obersten Gerichtshof.

– Katalanisch wird für die Interpretation von Gesetzen herangezogen, während meines Wissens auch bei Gesetzen des Südtiroler Landtages in Südtirol nur der italienische Wortlaut maßgebend ist.

– Katalonien hat alleinige Zuständigkeit über die Regelung der Berufskammern. Südtirol nicht.

(usw.)

Kommentiert von: pérvasion | 04 Dezember 2005 um 19:06 Uhr

Ich zitiere Sie: »[…] teile ich die von Ihnen skizzierte Idee der Selbstbestimmung. Diese Frage hat bei uns in Südtirol oft deshalb einen negativen Beisgeschmack, weil die Selbstbestimmung nur für einen Teil der Bevölkerung gedacht wird und andere ausgrenzt werden und weil somit neue Minderheiten entstünden.«

Wäre es nicht eine Aufgabe (z.B. auch) der Grünen, ein Gegenmodell anzubieten, um sozial, liberal, solidarisch eingestellten Bürgern die Möglichkeit zu bieten, sich für mehr »Selbstverantwortung« (Selbstbestimmung) auszusprechen? Ich könnte mir vorstellen, dass Sie damit einen erheblichen Teil derzeitiger VP-Wähler ansprechen und abwerben könnten. Die Grünen – und die Linke im weiteren Sinne – müssten sich zusammensetzen und ernsthaft auf dieser Basis diskutieren. Das ist ein Thema, das in Südtirol alles andere als erschöpft ist. Wie hoch glauben Sie ist der Wille, Entscheidungen zum Verkehr, zum Umweltschutz, zur kulturellen Entwicklung (ich spreche hier von moderner Kulturpolitik und nicht von Beiträgen für Schützen und Traditionsvereinen), zur Erhebung und Eintreibung von Steuern, zur Sicherheit (kurzum: allem) selbst und vor Ort zu treffen? Ich denke dieser Wille ist bei uns – wie in der Schweiz – sehr ausgeprägt. Er benötigt endlich politische Kanalisierungsmöglichkeiten.

Kommentiert von: pérvasion | 04 Dezember 2005 um 19:19 Uhr

Link zum Blog des EU-Parlamentariers Sepp Kusstatscher.

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Territorialprinzip.

Ein wesentlicher Punkt der Selbstbestimmungshypothese, den ich bereits in vorhergehenden Beiträgen anklingen lassen habe, ist die Territorialisierung der Südtirolfrage. Der zu schaffende Konsens, um die Unabhängigkeit als ein Gesamtprodukt der Südtiroler Gesellschaft — und nicht irgendwelcher Teilgesellschaften oder Eliten — zu erlangen, müsste die Aufhebung der ethnischen Hürden in den Mittelpunkt stellen. Dem Projekt ist in jenem Maße Erfolg beschieden, wie er alle Sprachgruppen und Gesellschaftsschichten einzubinden imstande sein wird.

Vorschläge für Grundprinzipien der Unabhängigkeitsbewegung:

1. Südtirol ist ein Land mit Anspruch auf Selbständigkeit, sobald es die Mehrheit der Südtiroler wünscht.

2. »Südtiroler« in diesem Sinne (und bindend ab jenem Zeitpunkt) ist eine gesellschaftliche, bewusst nichtethnische Bezeichnung: All jene, die ihre Heimat und ihren Wohnsitz in Südtirol haben, ausdrücklich auch Zuwanderer, haben gleiche Rechte und Pflichten im Laufe des Prozesses hin zur Selbstbestimmung sowie selbstverständlich nach Erlangung dieses Zieles.

3. Ausschließlich demokratische und gewaltfreie Wege dürfen zur Durchsetzung der Selbstbestimmung führen.

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Schnittpunkt der Kulturen.

So wird uns in der Regel das kulturpolitische Debakel euphemistisch verkauft, das unser Land kennzeichnet. Und niemand hinterfragt das. Südtirol hat sich in den letzten Jahren mit wenigen Höhepunkten zum absoluten Randgebiet zweier wichtiger Sprach- und Kulturräume gewandelt. Der Großteil einheimischer Produktion besteht darin, eklektisch das angeblich beste von den Nachbarregionen zu kopieren – und selbst das ist zweifelhaft. Eine Kopie ist selten so gut, dass sie das Original übertrifft.

Eine eigenständige kulturelle und künstlerische Leistung, die wenigstens einen der beiden angeschlossenen Sprachräume bereichern würde? Fehlanzeige. Das geht auch nicht anders. Denn wir haben es in der Kultur genauso wie in der Politik geradezu verabsäumt, das Potenzial im Lande zu suchen und selbstbewusst dazu zu stehen. Die vielversprechendste Alternative für helle Köpfe ist und bleibt die Auswanderung. Nur die Überwindung dieses Stadiums, und die Einleitung einer Phase, die nicht wie bisher selbstgefällige Nabelschau betreibt (und Kultur taxativ auf Schützen- und Bastelvereine beschränkt) sondern das Potenzial im Land erkennt und selbstbewusst fördert, kann uns aus dieser Schieflage befreien. Und nur ein gesellschaftliches Gesamtprojekt, das endlich die ethnischen Barrieren überwindet, kann den dafür nötigen Impuls geben. Man wird ein enormes Potenzial feststellen, wenn man die bisher aneinander vorbeilebenden Sprachgruppen endlich so miteinander vereint, dass sich ihre Kräfte summieren oder sogar multiplizieren: Das ist es nämlich, was für unser Land pekuliär ist, und was wir als eigenständigen Beitrag zur europäischen Kultur leisten können.

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Trennung raus.

Das geltende Südtiroler Autonomiestatut ist zunächst ein vorzügliches Schutzinstrument — aus dem vorigen Jahrhundert. Es hat gestattet, Südtirol ins neue Millennium herüberzuretten, und ist eine Maßnahme aus der Zeit nach jenen Kriegen, die Europa zerstört, die Juden vernichtet und ganze Völker in ein Korsett gezwungen haben, das längst viel zu eng geworden ist.

Das Aushängeschild dieses (nunmehrigen) Anachronismus’ ist das nötige Übel einer ethnischen Trennung, die auf kulturelle Erhaltung setzt und Entwicklungen — negative und eben auch positive — hemmt. Eine Art identitäres Konservierungsmittel.

Leider lässt es das Autonomiestatut kaum zu, neue Lösungen in Eigenständigeit, selbst im gesellschaftlichen, sprachgruppenübergreifenden Dialog zu finden und umzusetzen. Aufgrund seiner Beschaffenheit setzt es auf Unbeweglichkeit, auf seine »Verankerung« (im Völkerrecht und in der Verfassung) und auf den Schutz durch das sogenannte »Vaterland Österreich« — und ist darauf angewiesen.

In dieser Logik sind die heutigen (eines Nationalstaates würdigen) Schutzmechanismen weiterhin nötig und unersetzlich. Nur ein Ausbruch aus den heutigen Rahmenbedingungen wird den Dialog aus Rom (oder Wien) ins Land verlegen und alle in den konstituierenden Prozess eines neuen, überfälligen Gesamtkonzeptes für Südtirol einbinden.

Das bedeutet zunächst eine Territorialisierung der Autonomie- und Selbstbestimmungsgedanken. Denn eine Lösung für nur einen Teil der Bevölkerung ist nicht nur schwer umsetzbar, sondern (vor allem) nicht wünschenswert. Dies würde lediglich zu einer Umkehrung des Minderheitenproblems führen.

Der jüngste, mutige Schritt der SVP, eine Italienerin auf ihren Listen zu präsentieren ist ein richtiger und ermutigender Schritt in diese Richtung, so er nicht ein Wahlgag bleibt. Die Diskriminante darf keine ethnische mehr sein, sondern muss zwischen Autonomiewilligen und -unwilligen unterscheiden; und selbst letztere sind anzusprechen und von der Güte des Projekts zu überzeugen.

Der »Prozess« wird in jenem Maße erfolgreich sein, wie man imstande sein wird, sämtliche Sprachgemeinschaften und Bevölkerungsschichten anzusprechen und einzubinden. Für das Gelingen wird dies sogar eine conditio sine qua non sein, das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen in anderen Regionen mit ähnlichen Problemen.

Vertiefung. Hinzugefügt am 16.02.2006

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Sprachimmersion und Aosta.

In letzter Zeit ist das Thema Sprachunterricht – bedingt etwa durch die Kandidatur von Frau Elena Artioli auf den Listen der SVP – wieder verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Die Frau schlägt etwas vor, was wohl den meisten Südtirolerinnen ein ernsthaftes Anliegen ist, und zwar die Sprachkompetenz des Nachwuchses noch stärker zu forcieren. Ich bin selbst auch davon überzeugt, dass in Südtirol eine noch bessere Vermittlung der Sprachen (sämtlicher Sprachen, vieler Sprachen!) vonnöten ist. Es könnte z.B. auch ein umfangreiches freiwilliges Angebot der Schulen unter Beibehaltung des heutigen Schulsystems sein. Allerdings bin ich seit jeher skeptisch, ob das in Vorträgen illuminierter Expertinnen so hochgelobte Immersionsmodell unseren Bedürfnissen wirklich genügt, die da auch sind: der Minderheitenschutz. Ich bin jüngst im Netz auf eine wissenschaftliche Analyse der Situation im Aostatal gestoßen, die ich hier verlinke:

Hier gehts zur Studie.

Falls etwas Zeit vorhanden, empfehle ich, die sehr detaillierten Daten genauer unter die Lupe zu nehmen. Selbstverständlich muss man stets vorsichtig sein, wenn man Regionen mit unterschiedlicher Geschichte vergleicht. Dennoch finde ich die Ergebnisse ernüchternd und erschreckend, von Multikulturalität und Mehrsprachigkeit in einem Ausmaß wie in Südtirol kann da keine Rede (mehr) sein! Davor kann niemand die Augen verschließen, dem die Mehrsprachigkeit Südtirols ein Anliegen ist.

Das Fazit könnte natürlich sein, sich weiterhin (und verstärkt) der Immersion zu verschließen – während aufgeklärte Bürger nach wie vor daran festhalten könnten, um den Istzustand auch unter dem Risiko aufzubrechen, langfristig Schaden davonzutragen. Beide Haltungen sind für mich nachvollziehbar und haben ihre philosophische und politische Daseinsberechtigung.

Bis jetzt ist allerdings im Widerstreit der Positionen untergegangen, dass die Quadratur des Kreises wohl durch ein höheres Maß an Selbstbestimmung für Südtirol zu erreichen wäre. Dadurch würde man nämlich die Ausgangslage (also sämtliche Voraussetzungen) auf einen Schlag zum Besseren verändern. Im Klartext: In einer lösgelösten Situation (etwa Luxemburger Verhältnisse), wo es keine natürliche Entwicklung hin zu einem angeschlossenen »Nationalstaat« geben kann, ist Assimilierung kaum zu befürchten, multikulturelle Bestrebungen könnten erfolgreich verlaufen. Solange wir aber nicht kulturelles und geistiges Zentrum unserer selbst sind, sondern lediglich die Peripherie zweier Sprachräume, laufen wir stets Gefahr, dem Beispiel des Aostatals zu folgen – in den Abgrund.

Siehe auch ‹1 ‹2 | 1› 2›

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ERC.

Weiter unten und vor etlichen Monaten war bereits von Esquerra Republicana de Catalunya (Republikanische Linke Kataloniens) die Rede. Deren Programm entspricht ziemlich genau meinen persönlichen Wünschen an eine mögliche sozialdemokratische Partei für Südtirol. Kandidierte ERC mit einem adaptierten Programm hierzulande, wäre ihr meine Stimme sicher. Nun könnte man meinen, eine persönliche Wahlaussage in diesem Blog und zu diesem Thema wäre kontraproduktiv, doch ich will gleich zeigen, warum ich nicht davon ausgehe. Es gibt mehrere Gründe:

  1. Es gibt derzeit keine Partei in Südtirol, die diesem Profil entspräche. Das ist auch der Grund, warum ich auf ein katalanisches Beispiel zurückgreife. Gleichzeitig tut es der Überparteilichkeit keinen Abbruch, denn keine Partei in Südtirol ist wirklich wie ERC und kaum eine ist so weit davon entfernt, dass sie sich von meiner Überlegung ausgeschlossen fühlen könnte.
  2. Meine politische Gesinnung, zu der ich stehe, obschon meine Absichten überparteilich sind, ist für Südtirol quasi ein Novum. Ein »Linker« oder ein »Sozialdemokrat«, der sich entschieden für mehr Selbstbestimmung einsetzt? Das muss näher untersucht werden. Und ich denke, daran werden sowohl die Konservativen (die ohnehin bereits für diesen Zweck kämpfen) als auch die Linken z.T. Gefallen finden. Jedenfalls wird es nicht per se ein Grund sein, das Projekt skeptisch zu beäugen.
  3. Wer sich für Selbstbestimmung stark macht, wird merkwürdigerweise (s. Beitrag »Sensibilisierung«) in Südtirol ohnehin meist in die rechte Schublade gesteckt. Einen klaren persönlichen Widerspruch halte ich daher für angebracht.

Hier also zur Inspiration das Programm von ERC:

Verfügbar auf: Katalanisch | Englisch | Französisch | Spanisch

Außerdem interessant und sehr zeitgemäß (»modern«) finde ich das Programm von Iniciativa per Catalunya – Verds (ICV, Initiative für Katalonien – Grüne), deren Mitglieder in Straßburg mit unseren Grünen in einer Gruppe sitzen. Vielleicht färbt dabei ja was ab… von grün auf grün sozusagen.
Deren Programm konnte ich leider nicht in übersetzter Fassung finden. Womöglich gelingt mir das noch, andernfalls werde ich den Text vielleicht selbst ins Deutsche übertragen.

Nachtrag vom 29.07.2006: Es gibt jetzt offensichtlich eine neue englische Teilfassung der Homepage von ICV ‹1 mit einer Zusammenfassung der Parteigeschichte und deren Zielen ‹2.

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Wiki auf Ladinisch.

Auch will ich natürlich nicht vorenthalten, was ich schon in verschiedenen Foren geteilt habe:

Im O-Ton:

Das wird zu wenig beworben: Es gibt einen Testbetrieb für die neue Wikipedia auf Dolomitenladinisch (wie bereits für das schweizerische Bündnerromanisch). In kurzer Zeit sollten etwa 100 Artikel zustandekommen, damit die freie Enzyklopädie in den ordentlichen Betrieb genommen wird. Falls ihr der ladinischen Sprache mächtig seid, helft mit. Der Beitrag aller ist gefragt, um dieses Ziel zu erreichen! Jeder kann auch mit geringen Vorkenntnissen mitmachen.

Hier die Adresse: http://meta.wikimedia.org/wiki/Test-wp/lld

Die Wiki ist der ideale Ort um einer Minderheitensprache auf die Beine zu helfen, ihr Leben einzuhauchen.

Wie ich meine ist die Wiki eine ungeahnte und unerschöpfliche Möglichkeit gerade für eine bedrohte Minderheitensprache »ohne Staat«, kostenlos und in zwar harter aber lohnender Zusammenarbeit ein derart wichtiges Instrument wie ein universelles Nachschlagewerk zu schaffen. Zahlreiche Minderheiten haben diese Chance bereits begriffen und ergriffen, wie etwa die Korsinnen, Friauler- oder Baskinnen. Die ladinische Wiki schläft derweil noch einen Dornröschenschlaf, viel Interesse scheine auch ich mit meinen Aufrufen nicht erreicht zu haben. Allem Anschein nach wurde das Projekt von irgendeiner gutmeinenden Institution oder Stelle (das »Micurà de Rü«? die »Union Generela«?) initiiert, allerdings ohne besondere Vorkenntnisse. Die Artikel sind größtenteils reinkopiert und nicht mit den für Wikipedia charakteristischen Links versehen, die willigen Verfasserinnen die Arbeit erleichtern würden. Schade, dass ich des Ladinischen trotz einiger Vorfahren aus diesem Sprachraum nicht ausreichend mächtig bin, es wäre eine Freude, ein bisschen Zeit darin zu investieren. Andererseits: Wenn sich eine Gesellschaft nicht für ihre Sprache interessiert und stark macht, ist Engagement von außen eigentlich wenig hilfreich. Ohne Selbstbewusstsein der Betroffenen selbst ist das Problem nicht zu lösen. Vielleicht macht sich ja doch noch jemand an die Arbeit?

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Sensibilisierung.

Im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten bin ich derzeit vorrangig im Internet aktiv, wo ich etwa Politiker anschreibe und versuche, sie zum Thema Selbstbestimmung zu sensibilisieren. Eigentlich ist es vorerst eher für mich interessant zu beobachten, was unsere Entscheidungsträger von dieser Problematik halten. Besonders links der Mitte scheint das Thema eher verdrängt zu werden oder gar verpönt, obschon die Idee von persönlicher und kollektiver Freiheit, Mitbestimmung und Subsidiarität international und historisch eher in diesem politischen Milieu anzusiedeln ist. Es ist wirklich kurios, wie die historische Entwicklung Südtirols zum einen, und die Aneignung des Themas durch rechte und z.T. sogar extremistische Gesellschaftsteile zum anderen, die Linke verschreckt haben. Nur allmählich wird zur Kenntnis genommen, dass das Prinzip Selbstbestimmung – wenn richtig, also im Konsens und zum Vorteil aller umgesetzt – einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der strukturellen Probleme in der Südtiroler Gesellschaft führen könnte.

In letzter Zeit habe ich öffentlich einsehbar vor allem mit dem Europaabgeordneten Sepp Kusstatscher auf seinem eigenen Blog diskutiert.

Auch der SVP-Obmann sowie alte und neue Bozner Vize-BM Elmar Pichler Rolle stellt sich auf dem Forum der VP öffentlicher Diskussion.

Sogar im sehr geschäftigen Blog von Silvano Bassetti war ein grundsätzlicher Konsens zu meinem vorsichtig untergebrachten Vorschlag zu erkennen.

Zum Schluss war ich noch bei den g.ecos, die ein interessantes Potential für Südtirols Politlandschaft darstellen. Dort stehen Antworten noch aus, ich werde nach Möglichkeit berichten.

Alles in allem ist jedenfalls festzustellen, dass sich alle Akteure der heimischen politischen Landschaft grundsätzlich bereit zeigen, an einer Diskussion teilzunehmen. Wie ernsthaft – und welche Folgen diese Tatsache auf die reale Politik haben wird – ist natürlich noch nicht abzusehen. Wichtig ist für mich jedoch, dass die Möglichkeit besteht, positiv Einfluss zu nehmen, die Leute lassen mit sich reden. Das ist gut für die Demokratie.

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