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Ad »Catalunya (II)«

Einige Erläuterungen zu den im Artikel »Catalunya (II)« beschriebenen gesetzlichen Konsumenten- und Sprachschutzmaßnahmen:

[1. Katalanisch im Privatunternehmen:

• Betriebe oder Geschäfte, die sich dem Warenverkauf oder der Dienstleistungserbringung widmen und ihre Aktivität in Katalonien ausüben, müssen in der Lage sein, Verbraucherinnen und Verbraucher in sämtlichen Amtssprachen Kataloniens zu bedienen (Art. 32.1 des Sprachpolitikgesetzes).]

In Südtirol haben Verbraucherinnen und Verbraucher kein Recht, sich in ihrer Sprache beraten zu lassen. Diese Erfahrung hat jeder gemacht, der bereits versucht hat in Bozen beim Einkauf die deutsche Sprache zu benutzen – was im Lebensmittelladen oder in der Apotheke mitunter ernste Folgen haben kann. Sollten sich in Südtirol außerdem in- und ausländische Ketten (Ikea, Mediamarkt usw.) niederlassen, ist eine weitere Verschlechterung zu befürchten. Diesem Problem wurde in Katalonien mit dieser Maßnahme ein Riegel vorgeschoben. Zum Vorteil des Kunden.

Ein weiteres Beispiel: Sämtliche Telefonbetreiber ermöglichen in Spanien die Wahl zwischen Kastilisch, Katalanisch, Galicisch und Baskisch. Auf dem gesamten Staatsgebiet und i. d. R. in vollem Umfang. In Südtirol wäre vor allem die Telecom verpflichtet, diese Möglichkeit zu bieten, kommt diesem Auftrag jedoch nur teilweise nach. Wählt man einen günstigeren Betreiber, verzichtet man als Konsument automatisch auf das »Sprachrecht«.

[• Fest angebrachte Beschriftungen und Informationsschilder sowie Dokumente, die Dienstleistungsangebote zum Inhalt haben und die an die Benutzer und Verbraucher in öffentlich zugänglichen Einrichtungen gerichtet sind, müssen mindestens in katalanischer Sprache verfasst sein. Es ist festzuhalten, dass diese Regelung nicht auf Marken, kommerzielle Bezeichnungen und Beschriftungen anzuwenden ist, die von den Gesetzen über industrielles Eigentum betroffen sind (Art. 32.2 des Sprachpolitik-Gesetzes).]

Vgl. Punkt 2.

[• Fest angebrachte Aufschriften und Informationen, welche am Arbeitsplatz vorzufinden und an jene Personen gerichtet sind, die dort arbeiten, müssen mindestens auf Katalanisch abgefasst sein (Art. 36.4 des Sprachpolitikgesetzes). Die Regierung der Generalitat hat die Aufwertung und den Gebrauch des Katalanischen im Bereich, auf den sich der erste Paragraph dieses Absatzes bezieht, durch angemessene Maßnahmen zu fördern (Art. 32.2 des Sprachpolitikgesetzes).]

In Südtirol haben Kunden in der Praxis zwar manchmal die Möglichkeit, sich im Umgang mit Betrieben ihrer Muttersprache zu bedienen. Dies gilt im besonderen Maße für Unternehmen, die einen öffentlichen Dienst ausüben. Maßnahmen zum Arbeiterschutz gibt es jedoch keine. Wer beispielsweise bei der Telecom, aber auch in einem Privatbetrieb arbeitet, hat keinen Anspruch, seine Muttersprache zu benutzen. Doch was für eine Sprachpolitik betreiben wir, wenn wir zwar sicherstellen, dass sich ein Bürger in seiner Sprache an ein öffentliches Amt wenden darf, wir aber zulassen, dass er während seiner Arbeit – also während der meisten Zeit – kein Recht auf Muttersprache hat?

[• Konzessionsnehmer: Konzessionsnehmer der Generalitat de Catalunya und der Lokalkörperschaften haben im Rahmen ihrer Aktivität und in ihrer internen Dokumentation sowie in Aufschriften, Gebrauchsanweisungen, in der Etikettierung und der Verpackung von Produkten und Diensten, die sie herstellen oder anbieten, normalerweise [sprich: bevorzugt] die katalanische Sprache zu verwenden (Art. 30.1 des Sprachpolitikgesetzes).
Außerdem haben sie für Kommunikation und Benachrichtigungen, inklusive Rechnungen und andere Verkehrsdokumente die katalanische Sprache normalerweise [sprich: bevorzugt] zu benutzen, ohne das Recht der Bürgerinnen und Bürger anzutasten, diese Informationen auf Kastilisch zu erhalten, so sie dies anfordern (Art. 30.2 des Sprachpolitikgesetzes).]

[• Unternehmen mit Vereinbarungen und subventionierte Unternehmen: Unternehmen, die eine Vereinbarung oder eine Zusammenarbeit mit der Generalitat oder öffentlichen Körperschaften eingegangen sind, oder Hilfen oder Subventionen von ihnen entgegennehmen, haben in Aufschriften, Benachrichtigungen und an die Öffentlichkeit gewandten Dokumenten mindestens die katalanische Sprache zu verwenden, wenigstens solange diese den Bereich der Subvention oder der Zusammenarbeit betreffen (Art. 33 des Sprachpolitikgesetzes).]

[2. Beschriftung und Etikettierung:

Fest angebrachte Beschriftungen und allgemeine Informationsschilder in Betrieben, die Waren verkaufen oder Dienste anbieten, müssen mindestens in katalanischer Sprache verfasst sein (Art. 32.3 des Sprachpolitikgesetzes). Die Daten der Etikettierungen, der Verpackung und die Gebrauchsanweisungen der Produkte die in Katalonien verkauft werden, können auf Katalanisch, Kastilisch oder jeder anderen Sprache der Europäischen Union verfasst sein. (Art. 34.1 des Sprachpolitikgesetzes). Der zweite Absatz des selben Artikels sieht außerdem vor, dass sämtliche vorgeschriebene Angaben sowie die freiwilligen Zusatzinformationen der Produkte mit Herkunftsangabe, Landesangabe oder Qualitätsmarke sowie handwerklich hergestellter Produkte zwangsläufig mindestens auf Katalanisch verfasst sein müssen.]

Während in Katalonien Etikettierungen außer auf Katalanisch in jeder Sprache der EU erlaubt sind, gilt dies in Südtirol nicht einmal fürs Deutsche. Die nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch in Südtirol meistgesprochene Sprache wird bei Etikettierungen nicht anerkannt, was in der Praxis den Konsumentenschutz ad absurdum führt. Während nämlich in Katalonien einige Supermärkte (wie die Gruppe bonpreu) ihre eigenen Produkte ausschließlich in der Landessprache kennzeichnen, werden hierzulande vorhandene deutsche oft mit unleserlichen Etiketten in italienischer Sprache ersetzt. Die Handelskette M_Preis etwa überklebt österreichische Etiketten oder lässt sich die Ware gleich aus Norditalien liefern, anstatt sie aus nahen Lagern in Tirol heranzuschaffen. Der Konsumentenschutz geht baden.

Erstrebenswert wäre wohl wenigstens eine Gleichberechtigung der beiden großen Landessprachen, wie dies auch in der Schweiz der Fall ist. Damit wäre der Südtiroler Markt für Produkte aus Italien, aber auch Deutschland, Österreich und der Schweiz offen.

[3. Katalanisch im Tourismus:

Was Einrichtungen betrifft, die Tourismus- oder Restaurationsdienste versehen, so haben verschiedene Vorschriften die Sprachrechte der Konsumentencharta ausgeweitet. Das ist der Fall bei touristischen Unterbringunsdiensten, welche dazu angehalten sind, die Preise sämtlicher Dienstleistungen sowie ihre Rechnungen wenigstens auf Katalanisch zu verfassen; Restaurationsbetriebe haben sowohl im Außenbereich als auch im Gebäudeinneren die Preise ihrer Dienstleistungen und die Speise- und Weinkarten wenigstens auf Katalanisch zur Verfügung zu stellen. Reisegesellschaften müssen dem Verbraucher die Informationen bzgl. Dienstleistungen und Verträge mindestens auf Katalanisch zur Verfügung stellen.]

[4. Welche spezifische Verpflichtungen haben Banken, Sparkassen und Versicherungsgesellschaften?

Zusätzlich zu allen anderen sprachlichen Verpflichtungen, die alle Unternehmen betreffen, müssen Banken, Sparkassen und andere Finanzgesellschaften sowie die Versicherungsgesellschaften folgendes auf Katalanisch bereithalten:

– Schecks, Zahlscheine und Scheckhefte (Art. 15)
– alle anderen Dokumente, die sie ihren Kunden anbieten (Art. 15)

Es muss daran erinnert werden, dass diese Unternehmen ihre Verträge […] in separaten Exemplaren auf Katalanisch und Kastilisch zur Verfügung stellen müssen.]

Gerade Banken und Versicherungen haben in Südtirol kaum sprachliche Verpflichtungen. Zweisprachige Dokumente der Raiffeisenkassen, der Volkbank und der Sparkasse sind größtenteils nicht auf gesetzliche Vorschriften zurückzuführen. Mitunter müssen sich Kunden zwischen einem guten Angebot und einem Angebot in ihrer Muttersprache entscheiden, weil die meisten Institute, die ihren Sitz außerlandes haben, die deutsche Sprache nicht kennen. Versicherungsverträge und -policen in deutscher Sprache sind so gut wie inexistent. Missverständnissen, Betrug und Kundenverwirrung sind damit Tür und Tor geöffnet.

In Spanien bieten – wie übrigens auch in der Schweiz – so gut wie alle Banken nicht nur in Katalonien, sondern auf dem gesamten Staatsgebiet die Möglichkeit, im Umgang mit dem Institut zwischen sämtlichen anerkannten Sprachen zu wählen. Geldautomaten bieten auch in Madrid zunächst die Wahl zwischen Kastilisch, Katalanisch, Galicisch, Baskisch sowie »anderen Sprachen« an. Selbst innerhalb Südtirols gibt es eine Sprachwahl nur bei im Land ansässigen Banken. Außerhalb käme man an andere Sprachen nur mit einer ausländischen Karte – die Möglichkeit, Minderheitensprachen zu berücksichtigen, scheint in Italien geradezu unvorstellbar.

[5. Versicherungen:

Die Versicherungspolicen müssen in Katalonien je nach Wunsch des Versicherungsnehmers auf Katalanisch oder Kastilisch abgefasst werden. Im Einklang mit dem Europäischen Recht darf sie der Versicherungsnehmer außerdem auch in einer anderen Sprache beantragen (Artikel des Gesetzes 18/1997).]

Vgl. Punkt 4.

[6. Welche Unterlagen müssen mindestens auf Katalanisch verfasst sein?

Mindestens auf Katalanisch müssen die Unterlagen sein, welche Dienste anbieten, sowie Kataloge und Prospekte, Speisekarten und Menüs der Restaurants, Teilnahmeverträge […] usw. Finanz- und Versicherungsgesellschaften, andere Unternehmen oder Selbständige in bestimmten Handelsbereichen müssen ihre Kostenvoranschläge, Rechnungen und andere Unterlagen auf Katalanisch ausstellen, und zwar im Einklang mit den jeweiligen sektorialen Bestimmungen.]

In Südtirol gibt es diesbezüglich keine verbraucherfreundlichen Vorschriften. Sämtliche Rechte liegen beim Unternehmen, sämtliche Pflichten beim Konsumenten.

[7. Katalanische Ortsnamen (Toponyme):

“Die einizge offizielle Form der Toponyme Kataloniens ist die katalanische, (…) außer jene im Aran-Tal, die auf Aranesisch gehalten sind.” (Art. 18.1 des Sprachpolitikgesetzes). Diese offizielle katalanische Bezeichnung ist die einzige juridisch anerkannte und die Beschilderung hat sich danach zu richten (Art. 18.4 des Sprachpolitikgesetzes).
Territorialdeskriptive Publikationen – Karten und Führer – welche in Katalonien verlegt werden haben die Toponyme in ihrer offiziellen Form zu benutzen (Art. 3.3 des Dekrets 78/1991 über den Gebrauch von Ortsnamen). Toponyme sind Bezeichnungen der Gemeinden, der Ortschaften, geographischer Elemente, anderer territorialer Einteilungen sowie von städtischen und ländlichen Straßen (Art. 1.1 des genannten Dekrets).]

[8. Können Unternehmen und Einrichtungen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, sanktioniert werden?

Tatsächlich können Unternehmen und Einrichtungen laut Gesetz 1/1990 vom 8. Jänner über Marktdisziplin und Verbraucher- und Konsumentenschutz (Verordnung 5b. und andere Artikel des Sprachpolitikgesetzes) bestraft werden. Rundfunkunternehmen können auch über die spezifische Gesetzgebung sanktioniert werden (zusätzliche Verordnung 5a. und andere Artikel des Sprachpolitikgesetzes).]

Während in Katalonien tatsächlich beobachtet werden kann, dass die beschriebenen Maßnahmen greifen, scheint in Südtirol die Sanktionierung von Übertretungen überhaupt nicht zu funktionieren. Dies gilt in fast allen der wenigen Bereiche, wo es eigentlich bereits Vorschriften gäbe – von der Bahn über die Post und Telecom bis hin zu derart heiklen Bereichen wie die Packungsbeilagen von Medikamenten. Im Grunde sind die bestehenden Verpflichtungen eine Farce.

[9. Können Bürger ein Unternehmen anzeigen, das dem Sprachpolitikgesetz zuwiderhandelt?

Ja. Die Ämter für Sprachgarantien, welche beratend und informierend tätig sind sowie Unternehmen im Gebrauch der katalanischen Sprache zur Seite stehen, nehmen auch Reklamationen und Anzeigen entgegen, damit die zuständigen Behörden Inspektionen einleiten und ggf. Sanktionen verhängen können.]

Vgl. Punkt 8.


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