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  • Der Bozner CPI-Stadtrat.
    Umwelt und Energie

    Die SVP hat sich in bekanntlich auch in der Landeshauptstadt auf eine Koalition mit rechten und neofaschistischen Kräften eingelassen. Mit dabei ist unter anderem auch die Lega, deren Chef Matteo Salvini der Landeshauptmann erst kürzlich für seine Hetze kritisiert hatte, deren Kandidaten im Gemeinderatswahlkampf menschenverachtende Positionen vertreten haben und die sich den Hardcore-Faschisten von CasaPound (CPI) als Wahlplattform zur Verfügung gestellt hat.

    Bürgermeister Claudio Corrarati hat nun mit Marco Caruso (Lega) einen Faschisten auch in den siebenköpfigen Stadtrat geholt. In der Landeshauptstadt des angeblichen »Klimalandes Südtirol« ist er fortan für die entscheidenden Agenden Umwelt und Energie verantwortlich. Dazu gehört ausdrücklich auch die Aufgabe, die Beziehungen zu innerstaatlichen und europäischen Institutionen im Rahmen von Klima- und Umweltprojekten zu pflegen.

    Doch wer ist dieser Caruso?

    Bei der Wahl 2015 war er noch für die offen faschistische Partei Unitalia in den Gemeinderat gewählt worden. Die beiden Unitalia-Räte Gianfranco Piccolin und Luigi Schiatti hatten 2009 für einen Skandal gesorgt, als sie aus Protest den Ratssaal verließen, während über die Ehrenbürgerschaft für Franz Thaler abgestimmt wurde. Ihrer erbärmlichen Lesart zufolge war der Sarner Nazi-Widerständler nicht ein Held, sondern ein verächtlich zu machender Deserteur.

    Caruso selbst schlug in dieselbe Kerbe, als er als Gemeinderat vehement die sogenannte »Historisierung« des Mussolinireliefs am Gerichtsplatz bekämpfte. Gemeinsam mit anderen rechtsextremen Politikern kündigte er 2016 sogar medienwirksam an, die geplante — und mittlerweile umgesetzte — Umgestaltung gerichtlich abwenden zu wollen.

    Der wegen Faschismusverherrlichung verurteilte Bozner CasaPound-Anführer Andrea Bonazza hatte Caruso nach dem Wahlerfolg 2015 in einem Beitrag für den faschistischen Primato Nazionale als einen »lieben Freund« bezeichnet, der »mit uns aufgewachsen« sei und »von der politischen Schule der CasaPound« stamme.

    Im Vorfeld der vorgezogenen Gemeinderatswahl von 2016 unterzeichnete Caruso gemeinsam mit anderen Rechten eine homophobe Selbstverpflichtung.

    Mit solchen Gestalten sitzt die Volkspartei jetzt nicht nur in einer Koalition, sondern auch im Gemeindeausschuss. Die SVP ermöglicht es ihnen mit ihren Stimmen erst, die Landeshauptstadt mitzuregieren.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 || 01



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  • Löchriger Schutz.


    Die Minderheiten in Italien benötigen tatsächlich einen Unterstaatssekretär

    Es ist nicht immer nachvollziehbar, was dahinter steckt. Beispielsweise hinter der Idee von Minister Francesco Lollobrigida (FdI), nicht nur ein Freund des Bauernbundes, den ehemaligen Brunecker Bürgermeister in die Regierung zu holen. Er brachte laut Neuer Südtiroler Tageszeitung Roland Griessmair (SVP) als Unterstaatssekretär für Minderheitenfragen ins Spiel.

    Lollobrigida ist ein Stratege. Er ließ die SVP im Landtagswahlkampf 2023 wissen, dass die Fratelli d’Italia mit der Volkspartei zusammenarbeiten möchten. In der neuen Landesregierung. Aus seinem Wunsch wurde Realität.

    Als Landwirtschaftsminister wurde Lollobrigida Ansprechpartner für den Bauernbund, der vor zwei Jahren auch schon offensiv für eine Zusammenarbeit von SVP und Fratelli warb. Das angeblich überhandnehmende Großwild, Wolf und Bär, verbindet den Minister mit dem Bauernbund.

    Ausgerechnet Lollobrigida. Simon schaute sich 2022 die parlamentarische Tätigkeit Lollobrigidas in Sachen Südtirol genau an. Sein Fazit damals: er und seine Kameraden seien von Südtirol besessen. In seinen Anfragen attackierte Lollobrigida Südtirol, warnte vor Sezessionisten und Selbstbestimmungsbefürwortern. Dieser Lollobrigida will nun einen Unterstaatsekretär für Minderheitenfragen installieren. Das war auch Thema eines Treffens mit Regionenminister Roberto Calderoli (Lega), ohne dass dabei Griessmairs Name fiel.

    Griessmair lehnte sich bereits kräftig aus dem Fenster, beschrieb seine Rolle als technisch; er will Kümmerer dafür sein, dass das kleine Autonomiepaket durch das parlamentarische Gestrüpp kommt. Als Unterstaatssekretär will er auch Ansprechpartner für die Minderheiten sein. Minister Calderoli denkt dabei an einen Sonderstaatssekretär ohne politische Verpflichtungen gegenüber der Regierung.

    Ein Kümmerer für Minderheiten?

    Ein Kümmerer tut not, keine Frage, ein Kümmerer für die Belange der sprachlichen und nationalen Minderheiten Italiens. Die Lage der Minderheiten ist düster, obwohl die republikanische Verfassung aus dem Jahr 1948 mit Artikel 6 den Schutz der Minderheiten festschreibt. Dieser Verfassungsauftrag kümmerte das antifaschistische demokratische Nachkriegsitalien wenig bis kaum.

    Erst 1999 wurde aus dem Artikel 6 der Verfassung das Rahmengesetz zum Schutz der Minderheiten. In seinem ersten Artikel unterstreicht dieses Gesetz, dass Italienisch die Amtssprache der Republik ist. Eine schräge Botschaft an die Minderheiten. Der entsprechende Entwurf wurde 1991 eingebracht. Es dauerte dann weitere acht Jahre, bis es dafür eine parlamentarische Mehrheit gab.

    In die damaligen parlamentarischen Verhandlungen platzte 1996 die Euromosaic-Studie der EU-Kommission über die sprachliche Vielfalt. Von den damaligen 48 Minderheitensprachen im EU-Raum hatten 23 nur noch eine »begrenzte« oder gar »keine« Überlebensfähigkeit. Zwölf weitere Minderheitensprachen wurden als »bedroht« eingestuft.

    In Italien galten als begrenzt bzw. nicht überlebensfähig Albanisch, Griechisch (Apulien und Kalabrien), Katalanisch (Sardinien), Kroatisch (Molise), Okzitanisch (Piemont) und Sardisch. Französisch (Aosta), Friulanisch und Slowenisch (Friaul) wurden als »bedroht« eingestuft, Ladinisch als »relativ überlebensfähig« und Deutsch in Südtirol als »vollkommen vital«.

    Für Südtirol gilt der bilaterale österreichisch-italienische Pariser Vertrag von 1946, das internationale Fundament für das Zweite Autonomiestatut von 1972.

    Dürftiger Minderheitenschutz

    Das Minderheitengesetz hielt nicht, was es eh nicht versprach: die Förderung der Minderheiten. Am Zustand der minoritären Sprachen änderte sich seit Euromosaic wenig. Das änderte auch nicht die Ratifizierung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates. Noch bevor das italienische Parlament ein Gesetz zur Umsetzung des Verfassungsartikels 6 auf dem Weg brachte, trat 1998 diese Rahmenkonvention des Europarates in Kraft. Eine unverbindliche Konvention mit einer Menü-Liste, aus der die Staaten die ihnen genehmen Maßnahmen wählen konnten.

    Die einzige Verpflichtung für die der Konvention beigetretenen Staaten sind die dem Europarat vorzulegenden Berichte. Staatenberichte. In seinem sechsten Bericht 2024 erklärt Italien, warum Sinti und Roma nicht als Minderheiten anerkannt sind. Zwei Minderheiten, deren soziale Lage in vielen Bereichen äußerst miserabel ist, menschenunwürdig.

    Dann folgt im Bericht viel Schönfärberei zu den Themen Rai und Minderheitensendungen sowie Schulen in Minderheitensprachen. Es wird darauf verwiesen, dass die Regierung 2022 und 2023 für den Schutz der slowenischen, katalanischen und sardischen Minderheiten in den Regionen Friaul-Julisch Venetien und Sardinien zehn Millionen Euro zur Verfügung stellte. Das soll Förderung sein? Das sind doch Krümel. Die verschiedenen Gesetze klingen überzeugend, die politisch Realität hält der Prüfung aber nicht stand.

    Immer wieder bekundeten italienische Regierungen, auch die Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates ratifizieren zu wollen. Dieses völkerrechtliche Dokument reicht weiter als die Rahmenkonvention, ist aber auch nicht einklagbar. Außerdem können sich die Staaten aus den Schutzmaßnahmen jene aussuchen, die wenig kosten und für den Staat wenig verpflichtend sind.

    Plan B

    Es gäbe für einen Sonderstaatsekretär Griessmair viel zu tun. Was hat Griessmair mit Minderheiten und Minderheitenpolitik zu tun? Er ist SVP-Mitglied. Eine schnelle Internetrecherche bestätigt keineswegs ein Minderheitenengagement des ehemaligen Brunecker Bürgermeisters.

    Nur einmal gab er den harten Autonomisten: Im vergangenen November 2024 wurde ihm klar, dass er nicht ein weiteres Mal für das Bürgermeisteramt in Bruneck kandidieren darf. Das Parlament schränkte die »Mandatszeit« für Bürgermeister in Gemeinden mit mehr als 15.000 Einwohnern ein (absurderweise gibt es aber für Parlamentarier:innen keine Beschränkungen).

    Damals sagte Griessmair der Neuen Südtiroler Tageszeitung: »Wir sind eine autonome Provinz und wenn man als solche nur mehr staatliche Regelungen abschreiben kann, hat das mit Autonomie nicht viel zu tun.« Zweifelsohne ein guter Sager.

    Und im Hickhack um die Mandatsbeschränkung ließ Griessmair die Öffentlichkeit wissen, dass er einen Plan B hat. Ist nun der Sonderstaatssekretär der Plan B?

    Griessmair, Calderolis Seketär

    Als möglicher Sonderstaatssekretär, vorgeschlagen von Minister Lollobrigida, kündigte Griessmair an, das Autonomiepaket nachbessern zu wollen. Ein schlechter Gag, denn dieser Entwurf für ein Verfassungsgesetz ist »blindato«, »unantastbar«, kann nicht mehr abgeändert bzw. ergänzt werden. Auch deshalb konnten der Südtiroler Landtag, der Consiglio Provinciale von Trient und der Regionalrat nur nichtbindende Gutachten abgeben.

    Sein Job als Sonderstaatssekretär wird sein, das wird Regionenminister Calderoli Griessmair schmackhaft machen müssen, diesen Verfassungsgesetzentwurf zur Autonomie durch das Parlament zu begleiten. Als die rechte Hand von Calderoli. Tritt Griessmair in die Fußstapfen des Sterzinger SVP-Ortsobmannes Manfred Girtler, der 2001 von der Regierung Berlusconi als Staatsvertreter in die Sechserkommission berufen wurde? Die Freude darüber hielt sich bei der SVP in engen Grenzen. Wie auch jetzt. »Die Regierung in Rom entscheidet, nicht wir«, stellte Obmann Dieter Steger auf Rai Südtirol klar. Und Griessmair muss seine Parteimitgliedschaft ruhen lassen. Der Beleg dafür, dass die SVP dieser rechtsrechten Regierung nicht angehören will.

    Cëla enghe: Autonomie-Report der Eurac, Autonomiereform – ein verfassungsrechtlicher Meilenstein?


    Autor:innen- und Gastbeiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung oder die Position von BBD wider, so wie die jeweiligen Verfasser:innen nicht notwendigerweise die Ziele von BBD unterstützen. · I contributi esterni non necessariamente riflettono le opinioni o la posizione di BBD, come a loro volta le autrici/gli autori non necessariamente condividono gli obiettivi di BBD. — ©


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  • Anderthalbsprachige Digitalisierung in Bruneck.
    Minorisierung

    Die Digitalianisierung hat auch in der Gemeinde Bruneck Einzug gehalten. Um dort zum Beispiel online auf Deutsch eine Durchfahrtsgenehmigung für die »verkehrbeschränkte Zone« zu beantragen, muss man der italienischen Sprache mächtig sein — was sowohl einen Gesetzesverstoß als auch einen Beitrag zur Marginalisierung der deutschen Sprache in Südtirol darstellt.

    Im Grunde kann hier nicht mehr zwischen Deutsch und Italienisch, sondern (wie zum Beispiel auch beim Einheitsschalter für das Bauwesen – ESB) nur noch zwischen einem einsprachig italienischen und einem wackeligen zweisprachigen Verfahren gewählt werden.

    Ich habe mir das Portal nach einem Hinweis in den Kommentaren einmal näher angesehen und zeige hier ein paar Beispiele.

    Zunächst loggt man sich mit einem SPID (italienisches Akronym für »Öffentliches System der digitalen Identität« – ÖSDI) oder mit einem CIE-Account (italienisches Akronym für »Elektronische Identitätskarte« – EIK) ein. Ersteres geht nur auf Italienisch, zweiteres auch auf Deutsch.

    Dann gibt man die sogenannten »anagrafischen« (gemeint ist: »meldeamtlichen«) Daten ein. Wenn es Fehlermeldungen gibt, sind sie auf Italienisch:

    Einsprachig Italienisch ist — trotz Sprachwahl »Deutsch« — auch der Inhalt der Bestätigungsmail:

    Wählt man als »Benutzertyp« etwas anderes als »natürliche Person«, muss unter »Repräsentanztyp« aus einer einsprachig italienischen Liste zwischen »Titolare«, »Rappresentante legale«, »Dipendente«, »Delegato« oder »Altro« gewählt werden:

    Beim »Personalausweis« sieht es ähnlich aus. Gewählt werden kann zwischen »Carta d’identità«, »Patente« oder »Altro«. Dazu wird eine »Identifikationsnummer« (gemeint ist vermutlich die Ausweisnummer) abgefragt und es soll angegeben werden, von wem und wann der Ausweis »veröffentlicht« (gemeint ist: »ausgestellt«) wurde:

    Das Datum (Geburts-, Ablauf-, Ausgabedatum…) ist jeweils über einen Kalender einzugeben, der nur auf Englisch verfügbar ist.

    Beim Wohnsitz ist im Feld mit der Angabe »Digita il Comune« die Gemeinde einzutippen, doch — leiderleider — gibt es die Gemeindenamen nur auf Italienisch (wobei es sich bekanntlich in den meisten Fällen um faschistische Namenserfindungen handelt).

    Noch nicht einmal Bruneck ist dem System, wie hier ersichtlich, mit seinem historisch gewachsenen Ortsnamen bekannt:

    Der soganannte »Adressentyp« (Straße, Platz etc.) ist im Italienischen sinnvoll. Im Deutschen wird diese Angabe der Bezeichnung jedoch nicht vorangestellt, sondern bildet in vielen Fällen mit ihr eine Einheit (Hauptstraße, Dorfplatz etc.) weshalb das Feld kaum Sinn ergibt.

    »Innenraum« ist eine falsche Übersetzung von italienisch »Interno«, womit die Wohnungsnummer (und eben ganz sicher kein Innenraum) gemeint ist.

    Bei der Auswahl des Tarifs wird die »verkehrsbeschränkte Zone« einsprachig italienisch mit »ZTL« (zona a traffico limitato) abgekürzt:

    Wer das nicht wissen sollte, hat Pech gehabt.

    Nachdem der Antrag schließlich abgeschickt ist, kann unter »Liste [der] Genehmigungen« der Status eingesehen werden:

    »In Verwaltung« soll vermutlich »in Bearbeitung« heißen.

    Nicht zuletzt soll ja auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommen:

    Wen kann es da schon stören, wenn bei den Etiketten a bissl was durcheinander gekommen ist? Hauptsache Digitalisierungsweltmeister.


    Der soeben aus dem Amt geschiedene Brunecker Bürgermeister Roland Griessmair (SVP) könnte ja schon bald als Staatssekretär für Minderheitenangelegenheiten nach Rom wechseln. Von dort aus wird er dann vielleicht seinen gestreiften Nachfolger dazu anspornen, die Plattform zur Ausstellung von Abonnements und Durchfahrtsgenehmigungen zu ver(schlimm)bessern. An technischer Expertise fehlt es ihm diesbezüglich offenbar nicht.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 | 10 11



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  • Cymru: Diskussion über Unabhängigkeit erwünscht.
    Partizipation

    In Cymru (aka Wales) kann und soll offen über die möglichen Zukunftsszenarien — einschließlich Eigenstaatlichkeit — diskutiert werden. Hierzu rief die nicht separatistische Labour-Regierung des Landes vor einigen Jahren die Unabhängige Kommission über die konstitutionelle Zukunft von Cymru ins Leben, die 2024 ihren Schlussbericht veröffentlichte.

    Rund 18 Monate lang hatte sie zuvor das Ohr an die walisische Bevölkerung gelegt, um herauszufinden, wie man die Demokratie stärken und die Autonomie von Cymru festigen und ausbauen könnte.

    Insbesondere wurden für die Zukunft von Cymru drei unterschiedliche Szenarien untersucht:

    • Autonomieausbau;
    • Cymru als Teil eines föderalen Vereinigten Königreichs oder
    • die Gründung eines unabhängigen Staates.

    Ausdrücklich wurde in dem Schlussbericht festgehalten, dass alle drei Szenarien tragfähig wären. Es wurde bewusst nicht bewertet, welches die bessere Option wäre, sondern eine möglichst objektive Analyse durchgeführt, damit die Bevölkerung die Chance hat, selbst zu entscheiden, welchen Weg sie für ihr Land bevorzugt.

    Jeder der drei Wege weise Stärken und Schwächen, Risiken und Chancen auf, so die Kommission. Welche Lösung man wählt, hänge hauptsächlich davon ab, wie man die unterschiedlichen Entscheidungskriterien gewichte und welche Risiken man für die Chancen, die die einzelnen Optionen bieten, einzugehen bereit sei. Dabei handle es sich um eine Aufgabe, die den politischen Parteien und letztendlich den Bürgerinnen obliege.

    Es sei jedoch von größter Wichtigkeit, offen und konstruktiv über die unterschiedlichen Zukunftsszenarien zu diskuteren, da die öffentliche Debatte ohne informierte Diskussion viel stärker zur Polarisierung tendieren würde.

    Eine der wichtigsten Erkenntnisse im Austausch mit der Bevölkerung sei gewesen, dass viele Menschen das Gefühl hätten, keinerlei Einfluss auf die Regierungspolitik zu haben. Die Mehrzahl verstehe nicht, wie das Land verwaltet wird und wer wofür verantwortlich ist. Daraus ergebe sich ein Gefühl der Machtlosigkeit. Für Befürworterinnen der Union, der Unabhängigkeit und anderer Zukunftsvisionen sei es aber wichtig, dass ihre Vorschläge gehört, diskutiert und geprüft werden können. So komme man von Slogans weg und hin zu einer Beschäftigung mit der besten Zukunftoption für Cymru.

    Keine Option sei hingegen die Beibehaltung des Istzustandes, so die Kommission, da die autonomen Befugnisse nach derzeitiger Regelung jederzeit geändert werden könnten, ohne die Bevölkerung in die Entscheidungen einzubinden. Wie in Südtirol.

    »Nationale Konversation«

    Um zu ihren Erkenntnissen zu gelangen, hat die Kommission eine sogenannte »nationale Konversation« mit den Bürgerinnen von Cymru gestartet. Dazu wurde eine Online-Umfrage durchgeführt und die Möglichkeit geschaffen, Anregungen und Vorschläge via E-Mail und per Post einzusenden oder als Video- und Audionachricht hochzuladen. 

    Neben formalen Texten, die für manche eine hohe Hürde darstellen können, wurde es ermöglicht, Gedichte, Rap, Musik, kreative Texte oder Fotos einzureichen.

    Nachdem jedoch zum Ausdruck gekommen war, dass viele, die eigentlich mitdiskutieren wollten, das Gefühl hatten, zu wenig informiert zu sein, wurde eigens eine Beteiligungsplattform mit Informationen, Blogs, Kommentar- und Chatfunktionen eingerichtet.

    Um auch diejenigen einzubeziehen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht selbst aktiv werden wollten, denen strukturelle Barrieren (Sprache, Bildung, Technologie, Beeinträchtigung) eine Teilnahme erschweren oder die der Ansicht sind, man würde sich für ihre Meinung ohnehin nicht interessieren, wurden die Menschen in einem weiteren Schritt auch vor Ort aufgesucht und proaktiv eingebunden: in Einkaufszentren, bei Festen und Festivals, auf den Straßen und in den Bürgerzentren.

    Ferner wurden unterschiedlichste Vertretungen — wie die der Gehörlosen, der Blinden, von Roma und Sinti sowie der Fahrenden — kontaktiert und um ihre Ansichten gefragt.

    Die aus der »nationalen Konversation« hervorgegangenen Einsichten wurden dann noch um quantitative und qualitative Daten über die Ansichten und Wünsche der Bevölkerung ergänzt: Es wurden acht deliberative Bürgerräte mit je 16 Mitgliedern organisiert, die nach Alter, Geschlecht, politischen Ansichten, sozioökonomischem Hintergrund, Stadt/Land, Beeinträchtigung, Sprache, LGBTQ+, Lebenslage, Ethnizität, Interesse an der Materie und Wissen gewichtet wurden und für alle geografischen Regionen von Cymru repräsentativ waren. Dabei wurde auch erhoben, inwiefern sich die jeweiligen Ansichten durch die Diskussion mit den anderen Teilnehmenden und den Austausch von Informationen verändert hatten. Nicht zuletzt wurde eine repräsentative Telefon- und Onlineumfrage mit 1.596 Teilnehmenden durchgeführt.

    Eine bedeutende Erkenntnis war, dass viele Bürgerinnen zwar an Verfassungsreformen interessiert seien, dieses Interesse aber oft nicht direkt zum Ausdruck brächten. Dies äußere sich darin, dass eher über unmittelbare Prioritäten als über abstrakte Reformen gesprochen werde, obwohl das eine das andere mit einschließe und bedinge. Speziell aus den Bürgerräten sei jedoch klar hervorgegangen, dass es ein Fehler wäre, dies als mangelndes Interesse an grundlegenden Reformen zu interpretieren. Den Menschen ist aber wichtig, was das jeweilige Szenario für sie bedeutet.

    Hierzulande war der Südtirolkonvent ein Setting, das sich für eine ähnlich ergebnisoffene Diskussion geeignet hätte. Leider war dies nicht in vollem Umfang möglich, da vor allem eine Beschäftigung mit der Autonomie erwünscht war und für andere Szenarien regelmäßig Barrieren aufgebaut (01 02 03), ja sogar schwerste Drohungen ausgesprochen wurden.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06 07



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  • Acca Larentia: VwG hebt Platzverweise auf.
    Freude bei Neofaschisten

    Nachdem auch dieses Jahr wieder am 7. Jänner vor dem ehemaligen MSI-Sitz in der römischen via Acca Larenzia hunderte Rechtsextreme den Faschistengruß ausgeführt hatten, sprach die Quästur gegen 16 CPI-Mitglieder einen Platzverweis aus. Unter anderem war auch der historische Anführer der Faschisten des dritten Jahrtausends, Gianluca Iannone, von der Maßnahme betroffen. Der Vorwurf gegen ihn und seine Kameraden lautete auf faschismusverherrlichendes Verhalten.

    Jetzt hob das regionale Verwaltungsgericht des Latium die Platzverweise wieder auf. Wie so oft sind die Rechtsextremen vor Gericht erfolgreich und können jubilieren.

    Erst kürzlich waren 23 Mitglieder von Forza Nuova, CPI und Lealtà Azione freigesprochen worden, weil der Faschistengruß beim Gedenken an Sergio Ramelli in Mailand nach Ansicht des Gerichtes keine strafbare Wiederbetätigung, sondern nur eine harmlose Ehrerbietung und Erinnerung an einen ermordeten Jungen darstellte.

    Rechtsextreme Umtriebe bleiben in Italien demnach höchstens ein Kavaliersdelikt. Neofaschisten können ihre menschenverachtende Gesinnung im öffentlichen Raum frei zur Schau stellen.

    Das geht so weit, dass auch internationale Veranstaltungen wie der jüngste Deportationsgipfel in Italien abgehalten werden, wo von den Behörden Entgegenkommen und Unterstützung erwartet werden darf.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07



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