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Gehört das KH Bozen »zu den besten der Welt«?

Laut einer Pressemeldung des Gesundheitsbetriebs findet sich das Krankenhaus Bozen dieses Jahr in der »renommierten Liste« der weltbesten Krankenhäuser, die vom US-Magazin Newsweek erstellt wird. Generaldirektor Florian Zerzer wird mit folgenden Worten zitiert:

Unter den ausgezeichneten Krankenhäusern finden sich klingende Namen wie die Mayo Clinic aus Minnesota, die Cleveland Clinic, das Johns Hopkins Hospital oder die Charit[é]-Universitätsmedizin Berlin. Dass sich das Krankenhaus Bozen unter den Ausgezeichneten befindet, ist für mich ein Beweis, dass sich unser medizinischer und pflegerischer Standard auf welthöchstem Niveau bewegt. Diese Anerkennung ist das Verdienst aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern [sic] des Sanitätsbetriebes und insbesondere des Krankenhauses Bozen für ihren tagtäglichen Arbeitseinsatz.

– Florian Zerzer

Was ist an der Geschichte dran? Nicht ganz so viel, wie hier suggeriert wird. In der allgemeinen Wertung der World’s Best Hospitals (Top 250) befindet sich etwa die Universitätsklinik Innsbruck auf Rang 57, das Krankenhaus Bozen sucht man dort jedoch — im Umfeld der von Zerzer erwähnten »klingenden Namen« — vergeblich.

Neben der Hauptwertung gibt es noch für jeden einzelnen der 27 berücksichtigten Staaten eine Landesliste. Erst dort »befindet sich 2022 das Landeskrankenhaus Bozen auf dem beachtenswerten 22. Platz von den 125 Krankenhäusern Italiens«, wie der Sabes auch richtig schreibt.

Doch »beachtenswert«? Nun ja, das liegt im Auge der Betrachterin. Wir reden von Rang 22 in Italien. Bei 19 Regionen plus zwei autonomen Ländern bedeutet dies, dass jede Region und jedes Land ein Krankenhaus unter den ersten 20 haben sollte, wenn die Gesundheitsversorgung überall gleichmäßig gut wäre. Wahr ist aber auch, dass vor allem große Krankenhäuser gut abschneiden, nur nord- und mittelitalienische Spitäler vor Bozen liegen und dass das Südtiroler Zentralkrankenhaus vor dem von Trient (Platz 28) liegt.

Ein insgesamt solides und okayes Ergebnis im inneritalienischen Vergleich, für das mir die triumphale Aussendung des Gesundheitsbetriebs dann aber doch ein paar Nummern zu groß — und irreführend — scheint. Von Südtiroler Medien wurde sie aber quasi eins zu eins übernommen, samt Rechtschreibfehler und falschem Link.

Genauso wie ich regelmäßig widerspreche, wenn Südtirols Gesundheitssystem zu Unrecht miesgemacht wird, gilt es in diesem Fall auch die übertriebene Überschwänglichkeit des Sabes etwas zu dämpfen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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Autorinnen und Gastbeiträge

Übler Südtiroler Antisemitismus.

Federico Steinhaus hat auf den grassierenden Judenhass in der Impfgegner-Szene hingewiesen und die Antisemiten haben darauf geantwortet. Zum Schämen.

Die Reaktionen auf die Aussagen von Federico Steinhaus gegenüber der Neuen Südtiroler Tageszeitung sind der Beleg dafür: In Südtirol wabert ein grässlicher Antisemitismus. Versteckt wird er hinter einer plumpen Israel-Kritik, direkt aus der Polit-Schule der islamistischen Hamas.

Es werde Antisemitismus geben, schreibt einer der Antisemiten, so lange Israel die Palästinenser als Sklaven behandelt. Im alten Tirol, da gab es noch kein Israel, blühte ein furchtbarer katholischer Antisemitismus. Da gab es die Erzählung von Simone von Trient, laut der 1472 ein Kind angeblich einem jüdischen Ritualmord zum Opfer gefallen sein soll. Erst 1965 untersagte der Bischof von Trient die entsprechenden Märtyrerfeiern.

Eine ähnliche absurde Geschichte erzählten sich die Katholiken im nördlichen Tirol. Auch dort sollen ortsfremde Juden einen Buben rituell ermordet haben. Geifernde Antisemiten gedachten Jahr für Jahr öffentlichkeitswirksam dieser religiös verpackten Mordgeschichte. Erst Bischof Stecher erließ 1985 ein Verbot des Kultes.

Im Tiroler Volksaufstand 1809 gegen Bayern und Franzosen jagten die Tiroler Milizionäre in Innsbruck – und nicht nur dort – Juden.

Tiroler Nazis im Norden und im Süden beteiligten sich an den staatlich verordneten Verbrechen an den jüdischen Tirolern. In Meran plünderten Nachbarn nach dem Einmarsch der deutschen Armee 1943 jüdische Geschäfte, eigneten sich Häuser und Wohnungen an, zeigten ihre jüdischen Nachbarn bei den SOD-Nazis an. Nach dem Krieg gab es keine Wiedergutmachung, keine Rückgabe des gestohlenen Eigentums, keine Entschuldigung.

»Ab wann ist man denn bei der Impfung ein Dummkopf und was hat Impfung mit Antisemitismus zu tun?«, reagierte ein aufgebrachter No-Vaxler auf die Kritik von Federico Steinhaus, wonach die Impfgegner-Bewegung antisemitisch durchsetzt sei. Die Antwort kam postwendend: Pfizer gehöre Juden, schreibt einer der betroffenen No-Vaxler. Das von den »Querdenkern« und Impfgegnern immer wieder bemühte Bild ist jenes der Weltverschwörung, der jüdischen Weltverschwörung.

Nicht der hausgemachte katholisch-nazistische Antisemitismus hier ist das Problem, findet ein nächster User, sondern der importierte aus dem Nahen Osten. In Deutschland befeuern »zwei Millionen von Merkel eingeladenen Moslems« den Antisemitismus und im gleichen Atemzug zitiert er »Michael« (er heißt Michel) Friedmanns Arroganz, Selbstgefälligkeit und Mitteilungsbedürfnis — als Ursache des deutschen Antisemitismus?

Ein roter Faden durchzieht die Reaktionen der Steinhaus-»Kritiker«. Die USA und Israel werden in einem Atemzug genannt und ausschließlich für die Lage der Palästinenser verantwortlich gemacht. Und: Die USA plündern die Welt, »aber wenn es um die Ausbeutung der Rohstoffe geht, vergeudet man kein Wort von Antisemitismus. Das zur Definition von Dummheit«, stellt ein weiterer Steinhaus-»Kritiker« entrüstet fest.

Beliebtes Argument bei den gar nicht so verkappten Antisemiten ist der haarsträubende Vergleich in der Bekämpfung der Corona-Pandemie zwischen Demokratie und Diktaturen. »Wenn Grundrechte bei uns gleich gehandhabt werden wie in China, finde ich das schon bedenklich. Ich bin froh, dass es nicht nur Schafe gibt, obwohl ich selbst, zwangsweise, geimpft bin.«

User, die den Antisemiten (oder den »Dummköpfen«, um Steinhaus zu zitieren) entgegenhalten, erhalten auch eine Klatsche: »Die hier schreibenden Landes[-] und Sanitätsangrstellten [sic] sind wirklich nur mehr lächerlich. Mit [sic] scheint[,] das[s] es doch ein sehr lukratives Geschäft war[,] einem die Spritze verpassen zu dürfen.«

Dümmer geht immer.

Warum – eine Frage an die Neue Südtiroler Tageszeitung – werden solche Themen nicht moderiert? Warum dürfen Antisemiten und Nazis ungehindert und von der Redaktion unkommentiert »rotzen«? Weil das zur Meinungsfreiheit gehört? Ist es liberal, üblen Antisemiten ein Forum zu bieten?

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Limes: Südtirol gleichschalten.

Die wohl wichtigste und einflussreichste italienische Zeitschrift für Geopolitik, Limes, die wie Repubblica, Stampa oder Espresso zur GEDI-Gruppe gehört, thematisiert in ihrer ersten Ausgabe 2022 die zu schwache Kontrolle, die Italien angeblich über Südtirol ausübe. Anlass ist die Corona-Pandemie als Thema des gesamten Heftes — die von Fake News gespickte staatsweite Diffamierungskampagne gegen (das im Vergleich mit Italien weniger durchgeimpfte) Südtirol bietet eine willkommene Grundlage.

Autor Federico Petroni, eigenen Angaben (im guten SaltoInterview von Valentino Liberto) zufolge kein Südtirolexperte, vertritt die These, Rom müsse die Kontrolle über dieses Land wiedererlangen. Vorwand unter anderem: Der »galoppierende antizentralistische Geist« und das »Getto«, das sich die Impfgegnerinnen im Rahmen der hierzulande ohnehin vorherrschenden »weichen Segregation« erschaffen konnten.

Das Argumentarium klingt dabei eher nach 1920er Jahren denn nach 21. Jahrhundert, wenn etwa — wieder einmal — von der Wasserscheide als strategisch wichtigste Grenze Italiens und vom vielen Blut die Rede ist, das vergossen wurde, um sie (und Triest) zu erobern.

[Südtirol] ist, was dem restlichen Land völlig unbekannt ist, das Einfallstor für Einflüsse und kulturelle Manipulation aus der germanischen Welt.1Übersetzung von mir. Original: »È il punto d’ingresso di influenze e di manipolazioni culturali del mondo germanico di cui il resto del paese è completamente ignaro.«

— Federico Petroni in Limes

Jedenfalls müsse die Regierung ein zentrales Büro für Südtirolfragen einrichten, ein Ausbau der Autonomie soll nach Möglichkeit verhindert werden. Sogar der seit 2013 geplante Übergang einiger Verwaltungsbefugnisse über die Einnahmenagentur wird als extremistisches, zu verhinderndes Projekt dargestellt.

Machen wir uns nichts vor: So skurril und überholt diese Argumente auf viele von uns auch wirken, in der politisch-medialen Echokammer des Staates ist diese faschistoide Denke nach wie vor sehr präsent. In unregelmäßigen Abständen gelangt sie, wie jetzt, als nahezu ungeschminkte Fratze an die Oberfläche, doch im Untergrund wirkt sie immer, wofür sie auch nicht notwendigerweise in der Mehrheit sein muss.

Indirekt äußert sie sich fast permanent im Verhalten von Parteien und Regierungen, in Urteilen des Verfassungsgerichts, in der systematischen Missachtung von Minderheiten- und Sprachrechten, im Bild, das staatliche Medien von diesem Land zeichnen oder in Äußerungen wichtiger Institutionen und Gruppen.

◊ ◊

Zum wissenschaftlichen Beirat von Limes gehören unter anderen PD-Chef Enrico Letta, Ernesto Galli della Loggia, Furio Colombo, Sergio Romano, Federico Rampini, Giulio Tremonti und Romano Prodi. Die Zeitschrift wird auch im Paket mit der linksliberalen Repubblica angeboten.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 / ‹8

  • 1
    Übersetzung von mir. Original: »È il punto d’ingresso di influenze e di manipolazioni culturali del mondo germanico di cui il resto del paese è completamente ignaro.«
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Atreju: Reingewaschener Rechtsextremismus.

Bei Atreju, Veranstaltung der neofaschistischen Rechten von FdI, gaben sich vom 6. bis zum 12. Dezember wieder besonders viele Weißwäscherinnen die Klinke in die Hand — also Personen, die selbst nicht oder nicht klar dem rechtsradikalen bis -extremen Lager zuzurechnen sind, es mit ihrer Anwesenheit jedoch verharmlosen, legitimieren und normalisieren. Damit zeigt sich der Erfolg einer Entwicklung, die vor allem von Silvio Berlusconi geboostert wurde, der nunmehr sogar für das Amt des Staatspräsidenten im Gespräch ist.

Auch die jüngsten Recherchen und Enthüllungen von Fanpage konnten dieser Dynamik offenbar nichts anhaben.

Hier zum Staunen eine unvollständige Liste der Teilnehmenden und Mitwirkenden:

  • Francesco Alberoni (Soziologe und Universitätsprofessor)
  • Claudio Barbaro (Asi-Präsident)
  • Gian Carlo Blangiardo (Istat-Präsident)
  • Emanuele Boffi (Direktor der Zeitschrift Tempi)
  • Carlo Bonomi (Präsident von Confindustria)
  • Marina Calderone (Vorsitzende des Rats der Arbeitsberaterinnen)
  • Franco Cardini (Historiker und Universitätsprofessor)
  • Marta Cartabia (Ministerin der Regierung Draghi, Justiz)
  • Sabino Cassese (Jurist, ehemals Verfassungsrichter)
  • Tommaso Cerno (PD-Senator)
  • Lorenzo Cesa (Parteisekretär UDC)
  • Gian Marco Chiocci (Direktor von Adnkronos)
  • Roberto Cingolani (Minister der Regierung Draghi, Umwelt)
  • Massimo Clementi (Leiter Mikrobiologie und Virologie des San-Raffaele-Krankenhauses von Mailand)
  • Giuseppe Conte (5SB-Vorsitzender)
  • Luigi Contu (Ansa-Direktor)
  • Paolo Corsini (Vizedirektor von Rai Due)
  • Guido Crosetto (Präsident von AIAD-Confindustria)
  • Claudio Descalzi (Eni-Geschäftsführer)
  • Patrizia De Luise (Präsidentin von Confesercenti)
  • Paolo Del Debbio (Journalist)
  • Luigi Di Maio (5SB-Minister der Regierung Draghi, Äußeres)
  • Dror Eydar (Israelischer Botschafter in Italien)
  • Luciano Fontana (Direktor des Corriere della Sera)
  • Massimo Giletti (Journalist, Moderator)
  • Massimo Ginsanto (Präsident von Confagricoltura)
  • Mario Giordano (Mediaset)
  • Giancarlo Giorgetti (Lega-Minister der Regierung Draghi, Wirtschaftsentwicklung)
  • Maria Rita Gismondo (Leiterin Mikrobiologie und Virologie am Sacco-Krankenhaus in Mailand)
  • Marco Granelli (Präsident von Confartigianato)
  • Alessia Lautone (Direktorin von LaPresse)
  • Enrico Letta (PD-Parteisekretär)
  • Giovanni Malagò (Coni-Präsident)
  • Roberto Mancini (Trainer der italienischen Fußball-Nationalmannschaft)
  • Alfredo Mantovano (Staatsanwalt, Vizepräsident des Centro Studi Livatino)
  • Marco Marin (Olympiasieger im Fechten, Coraggio Italia)
  • Massimo Martinelli (Direktor des Messaggero)
  • Angelo Mellone (Vizedirektor von Rai Uno)
  • Mario Menichella (Physiker)
  • Giovanni Minoli (Journalist)
  • Carlo Nordio (Staatsanwalt)
  • Marco Perissa (Opes-Präsident)
  • Fabio Pietrella (Präsident von Confartigianato Moda)
  • Stefano Pontecorvo (Botschafter, Nato-Vertreter in Afghanistan)
  • Ettore Prandini (Präsident von Coldiretti)
  • Federico Rampini (Corriere della Sera)
  • Nicola Rao (Vizedirektor der Rai-Regionalnachrichten)
  • Matteo Renzi (Gründer von Italia Viva)
  • Luca Ricolfi (Soziologe und Universitätsprofessor)
  • Giorgio Romiti (Le Iene)
  • Gennaro Sangiuliano (TG2-Direktor)
  • Margaritis Schinas (EU-Kommissar)
  • Mario Sechi (Agi-Direktor)
  • Paolo Serapiglia (Endas-Präsident)
  • Roberto Sommella (Direktor von Milano Finanza)
  • Giorgio Spaziani Testa (Präsident von Confedilizia)
  • Lino Stoppani (Vizepräsident von Confindustria)
  • Irene Tinagli (EU-Abgeordnete und PD-Vizesekretärin)
  • Leonardo Tricarico (General, vormals Stabschef der italienischen Luftwaffe)
  • Gianni Trovati (Journalist, Il Sole 24 Ore)
  • Francesco Vaia (Gesundheitsdirektor des Spallanzani-Instituts)
  • Bruno Vespa (Rai-Journalist)
  • Luciano Violante (PD, ehemaliger Kammerpräsident)

Alle Angaben stammen von der offiziellen Webseite der Veranstaltung

Atreju wurde von der jetzigen FdI-Chefin Giorgia Meloni 1998 gegründet, als sie Chefin von Azione Giovani (Jugendorganisation von Alleanza Nazionale) war.

All die genannten Personen waren neben Jorge Buxadé (von der spanischen Vox), Radoslaw Fogiel (PiS), Rudoph Giuliani (Ex-Bürgermeister von New York und Trump-Anwalt), Marion Le Pen (Rassemblement National), Matteo Salvini (Lega), Antonio Tajani (FI) sowie den vielen FdI-Mitgliedern (wie die erklärte Faschistin Daniela Santanchè oder Ignazio Benito La Russa) zugegen, um nur einige zu nennen.

Es ist unvermeidlich, dass solche Veranstaltungen nicht nur die Neofaschistinnen in den Augen der Öffentlichkeit weißwaschen, sondern auch die Antikörper bei den Geladenen selbst schwächen, die FdI als normalen politischen Akteur und Gesprächspartner einordnen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 | 1› 2›

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Weihnachten ist gerettet.
Fake News

Mit einer neuen Stilfibel wollte die Europäische Kommission (EU-K) die Inklusivität der öffentlichen Kommunikation steigern. Rechte italienische Tageszeitungen, insbesondere Berlusconis Giornale, und Politikerinnen wie Giorgia Meloni (FdI) fabrizierten daraus einen Skandal, dem europaweit — und auch in Südtirol — viele auf den Leim gegangen sind.

So hieß es, dass der Leitfaden den Bezug auf Weihnachten verbieten und durch ein gleichmacherisches Festtage hätte ersetzen wollen. Namen christlichen Ursprungs wie Maria und Josef wären fortan ebenso verpönt gewesen.

Aufgrund des riesigen Wirbels hat Gleichstellungskommissarin Helena Dalli den Entwurf vorerst zurückgezogen, obwohl die Absichten ganz andere waren, als von vielen Medien behauptet. Es sollte vor allem die Sensibilität für die verschiedenen Sprachen und Traditionen in Europa gesteigert werden, weshalb auch niemals geplant war, Weihnachten aus dem Wortschatz der Beamten zu streichen. Im Gegenteil: Ausdrücklich wurde in dem Leitfaden empfohlen, nicht nur Weihnachten zu erwähnen, sondern daneben etwa auch das jüdische Chanukka.

Ausschnitt S. 19 des Leitfadens

Ebenso sollte den Verfasserinnen von Texten und Reden ins Bewusstsein gerufen werden, dass Weihnachten nicht überall in der EU im Dezember, sondern teilweise auch erst im Jänner gefeiert wird. Die Folge wäre gerade nicht Gleichmacherei, sondern mehr Differenzierung und gegenseitiger Respekt.

Nicht von Maria und Josef — schon gar nicht im Kontext von Weihnachten — war in dem Entwurf die Rede, sondern von Maria und John. Die Empfehlung war, fiktiven Personen (zum Beispiel in Informationsbroschüren) nicht immer ausschließlich Namen zu verleihen, die einer einzigen Religion entstammen, sondern — mit ausdrücklichem Bezug auf ein internationales Paar — auch einmal andere wie Malika und Julio.

Ausschnitt S. 19 des Leitfadens

Wer daraus den Untergang des Abendlandes und quasi ein Weihnachtsverbot ableiten will, braucht schon eine große Portion negativer Energie.

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Die Verklärung von Andrea Mitolo.

Es ist der 30. Oktober dieses Jahres, als das Athesia-Tagblatt A. Adige einen Artikel des Faschisten Andrea Mitolo (1914-1991) vom Juni 1990 wiedergibt.

Das Blatt hatte ihm ein Jahr vor dem Ableben offenbar eine ganze Seite für eine weichgespülte und verharmlosende private Selbstdarstellung zur Verfügung gestellt. Weder wurde der damals 76-Jährige in Form eines Interviews mit lästigen Fragen konfrontiert, noch findet beim jetzigen, von Direktor Alberto Faustini persönlich signierten Wiederdruck eine kritische historische Einordnung statt. Sogar auf der Titelseite wird der Beitrag — mit »Così è nato il leader della destra« (zu Deutsch »So ist der Anführer der Rechten geboren«) — angekündigt.

Kohärenz

In der Einleitung von 1991 wird Mitolo als Mensch dargestellt, der Zeit seines Lebens seiner »Liebe für die Trikolore« treu geblieben war. Er habe schon in die (faschistische) MSI geglaubt, als dies nicht nur unbequem, sondern gefährlich war. Das Stichwort lautet »Kohärenz«, wie schön.

Dann schildert der Sohn eines Carabiniere, wie er Ende 1918 nach Bozen kam, da der Vater im italienisch besetzten Südtirol im Einsatz war. Mit den deutschsprachigen Kindern habe man sich bald geprügelt. Schon im Grundschulalter sei er mit anderen Kindern vor das Haus von Julius Perathoner gezogen, um mit Trikoloreflaggen zu protestieren, weil der damalige Bozner Bürgermeister die Flagge des Besatzerstaates habe »verschwinden lassen«.

Mitolo darf ausbreiten, dass die italienischsprachigen Kinder dank der squadristischen Besetzung der Schule in der Dantestraße vom Oktober 1922 »endlich« eigene Klassenzimmer bekommen hätten.

Später war er an der Gründung der Kletterschule der Gruppi universitari fascisti (Guf) am Sellajoch beteiligt und meldete sich 1935 als Freiwilliger am völkerrechstwidrigen Krieg in Ostafrika (Abessinienkrieg). Im Jahr 1940 besuchte er die Kaderschule des Partito nazionale fascista.

Nachdem er die Rede von Mussolini in der piazza Venezia (Kriegserklärung an Großbritannien und Frankreich) gehört hatte, habe er versucht, Bruneck zu erreichen. Die divisione Pusteria, der sein Alpini-Batallion Bassano mit Sitz in Bozen angehörte, war jedoch bereits in Cuneo und Valle Stura. Den ganzen Krieg habe er dann an der Front verbracht.

Nach dem Waffenstillstand sei er ins Pustertal zurückgekehrt, um sich noch einmal nach Albanien aufzumachen. Vier Medaillen und eine kriegsbedingte Beförderung habe ihm der dortige Einsatz eingebracht.

Erst die Kapitulation vom 8. September 1943, so Mitolo, habe zu »Problemen« geführt. In wenigen Minuten seien die Deutschen von Verbündeten zu Feinden geworden.

Doch Mitolo beschloss, kohärent, für die sogenannte Sozialrepublik von Mussolini weiterzukämpfen, wie es nur die überzeugtesten Faschisten taten — und distanzierte sich bis zu seinem Tod nicht davon.

Und all dies wird im Oktober 2021 unkommentiert wiedergegeben — wenige Tage, nachdem Neofaschistinnen in Rom einen Gewerkschaftssitz überfallen haben.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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Sinner ist Italiener, kein Südtiroler.

Auch Fanpage, das italienische Onlineportal, das kürzlich die Verstrickungen von FdI und Lega mit dem Neofaschismus aufgedeckt hat, schlägt nationalistische Töne an, sobald es um einen aus Südtirol stammenden Sportler geht.

Tennisprofi Jannik Sinner spielt derzeit beim ATP500-Turnier in Wien, nachdem er kürzlich jenes in Antwerpen für sich entschieden hatte. Dass der aus Sexten stammende Spieler in der österreichischen Hauptstadt vom Platzsprecher als Südtiroler bezeichnet wurde und seine Sitzbank — anders als die anderer italienischer Spieler — mit einem Anfeuerungsspruch in deutscher Sprache versehrn ist, findet Fanpage unangemessen.

Obschon die Organisatoren des Wiener Turniers wissen, dass Sinner Italiener ist, halten sie ihn offenbar für einen Südtiroler Spieler und [für] deutscher Muttersprache.1Übersetzung von mir. Original: »Evidentemente gli organizzatori del torneo di Vienna, pur sapendo che Sinner è italiano, lo considerano un giocatore sudtirolese e di madre lingua tedesca.«

— Fanpage

Da versucht das Portal, einen Widerspruch zwischen italienischer Staatsbürgerschaft und Südtirol bzw. der deutschen Muttersprache zu konstruieren — was ja schließlich auch in vielen Köpfen so verankert ist: Italien → Italiener → italienisch(e Sprache). Nationalstaatliche Logik par excellence, aus der wir nicht herauskommen, als steckten wir in einem ewigen Treibsand. Und die wiederum Erwartungen und selbst erfüllende Prophezeihungen generiert, die alle in dieselbe Kerbe schlagen.

Doch wenn es für jeden Tennisspieler so wäre, müsste man für Berrettini, der am Freitag im Viertelfinale gegen Alcaraz spielt, einen Anfeuerungsspruch in Römisch [auf die Sitzbank] schreiben.2Übersetzung von mir. Original: »Ma se fosse così per ogni tennista allora bisognerebbe scrivere un incitamento in romano a Berrettini, che venerdì giocherà i quarti contro Alcaraz.«

— Fanpage

Wenn Südtiroler Sportlerinnen international erfolgreich sind, werden sie regelmäßig auf ihre nationale Gesinnung getestet. Skiprofi Dominik Paris wurde schon dafür kritisiert, dass er einem europäischen Sportsender ein Interview in seiner Muttersprache Deutsch gegeben hat. Und Sinner hat erst gar nichts selbst dazu beigetragen, um in dieses Schlamassel zu geraten.

Der Nationalismus ist ein verbissener Hund, der immer und immer wieder zubeißt — und gegen dessen Urinstinkt kein Kraut gewachsen ist.

In konstitutiv mehrsprachigen Staaten wie der Schweiz oder Belgien wäre es unvorstellbar, dass etwa Sportlerinnen aus den frankophonen Landesteilen dafür gemobbt würden, dass sie ein Interview auf Französisch geben, »obwohl sie ja keine Französinnen sind!«. Doch mononationale Staaten tolerieren keine Abweichung und Diversität — und leider scheint es diesbezüglich in Italien eine besonders ablehnende Haltung zu geben.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 | 1› 2›

  • 1
    Übersetzung von mir. Original: »Evidentemente gli organizzatori del torneo di Vienna, pur sapendo che Sinner è italiano, lo considerano un giocatore sudtirolese e di madre lingua tedesca.«
  • 2
    Übersetzung von mir. Original: »Ma se fosse così per ogni tennista allora bisognerebbe scrivere un incitamento in romano a Berrettini, che venerdì giocherà i quarti contro Alcaraz.«
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Die gute alte faschistische Schule.

Es ist der absolute Wahnsinn, ich weiß noch immer nicht, ob ich hysterisch lachen oder weinen soll… oder vielleicht doch beides gleichzeitig.

Aber von vorn: Vor wenigen Tagen hatte der Journalist Hanno Settele einen Ausschnitt des ff-Titelblatts kommentiert, das mit einer — nennen wir es — äußerst provokanten These daherkommt:

Faschistische Schule: Warum nicht alles schlecht war

— ff-Titelseite vom 9. September

Alex Dellantonio, seinem Twitter-Profil nach »Südtiroler im Exil«, hatte darauf aufmerksam gemacht:

So ein Glück, dass meine Großeltern ein Leben lang weder Walsch noch Deitsch schreiben konnten, darüberhinaus gedemütigt, verprügelt und ihrer Muttersprache beraubt wurden. Aber klar, war nicht alles schlecht.

— Alex Dellantonio

Doch es wird leider nicht besser, wenn man das Heft aufschlägt und den Beitrag liest, in dem Chefredakteurin Alexandra Aschbacher von einem Gespräch mit der — ähm — Bildungshistorikerin Annemarie Augschöll (Uni Bozen) erzählt. Es ist vielmehr der klare Beweis, dass Differenzierung auch viel zu weit gehen kann. Differenzierung der Differenzierung willen, die hier selbst den kleinsten Nachweis schuldig bleibt, was jetzt nicht schlecht gewesen sein soll.

So wird zum Beispiel ein Mann genannt, der mit der faschistischen Balilla-Jugend habe nach Rom fahren dürfen. Wunderbar.

[S]ie bekamen Süßigkeiten und Kakao und allerhand zum Essen, das sie sonst nie bekommen hätten.

Oh wow, das macht den Faschismus viel erträglicher.

Die Lehrerinnen seien zudem »nicht wirklich bös« gewesen, manche Schülerinnen sogar in den Arm genommen worden. Und sonst? Ja — Freiräume habe es für die Kinder gegeben, weil die Eltern dagegen waren, dass sie in der faschistischen Schule etwas lernen.

Dieser passive Widerstand wird sogar stigmatisiert, wenn es heißt

Die Eltern haben die Kinder nicht unterstützt und motiviert etwas zu lernen in dieser Schule. […] Wohl auch in einer Haltung der Resistenz gegen das Bemühen der Schule im Sinne einer Italianisierung und Faschisierung der jungen Generation.

Woanders würde man es feiern, doch in Südtirol werden implizit die Eltern dafür mitverantwortlich gemacht, dass der Faschismus eine Generation von (nicht nur funktionalen) Analphabetinnen hinterlassen hat.

Die faschistischen Lehrerinnen — »die wohl wichtigsten Akteure im Italianisierungsprozess«, wie immerhin betont wird — hätten es aber »gut gemeint«, mitunter geweint, weil die Kinder »immer nur Deutsch geredet« haben.

“Auch in diese Perspektive”, sagt Augschöll, “muss man sich mal einfühlen.”

Na sicher. So wie in die der Wehrmachtsoldaten in Polen und Russland, bitteschön. Haben vielleicht auch geweint. Die ordentliche Beschäftigungspolitik der Nazis nicht vergessen.

Was von Augschöll und Aschbacher an Zeugnissen geliefert wird, ist sowas von dünn, dass es kaum zur Anekdote reicht. Geschweige denn als Grundlage zur Neubewertung dessen, was ohne Witz als »Denkdiktat der kollektiven Erinnerung« bezeichnet wird. Hätte es ein NPD-Blatt schöner formulieren können?

Zur Gegenwart: Laut Augschöll müssen wir das Kapitel »endlich aufarbeiten« — was wohl heißt, dass wir uns im Sinne eines zweifelhaften Verständnisses von Zusammenleben an die (angeblich) schönen, guten Seiten des Faschismus erinnern sollen.

Vor allem aber stellt Augschöll am Ende noch die Frage: Warum kommen wir nicht mit der mehrsprachigen Schule weiter? “Weil immer noch zu viele tradierte Erfahrungen, Erzählungen und Erinnerungen in unseren Köpfen herumschwirren, die nie richtig und offen diskutiert werden, auch viele Ängste, die aus dem Faschismus stammen.”

Die Verharmlosung des Faschismus wäre dann wirklich die absurdeste Blüte, die die Obsession einiger Südtirolerinnen mit der mehrsprachigen Schule hervorgebracht hat.

Aber klar — wenn schon die faschistische Schule nicht so schlimm war, was sollten wir uns dann vor der Immersion fürchten? Das hat schon was.

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