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Neu: Abkommen mit der Post.

Jetzt hatte die Landesregierung eine wirklich hervorragende Idee: Es soll ein Abkommen mit der italienischen Post geschlossen werden, um den Dienst zu verbessern. Gut, eigentlich handelt es sich ja um die Verlängerung einer bereits bestehenden Vereinbarung, die der Landeshauptmann 2019 wörtlich für »gescheitert« erklärt hatte, weil die Post »vieles auf die leichte Schulter genommen« habe. Aber jetzt soll alles anders und besser werden, man setzt nämlich verstärkt auf Qualität. Genau! Schlappe 10,7 Millionen Euro im Jahr werden wir (teils über das ebenfalls gescheiterte Mailänder Abkommen) bis 2023 blechen, um… nun ja, wir werden ja sehen, worauf die Post gerade Lust hat. Wenn es nicht klappt, können wir dann ja immer noch ab 2024 auf Qualität setzen.

Worauf die Post eher weniger Lust hat: ihren gesetzlichen Verpflichtungen bezüglich Zweisprachigkeit nachzukommen (‹1 ‹2 ‹3 ‹4).

Dafür aber hat sich laut einer Erhebung der VZS die Zustellungsdauer innerhalb Südtirols von durchschnittlich 2,7 Tagen 2014 auf 6,1 Tage 2019 mehr als verdoppelt. Das ist doch auch ein schönes Ergebnis*!

Ach ja und noch was: Der verlängerte Vertrag zwischen Land und Post sieht nun auch die Einrichtung einer zweisprachigen Beschwerdeseite im Internet vor. Die restlichen Onlinedienstleistungen darf die Post weiterhin einsprachig anbieten — aber wenigstens können wir uns a bissl drüber beschweren.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 | 1› 2›

*) Böse Zungen kritisieren auch noch, dass gleichzeitig die Portogebühren um über 50% gestiegen sind. Wenn sich die Post jetzt über zweimal so lang um unsere Korrespondenz kümmert, ist das doch das Mindeste! Oder beschweren sich diese Leute auch, weil sechs Tage im Hotel mehr kosten als drei?

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Hält das Finanzabkommen?

Sowohl LH Arno Kompatscher (SVP), als auch Ex-Parlamentarier Karl Zeller (ebenfalls SVP) haben Medien gegenüber erklärt, die von Regionenminister Francesco Boccia (PD) bei seinem Südtirolbesuch neulich ins Spiel gebrachte Aufkündigung des Mailänder Abkommens und — insbesondere — des Finanzpakts von 2014 seien einseitig nicht möglich. Den entsprechenden Plänen erteilten sie folglich eine klare Absage.

Im Trentino, wo der Minister ebenfalls zu Besuch war und wo er ähnliche Aussagen gemacht hat — was den Mutmaßungen widerspricht, dass Boccia in Bozen lediglich ein Lapsus unterlaufen sein könnte — scheint man dies anders zu sehen. Jedenfalls machen sich sowohl der derzeitige LH, Maurizio Fugatti (Lega), als auch seine Vorgänger Ugo Rossi (Patt) und Lorenzo Dellai, seit Tagen öffentlich Gedanken über die Art und Weise, wie das derzeitige Finanzabkommen abgeändert oder überwunden werden könnte.

Nachdem das Trentino, Südtirol und die Region gleichermaßen Unterzeichnerinnen des sogenannten Sicherungspakts mit dem Staat sind, wird Südtirol allein vermutlich nicht auf den Fortbestand der Vereinbarung bestehen können. Weitere Entwicklungen bleiben nun abzuwarten.

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Rom will Finanzpakt schon wieder aufkündigen.

Übereinstimmend berichten heute die Lokalausgabe des Corriere und der A. Adige, dass Regionenminister Francesco Boccia (PD) bei seinem gestrigen Südtirolbesuch habe eine riesengroße Bombe platzen lassen: zwar habe er sich bezüglich deutschsprachiger Ärztinnen und Wiederherstellung verlorengegangener Zuständigkeiten gesprächsbereit gezeigt, den Finanzpakt von 2014 wolle er aber genauso aufkündigen, wie das Mailänder Abkommen.

Nach einer ersten, starren Phase hätte der Finanzpakt 2022 eigentlich in eine zweite Phase übergehen sollen, in der die Beiträge der Länder und der Region Südtirol-Trentino hätten neu definiert werden sollen (vgl. Pkt. 12 des Abkommens). Doch daraus wird — zumindest nach den Plänen von Minister Boccia — nichts mehr.

Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) hatte am Anfang seiner ersten Amtszeit für Südtirol auf mehrere Milliarden Euro verzichtet, um im Gegenzug das auch als Sicherungspakt bezeichnete Abkommen mit der Regierung von Matteo Renzi (damals PD) abzuschließen.

Boccia hat gestern laut Medienberichten auch eine Neutralitätsklausel, wie sie Südtirol und das Trentino seit längerem fordern, kategorisch ausgeschlossen. Da die beiden autonomen Länder noch immer über keine Steuerhoheit verfügen, sondern Anteile auf die vom Staat hier eingehobenen Mittel zugewiesen bekommen, würden sich angedachte Steuersenkungen negativ auf die Landeshaushalte auswirken — ohne, dass Bozen und Trient ein Mitspracherecht hätten. Die Neutralitätsklausel würde Einbußen verhindern und Planungssicherheit gewährleisten.

Statt einer derartigen Lösung soll Boccia etwas ins Spiel gebracht haben, was in Italien schon zur traurigen Tradition geworden ist: die Länder sollen Schulden machen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 | 1› 2›

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Rai-Millionen: Nullnummer mit Werbeeffekt?
Quotation

Heidy Kessler: Uns wirft man vor, ein Kompatscher-Medium zu sein, Sie hätten uns sozusagen gekauft mit 20 Landesmillionen. Wir in der Redaktion merken jetzt von diesen 20 Millionen relativ oder sehr wenig. Ist für Sie die Rechnung aufgegangen?

Arno Kompatscher: (lacht) Ich glaube ich könnte mir durchaus manchmal eine freundliche Berichterstattung wünschen, das würde sich jeder Politiker wünschen — also diese Rechnung war nie eine solche, ganz abgesehen davon, dass Sie nicht mehr Geld haben, als früher, als Rai. Sie haben früher vom Staat genauso viel bekommen, jetzt zahlt das das Land und bekommt es vom Staat zurückerstattet. Für uns, Land Südtirol, für den Südtiroler Steuerzahler ist das ein Nullsummenspiel, das muss man einmal betonen, also es kommt nichts zusätzlich heraus. Wir zahlen das, was früher der Staat bezahlt hat und wir bekommen das vom Staat zurück. So einfach ist diese Geschichte und deshalb hat sich für Sie nichts geändert. Was sich ändern sollte: etwas mehr Autonomie und daran arbeiten wir, ja, aber geldmäßig hat sich nichts geändert; aber auch für das Land nicht, für uns ist der Landeshaushalt nicht mehr belastet. Ich hab leider auch keine bessere Berichterstattung bekommen.

Arno Kompatscher: Die Frage ist berechtigt, warum macht man das dann? Warum hat man den Staat nicht einfach weiterzahlen lassen? Das hat mit dem Mailänder Abkommen zu tun: Da steht drinnen, dass das Land Südtirol dem Staat Italien jährlich 100 Millionen geben muss, als Beitrag zur Abtragung der Staatsschulden. Das Land kann aber auch alternativ vorschlagen, statt das einfach nach Rom zu schicken und Italien verwendet das dann für irgendwas — was weiß ich: das Kolosseum zu sanieren — da kann man das auch anders machen und sagen: Ich übernehme Dinge, die sonst du, Staat, hättest zahlen müssen, zum Beispiel die Kosten für die lokale Rai. Das sind diese 20 Millionen. Das ist im Ergebnis das Gleiche, dann schicken wir halt nur mehr 80 nach Rom und 20 geben wir hier aus. Es hat aber den Vorteil, wir stellen sicher, dass nicht bei der Rai auch noch weiter gekürzt wird, wo der Staat eh schon kein Geld hat, das Geld wird also in Südtirol ausgegeben, für Dinge, wo es bisher schon ausgegeben worden ist. Das ist der Vorteil.

aus dem Interview am ‘Runden Tisch’ von ‘Rai Südtirol’ mit Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) vom 4. Februar (von transkribiert)

Hand aufs Herz, wer hat den Sinn dieses Kartenspielertricks verstanden? Südtirol schickt das Geld nicht nach Rom, sondern zur Rai nach Bozen. Das macht wiederum die gleiche Summe für den Zentralstaat frei. Der Staat kann dieses Geld dann trotzdem für irgendetwas — was weiß ich: zur Sanierung des Kolosseums — verwenden.
Okay, man »blockiert« die 20 Millionen für die Südtiroler Rai, womit sie angeblich nicht mehr kürzbar sein sollen. Aber das ist zumindest aus Sicht des Zentralstaats unlogisch, denn er muss dann fortan dem Land Südtirol unkürzbare 20 Millionen (statt der Rai kürzbare 20 Millionen) überweisen, und das auch noch als Beitrag zur Abtragung von Staatsschulden verbuchen. Da ist doch was faul!?

Und nachdem wir wissen, dass meist nicht der Staat den Kürzeren zieht… ist das sehr, sehr zweifelhaft.

Könnte es nicht sein, dass da vielmehr ein kostenloser Mechanismus geschaffen wurde, mit dem sich die Landesregierung Werbung machen kann (»wir finanzieren die Rai«), ohne irgendeine neue Zuständigkeit im Sinne der Autonomie zu bekommen oder irgendetwas Substantielles an den Geldflüssen zu ändern?

In der einschlägigen Presseaussendung des Landes hieß es am 30. November 2017 entsprechend triumphal:

Die Finanzierung durch das Land Südtirol ermögliche es der Rai, ihre Programm- und Sendeangebote zur Stärkung der kulturellen und sprachlichen Identität der deutschen und ladinischen Volksgruppe in Südtirol nicht nur zu gewährleisten, sondern auszubauen, betonte Landeshauptmann Kompatscher.

So wurden die Sendezeiten der deutsch- und ladinischsprachigen Radio- und Fernsehprogramme ausgebaut, infrastrukturelle Verbesserungen vorgenommen (die Digitalisierung vorangetrieben, die Fernsehsendestudios erneuert), Fortbildungsangebote für Programmgestalter auf die Beine gestellt und die Zugänglichkeit der Sendungen für blinde und gehörlose Menschen verbessert. Angepeilt werde nun eine erweiterte Präsenz in den sozialen Netzwerken.

Mit der am 23. Dezember 2015 von Land Südtirol, Ministerrat und Rai unterzeichneten dreijährigen Konvention stellt das Land 20 Millionen Euro im Jahr für die Produktion und Ausstrahlung von Rundfunksendungen in deutscher und ladinischer Sprache bereit und leistet damit seinen Anteil an der Deckung der Staatsdefizits im Sinne des Mailänder Abkommens.

Da wurden konkrete Auswirkungen »verkauft« und in Aussicht gestellt — und nicht ein reines Nullsummenspiel.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

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Post: Zahlen, damit alles schlechter wird.

Im November 2016 hatte ich in Bezug auf das geplante Abkommen zwischen Land und italienischer Post geschrieben, dass wir dann möglicherweise 10 Millionen Euro zahlen, damit alles gleich bleibt:

Wie unterschiedliche Medien übereinstimmend berichten, will das Land Südtirol dem ehemaligen Staatskoloss mit 10 Millionen Euro jährlich unter die Arme greifen — damit alles so bleibt, wie es schon war. Es sollen keine weiteren Filialen geschlossen werden und der Dienst soll (anders, als von der italienischen Post geplant) mindestens fünf Zustellungstage pro Woche erhalten bleiben. Etwas, was laut Europäischem Parlament normal sein sollte. Darüberhinaus soll es vielleicht auch wieder ein Verteilerzentrum in Bozen geben. Wie früher.

Nach etwas mehr als zwei Jahren wissen wir: das war zu optimistisch. Trotz des »wunderbaren« Abkommens wird der Postdienst gerade auch in Südtirol »neu strukturiert« — ein Euphemismus für »kaputtgespart«, zum Nachteil der Zustellungsqualität und der Arbeitsbedingungen von Postbediensteten.

Gerade gab die Athesia bekannt, Abonnentinnen der Tageszeitung Dolomiten kostenlosen Zugang zur Online-Ausgabe zu gewähren, weil die Papierausgabe im derzeit herrschenden Chaos nicht zuverlässig zugestellt wird.

Man kann es nicht oft genug unterstreichen: Geld ist keine ebenbürtige Alternative zu echten politischen Zuständigkeiten. Wäre unsere Autonomie in diesem Bereich etwas wert, würde das Land der Post nicht Millionen überweisen, sondern klare Vorschriften machen, wie die Dienstleistung auszusehen hat.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 6›

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Von einem Landessender kann nicht die Rede sein.
Rai-Millionen kommen nicht in Südtirol an

Demnächst wird im Südtiroler Landtag ein Beschlussantrag (711/16-XV) der STF diskutiert, mit dem unter anderem die Umwandlung von Rai Südtirol in einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Südtiroler Sender gefordert wird.

Dies hat Lisa Maria Gasser zum Anlass genommen, um für Salto bei Chefredakteurin Heidy Kessler nachzufragen. Was das Gespräch zutrage fördert, ist einmal mehr ein Armutszeugnis für die Südtiroler Vorzeigeautonomie:

  • Die Personalentscheidungen des Senders würden nicht in Bozen, sondern in Rom gefällt. Kessler könne nicht entscheiden, wen sie anstellt und wen nicht.
  • Um »einen Journalisten nach Salzburg oder Innsbruck [zu] schicken« müsse jedes Mal um eine Außendienst-Erlaubnis in Rom angesucht werden.
  • Die Chrefredakteurin sei »nicht einmal journalistisch letztverantwortlich für das Produkt, das wir abliefern – unser Direktor sitzt in Rom.«
  • Die 20 Millionen aus dem Mailänder Abkommen spüre Rai Südtirol kaum: »Rom finanziert uns, aber für uns hat das absolut nichts geändert. Wir haben weder mehr Spielraum noch mehr Freiheiten noch mehr Ressourcen.«

Einen echten Landessender hält Kessler — anders als kleinere Verbesserungen in der derzeitigen Struktur — für mittelfristig nicht umsetzbar, da dafür sogar eine Verfassungsreform nötig sei. Der Landtag habe auch hierzu keinerlei gesetzgeberische Befugnis.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 | 1› 2›

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K33: Finanz- und Steuerautonomie.

Hochinteressante Expertenanhörung am 5.5.17 zum Thema Finanz- und Steuerautonomie im Konvent. Geladen waren Eros Magnago, Generalsekretär des Landes; Gianfranco Cerea, Universität Trient und Christian Keuschnigg, Universität St. Gallen.

Eros Magnago skizzierte die Entwicklung der Finanzbeziehungen der letzten Jahre, dabei ging er vor allem auf das Mailänder Abkommen (2009) und das Garantieabkommen (2014) ein. Als vorteilhaft erwies sich im Rahmen der Verhandlungen die Tatsache, dass das Abkommen nicht durch eine Verfassungsänderung, sondern als einfaches Gesetz erlassen werden konnte. Auch wurde klar, dass das Abkommen, obwohl anfangs als wasserdicht verkauft, immer wieder gebrochen wurde und das Land mit Verfassungsklagen einschreiten musste. Vor allem wurden Abgaben, wie beispielsweise jene der Glückspielautomaten, zurückgehalten. Magnago verteidigte das Abkommen und den Garantiepakt und versuchte als oberster Beamte des Landes selbstverständlich die Erfolge der letzten Jahre zu verkaufen. Es blieb aber ein fahler Nachgeschmack; wie sollte man mit einem Vertragspartner, welcher in den letzten Jahren immer wieder die getroffenen Abkommen gebrochen hat, in Zukunft vertrauensvoll zusammenarbeiten? Luis Durnwalder (SVP) brachte diese Skepsis auf den Punkt und fragte Magnago, wieso er der Meinung sei, das Abkommen werde eingehalten? Zudem wollte er wissen, ob de facto das durch die Steuerzahler eingezahlte Geld zuerst in Südtirol landet und anschließend die 10% der Einnahmen an Rom überwiesen werden. Magnago betonte daraufhin, dass die uns zustehenden Gelder zuerst von der Einnahmenagentur eingesammelt und anschließend an Südtirol überwiesen werden. Somit fließt das Geld zuerst nach Rom und damit ist immer noch ein Hebel gegeben, um Südtirol Gelder vorzuenthalten.

Gianfranco Cerea beschäftigte sich in seinem Vortrag (Präsentation ) mit der finanziellen Entwicklung Südtirols im Vergleich zu anderen Regionen und vor allem mit der Frage, ob Südtirol ein Nettozahler bzw. Nettoempfänger ist.

La disponibilità  e la certezza delle risorse, rappresentano una condizione indispensabile per poter dare adeguato compimento all’esercizio dell’autonomia speciale.

SENZA ENTRATE NIENTE SPESE

Dieses Eingangszitat brachte die gestrige Anhörung auf den Punkt: Wir können lange über den Ausbau der Kompetenzen sprechen, solange wir aber nicht auch die nötigen Ressourcen haben, macht der Ausbau der Autonomie keinen Sinn. Er sprach mir aus dem Herzen, genau diese Forderung hatte ich in meinem Videobeitrag bei der Vorstellung der Konventteilnehmer auch postuliert. Die Zahlen, welche Cerea präsentierte, waren beeindruckend. Südtirol war lange Zeit im Vergleich zu anderen Regionen Italiens unterentwickelt, konnte aber ab den 1960er Jahren stark aufholen und steht heute an der Spitze Italiens. 1913 (also vor der Annexion) betrug das BIP pro Kopf ca 110% im Vergleich zu Italien, 1925 nur mehr 72%, 1954 71%, 1963 106% und schließlich 1970 119%. Laut Cerea ist dies vor allem auf die Autonomie zurückzuführen und somit als Erfolgsmodell zu werten. Bezüglich der Frage Nettoempfänger oder -zahler hat Cerea tiefgreifende Untersuchungen durchgeführt und eine Neuberechnung angestellt. Südtirol ist, wenn die zusätzlichen Kompetenzen (z.B. Gemeinden, Gesundheitswesen, Lehrergehälter, Straßen usw.) sowie die territoriale Lage und Größe (diese zusätzlichen Lasten summieren sich auf ca. 600 Mio. €) berücksichtigt werden, Nettozahler und hängt damit entgegen vielfacher Meinung nicht am Tropf des Zentralstaates. Schlussendlich machte Cerea einen Vorschlag, wie in Zukunft die finanziellen Beziehungen geregelt werden können.

Christian Keuschnigg von der Universität St. Gallen machte einen Vergleich der Finanzautonomie und des fiskalischen Wettbewerbs (Präsentation ) anhand des Beispieles von Österreich und der Schweiz. Für Keuschnigg sollte eine Region, je autonomer sie organisiert ist, auch die Kontrolle über die Einnahmen haben. Anhand einer Grafik zeigte er auf, dass nur wenige Länder weltweit ihren Regionen höhere Anteile an der Einnahmengestaltung auf regionaler Ebene zulassen, darunter Kanada, die Schweiz und Schweden. In Österreich gibt es einen versteckten Finanzausgleich, die Bürger haben in der Regel keine Ahnung wie die Gelder zwischen den Regionen fließen und zudem sind die Anteile, welche die Regionen und Gemeinden direkt erheben können, verschwindend gering. Gänzlich anders die Situation in der Schweiz: Dort gibt es einen größtmöglichen Gestaltungsspielraum der Kantone und auch der Gemeinden auf der Einnahmenseite. Selbst die Einkommenssteuer variiert von Kanton zu Kanton. Während der Spitzensteuersatz in Genf 45% beträgt, ist dieser im Kanton Zug auf 23% begrenzt. Trotz des Wettbewerbes gibt es aber auch zwischen den Kantonen einen Finanzausgleich. Ärmere Regionen erhalten Zuweisungen von reicheren Regionen. Keine Gemeinde oder Kanton könnte es sich leisten, ein Trittbrettfahrerverhalten an den Tag zu legen und sich massiv zu verschulden. Die hohe Einnahmen- und Ausgabenverantwortung führt laut Kuschnigg zu besseren Ergebnissen, dies führt zu größerer Effizienz, einem niedrigeren Steuerniveau, mehr direkter Demokratie, größeren Einfluss der Bürger und ein verbessertes “Zuschneiden” der lokalen Politik. Einem Ausgabenwettbewerb nach oben soll ein Einnahmenwettbewerb nach unten gegenübergestellt werden. Dabei müssen aber die Massensteuern beinflusst werden können; nicht die Mehrwertsteuer, aber die Einkommens- und Unternehmenssteuern sollten in jedem Fall einer Dezentralisierung und Wettbewerb unterzogen werden.

Leider blieb kaum Zeit für eine Diskussion, für mich wurde aber anhand der Beiträge der Experten klar, dass wir mit dem Nationalstaat Italien nicht den besten Vertragspartner haben, der Konvent sich nicht nur mit den Kompetenzen beschäftigten, sondern gleiches Gewicht auch auf die Absicherung der finanziellen Ressourcen legen sollte. Wir brauchen eine Einnahmenautonomie, diese sollte wohlüberlegt ausgestaltet werden, die Schweiz als eines der wettbewerbsfähigsten und reichsten Länder der Welt könnte dabei als Vorbild dienen. Jedenfalls werde ich mich an der Arbeitsgruppe beteiligen, die für den Konvent die Vorschläge für die Finanzautonomie ausarbeiten soll.

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SWZ: Rom trickst mit Millionen.

Die Südtiroler Wirtschaftszeitung widmet sich in ihrer heute erschienen Ausgabe unter anderem den 100 Millionen, die aufgrund des Mailänder Abkommens jährlich vom Südtiroler Landeshaushalt abgezwackt werden. 40 Millionen wandern direkt in den Grenzgemeindenfonds, die restlichen 60 Millionen stehen für die Übernahme staatlicher Zuständigkeiten zur Verfügung. Theoretisch.

Rund die Hälfte ist inzwischen (für Verwaltungsgericht, Rai, Post, Uni Bozen, Konservatorium) einem Zweck zugeordnet, weitere 30 Millionen wurden noch nicht zugewiesen und bleiben deshalb in Rom.

Nun weist der Autor des SWZ-Beitrags, Chefredakteur Christian Pfeifer, auf weitere Tricks des Staates hin:

  • Für die Finanzierung der Post habe der Staat nur 2,3 Millionen »anerkannt«, die somit über das Mailänder Abkommen abgewickelt werden können — der Rest muss vom Landeshaushalt kommen. Angebliche Begründung: Die 60 Millionen sollen für Investitionen dienen und nicht für laufende Ausgaben.
  • Bei der Errichtung des Bozner Gefängnisses habe der Staat Kosten in Höhe von 25 Millionen anerkannt, aus dem 100-Millionen-Topf genommen und dann auf der Ausgabenseite wieder »eingespart«. Sprich: Obschon dieses Geld nicht mehr ausgegeben wird, hat es der Staat bereits in seinen Haushalt überführt.

Kompatscher und [Generalsekretär] Magnago kämpfen zwar um das Geld, aber die Ministerialbeamten argumentieren: “Ja, ihr hättet Anrecht auf das Geld. Aber wir haben es schlicht nicht.”

— SWZ

Das erinnert an die Milliarden, die Südtirol zwar zugestanden hätten, unser Landeshauptmann aber mit dem Argument, dass wir sie sowieso nicht bekommen hätten, mit dem »Finanzabkommen« dem Staat geschenkt hat. Zusätzlich zu weiteren 477 Millionen jährlich.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 4›

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