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Die Reform des Autonomiestatuts konkret.
Neuer Anlauf im Senat

Im Corriere dell’Alto Adige ist die Rede von einer „via catalana“ und Urzì tobt sich im Alto Adige gegen diesen Vorstoß zur „inneren Sezession“ aus. Anscheinend hat er nicht mitbekommen, dass der Verfassungsgesetzentwurf (VerfGE) Nr.43/2018 zur Vollautonomie, in fast identischer Fassung, schon am 15. März 2013 von den damaligen Senatoren Zeller und Berger (SVP) im Senat vorgelegt worden ist. Im Vergleich zum VerfGE Nr. 32/2013 bringt der jetzt von Unterberger, Steger und Durnwalder (SVP) gezeichnete VerfGE Nr. 43/2018 kaum Neuerungen. Dieser Verfassungsgesetzentwurf hat den Zweck, den jetzigen Stillstand und die Krise der Autonomien zu überwinden, indem die Autonomie der Provinzen Bozen und Trient vervollständigt wird. Hätte diese Frage Priorität in Rom, könnten Südtirol und das Trentino schon 2019 ein neues, drittes Autonomiestatut haben.

Es geht darum — so die Autoren in der ausführlichen Begründung des Vorschlags — die Beziehungen zwischen dem Staat und den Autonomien auf eine völlig neue Grundlage zu stellen (ricostruire, S. 4). Die Vollautonomie wird so definiert, dass nur mehr die Geld-, Außen- und Verteidigungspolitik beim Staat verbleiben sollen, während der Rest an die beiden Provinzen geht. Die Palette der Staatszuständigkeiten ist dann tatsächlich breiter, was erst später präzisiert wird, doch einen wesentlichen Sprung würde der Kompetenzenumfang der Provinzen auf jeden Fall machen. Der Gesetzentwurf soll das heutige Statut auch von einer Menge von Bestimmungen und Ausdrücken bereinigen, die längst überholt sind.

Allerdings geht es beim Grad der Autonomie vor allem auch um die Qualität der Zuständigkeit: Das nationale Interesse als Schranke für die autonome Gesetzgebung gilt schon seit 2001 nicht mehr, doch die 2001 eingeführten „transversalen Materien“ des Staats sind für die autonomen Regionen ebenso penetrant und müssten weg. Dies sollte im Art. 2 des neuen VerfGE oder am besten in der Verfassung selbst festgeschrieben werden.

Die Region würde zu einem bloßen „Organ der Konsultation, Planung und Koordination“ der beiden Provinzen, eine Institution ohne Gesetzgebungszuständigkeiten. Hier einige weitere Neuerungen, die die SVP-Senatoren mit ihrer Statutsreform vorschlagen:

  • Statutarisch festgeschrieben würden die Zuständigkeiten des Landes, Konzessionen für die Wasserkraft zu vergeben. Außerdem wird der erfolgten Liberalisierung auf dem Strommarkt Rechnung getragen (Art. 12 und 13).
  • Die Delegierung von Zuständigkeiten vom Staat ans Land kann mit DFB geschehen (also mit Dekret der Regierung). Auch die Länder können an die Region Zuständigkeiten delegieren, und zwar sowohl legislative wie administrative (Art. 17 und 18).
  • Rationalisiert wird der Art. 19, allerdings das Prinzip der muttersprachlichen Schulen voll beibehalten. Das Bildungswesen soll insgesamt als primäre Kompetenz an die Länder gehen (war von Zeller und Berger 2013 vergessen worden).
  • Die Region würde künftig von den beiden Provinzen finanziert und hätte keine eigenen Einnahmen mehr (Art.33).
  • Die Einnahmen der Länder werden neu geregelt: die Länder treten dem Staat den zustehenden Anteil der Steuereinnahmen ab (Art. 75), nicht umgekehrt.
  • Endlich würde den Ländern die primäre Zuständigkeit für die Gemeindefinanzen zuerkannt (Art. 38).
  • Auch für die Ladiner wird das Verfahren zur Haushalts-Garantie im Landtag eingeführt, indem eine entsprechende Landtagskommission ein Vetorecht ausüben könnte (Art. 42).
  • Der Regierungskommissar, schon seit 2001 von der Verfassung nicht mehr zwingend vorgesehen, würde aus dem Autonomiestatut für die Provinzen Bozen und Trient gestrichen. Seine Zuständigkeit gehen auf den Landeshauptmann über, wie es schon in der Region Aostatal der Fall ist (Art. 42 und 43).
  • Im Verwaltungsgericht Bozen würde künftig auch ein Ladiner als Richter sitzen (Art. 44).

Karl Zeller hat Anfang 2016 angenommen, dass sein Verfassungsgesetzentwurf zur Vollautonomie nach Verabschiedung der Renzi-Boschi-Reform im Parlament behandelt werde. Es kam nicht mehr dazu, weil die Regierung andere Prioritäten hatte. Es gehört zu den Gepflogenheiten im Parlament, möglichst gleich zu Beginn der Legislatur wichtige Gesetzentwürfe im Parlament zu deponieren, weil es allein schon aus Zeitgründen bei weitem nicht alle zur Behandlung schaffen. Aus demokratisch-partizipativer Perspektive könnte man einwenden, dass nach Abwicklung des Konvents 2016-17 jetzt der Landtag und dann der Regionalrat mit ihren Entwürfen dran wären. Doch vielleicht gilt die Devise: lieber die Wiese gleich mähen, als hinterher nur einige Blümchen pflücken.

Ein Prüfstein für die Haltung der Regierungsmehrheit ist dieser VerfGE allemal, und zwar nicht nur für Lega und 5SB, sondern auch für den SVP-Bündnispartner PD. Die vor allem von SVP-Wählern ins Parlament gehievte SVP-PD-Abgeordnete Boschi kann beweisen, ob sie zur „Autonomistin“ konvertiert ist. Erheblicher Widerstand ist aus dem Trentino zu erwarten, das die Entkernung der Region nicht hinnehmen wird. Zu einem Prüfstein wird die Vorlage für die Trentiner 5SB- und Lega-Parlamentarier und Regierungsmitglieder. Denn mehr Autonomie bedeutet auch mehr Dezentralisierung, Effizienz und Bürgernähe, und das haben sich beide Regierungsparteien auf die Fahnen geschrieben.

Freilich geht der Gesetzentwurf der SVP in manchen Punkten nicht genügend weit: die direkte Demokratie wird nicht gestärkt, die Rolle des Landtags ebenso wenig, die Zuständigkeiten in der Wirtschafts- und Sozialpolitik und bei den Außenbeziehungen bleiben relativ schwach, es gibt keine verbesserte Regelung zur ethnischen Konkordanz in der Landesregierung, kein eigenständiges Verwaltungs- und Oberlandesgericht für Südtirol, es bleibt bei der zwingenden Zweinamigkeit bei den Ortsnamen usw. Insofern wird es unverzichtbar, dass auch der Landtag mit breiter Mehrheit ein Projekt zum Ausbau der Autonomie verabschiedet und in Rom einbringt.

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Oh, Maria!
Aus dem BBD-Archiv

Neben Gianclaudio Bressa wird nun also nicht Graziano Delrio, sondern Maria Elena Boschi in Südtirol kandidieren. Mit dem Segen der Edelweißpartei.

Die Skandale, in die sie auf Staatsebene verwickelt ist und war, dürften bekannt sein. Doch wie schon für Bressa habe ich nun auch für Boschi das -Archiv bemüht:

  • Im Kabinett von Matteo Renzi war sie Ministerin für Verfassungsreformen — und damit federführend für die Vorlage verantwortlich, die Italien eine deutliche Zentralisierung beschert hätte, wenn sie von der Bevölkerung nicht abgeschmettert worden wäre.
  • Noch vor rund drei Jahren hielt Boschi (als Ministerin!) in Florenz ein leidenschaftliches Plädoyer für die Abschaffung der Autonomien. Dass sie nun von der SVP den Südtirolerinnen vorgesetzt wird, ist an Dreistigkeit und Selbstverleugnung wohl kaum noch zu überbieten.
  • Als sich Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) geweigert hatte, den Eintritt Italiens in den ersten Weltkrieg durch Hissen der Staatsflagge zu feiern, machte dies der unverwüstbare Bruno Vespa in seiner TV-Sendung zum Thema. Die nunmehrige SVP-Kandidatin Maria Elena Boschi kritisierte die Südtiroler Weigerung — unisono mit Rechtsaußen Giorgia Meloni (FdI) — heftig und führte an, dass wir doch alle »zuallererst Italiener« seien.
  • Dafür aber ging die Ministerin so kreativ mit öffentlichen Geldern um, dass sie Karl Zeller (SVP) und seine Freundesfreunderl — stets im öffentlichen Interesse! — mit Millionenbeträgen zufriedenzustellen vermochte. So erzählte es ein stolzer Zeller der Tageszeitung, und das wird man doch wohl noch mit einer Kandidatur belohnen dürfen.

Ob Südtirols Wählerinnen aus Liebe zu einer immer dreisteren Volkspartei auch diese Riesenkröte schlucken werden?

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Der ‘Südtiroler’ Kandidat Gianclaudio Bressa.
Aus dem BBD-Archiv

Der PD von Matteo Renzi wird hierzulande — zumindest an »wählbarer Stelle« — wie es scheint keine Kandidatinnen aus Südtirol aufstellen, sondern auf Geheiß der römischen Zentrale irgendwelche Größen der Staatspartei, die sich (dank Unterstützung der SVP) eine sichere Wiederwahl erhoffen. Während wir noch auf eine Entscheidung zwischen Graziano Delrio und Maria Elena Boschi warten, gilt Gianclaudio Bressa inzwischen als gesetzt.

Anders als Delrio und Boschi hat Bressa wenigstens seinen amtlichen Wohnsitz im Lande, wiewohl er sich hier angeblich kaum blicken lässt. Die Volkspartei behauptet, er habe Großartiges für Südtirol geleistet, daher habe ich — um zur Vervollständigung des Gesamtbilds beigetragen — unser Archiv nach ihm durchforstet. Et voilà:

  • Wie (fast) der gesamte PD — und übrigens auch große Teile der SVP — unterstützte Bressa die von Premier Matteo Renzi vorgeschlagene und von der Bevölkerung abgewiesene Verfassungsreform von 2016, deren Umsetzung eine weitere Zentralisierung des Staatsgefüges verursacht hätte.
  • Zuviel Eigenständigkeit der SVP ist bei Bressa eher nicht erwünscht. So soll er gedroht haben, ein Treffen zwischen Renzi und Landeshauptmann Kompatscher platzen zu lassen, wenn die Volkspartei nicht Änderungsanträge zur Verfassungsreform zurückgenommen hätte.
  • Auch bei der Zusammensetzung der Bozner Stadtregierung verlangte Bressa von der SVP »absolute Bündnistreue« und drohte andernfalls mit Konsequenzen mittels — was wohl? — Verfassungsreform.
  • In seiner Ursprungsprovinz Belluno, zu der auch das tirolisch-ladinische »Souramont« (Anpezo, Col, Fodom) gehört, gilt Bressa als Totengräber jeglicher Autonomiebestrebungen.
  • Politische Gegnerinnen beleidigt der erfahrene Politiker schon mal — so beschimpfte er zum Beispiel die Unabhängigkeitsbefürworterinnen als »Betrunkene«. Das ist keine Diskussionskultur, die dem Namen seiner Partei gerecht wird.
  • Die dritte Phase der Autonomie (nach dem ersten und zweiten Autonomiestatut) bezeichnete er als die der »nationalen Verantwortung«. Es ist also kein Geheimnis, wohin die Reise mit ihm geht.

All das sollten die Wählerinnen — neben dem vielen Honig, den die SVP über Bressa vergießen wird — am 4. März nicht vergessen.

Siehe auch ‹1 | 1›

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Es lebe der Stillstand.

In der dieswöchigen ff ist ein Leitartikel von Georg Mair erschienen, in dem es um Katalonien, Südtirol und — unter anderem — die »feuchten Träume« der »linken Selbstbestimmungs-Propagandisten der Brennerbasisdemokratie« geht.

Der Autor behauptet darin, dass Katalonien »tief gespalten« sei. Das stimmt. Das Land ist so gespalten, wie es Großbritannien wegen des Brexit, Schottland wegen der Unabhängigkeit oder Italien wegen der Verfassungsreform waren. Demokratie hält das aus — muss das aushalten, wenn es denn eine ist. Die genannten direktdemokratischen Weichenstellungen haben denn (ob man nun mit den jeweiligen Ergebnissen einverstanden ist oder nicht) auch in all diesen Fällen nicht dafür gesorgt, dass sich die Menschen die Köpfe eingeschlugen oder ein Krieg ausgebrochen ist.

Wer in Katalonien am ehesten zündelt, ist der Zentralstaat, der mit inakzeptabler — und einer Demokratie unwürdiger — Gewalt gegen friedliche Wählerinnen vorgehen ließ und Unabhängigkeitsbefürworterinnen hohe Haftstrafen androht, während er neonazistische Umtriebe im unionistischen Lager deckt und duldet.

Freilich, man kann natürlich immer argumentieren, dass Spannung und Spaltung zu vermeiden seien. Doch dann hätten wir wohl heute noch immer kein Frauenwahlrecht, keine (wiewohl verbesserungsbedürftige) Gleichberechtigung der Schwarzen in den USA, keinen Zivildienst und — keine Diskussion über den Pestizideinsatz in Mals. In all diesen Fällen hätte man, wenn man Mairs Harmonielehre folgt, am besten auf eine demokratische Auseinandersetzung verzichtet. Denn die gesetzliche Ausgangslage war meist ungünstig und häufig waren Formen des zivilen Widerstands nötig.

Mair behauptet:

Bei den einen heißt die Religion Separatismus, bei den anderen Zentralismus. Ismen alle beide. Ismen führen oft ins Verderben.

– Georg Mair

Echt jetzt? Führen Ismen wirklich öfter ins Verderben, als politische oder gesellschaftliche Überzeugungen mit einer anderen Endung? Und was ist dann mit Humanismus, Feminismus, Antifaschismus, Liberalismus, Föderalismus, Demokratismus, Pazifismus, Idealismus, Autonomismus, Optimismus, Altruismus, Pluralismus, Internationalismus?

Wo in Südtirol eine Diskussion über die Unabhängigkeit ist, darf auch das »Argument« nicht fehlen, dass Selbstbestimmung nur möglich wäre

wenn den Südtirolern ihre Freiheitsrechte genommen würden, wenn in Rom eine autoritäre Regierung am Ruder wäre, die das Land knechtet, ihm zum Beispiel seine autonomen Zuständigkeiten entzieht.

– Georg Mair

Eine autoritäre Regierung, die das Land nicht knechtet, wäre also gar nicht ausreichend? Das sind interessante Erkenntnisse, die aber kein juristisches Fundament — und auch mit dem internationalen Recht nichts zu tun — haben. Vermutlich handelt es sich um eine persönliche Meinung des Autors, denn Beispiele für Separationen, denen keine Unterdrückung oder Gewalt vorausgegangen sind, gibt es zur Genüge.

Die spanische Regierung hat die Pflicht, die Verfassung zu schützen. Was wäre das für eine Regierung, die das nicht täte?

– Georg Mair

Das stimmt. Aber: Sie hat erstens weder die Pflicht, noch das Recht, die Verfassung durch Rechtsbeugung und überzogene Gewaltanwendung zu schützen. Darüberhinaus hätte sie zweitens vor allem die Pflicht, politisch zu agieren — also ein Problem wie das katalanische als solches zu erkennen und mit der Regionalregierung zu verhandeln. Die Verfassung schützen allein, dazu braucht man keine Politikerinnen, das kann auch ein Verfassungsgericht. Da bringt Mair eine völlig mechanistische, bürokratische Auffassung von Politik zum Ausdruck — als ob »Recht« in Stein gemeißelt wäre.

Zum Abschluss noch ein Klassiker, der niemals fehlen darf: die Südtiroler Vorzeigeautonomie. Mair legt den Katalaninnen nahe, so lange zu verhandeln

bis es eine Autonomie gibt, die schon an Selbstbestimmung grenzt, wie in Südtirol. […] Gewähren wir im Notfall Carles Puigdemont Asyl, er könnte in Südtirol lernen, dass es keine formelle Unabhängigkeit braucht, um selbstbestimmt zu sein.

– Georg Mair

Das ist sowas von überheblich und anmaßend, dass sich eigentlich jeder inhaltliche Kommentar verböte. Es sei aber trotzdem auf den Autonomievergleich von Thomas Benedikter und auf den »systematischeren« Regional Authority Index verwiesen. Beide bescheinigen Katalonien schon heute deutlich weiterreichende Autonomierechte, als Südtirol. Was Puigdemont hier aber durchaus lernen könnte, ist ungenierte Selbstbeweihräucherung.

Siehe auch ‹1 ‹2 | 1›

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Lombardei: PD-Bürgermeisterinnen für Autonomie.
Kehrtwende im Eiltempo

Aus dem ernüchternden Ergebnis ihrer Partei bei den neulichen Kommunalwahlen ziehen einige PD-Bürgermeisterinnen der Lombardei die Konsequenzen — und vollziehen in Hinblick auf das Autonomiereferendum vom 22. Oktober nichts weniger als eine 180°-Wende.

An jenem Tag werden die Bürgerinnen der wirtschaftsstarken Region darüber abstimmen, ob sich ihre Regierung für ein größeres Maß an Eigenregierung einsetzen soll, wie dies von der italienischen Verfassung vorgesehen ist. Zeitgleich werden die Einwohnerinnen der Region Venetien über eine ähnliche Frage abstimmen.

Bislang hatte sich der lombardische PD stets gegen die Abhaltung der als »nutzlos« bezeichneten Befragung ausgesprochen. Allerdings zeigen sämtliche Prognosen eine starke Unterstützung für das Referendum und das damit verbundene Anliegen, womit ein deutlicher, beinahe plebiszitärer Sieg der Autonomiebefürworterinnen zu erwarten steht.

Noch vor wenigen Monaten hatte man sich im PD für eine stark zentralisierende Verfassungsreform ausgesprochen, die dann glücklicherweise Schiffbruch erlitten hat. Heute kündigen die oben genannten Verwalterinnen an, ein »parteiunabhängiges« Unterstützungskomitee für ein Referendum zu gründen, das sie bis gestern bekämpft haben.

Für die Prinzipien nichts, jedoch alles für die Macht.

Siehe auch ‹1 ‹2

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Institutionen: Je näher, desto größer das Vertrauen.
Nur die Europäische Union tanzt aus der Reihe

Dass das Vertrauen der Südtirolerinnen in die Institutionen der lokalen Selbstverwaltung groß ist, wussten wir bereits. Zur Erinnerung:

Wie eine kürzlich veröffentlichte Erhebung von demos & PI für L’Espresso zeigt, vertrauen aber auch die Bürgerinnen auf Staatsebene — was die unterschiedlichen Entscheidungs- und Verwaltungsebenen betrifft — ihrer Gemeinde am meisten. Der Reihe nach folgen in beiden Fällen das Land und/oder die Region sowie der Staat, der hie wie dort das geringste Vertrauen genießt.

Nur die Europäische Union kann den Zusammenhang von Nähe und Vertrauen durchbrechen. Sie liegt hierzulande weit vor dem italienischen Staat und auf staatlicher Ebene gar (nach der Heimatgemeinde und noch vor der Region) an zweiter Stelle.

Mögliche Erkenntnisse:

Der Tatsache ungeachtet, dass die italienische Politik eher an eine weitere Zentralisierung denkt, würden die Bürgerinnen wohl eher eine stärkere Föderalisierung bevorzugen. Damit würde man nämlich Zuständigkeiten von der Ebene, der am meisten misstraut wird (Staat), auf andere Ebenen (Regionen und Gemeinden) übertragen.

Somit dürfte der zurückgetretene Ministerpräsident Matteo Renzi (PD) mit seiner Verfassungsreform wohl auf das falsche Pferd gesetzt haben. In der Gunst der Italienerinnen liegen die Regionen, trotz zahlreicher Skandale, noch immer vor dem nicht minder skandalgebeutelten Staat. Eine Verwaltungsebene, die nicht allzu großes Vertrauen genießt (Regionen), für Misswirtschaft zu »bestrafen«, indem ihr Befugnisse entzogen und einer Ebene (Staat) zugesprochen werden, der die Bürgerinnen noch deutlich weniger vertrauen, ist keine gute Lösung.

Wie in Südtirol liegt die Europäische Union — wenngleich in geringerem Ausmaß — auch in der staatsweiten Erhebung deutlich vor dem Zentralstaat. Dies kann eine Grundlage für die Überwindung der nationalstaatlichen Ebene bei gleichzeitiger Verschiebung der Zuständigkeiten nach unten und nach oben (Subsidiaritätsprinzip) sein.

Hinweis: Unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Fragestellung, der unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten und des unterschiedlichen Durchführungszeitraums sind die beiden Erhebungen (Astat/Südtirol sowie demos & PI/Italien) nicht direkt miteinander vergleichbar.

Während uns die beiden Erhebungen also eine Aussage über die Reihung (Gemeinde vor Land/Region vor Zentralstaat) ermöglichen, wäre etwa die Aussage, dass der Heimatgemeinde in Südtirol (70%) fast doppelt soviel Vertrauen entgegengebracht wird, wie in Italien (39%), unseriös.

Siehe auch ‹1 ‹2 | 1› 2›

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Autorinnen und Gastbeiträge BBD

Il no dell’Italia, il sì di Bolzano.

di Riccardo Dello Sbarba

“È la prova che il Sudtirolo non è Italia – scrive un amico – Ora non vi resta che trasferirvi armi e bagagli nell’Austria di van Der Bellen”. In effetti…

Ma, in effetti, il Sudtirolo (per dire la stragrande maggioranza della popolazione di lingua tedesca, mentre quella italiana ha votato come la media nazionale) non ha votato sulla riforma della Costituzione, ma sulla “clausola di garanzia”, da noi rafforzata dalla funzione tutrice dell’Austria, che invece alle altre autonomie speciali non è data (e infatti non ci hanno creduto). Hanno votato a favore di una Costituzione che da noi non si sarebbe applicata. Anzi, hanno votato sì proprio perché da noi la nuova Costituzione non si sarebbe applicata.

Hanno votato “diversamente s씝. È stato il sì di tante mie amiche e amici che somiglia moltissimo al sì a Van der Bellen di tante austriache e austriaci che pure i Verdi non li votavano mai. A Vienna hanno votato VDB per non dare l’Austria in mano a Hofer, a Bolzano hanno votato sì per non dare l’Italia in mano a Grillo e Berlusconi. Lì hanno votato VDB per stabilizzare l’Austria e stabilizzare l’Unione Europea dopo Brexit e Trump, qui hanno votato sì per stabilizzare l’Italia e reggere in piedi l’Unione Europea. Quindi un voto politico, al di là dei contenuti. Che fosse vero o no che i due paesi si trovassero sull’orlo di un baratro, questa era l’impressione di molte persone fuori dall’Italia. Per questo i progressisti europei, verdi inclusi appunto, tifavano per Renzi, al quale è riuscito di convincere l’opinione pubblica fuori dall’Italia che il voto non verteva più su una (mediocre e contraddittoria) riforma della Costituzione, ma era un voto sul destino dell’Italia in procinto di fare bancarotta e finire nelle mani di populisti e avventurieri (lui che di populismo e avventure è grande intenditore). E a Bolzano cosa pensano fuori, soprattutto nell’area tedesca, si sente.

Ma forse (forse) non è così. In Italia c’è sicuramente uno che ha perso, e si chiama Renzi. Ma non c’è uno che ha vinto, tanto era variegata l’“accozzaglia dei no”. Di sicuro ha perso chi vedeva la soluzione di tutti i problemi nella centralizzazione del potere, nel taglio dei contrappesi democratici, nell’umiliazione delle autonomie e nell’efficientismo senza popolo. Era una ricetta sciagurata ed è bene che sia stata bocciata. Adesso però bisognerebbe fare l’opposto: diffondere il potere verso il basso, rafforzare il bilanciamento tra i poteri della Repubblica, riqualificare e sviluppare le autonomie, credere nella partecipazione democratica alle grandi scelte, ricreare una informazione degna di questo nome.

È il compito che spetta alla parte migliore del NO. E alla parte migliore del SÌ. Perché da oggi, sia chiaro, il “fronte del no” e il “fronte del sì” non esistono più.

Buon giorno Italia, guten Morgen Südtirol.

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Autorinnen und Gastbeiträge BBD

Worüber abgestimmt wurde und wer gewonnen hat.

von Brigitte Foppa

In Italien hat das Nein zur Verfassungsreform Renzi-Boschi gewonnen, in Südtirol das Ja.

Wie bereits in der Vorwahlzeit kreuzen sich auch in der Analyse des Ergebnisses mehrere Interpretationsachsen.

Erste Feststellung: Die hohe Wahlbeteiligung ist ein gutes Zeichen. Fast drei Viertel der BürgerInnen Italiens haben sich mit dem wichtigsten Dokument der Republik befasst und sich in der einen oder anderen Weise dazu geäußert. Die Verfassung wird vorerst nicht abgeändert, und das ist gut so.

Denn zweitens war die Reform inhaltlich und formell untragbar. In einem technisch schlecht gemachten, streckenweise unleserlichen und nur im Gesamtblock zur Abstimmung gebrachten Text wurden die Rezentralisierung des Staates und die Schwächung der demokratischen Institutionen vorgeschlagen — in Verbindung mit einem schändlichen Wahlgesetz eine fatale Aussicht für Italien. Zudem zielte die Reform, und das deutliche Votum im Süden Italiens bestätigt dies, an den eigentlichen Problemen der Bevölkerung und des Staates total vorbei.

Die politischen Folgen, die dritte Ebene, geben besonders zu denken. Die allgemein wahrnehmbare Schalheit beweist, dass es keine Sieger und keine Verlierer gibt, weder in Südtirol, noch im gesamten Staatsgebiet. Renzi hat nicht nur einen strategischen Fehler gemacht, als er den Ausgang des Referendums an seine politische Zukunft gekettet hat. Er hat, mit vehementer Unterstützung sämtlicher politischer Leader Italiens (und im Kleinen, auch jener Südtirols), diese Abstimmung zwangspolitisiert und -personalisiert. Darin liegt die wahre Verantwortung Renzis der Demokratie gegenüber. Referenden sollten sich von Wahlen genau dadurch unterscheiden, dass frei über eine Sachfrage abgestimmt werden kann. Diese Freiheit hat Renzi, und mit ihm Grillo und Salvini, den Wählerinnen und Wählern genommen.

So hat jede und jeder in Italien und in Südtirol über etwas anderes abgestimmt: über die Inhalte der Reform, über die Regierung Renzi und die Alternativen zu ihr, über die wirtschaftlichen Folgen einer möglichen Regierungskrise, über die populistischen Gefahren, in Südtirol auch über die Schutzklausel und sogar über die Selbstbestimmung.

Dieses Ergebnis macht daher nachdenklich und auch ein wenig ratlos. Hätte das Nein gewonnen, ohne dass Renzi ganz Italien erpresst hätte, dann gäbe es jetzt eine klare Anweisung vom Volk an das Parlament, eine neue, ordentliche Reform zu machen. Wenn an der Spitze Italiens wirklich reife DemokratInnen stünden, würden sie jetzt genau diesen Auftrag annehmen.

Am Ende gibt es vielleicht doch eine Gewinnerin. Unberührt von den politischen Spielen und Eitelkeiten bietet sie seit 1948 gewährte Gewissheit. Die Regierungen kommen und gehen, sie bleibt: die Verfassung.

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