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Grundrechte katalanischer Politiker verletzt.
Amtsenthebungen waren nicht rechtens

Spanien hat mit der Amtsenthebung von katalanischen Politikern im Anschluss an das Referendum vom 1. Oktober 2017 ihre politischen Rechte verletzt. Dies stellte der UN-Menschenrechtsausschuss nun auf Antrag des damaligen Vizepräsidenten Oriol Junqueras und der Minister Raül Romeva (beide ERC), Josep Rull und Jordi Turull (beide PDeCAT) fest. Im Juli 2018 waren sie aus ihren Funktionen als Regierungs- und Parlamentsmitglieder entlassen worden, was nur in Zusammenhang mit dem Straftatbestand der Rebellion möglich gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt habe es jedoch noch gar keine Verurteilung gegeben, die schlussendlich zwar für Aufruhr, aber nicht wegen Rebellion zustandekam.

Diese Vorgehensweise habe die politischen Rechte der Betroffenen gemäß Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verletzt, so der Menschenrechtsausschuss.

Die Anklage unter Berufung auf den Straftatbestand der Rebellion, die in der Folge zur Amtsenthebung führte, habe einer vernünftigen und objektiven Grundlage entbehrt, da die vier Beschwerdeführer die Öffentlichkeit dazu aufgerufen hatten, sich beim Referendum unbedingt friedlich zu verhalten.

Mit anderen Worten: Spanien hat die katalanischen Politiker bewusst der Rebellion bezichtigt, um sie ihrer Ämter entheben zu können, obwohl eine Verurteilung wegen dieses Tatbestandes unwahrscheinlich war.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 | 1›

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Österreich verabschiedete Srebrenica-Resolution.

Einstimmig beschloss der Nationalrat in Wien am 7. Juli einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag (Grüne, ÖVP, SPÖ, neos) zum Gedenken an den Völkermord in Srebrenica. Darin beauftragt das Parlament die Bundesregierung, sich gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten, unter anderem im Rahmen der Vereinten Nationen, auch weiterhin für das Gedenken an diesen Genozid einzusetzen.

Mit der Resolution wird an die Massaker und ethnischen Säuberungen erinnert, die während des Bosnienkriegs in und um Srebrenica stattgefunden haben. Über 8.000 Bosniaken — muslimische Männer und Buben, die im der UNO unterstehenden Gebiet Schutz gesucht hatten — waren dabei zwischen dem 11. und 15. Juli 1995 von Truppen der bosnischen Serben umgebracht, rund 30.000 Frauen, Kinder und alte Menschen in einer ethnischen Säuberungsaktion vertrieben worden.

Sowohl der Internationale Gerichtshof als auch das Internationale Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien haben die Straftaten in Srebrenica als Völkermord qualifiziert.

Im Juli 2015 genehmigte das EU-Parlament 20 Jahre nach dem Massaker eine starke und weitreichende Resolution zu dem Genozid.

In der nun vom österreichischen Nationalrat verabschiedeten Entschließung werden das Massaker und die ethnische Säuberung zudem als die schwersten Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs bezeichnet.

Eine Verurteilung des Genozids durch den UNO-Sicherheitsrat scheiterte 2015 an einem russischen Veto.

Siehe auch ‹1 ‹2

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UN nehmen zu Sprachdiskriminierung in Frankreich Stellung.

Im April des letzten Jahres hatte die französische Nationalversammlung mit großer Mehrheit ein neues, relativ starkes Minderheitenschutzgesetz beschlossen, das jedoch von Abgeordneten der Republique en Marche von Präsident Emmanuel Macron vor den Verfassungsrat gebracht wurde. Der nahm die Gelegenheit zum Anlass, sich grundsätzlich gegen die Immersion in einer Minderheitensprache an öffentlichen und gleichgestellten Schulen sowie gegen das Recht auf Gebrauch von Sonderzeichen (wie ñ oder í) bei Personennamen auszusprechen.

Zwar setzte sich das französische Bildungsministerium später teilweise über den Entscheid hinweg, indem es den Immersionsunterricht per Rundschreiben weiterhin erlaubte, das Europäische Netzwerk für die Gleichheit der Sprachen (ELEN) befasste aber auch den Sonderberichterstatter betreffend Minderheiten der UNO, Fernand de Varennes, mit dem Vorfall.

Die Antwort

Mit der Meldung befassten sich neben Varennes auch die Sonderberichterstatterin für kulturelle Rechte, Alexandra Xanthaki, und die Sonderberichterstatterin für das Recht auf Bildung, Koumbou Boly Barry. Zu dritt richteten sie nun einen Brief an die französischen Behörden, in dem sie diese zu einer Stellungnahme aufrufen.

In ihrer Stellungnahme weisen sie unter anderem darauf hin, dass:

  • Artikel 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte jegliche Diskriminierung verbiete, auch hinsichtlich der Sprache. Artikel 27 sehe vor, dass in Staaten, in denen ethnische, religiöse oder sprachliche Minderheiten leben, Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden dürfe, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eige­ne Reli­gion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.
  • Artikel 29 der Kinderrechtskonvention besage, dass die Bildung des Kindes darauf gerichtet sein muss, ihm »Achtung vor seinen Eltern, seiner kulturellen Identität, seiner Sprache und seinen kulturellen Werten […]« zu vermitteln. Artikel 30 fordere, dass in Staaten, in denen es ethnische, religiöse oder sprachliche Minderheiten oder Ureinwohner gibt, einem Kind, »das einer solchen Minderheit angehört oder Ureinwohner ist, nicht das Recht vorenthalten werden [darf], in Gemeinschaft mit anderen Angehörigen seiner Gruppe seine eigene Kultur zu pflegen, sich zu seiner eigenen Religion zu bekennen und sie auszuüben oder seine eigene Sprache zu verwenden«.
  • der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in einer Anmerkung zu Artikel 21 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte präzisiert habe, dass die Unterzeichnerstaaten Maßnahmen ergreifen sollten und keinen Aufwand scheuen dürften, damit die Bildungsprogramme den Minderheiten und autochthonen Gemeinschaften in ihrer eigenen Sprache vermittelt werden, wobei die Wünsche der jeweiligen Gemeinschaft und die Menschenrechte zu berücksichtigen seien (E/C.12/CG/21, § 27). Zu beachten seien außerdem Artikel 13 des Pakts hinsichtlich des Rechts auf Bildung und Artikel 15 bezüglich des Rechts auf Teilnahme am kulturellen Leben.
  • die Erklärung über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten angehören zu berücksichtigen sei, insbesondere Artikel 4.3: »Die Staaten sollen geeignete Maßnahmen ergreifen, damit Angehörigen von Minderheiten, soweit möglich, angemessene Möglichkeiten geboten werden, ihre Muttersprache zu erlernen oder Unterricht in ihrer Muttersprache zu erhalten«. Das vom Sonderberichterstatter betreffend Minderheitenfragen herausgegebene Handbuch über die Rechte von Sprachminderheiten stelle klar, dass wenn die Nachfrage ausreichend groß sei, die Dienste des öffentlichen Bildungswesens in angemessener Weise und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit in einer Minderheitensprache angeboten werden müssen. Die Maßnahme betreffe sämtliche Bildungsstufen vom Kindergarten bis zur Universität. Falls die Nachfrage, die Konzentration von Sprecherinnen oder andere Faktoren die Durchführbarkeit erschweren, müsse die Regierung dafür sorgen, dass im Rahmen des Möglichen der Unterricht der Minderheitensprache ermöglicht wird. Darüberhinaus sollten alle Kinder die Möglichkeit haben, die offizielle(n) Sprache(n) zu erlernen.

Frankreich wird es reichlich schwer haben, zu erklären, wie das ausdrückliche Verbot von Immersionsunterricht in einer Minderheitensprache mit all diesen Rechten vereinbar sein kann.

In Italien

Genauso wie Frankreich hat auch Italien die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, das wohl effektivste internationale Abkommen zum Minderheitenschutz, nie ratifiziert. Doch die von den drei Sonderberichterstatterinnen in ihrem Brief an Frankreich erwähnten Grundlagen gelten auch hierzulande. Fragen wir uns, inwieweit die darin enthaltenen Minderheitenrechte in Italien gewährleistet sind, müssen wir wohl zum Schluss kommen, dass das für die meisten Sprachgemeinschaften — einschließlich der ladinischen in Südtirol — nur unzureichend der Fall ist. Es gibt noch sehr viel Luft nach oben und die UNO steht den Minderheiten zur Seite.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

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Autorinnen und Gastbeiträge

Ukraine: Auch Minderheiten im Visier.

Die russische Armee geht laut ECMI auch gezielt gegen Angehörige der Minderheiten in der Ukraine vor

Das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen (ECMI) in Kiel dokumentiert in einer Serie von Reporten die Lage der Minderheiten in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine. Autorin Kateryna Haertel (Mitarbeiterin der OSZE) und Autor Mykhailo Drapak von der Yuriy Fedkovych Czernowitz National University listen detailliert in ihren jüngsten Recherchen die düstere Situation auf.

Seit der Besetzung der Krim 2014 verfolgen die russischen Behörden die Angehörigen der Krimtataren. Mit ihrem Eroberungskrieg verschärfen die Besatzungsbehörden die Repression gegen die Krimtataren in der gesamten Ukraine. Während der Besetzung des Oblasts Cherson beispielsweise gingen die Besatzer in der Stadt Henichesk und in der Siedlung Novooleksiyivka gezielt gegen die dort lebenden 2000 Krimtataren vor.

Die Krim-Beauftragte des ukrainischen Präsidenten, Tamila Tasheva, bestätigte den ECMI-Rechercheuren, dass die russische Besatzungsmacht Krimtataren jagt. Auch laut dem krimtatarischen Info-Zentrum suchten Soldaten jedes Haus und jede Wohnung nach Krimtataren ab. Iskender Bariev, ein Mitglied des Majlis, berichtete, dass die russischen Besatzer viele Menschen festhielten.

Die 600 Angehörigen der Roma in der Stadt Kachowka standen während der Besatzung unter ständiger Kontrolle der russischen Soldaten. Sie wurden — wie viele ihrer Nichtroma-Nachbarn — an der Flucht gehindert. In Wyssokopillya, Oblast Cherson, drangen russische Soldaten in die Häuser der Roma ein, raubten Wertsachen und Autos. Viele wurden auch festgenommen.

In den südlichen Bezirken des Oblasts Saporischschja — Melitopol, Berdiansk, Prymorsk, Polohy, Orikhiv, Hulyaypole — lebten neben den bulgarischen, griechischen und albanischen Minderheiten auch eine beträchtliche Anzahl der jüdischen Karäer und Krimtataren. Sie gelten in der Ukraine als indigene Völker. Ihre Vertreter wurden — wie auch Funktionäre der Mehrheitsbevölkerung — von den Sicherheitskräften festgenommen. Besonders pro-ukrainische Menschen wurden verhaftet, gefoltert und getötet, sagte Aktivist Naufal Hamdani.

Laut Hamdani, aktiv in der Vereinigung der nationalen Minderheiten des Oblast Saporischschja, leiden die Angehörigen der Minderheiten wie auch der Mehrheit an der dürftigen Lebensmittelversorgung. Der Krieg bedroht auch das Leben der Menschen in diesem Oblast.

Die russischen Besatzer machten Jagd auf Schulleiter, Museumsdirektoren und Journalisten. Damit setzten sie die verschiedenen sozialen Institutionen unter Druck. Den Schulen wurde angeordnet, nach dem russischen Lehrplan zu unterrichten.

Heftige Kritik an der Besatzung übte Olena Arabadzhi, Karäerin und Direktorin des Zentrums für das Studium des nationalen und kulturellen Erbes der Asowschen Völker. Sie wandte sich deshalb hilfesuchend an das Ständige UN-Forum für indigene Völker. Arabadzhi lebte vor der russischen Aggression in der inzwischen russisch besetzten Stadt Melitopol. Für die Karäer ist die Krim ihre historische Heimat. Viele verließen sie bereits 2014 nach der Annektion durch Russland.

Die aus der Krim in den Oblast Saporischschja geflüchteten Karäer verließen gemeinsam mit der Hälfte der in diesem Oblast lebenden Karäer das Land. Olena Arabadzhi schreibt: »Meine Kinder und Enkelkinder werden der Möglichkeit beraubt, die karäische Sprache zu lernen. […] Der Zugang zum Kulturzentrum der Karäer wurde blockiert. Unter der russischen Besatzung wurde uns das Recht genommen, unsere Meinung zu äußern und an Versammlungen teilzunehmen. Soweit ich weiß, machen andere indigene Völker der Ukraine, nämlich Krimtataren und Krymtschak, die gleiche dramatische Erfahrung.«

Derzeit setzt die russische Armee ihre ganze Feuerkraft ein, um den Donbas unter ihre Herrschaft zu bringen. Seit 2014 ist der Oblast Donezk unter »pro-russischer« Kontrolle, in diesem Oblast lebt die Mehrheit der griechischen Minderheit in der Ukraine (Asow-Griechen), es ist auch die Heimat von Armeniern, Roma und Krimtataren. Einige der Asow-Griechen — Rumei und Urum — wurden vertrieben.

Die Angehörigen der verschiedenen nationalen Minderheiten wurden wie ihre ukrainischen Landsleute in »Filtrationslagern« schikaniert. Betroffen waren davon mehr als 1,2 Millionen Menschen. Tausende Menschen deportierte die russische Armee nach Russland und verstreute sie über das Land, wie verschiedene Medien berichteten. Kaum Informationen gibt es über die Lage der Roma im Oblast Luhansk, der auch seit 2014 russisch »verwaltet« ist.

Die ECMI-Rechercheure befragten zudem Krimflüchtlinge und Geflohene aus den »Volksrepubliken«. Seit acht Jahren verfolgen die russischen Behörden auf der Krim Tataren und Ukrainer. Sie werden verhaftet, entführt und ermordet. Die krimtatarischen Volksorganisationen stuften die Besatzungsbehörden als extremistisch ein.

Krimtataren wurden und werden gezwungen, sich öffentlich zum russischen Krieg gegen die Ukraine zu bekennen. An den Schulen auf der Krim betreiben die Behörden eine massive Propaganda. Auf der Krim und im Donbas zieht die russische Armee zwangsweise Männer zum Krieg ein. Sie werden gezwungen, gegen die eigene Armee zu kämpfen.

Die im westlichen Landesteil lebenden Minderheiten, Rumänen und Ungarn, zeigten große Solidarität mit den aus dem Osten geflohenen Menschen. Obwohl die Elite beider Minderheiten bisher mit Kritik an der Nationalitätenpolitik der ukrainischen Regierung nicht sparte, stellen sie sich konsequent hinter den ukrainischen Staat.

Für Mykhailo Drapak ist der Krieg ein Lackmustest für die ukrainische Minderheitenpolitik. Die Organisationen der rumänischen und der ungarischen Minderheit organisierten für die Flüchtlinge aus der Ostukraine und in der Frühphase des Krieges aus der Hauptstadt Hilfe vor Ort und versuchten gleichzeitig in ihren »Verwandtschaftsstaaten« (Zitat Mykhailo Drapak) humanitäre Unterstützung zu organisieren. Drapak nennt diese Organisationen zivilgesellschaftliche Architekten der Westukraine.

Drapak verweist auf Äußerungen ukrainischer PolitikerInnen, die »Multiethnizität« des Staates zu bewahren. Das bedeutet, schreibt Drapak, die Anerkennung der Zwei- und Mehrsprachigkeit und deren Förderung besonders in den Minderheitenregionen. Ein besonderer Schwerpunkt dabei wird die Unterstützung von Minderheitenmedien sein.

Siehe auch Informationen über die Arbeit des ECMI

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PD nicht gegen Auslieferung von Assange.
Mailand

Dem politisch und juristisch verfolgten WikiLeaks-Gründer Julian Assange wollte Europa Verde vom Mailänder Gemeinderat die Ehrenbürgerschaft der Stadt verleihen lassen — ein Ansinnen, dem ausgerechnet der PD einen Strich durch die Rechnung machte.

Es sei vorausgeschickt, dass man Assange selbstverständlich keine Ehrung zukommen lassen muss. Doch was sich die angeblichen Demokratinnen geleistet haben, spottet jeder Beschreibung: Durch zwei Abänderungsanträge schafften sie es, den Sinn des grünen Vorstoßes nahezu ins Gegenteil zu verkehren und sowohl die Ehrenbürgerschaft als auch den Aufruf an die britische Regierung, die Auslieferung von Assange an die USA zu stoppen, aus dem Antrag zu streichen. Denn, so der Tenor, der Aktivist habe illegal geheime Unterlagen veröffentlicht.

Dabei mag es sich bei dem Australier zwar um eine umstrittene Persönlichkeit handeln, doch die massive Verletzung seiner Grundrechte und die Auswirkungen seines Falls auf die Meinungs- und Pressefreiheit sind ziemlich eindeutig.

Nach einem Besuch im Gefängnis von Belmarsh (London), wo Assange derzeit festgehalten wird, sprach 2019 kein geringerer als der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, Nils Melzer, von grausamer, erniedrigender und menschenverachtender Behandlung, psychologischer Folter und kollektiver Verfolgung, die zu beenden seien. Dass eine Gruppe demokratischer Staaten ein Individuum für so lange Zeit und mit so wenig Rücksicht auf Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit isoliert, dämonisiert und misshandelt, habe er noch nie erlebt.

Schon 2016 hatte die Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen der UNO dazu aufgefordert, Assanges Bewegungsfreiheit unverzüglich wiederherzustellen und ihn für die als menschenrechtswidrig bezeichnete Festsetzung in der ecuadorianischen Botschaft zu entschädigen.

Im Jänner 2020 forderte die Parlamentarische Versammlung des Europarats einstimmig (!) die sofortige Freilassung von Assange. Die Auslieferung an die USA müsse verhindert werden.

Und am 10. Mai 2022 wandte sich die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, mit einem Brief direkt an die britische Innenministerin Priti Patel, um sie zur Abweisung des Auslieferungsantrags aus Übersee aufzurufen. Sie begründete dies insbesondere mit den Gefahren für den investigativen Journalismus.

Auch Reporter ohne Grenzen und zahlreiche Journalistenorganisationen fordern seit Jahren die Freilassung von Assange.

Doch all das kümmert den PD offenbar wenig. Die Rechten konnten sich amüsiert zurücklehnen und zusehen, wie die politische Mehrheit im Gemeinderat an einer Grundrechtsfrage zerbrach. Was sind schon Folter, drohende Todesstrafe und die Schäden für die Pressefreiheit im Vergleich zum Recht von Staaten, Menschenrechtsverletzungen zu verheimlichen?

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Autorinnen und Gastbeiträge

Mariupol – das ukrainische Srebrenica?

Tschetschenische Söldner wüten in der zusammengebombten Hafenstadt

Die ehemalige grüne Politikerin Marieluise Beck vom Zentrum für Liberale Moderne ist sehr deutlich in ihre Analyse: »Es geht dem russischen Präsidenten Putin um die Ausschung Mariupols«, sagte Beck web.de. Putin will mehr als Zerstörung, die Stadt soll in Schutt und Asche versinken, ausgelöscht werden. Beck hält sich derzeit in der Ukraine auf.

Grosny, Aleppo, Homs und Srebrenica, Beispiele für die jüngsten Kriege, in denen der russische Präsident im Hintergrund Regie führte. Die tschetschenische Hauptstadt Grosny wurde während der beiden Tschetschenien-Kriege komplett zerstört, es blieb kein Stein stehen. In der ost-bosnischen Stadt Srebrenica töteten bosnische Serben im Juli 1995 mehr als 8.000 bosniakische Jungen und Männer, unter den Augen der UNO-Soldaten. In Syrien bombt die russische Luftwaffe seit acht Jahren Städte in Schutt und Asche.

Im Krieg Russlands gegen die Ukraine wird Mariupol zum Inbegriff für Leid, zum Symbol des Eroberungskrieges. Tschetschenische Kämpfer und Söldner drängen die russische Armeeführung auf die Einnahme der belagerten und zerbombten Stadt. Tausende Bewohner konnten letzthin flüchten. Die russische Armee versucht eine pro-russische Verwaltung zu installieren.

»Putin hofft, das Gebiet dauerhaft besetzen zu können, damit das Asowsche Meer vollkommen in seine Hand zu bringen und damit Russlands Herrschaft über die Schwarzmeerküste auszuweiten«, vermutet Beck im Gespräch mit web.de. »Wenn Mariupol fällt, ist der Weg nach Odessa für das russische Militär offen.«

Laut neuesten Meldungen bewegen sich russische Truppenteile in Richtung Westen, zur ukrainisch-moldawischen Grenze. Nach Transnistrien, in die russische Enklave.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Auch Angriffskriege von NATO-Staaten künftig ächten.
NATO-Mitglied Türkei

Beim Umgang mit den Prinzipien und Grundregeln der internationalen Rechtsordnung muss die NATO künftig konsequenter werden, wenn sie glaubwürdig bleiben will.

Im türkischen Antalya haben sich gestern der russische und der ukrainische Außenminister kurz getroffen. Lawrow, der noch jedes russische Bombardement von Zivilisten mit geschäftsmäßigem Pokerface abgenickt hat, hat, wie absehbar, nicht das geringste Einsehen gezeigt. Er wird, wie sein Chef im Kreml, den nächsten Beschuss einer Klinik in der Ukraine – gestern war es eine Geburtsstation in Mariupol – routinemäßig mit »Terroristenbekämpfung« begründen, wie jahrelang in Syrien eingeübt.

Dass ausgerechnet Çavuşoğlus und Erdogan das Treffen ausreichten, ist pikant. Der NATO-Staat Türkei hat zwar die Invasion Russlands in der Ukraine verurteilt. Doch wenn das Erdogan-Regime eine völkerrechtswidrige Aggression verurteilt, könnten nicht nur Kurden und Armenier, sondern selbst Türken und gar die NATO-Partner hellhörig werden. Hat dieser Despot nicht 2018-19 mehrfach dasselbe angeordnet?

Vielleicht mag es angesichts der tagtäglichen Schreckensbilder aus ukrainischen Städten und des Kampfs der Ukrainer gegen den von Putin befohlenen Massenmord nicht opportun erscheinen, an andere Verbrechen dieser Art zu erinnern. Doch nicht um Putins Aggressionen derselben Art in Tschetschenien und Syrien geht es, sondern um die Türkei selbst. Im Januar 2018 hat der NATO-Staat ohne irgendwie bedroht worden zu sein die kurdisch besiedelte Region Afrin angegriffen, tausende Menschen getötet und 300.000 Bewohner vertrieben. Zusammen mit arabisch-syrischen Dschihadistenmilizen hat die Türkei ein Protektorat geschaffen. Afrin war seitdem Schauplatz ethnischer Säuberungen und schwerster Menschenrechtsverletzungen. Die NATO hat diesen eklatanten Völkerrechtsbruch mit lauen Protesten abgetan und die Türkei gewähren lassen.

Dasselbe geschah im März 2019, als die Türkei in den Norden Rojavas einmarschierte, das Gebiet auf 300 km Länge und in 50 km Tiefe bombardierte und 130.000 kurdische Bewohner vertrieb. US-Präsident Trump soll seinem Amtskollegen Erdoğan in einem Telefonat sogar grünes Licht für die Offensive gegeben haben. Der türkische Außenminister Çavuşoğlus forderte sogar bei der NATO Solidarität für die Invasion. Frankreich reagierte auf die Forderung mit der Drohung, EU-Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen. Danach geschah nichts, im Gegenteil:  Deutschland setzte seinen Rüstungsexport an den NATO-Partner Türkei ungerührt fort. Dabei hatte die Türkei ganz eindeutig mit ihrem Angriff Völkerrecht gebrochen, denn die kurdisch geführte SDF hatte die Türkei in keiner Weise angegriffen. Die Türkei hält dieses Territorium jetzt besetzt und siedelt syrische Extremisten an. Dort organisiert sie übrigens derzeit straflos die Neuformierung des IS.

Dasselbe lässt sich auch von den USA behaupten, die an der Spitze einer »Allianz der Willigen« 2003 in den Irak einfielen, nachdem sie einen Kriegsgrund fabriziert hatten. Später musste die US-Regierung zugeben, dass die US-Geheimdienste die Existenz von Massenvernichtungswaffen in der Hand von Saddam Hussein erfunden hatten. Das mag jetzt lange her sein, und soll nicht im mindesten irgendeine völkerrechtswidrige Handlung von heute relativieren, denn für die Invasion Russlands in der Ukraine gibt es absolut keine Rechtfertigung.

Doch muss klargestellt werden, dass Völkerrecht unteilbar und die territoriale Integrität und Souveränität von Staaten ein Grundprinzip der internationalen Rechtsordnung ist. Sie muss von allen UN-Mitgliedern geachtet werden. Wenn man notorischen Rechtsbrechern von der Sorte Putin, Erdoğan, Xi Jingping keinen billigen Vorwand für neue militärische Abenteuer liefern will, wird die NATO in Zukunft konsequenter auf das Handeln ihrer Mitgliedstaaten zu achten haben. Wer heute zu Recht den Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt und gestern dasselbe im Fall der Annexion der Krim tat, darf es morgen nicht mehr achselzuckend durchgehen lassen, wenn die Türkei wieder in die Kurdengebiete der Nachbarstaaten einfällt.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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Autorinnen und Gastbeiträge

Mit Atomwaffen kein echter Friede.
Ukraine-Krieg

Nach der russischen Invasion in der Ukraine wird in Europa ein neuer Eiserner Vorhang fallen. Danach wird es darum gehen müssen, Atomwaffen endlich definitiv zu ächten.

Die Schreckensbilder aus den beschossenen und ausgehungerten Städten des Ostens der Ukraine, das Leid der Eigeschlossenen und Flüchtenden, der unglaubliche Mut und die Entschlossenheit von Regierung und Verteidigungskräften der Ukraine werden uns noch wochenlang begleiten. Wenn Putin sein Diktat für einen Waffenstillstand (Demilitarisierung, Neutralität, Abtretung widerrechtlich besetzter Gebiete) nicht durchsetzt, wird er die nächste Garnitur an Waffen und militärischen Einheiten einsetzen bis zu den tschetschenischen Terrormilizen von Kadyrow, seinem Statthalter in Grosny, das er bis 2009 dem Erdboden gleich gemacht hat. Wie weit Russland zu gehen bereit ist, hat das Regime im Kreml in Aleppo und anderen Städten gezeigt. Wenn die Welt nach Syrien (und wohlgemerkt auch nach der Invasion des NATO-Staats Türkei in Afrin und Rojava) wieder zur Tagesordnung zurückkehrt, warum sollte das nach Putins »Militär-Sondereinsatz« im Nachbarland nicht auch so sein?

Mit Sicherheit geht diese Rechnung des Kremls nicht mehr auf, und das schafft Hoffnung. Konnte Europa in Tschetschenien und Syrien noch wegschauen und die Annexion der Krim und die von Russland herbeigeführte De-facto-Abspaltung des Donbass mit schwachen Sanktionen hinnehmen, ändert dieser Krieg alles. Zunächst hat er die Ukraine vereint, ein Land mit dutzenden Minderheiten. Er hat die EU zu einer ungekannten Geschlossenheit geführt, hinter Hilfslieferungen, Sanktionen, Flüchtlingsaufnahme ist auch die Perspektive eines baldigen EU-Beitritts einer freien Ukraine konkret geworden. Er hat für die NATO geklärt, dass sie auch konventionell zur gemeinsamen Verteidigung gerüstet sein muss. Er hat aber auch zur bitteren Erkenntnis geführt, dass hochgerüstete Autokratien zu allem bereit sind, solange sie auf ihr Militär zählen können.

Die Zeitenwende, die deutsche Politiker ausgerufen haben, betrifft nicht nur die Sanktionierung Russlands, sondern auch das Ende der Friedensdividende, der Friedensordnung, die sich nach der Schlusserklärung von Helsinki 1975 und der Gründung der OSZE ergeben hat. Das Putin-Regime hat dem souveränen Staat Ukraine das Existenzrecht und das Recht auf territoriale Integrität abgesprochen, einem ganzen Volk das Recht auf demokratische Selbstbestimmung genommen und damit die Grundlagen des Friedens in Europa aus den Angeln gehoben.

Angesichts eines dermaßen eklatanten Bruchs des Völkerrechts müsste die Weltgemeinschaft eigentlich geschlossen den Notstand ausrufen und zur Verteidigung des angegriffenen Landes schreiten. Das ist in einzelnen Fällen auch schon geschehen, wie z.B. in Korea 1950-1953, in Kuwait 1991 und dann im Kosovo 1999, dort allerdings ohne Zustimmung des von China und Russland blockierten Sicherheitsrats. Gegen das Votum der Autokratien ist dann eine Art Notwehrrecht eines angegriffenen und von Völkermord bedrohten Landes anerkannt und eine humanitäre Intervention ermöglicht worden. Das geschieht jetzt nicht: Russland hat nicht nur eine High-Tech-Armee, sondern ist die quantitativ größte Atommacht und dem Putin-Regime ist jede Eskalation zuzutrauen.

Die völkerrechtstreue Staatengemeinschaft – immerhin 141 von 193 UN-Mitgliedstaaten, die den russischen Angriff verurteilt haben – wird sich auf eine andere Strategie einigen müssen, wenn sich der Ukraine-Krieg nicht wiederholen soll. Leider werden es zunächst massive Investitionen in die Rüstung sein, die zu Lasten des Klimaschutzes gehen. In Europa wird die Stärkung der NATO unvermeidlich sein. Dann wird es ein weltweit koordiniertes Regime für Wirtschaftssanktionen gegenüber verbrecherischen Autokratien brauchen, was nicht nur für Russland gilt. Die UN wird sich eine neue demokratische Struktur und eine viel robustere Eingreiftruppe geben müssen, wenn sie Angriffskriege und Völkermord verhindern will. Schließlich wird es einen Durchbruch zur nuklearen Abrüstung brauchen. Es kann im 21. Jahrhundert nicht mehr sein, dass sich autoritäre Mächte unter dem militärischen Schirm ihrer Atomwaffen alles erlauben. Dann bliebe dem Faustrecht immer Spielraum sowohl für Erpressung als auch für konkreten Angriff. Putin braucht nur mit »noch nie gekanntem Ausmaß an Gewalt« zu drohen und kann über Nachbarländer herfallen. Die entsprechende Konvention gibt es bereits, den Atomwaffenverbotsvertrag. Er ist am 22. Jänner 2021 in Kraft getreten. 86 Staaten haben ihn unterzeichnet, 56 haben ihn ratifiziert. Natürlich die heutigen Atommächte nicht. Die offiziellen und De-facto-Atommächte haben damals gar nicht an den Verhandlungen teilgenommen. Doch genau das ist die Herausforderung der nächsten Zeit: nicht nur einen Atomwaffensperrvertrag mit allen Mitteln einhalten (geschieht derzeit gegenüber dem Iran), sondern auch den Atomwaffenverbotsvertrag endlich zu einem Pfeiler einer echten globalen Friedensordnung zu machen.

Siehe auch ‹1 ‹2

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