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Autorinnen und Gastbeiträge BBD

Wahlanalytiker Nicolini.

Der Grillino findet die Grünen kriegerisch, nicht aber Russland

Es mutet mehr als seltsam an, wenn Diego Nicolini (5SB) die Landtagswahlen von Bremen kommentiert. Seine Erkenntnis: Die pro-ukrainische Haltung der deutschen Grünen vertreibt die eigenen Wähler.

Der Landtagsabgeordnete der Cinque Stelle wird in seiner »Analyse« in der Neuen Südtiroler Tageszeitung noch deutlicher:

Das katastrophale Ergebnis der Grünen bei der Landtagswahl in Bremen ist auf ihre bedingungslose Unterstützung der Wiederaufrüstung und die deutlich kriegerischere Haltung ihres Bündnispartners bei der Lieferung von immer offensiveren Waffen in die Ukraine zurückzuführen.

Nicolini findet, die Grünen sind kriegerisch, für die Wiederaufrüstung, sorgen dafür, dass die Widerstand leistende Ukraine mit offensiveren Waffen hochgerüstet wird. Nicolini verliert kein Wort über den russischen Eroberungskrieg in der und gegen die Ukraine. Der Grillino tut so, als ob die Ukraine aggressiv wäre. Nicht der russische Kriegspräsident und seine kriminellen Oligarchen-Eliten, sein mafiöser Staat und seine marodierende Soldateska.

Nicolini folgt seinem Chef, Giuseppe Conte, auch er ein Russland-Versteher. Europaweit solidarisieren sich die Populisten, linke wie rechte, mit dem Putin-Staat. Russland, das Sehnsuchtsland radikaler Linker und Rechter? So scheint es zu sein.

Nicolini ortete noch einen weiteren Feind, der für diesen Krieg verantwortlich gemacht werden kann: die Rüstungsindustrie. »Während anfangs die Position, die Ukraine für die ungerechte Invasion, die sie erlitten hat, zu unterstützen, als moralisch vertretbar galt, scheint jetzt klar, dass die großen Interessen der Rüstungsindustrie dahinterstehen und pazifistische Positionen an den Rand drängen«, findet Nicolini.

Nicolini scheint von der Realität weit abgedriftet zu sein. Er findet, die westliche Rüstungsindustrie und ihre Profite stehen hinter den Waffenlieferungen an die überfallene Ukraine. Nicht die Notwendigkeit, der Ukraine gegen den russischen Eroberungskrieg beizustehen. Er erklärt sich zwar mit der Ukraine solidarisch, sie habe eine ungerechte Invasion erlitten, seine Formulierung lässt aber den Schluss zu, sie – die Invasion – sei schon vorbei. Offensichtlich vertritt Nicolini auch jene pazifistische Position, die zum Aufgeben rät, also freie Bahn für die russische Armee und für die Killer der Wagner-Gruppe.

In den frühen 1990er Jahren belegten die westlichen Staaten unter dem Applaus der Pazifisten das von serbischen Truppen überfallene Bosnien mit einem Waffenembargo. Bosnien konnte sich kaum wehren, die serbischen Eroberer vergewaltigten, vertrieben, ermordeten und dann herrschte Friedhofsruhe. Auf Kosten der Bosnierinnen und Bosnien.

Bosnien, für Nicolini und für die Russland-Versteher das Modell für die Ukraine? Ähnliches wurde bereits Israel empfohlen. Vor islamistischem Terror zu kuschen. Israel kümmert sich wenig um diese pazifistischen Empfehlungen.

Das Schräge an der Nicoloni-Analyse: Die Cinque Stelle wurden bei den jüngsten Gemeinde- und Regionalwahlen kräftig abgestraft. Weil sie etwa der Ukraine eine pax russa — ähnlich wie in Syrien — aufdrücken wollen?

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Autorinnen und Gastbeiträge

Aufarbeiten – aber was?
Corona

Manche tun so, als ob es die Pandemie gar nicht gegeben hat. Sie verlangen die Aufarbeitung.

Online-Medien scheinen die Plattform der Vergangenheitsbewältiger zu sein. Nein, nicht die der braunen Vergangenheit, sondern von Corona. So stellte ein Community-Autor auf Salto  genüsslich fest, dass jetzt sogar die ach so furchtbaren und lügnerischen Mainstream-Medien »bemerkenswerte Dinge« servieren.

Der Community-Autor Alois Spath verweist auf die Diskussionen in Deutschland und — bezeichnend — auf die »bemerkenswerte Wende“ in Niederösterreich. Dort ging die konservative ÖVP eine Koalition mit den sehr rechtsstehenden Freiheitlichen ein. Die niederösterreichische FPÖ (»Kellernazis«, befindet die jüdische Kultusgemeinde), drängte außerdem ihren Partner dazu, die angebliche Diskriminierung von Ungeimpften zu beenden.

Ja, manche Entscheidungen und Verordnungen der italienischen Regierungen waren unerträglich, möglicherweise auch falsch. Ausgangsbeschränkungen, Maskentragen im Freien, die Schließung von Kindergärten und Schulen usw. Entscheidungen, die unter Druck und Zwang getroffen wurden, weil die Pandemie das Land überrollt hatte. Patentrezepte gab es keine. Außer jene der Verharmloser, der Skeptiker, der Leugner und der »Widerstandskämpfer:innen«, die die Schwachen, weil Virusanfälligen (Langzeitkanke, chronisch Kranke), ihrem Schicksal überlassen wollten.

Spath schießt sich in seiner »Aufarbeitung« auf den deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein. So als ob er für die Anti-Covid-Politik auch in Südtirol verantwortlich gewesen wäre und nicht Minister Speranza. Tatsache ist, Lauterbach negierte tatsächlich Nebenwirkungen der Anti-Covid-Impfungen — und das gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse. Menschen, die an Impfschäden leiden, wurden dadurch ausgegrenzt, ihre Krankheiten nicht anerkannt. Dafür muss der Gesundheitsminister jetzt zu Recht jede Menge Kritik einstecken. Dafür entschuldigte er sich auch und gab Fehler zu. Die »Widerstandskämpfer« scheinen hingegen fehlerlos zu sein.

Grassierendes Corona

Die Impfkritiker und -gegner, die No Vax, stellen den Nutzen der Impfung generell in Frage. Dabei infizieren sich gerade wieder sehr viele Menschen mit dem Coronavirus, nicht wenige kämpfen auf Intensivstationen nach wie vor um ihr Leben oder leiden unter den Langzeitfolgen der Erkrankung, darunter überproportional viele Ungeimpfte.

Schwere Verläufe sind inzwischen zwar seltener geworden, doch es sterben weiterhin Patienten an Covid, meistens ungeimpfte.

Die ARD-Sendung monitor tourte durch Deutschland und kommt zum Schluss, Covid sei keineswegs verschwunden, wirke noch immer, auch tödlich. Besonders betroffen: Ungeimpfte, bestätigte der Oberarzt Frank Herbstreit vom Universitätsklinikum Essen. Geboosterte Ü-60 kommen wegen Covid nicht mehr ins Krankenhaus, doppelt Geimpfte sind häufiger betroffen. Die Gruppe der Ungeimpften ist laut Herbstreit sogar fünf bis sechs Mal so oft betroffen wie Geboosterte.

Es wird nicht mehr getestet, kaum mehr geimpft. Die offizielle Inzidenz ist deshalb sehr niedrig. Daten aus Kläranlagen belegen aber einen anderen Trend. Die Virusbelastung im Abwasser steigt wieder an, wie schon bei vorhergehenden Infektionswellen.

Infektiologe Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung geht gar davon aus, dass die derzeitige Inzidenz ähnlich hoch liegt wie bei der Sommerwelle: bei 500. Watzl vermutet, dass die Dunkelziffer zehnmal höher als die wirkliche Inzidenz ist. Erkrankte leiden stark, wie auch Erkrankte an Long-Covid.

Die Schwere ist bleiern, die Muskeln versagen, die Konzentration schwindet. Ähnliches erzählte der Arzt Hubert Messner, der an Post-Covid litt. Post-Covid, Long-Covid. Covid-Neuerkrankungen, sie sorgen für keine Schlagzeilen mehr.

Daten der Allgemeinen Ortskrankenkassen AOK aus dem letzten Jahr zeigen, dass 3,8 Prozent der wegen Covid krankgeschriebenen später auch von Long-Covid betroffen waren. Ähnliche Zahlen gibt es aus Großbritannien. Dort leiden etwa 4 Prozent der Erwachsenen nach einer ersten Infektion unter Long-Covid. Und die britischen Zahlen zeigen, dass Menschen, die eine erste Infektion gut überstanden haben, auch nach einer zweiten Infektion noch an Long-Covid erkranken können. Das Risiko sinkt zwar um rund ein Viertel, bleibt aber hoch. Daran ändert auch die weniger gefährliche, aber deutlich ansteckendere Omikron-Variante nicht viel, warnte die Long-Covid-Spezialistin Jördis Frommhold in monitor. Laut Frommhold sind die absoluten Infektionszahlen so hoch und entsprechend hoch auch die Zahl der Long-Covid-Patienten.

Für Jördis Frommhold ist Long-Covid inzwischen eine Volkskrankheit und die Impfung bislang immer noch die wirksamste Methode, um das Problem wenigstens im Ansatz zu bekämpfen. Nicht alle geimpften Patienten sind aber vor Long-Covid geschützt, es sind aber deutlich weniger als wenn sie sich nicht hätten impfen lassen.

Impfung schützt vor Long-Covid

Laut einer britischen Studie gibt es nach einer Doppelimpfung eine um 41 % geringere Wahrscheinlichkeit, an Long-Covid zu erkranken. Was für Fachleute klar ist, wird in der politischen Debatte bestritten. Von der AfD beispielsweise, von den Freiheitlichen, die sich als Anwälte der Post-Vac-Leidenden geben.

Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut listet auf, dass bis Ende Februar in Deutschland 192 Millionen Covid-19-Impfungen durchgeführt wurden. Nach der Impfung gingen 1.336 Meldungen über Gesundheitsstörungen ein, die Long-Covid oder ähnliche Syndrome wie Post-Vac beschreiben. Das sind 0,0007 Prozent, ein verschwindend geringer Anteil.

Es gilt hier abzuwägen, rät Professor Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung. Wer sich impfen lässt, wirbt Watzl für das Impfen, setzt sich dem Risiko eines Post-Vac-Syndroms aus. Dieses Risiko sei aber deutlich geringer, als das Risiko, sich nicht zu impfen und dann ein höheres Risiko von Long-Covid zu haben.

In Südtirol sieht es nicht sonderlich anders aus. Auch wenn das den »Skeptikern«, »Verharmlosern«, »Leugnern« und No Vax nicht gefällt: Mehr als 5,8 Millionen durchgeführte Tests, fast 300.000 Positive und mehr als 1.600 Verstorbene, so die Bilanz von drei Jahren Corona. Corona ist kein Thema, gilt nicht mehr als Gefahr, ist aus dem Alltag verschwunden. Zahlen gibt es kaum mehr, weil nicht mehr flächendeckend getestet wird. Wie hoch mag nur die Dunkelziffer sein?

Menschen erkranken immer noch am Corona-Virus, auch wenn die Zahl der Infizierten nicht mitgeteilt wird. In den Krankenhäusern wird noch regelmäßig getestet. Im April gab es noch 40 Patienten mit Covid-Erkrankung und zwei positive Intensivpatienten. Personen, die neben anderen Krankheiten auch an Covid litten. Für viele ist Covid nicht mehr gefährlich, ist man beim Sanitätsbetrieb überzeugt, weil mehr als 78 Prozent der Bevölkerung geimpft ist. Impfen hilft, wirbt der Generaldirektor des Sanitätsbetriebes, Florian Zerzer, weiterhin für das Impfen.

Denn die Krankheit bleibt weiterhin hochansteckend und deshalb müssen die Krankenhauspatienten davor geschützt werden. Die Gefahr besteht weiterhin, ergänzt Zerzer, weil 22 Prozent der Bevölkerung nicht geimpft sind. Und laut internationalen Studien, wie bereits zitiert, sich selbst und ihre Mitmenschen gefährden.

Generaldirektor Zerzer bestätigt den Trend. Die virulente Gefährlichkeit ist nicht mehr gegeben, Patienten kommen in die Krankenhäuser »mit Corona«, eine Art Begleiterscheinung. Für Zerzer wäre es aber falsch und fahrlässig, Corona zu unterschätzen, es wegzureden.

Für die, die jetzt »aufarbeiten« wollen, gab es diese Pandemie nie. Gemäß dieser »Logik« kann es deshalb auch nicht Long-Covid geben. »Es gibt aber Abertausende, die leiden«, zitierte Salto Stephanie Risse. Werden die möglichen Folgen einer Corona-Infektion ausreichend ernst genommen? Nein, sagte die Linguistin und Uniprofessorin auf Salto. Was nicht sein darf, gibt es nicht, scheint die menschenverachtende Überlegung der »Aufräumer« zu sein.

Der Sanitätsbetrieb richtete in seiner Infektionsabteilung am Bozner Krankenhaus ein Post-Covid-Ambulatorium ein, um sich gezielt um die Long-Covid-Fälle kümmern zu können. Eine doch sinnvolle Hinterlassenschaft des zurückgetretenen Gesundheitslandesrat Thomas Widmann (SVP). Er prophezeite damals, dass Long-Covid ein komplexes Krankheitsbild ist, das nach wie vor unterschätzt wird. Ja, so scheint es zu sein.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Gatterers Geist lebt.

Der gebürtige Südtiroler Journalist Claus Gatterer stößt noch immer Engagement an

Claus Gatterer machte sich als ORF-Journalist einen Namen, mit seinem Magazin teleobjektiv. Sein Journalismus war parteiisch, für die Menschen, für die Ausgegrenzten und Diskriminierten. Gatterer ließ die »Stummen« und »Verstummten« zu Wort kommen, miserabel bezahlte Arbeitende, Rechtlose, Angehörige der minderheitlichen nationalen Volksgruppen in Österreich.

Der gebürtige Südtiroler war einst Mitarbeiter der SVP, beschäftigte sich als Historiker mit den vielen Minderheiten in Italien, wurde in Österreich zum ausgewiesenen Fachmann für Minderheiten. Gleich mehrere österreichische Regierungen holten seine Ratschläge ein. Ob sie umgesetzt wurden? Wohl eher nicht.

Der 1984 verstorbene Gatterer und sein Journalismus wirken immer noch nach. Dafür sorgte auch der österreichische Journalistenclub, später der Journalistenclub Concordia mit dem Prof. Claus-Gatterer-Preis für sozial engagierten Journalismus. Inzwischen gibt es für den »Nachwuchs« den Claus-Förderpreis.

Für die 24-jährige slowenischsprachige Ana Grilc aus dem österreichischen Bundesland Koroška/Kärnten ist Gatterer zweifelsohne ein journalistischer Bezugspunkt. Die junge Literatin machte mit ihrem Erstlingswerk Wurzelreisser:innen auf sich aufmerksam, politisch als Vorsitzende des Klubs slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien/Dunaju. Ana Grilc schreibt für die slowenische Wochenzeitung Novice, in der burgenländisch-kroatischen Zeitung Novi Glas widmete sie Claus Gatterer einen engagierten Artikel, Herr Gatterer im Schatten der Karawanken.

Daraus einige Auszüge:

Journalismus wird Widerstand

In gewissen Kreisen Koroška/Kärntens sagt man, man solle um Widerstandsgeist oder Journalismus zu lernen, ins Baskenland/Euskadi oder zu den Südtiroler:innen reisen. Dies ist kein Zufall, denn aus Sexten/Sesto erhob sich einst ein Vorreiter des bi- und interkulturellen Feldes, eine Journalistenlegende, die neue Maßstäbe im Umgang mit vulnerablen sozialen Gruppen setzte – und das im nationalen österreichischen Fernsehen: Claus Gatterer.

– Ana Grilc

Für Gatterer waren die Kärntner Sloweninnen und Slowenen eine Herzensangelegenheit, wundert sich fast Ana Grilc:

Er berichtet über die schlechten Lebensbedingungen ethnischer Minderheiten und deren Ausgrenzung in Österreich, nimmt sich einer internationalen Perspektive an, schockt den deutschsprachigen Raum mit der Aussage, es gäbe 38 Millionen Minderheitenangehörige in Europa.

– Ana Grilc

Parteiischer Gatterer

Gatterer berichtet solidarisch, ja — nochmals — parteiisch, über die nationalen Minderheiten, in Österreich als Volksgruppen definiert. Gatterer wuchs als ausgegrenzter deutschsprachiger Südtiroler im italienischen Faschismus auf. »Dass ich selber ein Angehöriger einer Minderheit und als solcher drangsaliert wurde, als solcher wirklich ein Fremder in der Heimat war, weil ich in der Schule nicht einmal Deutsch lernen konnte und die Verweigerung der Muttersprache ist ja ein wesentliches Element jeder Entfremdung, trägt bei mir dazu bei, dass ich vielleicht ein besonders offenes Ohr habe für Anliegen für Minderheiten,« erklärte Gatterer seine Minderheiten-Solidarität.

»Aus den eigenen Repressionserfahrungen«, schreibt Grilc, »formt er Empathie und kämpft für das Erstellen und Bestehen minoritärer Allianzen.«

Ana Grilc stellt fest, dass das Reden über Minderheiten in Österreich noch immer notwendig ist, besonders in Kärnten/Koroška zeitlos bleibt. »Antislowenismus grassiert noch immer im Lande. 2022 Jahr organisierten die Studierendenvereinigungen KSŠŠD (Klub slovenskih študentk in študentov na Dunaju), KSŠŠK (Klub slovenskih študentk in študentov na Koroškem) sowie der Schüler:innenverband KDZ (Koroška dijaška zveza) den Minderheitenaktionstag M.A.D., um auf die Geschichte sowie die Folgen des Ortstafelsturms (1972) aufmerksam zu machen. Von den Demoschildern der Jugendlichen prangt noch immer aphoristisch Gatterers Argumentation zu der Legimität der Minderheitenrechte. Nach dem Credo: Haček tuat nit weh. Eine weitere Parallele besteht in der Reaktion der Mehrheitsbevölkerung auf die Forderungen basaler Rechte durch Minderheiten,« klagt Grilc den weitverbreitenten Antislowenismus an.

Slowenisierung von Koroška/Kärnten?

Schon 1975 geißelte Claus Gatterer in der Diskussionsrunde Fremde in der Heimat die österreichische Minderheitenpolitik. Für ihn keine Politik für die Minderheiten, sondern dagegen. Eine respektlose Politik: »Seit Abschluss des Staatsvertrages (damit wurde Österreich 1955 von den Besatzungsmächten USA, SU, Frankreich und GB in die staatliche neutrale Unabhängigkeit entlassen) und seit dem Schulkampf (die Zerschlagung der zweisprachigen Schule) haben die Deutschkärntner eine neue Linie gefunden, die recht geschickt ist. Sie fühlen sich durch die Minderheit bedroht, obwohl diese Minderheit so minimal und klein ist, sie sehen die Gefahr eine Slowenisierung Südkärntens, die überhaupt nicht gegeben ist und die Gefahr könnte auch nicht gegeben sein, wenn die Ortstafel (zweisprachig deutsch-slowenisch) dort stünde, und mit dieser larmoyanten Aggressivität appellieren sie an das Mitleidsgefühl der restlichen Österreicher und auch des deutschsprachigen Auslandes.«

Diese Analyse ist noch immer gültig. Beim jüngsten Landtagswahlkampf in Kärnten/Koroška hetzten die Freiheitlichen ungeschminkt gegen die slowenische Minderheit. Der folgende Stimmenzuwachs ließ die Rechtsradikalen zur zweitstärksten Partei werden.

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SVP-FdI: Operation Weichspülen.
Teil 2

Es wächst zusammen, was nicht zusammengehört. SVP und Fratelli d’Italia. Wirklich nicht?

Das Unternehmen Athesia hat der SVP mit der Meloni-Wahlpropaganda den Hinweis gegeben, mit einem großen Zaunpfahl, wohin es nach den Landtagswahlen im Herbst gehen soll.

Wolkig äußerte sich dazu — ganz in diesem Sinn — Landeshauptmann Arno Kompatscher im Corriere della Sera.

Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen  […] Mit wem wir reden können, hängt dann auch vom Wahlverhalten der Bürger ab.

— LH Arno Kompatscher (SVP)

Vor fünf Jahren wurde die Lega zur stärksten italienischen Partei, laut SWZ-Umfrage werden aber die Fratelli die Lega ablösen. Die Italiener in Südtirol wählen meist nach dem gesamtstaatlichen Trend. Der liegt laut Umfragen für Fratelli d’Italia derzeit bei 30 Prozent der Stimmen.

Die Operation Weichspülen ist deshalb schon voll im Gange. Die SVP-Parlamentarier enthielten sich bei der Abstimmung über die Bildung der Regierung Meloni der Stimme. Meloni versprach, die angeknabberte Autonomie wieder herzustellen. Ein ernsthaftes Unterfangen? Als wohlwollend galt auch die Stimmenthaltung der SVP-Vertreter in der Sechserkommission, die damit die Wahl von Alessandro Urzì, gewählt im Kammerwahlkreis Vicenza, zum Präsidenten ermöglichten. Diese Kommission ist für den Ausbau der Autonomie zuständig.

Ohne sich mit dem zuständigen Landesrat abzusprechen, sicherte Landeshauptmann Arno Kompatscher dem Landtagsabgeordneten Marco Galateo von den Fratelli zu, den Ordnungs- und Streitkräften sowie den Bediensteten des Zivilschutzes Wohnungen billiger zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollen sie den öffentlichen Personennahverkehr kostenlos nutzen können. Warum dieses Privileg? Das hätte sich das Pflegepersonal wohl auch verdient.

Landesrat Massimo Bessone von der Lega fühlt sich zurecht übergangen, ist er doch für den Bau von vergünstigten Wohnungen zuständig. Vom Deal Kompatscher-Galateo erfuhr Bessone aus den Medien. Respektvoll ist das keineswegs. Der Mohr hat offensichtlich seine Schuldigkeit getan, um den großen englischen Literaten Shakespeare zu zitieren.

Galateo kann gleichzeitig beim Besuch des Südtirol-Ausschusses in Wien gegen die österreichische Schutzmacht poltern und deren Aufhebung fordern. Weil — ja weil Südtirol eine inneritalienische Angelegenheit sei. Der Widerspruch der Volkspartei blieb aus.

Wahrscheinlich wird die SVP den Wunsch von Galateo unterstützen, das faschistische Siegesdenkmal bombastisch zu beleuchten. Möglicherweise wird diesem Anliegen auch die geschrumpfte italienische Linke zustimmen. Galateo möchte auch, dass in den 115 Gemeinden des Landes — dem Beispiel Bozens folgend — Gedenkstätten an die jugoslawischen Karsthöhlenmassaker an den italienischen Istriern nach 1945 errichtet werden.

In seiner Eigenschaft als Vertreter der italianità versuchte Galateo auch, die Vorstellung des Buches »Kann Südtirol Staat?« des Vereins Noiland Südtirol-Sudtirolo im Landtag zu verhindern.  Galateo bezeichnete die Studie über eine mögliche Eigenstaatlichkeit Südtirols als »Schlag für die Autonomie und das friedliche Zusammenleben«. Als besonders verstörend empfand er die Tatsache, dass der Verein für sein Buch eine Landesförderung erhielt.

Galateo, ein ethnischer Einpeitscher? Urzì, inzwischen ein Südtirol-Versteher? In mehreren Interviews mit der Tageszeitung skizzierte Urzì seine Grundzüge für ein Koalitionsprogramm mit der SVP. Er gibt sich autonomiefreundlich — die Autonomie ist ja immerhin in der italienischen Verfassung verankert. Kein Wort aber zum Pariser Vertrag, zur internationalen Dimension der Autonomie. Urzì lässt die SVP wissen, dass die Autonomie nicht ihr gehört, sondern allen. Wer kann da auch schon was dagegen haben?

Urzì und seine Thesen

Urzì wirbt auch mit angeblich alle verbindenden Werten wie Familie, unternehmerische Freiheiten, Wettbewerb und weniger Steuern. »Wir treten für eine stolze Idee ein: den Wiederaufbau Italiens«, sagte Urzì in einem Interview mit der Tageszeitung.

Die unverblümten Worte von Urzì vor den Parlamentswahlen scheinen in der Brennerstraße angekommen sein. Er ließ die SVP in der Tageszeitung wissen, wenn sie ihr Verhalten nicht ändere, seien die Bedingungen für eine Zusammenarbeit schlecht, falls FdI in Rom regieren sollte. Eine Zusammenarbeit, um das von der SVP unterstützten Mitte-Links-Regierungen heruntergewirtschaftete Land wieder aufzubauen, schob er hinterher. Diese Töne freuen hier im Land besonders die Wirtschaft, wie schon Professor Pallaver auf Salto angedeutet hatte.

Urzì sucht zwar die Nähe zur SVP, wirft ihr aber gleichzeitig Opportunismus vor. Hätte seine Partei bei den Landtagswahlen vor fünf Jahren mehr Mandate erhalten als die Lega, gäbe es bereits eine Koalition aus SVP und FdI.

Grundlage für eine solche Koalition müsste eine Vereinbarung sein, ergänzte Urzì in der Tageszeitung, »die nicht nur in der Brennerstraße geschrieben werden darf«. Als eine weitere Grundlage beschreibt der rechte Rechtspolitiker eine mehrsprachige Schule, gegen die sich die SVP noch versperrt.

Und Urzì rammte im Tageszeitungs-Gespräch eine weitere Leitplanke ein: Einen Ausbau der Autonomie wird es nicht geben, sondern eine Verbesserung der Autonomie, eine unmissverständliche Botschaft an den möglichen Koalitionspartner SVP.

Die Autonomie muss allen Bürgern Möglichkeiten bieten, unabhängig von der Sprachgruppe. Derzeit wird die italienische Sprachgruppe aufgrund von ideologischen Vorurteilen benachteiligt. Wir brauchen kein System von Herren und Sklaven, sondern gegenseitigen Respekt. Damit dies gelinget, muss die SVP, was ihr demokratisches Bewusstsein betrifft, reifen.

— Alessandro Urzì (FdI) in der Tageszeitung

Urzì stellt der SVP ein undemokratisches Zeugnis aus, sie diskriminiere mit ihrem Sklavensystem die italienische Sprachgruppe. Warum will Urzì mit einer solchen Partei unbedingt in eine Koalition? Magnago wird angesichts dieser Entwicklung die Reste seines Sarges vollkotzen.

Serie I II

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Autorinnen und Gastbeiträge

SVP-FdI: Operation Weichspülen.
Teil 1

Es wächst zusammen, was nicht zusammengehört. SVP und Fratelli d’Italia. Wirklich nicht?

Landwirtschaftsminister Lollobrigida, fratello von »Ministerpräsident« Meloni, geißelte die Migration als »Umvolkung«. Auf die Grenzen, Migranten rein. Europaweit schwafeln Rechtsradikale, bekanntermaßen gesponsert vom russischen Kriegspräsidenten Putin, von einem »Bevölkerungsaustausch«. So als ob eine geheime Macht diese Migration — um Italien zu schaden — steuern würde.

Ministerpräsidentin Meloni lässt Anti-Terror-Einheiten gegen »Klimakleber« ausrücken. Der Applaus der Autofans und Klimaleugner ist ihr gewiss. Auch in Südtirol. Wo bleiben die Anti-Terror-Einheiten im Kampf gegen die Mafia?

Eine der ersten Maßnahmen dieser rechts-rechten Regierung war das Rave-Verbot. Raven, ein Anschlag auf die Einheit des Staates? Raven, eine Gefahr für Land und Leute?

Aus den Reihen dieser Regierung tönt es immer wieder lesben- und schwulenfeindlich, gegen Queere, kurzum gegen »Andere«. Kinder und Jugendliche müssen gegen diese »sexuellen Abartigkeiten« geschützt werden, so die Begründung für die Hetze. Das katholische Lager und viele Südtiroler klatschten begeistert.

Rechtskonservativ, reaktionär ist dieses Arsenal, extrem nationalistisch wird es, wenn die Fratelli die italienische Sprache zur ausdrücklichen Pflicht erheben wollen. Simon Constantini bezeichnete dieses Ansinnen von Fabio Mollicone (FdI) als besorgniserregend. Bisher galt das Prinzip, dass jede Staatsbürgerin das Recht genießt, die italienische Sprache zu gebrauchen. Mollicone will daraus eine Pflicht basteln.

»Insbesondere … in Südtirol, wo die deutsche der italienischen Sprache laut Autonomiestatut gleichgestellt sein sollte, hätte die Pflicht zur Kenntnis der Staatssprache unabsehbare Folgen«, warnte Constantini in seinem Artikel »Zwang zur Beherrschung der italienischen Sprache«.

Halb so schlimm? Die Äußerungen von Vertreterinnen der Fratelli d’Italia über Faschismus und Antifaschismus sind erschreckend. Schon der ehemalige Ministerpräsident Berlusconi, der sich immer wieder abfällig über den Antifaschismus geäußert hatte, ebnete damit den Faschisten des 21. Jahrhunderts den Weg. Er holte Alleanza Nazionale, vormals der noefaschistische MSI, aus dem politischen Eisschrank der italienischen Nachkriegsdemokratie. Die Erben des Faschismus haben sich in dieser Republik eingenistet, eine Republik, die auch von Antifaschistinnen erkämpft worden ist.

Aber wen kümmert das?

Ansonsten hält sich diese doch sehr rechte Regierung mit krassen radikalen Tönen strategisch zurück. Kreidefressen scheint angesagt zu sein. »Warum agiert die Regierung so unauffällig?« fragte sich Rainald Manthe vom Zentrum Liberale Moderne: »Die Regierung muss nun liefern — nicht nur für gute Wahlergebnisse sorgen. Als Regierungskoalition muss man sich an Verträge und Zusagen halten, die Verwaltung muss rechtskonforme Gesetzesvorschläge machen, die Wirtschaft laufen — und die Öffentlichkeit schaut zu. All dies schränkt die Handlungsmöglichkeiten Melonis ein.“

Manthe hat noch eine andere Erklärung zur Hand: »Meloni und ihre Partei haben es von Anfang an darauf angelegt, durch Mitregierung zu gestalten, nicht durch Populismus aus der Opposition. Melonis Regierung wäre dann ein Ausdruck des „Techno-Populismus“, einer Verbindung von Populismus und Technokratie. War der Populismus also nur Wahlkampftaktik, gepaart mit dem nicht aufgearbeiteten Erbe des Faschismus von Fratelli d’Italia und Italien?«

Südtirol ist Italien

Diese Strategie geht auf, italienweit, aber auch und besonders in Südtirol. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist mit der Arbeit der Regierung Meloni zufrieden. Die bereits bekannte Apollis-Umfrage der SWZ, aufgearbeitet von der Neuen Südtiroler Tageszeitung, belegt, dass die Zustimmung unter der deutsch- und ladinischsprachigen Bürgerinnenschaft höher ist als unter der italienischsprachigen. Die Mehrheit der SVP, Team-K-, F- und STF-Wählerinnen äußert sich positiv über Meloni. Südtirol ist Italien.

Diese Sympathien müssen verwundern. Constantini schaute sich die parlamentarische Aktivität von Francesco Lollobrigidia, ausgewiesener Freund des Bauernbundes, in seiner Oppositionszeit genauer an. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Fratelli in der Abgeordnetenkammer und Schwager von Giorgia Meloni fiel durch eine besondere Südtirolbesessenheit auf. Die Vorstöße waren untergriffig, eine besessene Südtirolfeindlichkeit quillt aus seinen Anfragen. Tatkräftig unterstützte der ehemalige Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì das Treiben seines Kameraden.

Die Erklärungen für die Zustimmung zu Meloni sind vielfältig. Als »klar, kohärent, konkret, seriös und verantwortungsvoll« lobt der Meloni-Mann Alessandro Urzì seine Chefin. »Meloni wird als staatstragend wahrgenommen, dieses Image hat sie konsequent aufgebaut«, ergänzt die Grüne Brigitte Foppa. »Die SüdtirolerInnen waren einerseits auf das Schlimmste gefasst und sind jetzt erleichtert, dass es nicht so gekommen ist. Andererseits ist Meloni eine kompetente junge Frau, die bis jetzt noch nicht viel falsch gemacht hat. Das honorieren die SüdtirolerInnen«, analysiert die ansonsten Meloni-kritische SVP-Senatorin Julia Unterberger.

Zu einem gänzlich anderen Schluss kommt der emeritierte Universitätsprofessor und Politikwissenschaftler Günther Pallaver auf Salto. Die Südtiroler leiden in Sachen Faschismus anscheinend an Vergesslichkeit, frotzelte der Professor. Er erinnerte an den Sager »Se fossi italiano, probabilmente sarei fascista« des Südtiroler Abgeordneten Friedrich Graf Toggenburg 1921. Gilt das heute auch noch?

»Der Faschismus war in den 1920er Jahren einem Teil des Südtiroler Bürgertums durchaus willkommen, wie heute die rechtsrechten Fratelli d’Italia. Die Wirtschaft Südtirols denkt gleich wie vor 100 Jahren an den Profit. Hauptsache, die Kassa stimmt. Law and Order sind wichtiger als Demokratie und Menschenwürde. Wer gegen die angebliche „Invasion der Ausländer“ poltert, ist in Südtirol willkommen. Wer eine reaktionäre Familienpolitik propagiert, erhält in Südtirol Applaus«, konstatiert bedauernd der Wissenschaftler Günther Pallaver. Der Toggenburg-Spruch von 1921 klingt heute, leicht abgewandelt: »Se fossi italiano, probabilmente voterei Fratelli d’Italia.«

»Se fossi italiano, probabilmente voterei Fratelli d’Italia.«

Tatsächlich sagte dies Angelika Kaufmann von der Initiative Zomholtn in der Corona-Ära. Als Südtirolerin wähle sie zwar die Lega, heute Partner in der Meloni-Regierung, als Mailänderin würde sie Meloni wählen. Viel Applaus erntete Lega-Chef Matteo Salvini, im Oktober 2018 Innenminister, bei einem Auftritt der Kastelruther Spatzen. »Salvini wurde herzlich empfangen«, fand die Neue Südtiroler Tageszeitung. Weil er radikal feindlich gegen Migranten und Flüchtlinge auftrat, deutsche Seenotretter populistisch als Kriminelle verunglimpfte oder weil die Lega einst föderalistisch und minderheitenfreundlich war?

Der Klagenfurter Universitätsprofessor Hans-Karl Peterlini zitiert in der Neuen Südtiroler Tageszeitung den ehemaligen Grünen-Politiker Alexander Langer mit der Frage, »warum Südtirol, das doch von rechts nie gutes erfuhr, genau auf dem rechten Auge blind ist […]«

Südtirols Autonomie gibt es auch deshalb, weil die kommunistische Partei PCI im Parlament 1971 dem Zweiten Autonomiestatut zugestimmt hatte. Ein Gemeinschaftswerk von DC und SVP, gesponsert von Österreich. Fast verzweifelt weist der langjährige SVP-Parlamentarier Karl Zeller darauf hin, dass die nach 1992 erlassenen 88 Durchführungsbestimmungen zum Ausbau der Autonomie Mitte-Links-Regierung erlassen haben. Im Land macht sich ein autonomistischer menefreghismo breit — stattdessen begrüßen Südtirolerinnen das Meloni-Projekt eines starken Staates, scheinen ihren Sager verdrängt zu haben, Südtiroler sollen nach Österreich auswandern, wenn sie sich nicht mit Italien identifizieren.

Wenn sich nun die Mehrheit der SVP-Wählerinnen positiv zu Meloni äußert, wird sich die SVP wohl auf den Weg in die Arme von Meloni machen. Der Maschinenraum der SVP, so die Wochenzeitung ff über den Bauernbund (SBB), brummt bereits für Meloni und ihre Partei. Der SBB fühlt sich bei Landwirtschaftsminister Lollobrigida gut aufgehoben, weil er laut Sonntagsreden Bären und Wölfe »entnehmen« möchte. Der Chef im Maschinenraum, der Landtagsabgeordnete Franz Locher, schwafelte von einer starken Region, nicht von einer starken »Provinz«. Wie sein offensichtliches Vorbild Meloni?

In der Tageszeitung Dolomiten durfte sich vor den Parlamentswahlen im Herbst 2022 Spitzenkandidatin Giorgia Meloni auf einer ganzen Seite ausbreiten. Ja, starke Autonomie, aber ein noch stärkerer Staat, textete sie unwidersprochen im Tagblatt der Südtiroler. Die Tageszeitung Dolomiten nimmt noch immer massiven Einfluss auf die politische Stimmung, sagt Peterlini in der Tageszeitung zur Meloni-Zustimmung im Land.

Serie I II

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Autorinnen und Gastbeiträge

Unterschriften gegen Waffenlieferungen.
Nützliche Idioten

Ende April und im Mai sammelt die Initiative Referendum Italia per la Pace Unterschriften für ein Friedensreferendum. Ziel der Friedensbewegten ist es, die italienischen Waffenlieferungen an die Ukraine zu unterbinden. Da standen wohl die deutsche Linke Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer mit ihrem Manifest Pate.

Sie, die angeblichen Friedensbewegten, gehen davon aus, dass die Ukraine ohne westliche Waffenhilfe aufgeben wird, der Krieg also endet und dann Frieden herrscht.

Die Ukraine wird auf die russisch besetzten Gebiete von der Krim bis in den Donbas wohl verzichten müssen. Die Lieferung westlicher Waffen kann dann unterbleiben, die EU-Sanktionen können wieder aufgehoben werden, der Rückkehr in die Normalität steht nichts mehr im Weg. Für den Westen, für die Italiener.

Was dann passiert geht uns nichts an, um dieser Logik zu folgen. Ob es dann sehr viele Butschas geben wird, Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung, noch mehr Kinder-Deportationen, wen kümmert es? Die Friedensbewegten nicht.

Mit anderen Worten, der waffenliefernde Westen und die sich verteidigende Ukraine sind die Kriegstreiber, nicht Russland, das vor einem Jahr die Ukraine überfallen hat.

Über die Initiative wird sich der Kreml tierisch freuen, die Friedensbewegten agieren als nützliche Idioten der russischen Kriegsmaschinerie. Sie betreiben eine unglaubliche Täter-Opfer-Umkehr. Die Friedensbewegten sind nicht mit den Opfern solidarisch, sondern mit den Aggressoren.

Die Referendums-Aktivisten fordern die italienische Regierung auf, die Bürgerinnen und Bürger über die Waffenlieferungen entscheiden zu lassen. Lieferungen, die gegen die italienische Verfassung verstoßen, warnen die »Kriegsgegner«. Sie sind überzeugt, dass eine große Mehrheit die militärische Unterstützung der Ukraine ablehnt.

Die geistigen Vorfahren der Pazifisten sammelten in den 1980er Jahren noch Spenden für den Kauf von Waffen für den sandinistischen Widerstand in Nicaragua, solidarisierten sich mit dem palästinensischen Terror, warnten vor friedlichen Grenzänderungen in Europa, noch viel mehr vor gewaltsamen, militärischen Grenzänderungen. Die Friedensbewegten scheinen dies zu akzeptieren, schweigen darüber.

Wie schon in den 1990er Jahren im Bosnien-Krieg. Das kriegsführende Serbien und seine Milizen zerschlugen das multinationale Bosnien, Teile des Westens halfen tatkräftig mit. Westeuropäische Staaten bestraften das sich wehrende Bosnien mit einem Waffenembargo. Die Friedensbewegten applaudierten. Die Folgen des Embargos sind bekannt.

Den italienischen Gegnern von westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine schwebt wohl ähnliches vor. Die Ukraine soll der russischen Aggression geopfert werden. Für den Frieden. Pazifisten, Beton-Linke, nützliche Idioten des Kremls, die widerstandsleistende Ukrainerinnen und Ukrainer als eine Gefahr für ihr Leben, ihren Widerstand als einen Angriff auf ihr Leben sehen. Das teurer empfunden wird als ukrainisches Leben.

Damit befasst sich das Trio Aleksandra Konarzewska, Schamma Schahadat und Nina Weller in Alles ist teurer als ukrainisches Leben: Texte über Westsplaining und den Krieg. Es ist ein schonungsloses Buch. Westsplaining meint die westliche herablassend-paternalistische Haltung von Intellektuellen gegenüber Europäerinnen und Europäern aus Osteuropa. Alles ist teurer als ukrainisches Leben, der Wohlstand, die eigene Freiheit, die eigene Welt, die mit der Ukraine nichts zu tun haben will.

Für diese Öffentlichkeit gilt die Ukraine als Hinterhof Russlands, nicht als Vorhof der EU. Diese Öffentlichkeit wird politisch vertreten von Teilen der Linken und der SPD, begeistert von der AfD und der großen Leugnergemeinde unterschiedlicher Couleur, in Italien von den außerparlamentarischen radikalen Linken und Rechten, von der Lega, von Forza Italia.

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Autorinnen und Gastbeiträge

»Alles ist teurer als ukrainisches Leben.«

Ein Teil der europäischen Öffentlichkeit fühlt sich keineswegs mit den überfallenen Ukrainerinnen und Ukrainern solidarisch.

Das ist auf Kundgebungen der Friedensbewegten zu hören: »Was geht uns die Ukraine an?«. Sie, Pazifisten, Beton-Linke, nützliche Idioten des Kremls, lehnen westliche Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Sie protestieren nicht gegen den russischen Staat und seine Armee, sondern gegen die widerstandsleistenden Ukrainerinnen und Ukrainer. Ihren Widerstand empfinden die »Kriegsgegner« im Westen als einen Angriff auf ihr Leben. Das teurer empfunden wird als ukrainische Leben.

Damit befassen sich Alek­san­dra Konar­zewska, Schamma Schahadat und Nina Weller in ihrem Alles ist teurer als ukrai­ni­sches Leben: Texte über West­s­plai­ning und den Krieg (edition.fotoTAPETA). Ein schonungsloses Buch, das den grenzenlos toleranten Westlern den Spiegel vorhält. Alles ist teurer als ukrainisches Leben, ja: der Wohlstand, die eigene Freiheit, die eigene Welt, die mit der Ukraine nichts zu tun haben will.

Für diese Öffentlichkeit gilt die Ukraine als Hinterhof Russlands, nicht als Vorhof der EU. Diese Öffentlichkeit wird politisch vertreten von Teilen der Linken und der SPD, begeistert von der AfD und der großen Leugner-Gemeinde unterschiedlicher Couleur.

Keine Ahnung von Russland

Das Herausgeberinnen-Trio und die vielen Mitautoren wie Vasyl Cherepanyn, Kateryna Mishchenko, Wolodymyr Rafejenko oder Oksana Sabuschko — um nur einige zu nennen — setzten sich mit dem »Westsplaining« auseinander. Der Begriff bezieht sich auf die westliche, herablassend-paternalistische Haltung von Intellektuellen gegenüber Europäerinnen und Europäern aus Osteuropa. »Liebe westeuropäische Intellektuelle«, schreibt der polnische Schriftsteller Szczepan Twardoch

ihr habt keine Ahnung von Russland. Russland hat euch nie berührt, weder euch noch eure Vorfahren. Ihr versteht es nicht, noch weniger versteht ihr Osteuropa …

– Szczepan Twardoch

So kümmern sich westliche, besonders deutsche, Intellektuelle wenig um die russische koloniale Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der »kleinen Nationen«. Auch dort wütete der deut­sche Kolo­nia­lis­mus des Dritten Reichs, in Polen, in der Ukraine, in Belarus. Dieser Teil der deutschen Geschichte verschwindet noch immer in der Lücke der Vergangenheitsbewältigung. Erfolgreich verdrängt wurde der Hitler-Stalin-Pakt von 1939 — von den Rechten und den Linken.

Den Fokus auf den russischen Kolonialismus richtet das FATA collective mit seiner Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst in Berlin. Es ist eine beeindruckende Dokumentation über die immer noch anhaltenden Auswirkungen des russischen Kolonialismus auf ethnische Minderheiten. Zurecht fragt sich die FAZ »macht Hass auf den Kapitalismus blind für Stalins und Putins Untaten?«. Ist Russland antikolonial, antiimperialistisch? Deutsche Linken glauben das.

Auch Pazifisten und sonstige Friedensbewegte, die aus Angst vor einem Atom­krieg bereit sind, die Kriegsverbrechen und den gezielten Terror in den von Russ­land besetz­ten Gebie­ten zu akzeptie­ren. Ihrer Friedenssehn­sucht ordnen sie den Unfrieden der Ukrainer unter, der russische Eroberungskrieg in der Ukraine wird verdrängt, nicht erwähnt, igno­riert.

Die deutsche Moskau-Connection

Intellektuelle erhöhen die russische Literatur, ihr ver­klärter Blick darauf verhindert, die auch impe­ria­len Ideen in der verherrlichten russischen Literatur zu erkennen. Russ­land wird mystifiziert, die deut­schen Sla­wis­tik konzentriert sich auf Russ­land. Angefeuert wurde dies auch von der SPD mit ihrer Ostpolitik, dokumentieren Reinhard Bingener und Markus Wehner in Die Moskau Connection – Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit.

Die geistige Kumpanei mit Russland führt Sebastian Christ auf das Erbe des nicht auf­ge­ar­bei­te­ten deut­schen Impe­ria­lis­mus in Ost­eu­ropa zurück. Oder auf die Idee einer »beson­de­ren Bezie­hung« zwischen den eins­ti­gen Impe­rien Deutsch­land und Russ­land. »Dieser Blick auf die Welt, der Länder und Völker in gleich­wer­tige und nicht gleich­wer­tige Gesprächs­part­ner ein­teilt, ist typisch für das Erbe des Imperialismus«, analysiert Christ auf ukraineverstehen.

Friedensbewegte, Pazifisten, Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine verdrängen — offenbar eine weitverbreitete deutsche Eigenschaft — in ihrem Engagement gegen die Ukraine die Vergewal­ti­gun­gen und sexu­elle Folter russischer Soldaten, Wagner-Söldner, tschetschenischer Islamisten und linksradikaler »Internationalisten« der Donbasser »Volksrepubliken«. Massenhafte sexuelle Gewalt gehört bereits seit 2014 zum Kriegs­all­tag in der Ukraine.

Eine Abtei­lung der ukrai­ni­schen Staats­an­walt­schaft ent­wi­ckelt besondere Ermitt­lungs­stra­te­gien für sexu­elle Gewalttaten. Das Netzwerk The Reckoning Project – Ukraine Testifies sammelt Informationen aus den russisch besetzten ukrainischen Regionen. Dokumentationen, die tatsächlich belegen, dass alles teurer ist als ukrainisches Leben.

Weit mehr als 400 Milliarden US-Dollar beträgt der Schaden, den die Armee des russischen Staates in der Ukraine mit ihrem Eroberungskrieg bereits verursacht hat. Der Wie­der­auf­bau­ wird noch weit teurer werden. Endlich Zeit, die ständig wachsenden Milliardenvermögen der russischen Oligarchen, die auch in den europäischen Banken deponiert sind, zu beschlagnahmen. Sie waren und sind die Nutznießer des größten Mafiastaates der Welt. Warum sollen europäischer Steuerzahlerinnen und -zahler für Schäden der russischen Invasion aufkommen? Derweil wirbt der russischen Kriegspräsident Putin für Kriegsteilnehmer, er appelliert an die »echte Männlichkeit«. Dafür bekommt er Applaus, von den AfD-Kameraden, den Wagenknecht-Genossinnen, wohl auch vom Ostausschuss der deutschen Wirtschaft.

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Podcast: Kann Südtirol Staat?

»Kann Südtirol Staat?« fragen sich Autorinnen und Autoren vom Verein Noiland Südtirol-Sudtirolo. Die Antworten fallen eindeutig aus. Mehr im Podcast von Wolfgang Mayr:

Südtirol kann Staat, sind Harald Mair und Marco Manfrini vom Verein Noiland Südtirol-Sudtirolo überzeugt. Sie und weitere Autorinnen loteten Risiken und Chancen eines solchen politischen Vorhabens aus. Das Vorhaben — ein Abenteuer? Mair und Manfrini weisen dies zurück, genauso die Zuschreibung »Zündler« und »ethnische Scharfmacher«. Noiland hat nach Antworten für eine unabhängige Zukunft gesucht und gefunden, sagen Mair und Manfrini. Ein Projekt, zu dem alle Menschen eingeladen sind, egal welcher Sprachgruppe sie angehören und woher sie kommen. Die Reaktionen darauf waren harsch. Italienische Medien warnten vor dem Buch, italienische Rechtspolitiker hoffen auf ein Einschreiten des Innenministers.

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