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Autorinnen und Gastbeiträge

Die klaren Worte der Liliana Segre.
Holocaust-Überlebende und Senatorin wirbt für Ukraine

Liliana Segre warb am 25. April, Tag des italienischen Gedenkens an die Befreiung vom »Nazi-Faschismus«, für uneingeschränkte Solidarität mit der von Russland überfallenen Ukraine. Es gehe gar nicht, am Tag der Befreiung das Partisanenlied Bella Ciao anzustimmen, ohne an die Lage in Osteuropa zu denken. »Sie sind überfallen worden«, sagte Segre im Interview mit der Tageszeitung Corriere della Sera, »ihr Widerstand muss unterstützt werden«.

Für Teile von Partisanen, Linken und Pazifisten eine Provokation. Auch innerhalb des Partisanenverbandes ANPI taten sich Brüche auf. Die Jüdische Brigade erklärte sich mit der Ukraine solidarisch, kündigte an, am 25. April mit Ukraine- und Israel-Fahnen auftreten zu wollen — und, ja, auch mit NATO-Flaggen.

Die sich als Erben des antifaschistischen Widerstandes fühlenden Linken hingegen kritisieren die NATO und die USA für Waffenlieferungen an die Ukraine. Sie demonstrierten vor NATO-Stützpunkten, nicht aber vor der russischen Botschaft.

»Frieden wird nicht dadurch erreicht«, hielt Liliana Segre den linken NATO-GegnerInnen entgegen, »dass man gleichgültig bleibt«. Sie befürwortete den Auftritt einer Ukrainerin bei der Veranstaltung des Partisanenverbandes ANPI in Mailand. »Ich begrüße diese Entscheidung, sie ist ein Zeichen der Solidarität mit den vielen Alten, Frauen, Kindern, die gezwungen sind, ihr Land zu verlassen«, klagte Segre im Corriere-Interview an.

»Sich neutral zu verhalten ist nicht möglich, die Äquidistanz zwischen Aggressor und Opfer ist falsch. Das ukrainische Volk wurde von den Russen angegriffen und sein Widerstand muss unterstützt werden«, stellte die Senatorin auf Lebenszeit bestimmt fest. Für sie gibt es in diesem Krieg keine neutrale Haltung. Segre unterstützt deshalb auch die Lieferung westlicher Waffen an die Ukraine. Mit dem russischen Eroberungskrieg sei der Krieg wieder ins Herz Europas zurückgekehrt, erinnerte die 92-jährige Senatorin Pazifisten und Linke an den Verursacher der Aggression, an Russland.

Segre überlebte das KZ Malchow in Norddeutschland. Der 25. April hat für sie einen doppelten Wert, an diesem Tag wurde Mailand befreit und die angloamerikanischen Armeen sowie die sowjetische Rote Armee gingen gemeinsam gegen Nazi-Wehrmacht und Waffen-SS vor.

»Ich war noch im KZ Malchow, dorthin bin ich von den Nazis als letzte Etappe des “Todesmarsches” von Auschwitz aus verlegt worden. Ich erinnere mich an große Nervosität unter unseren Peinigern, während wir nicht verstanden, was geschah. Es waren einige französische Gefangene der Deutschen, die in jenen Apriltagen am Stacheldraht vorbeikamen und uns sagten: Sterbe nicht, warte, der Krieg ist im Begriff, zu enden«, erinnert sich Segre an ihre Befreiung.

Die Senatorin auf Lebenszeit zeigt außerdem wenig Verständnis dafür, dass das Parlament den 26. Jänner zum Nationalen Gedenk- und Opfertag der Alpini erklärt hat. An diesem Tag fand die Schlacht im russischen Nikolajewka zwischen der Roten Armee und deutsch-italienischen Invasionstruppen statt. Die Alpini sicherten den Rückzug. »Es war ein ehrenvolles Unterfangen im Kontext eines unehrenhaften Krieges, den der Faschismus wollte«, versuchte Segre die gewürdigte Tapferkeit der Alpini zurechtzurücken. Das faschistische Italien hatte gemeinsam mit Nazi-Deutschland einen souveränen Staat überfallen, die damalige UdSSR.

Einen Tag später, am 27. Jänner, erinnert sich die Welt an die Befreiung von Auschwitz und an die Opfer der Shoah. »Wenn der Nazi-Faschismus gewonnen hätte, gäbe es keinen 25. April. Und auch nicht Freiheit«, kommentiert Liliana Segre die Parlamentsentscheidung, die Alpini des Zweiten Weltkrieges zu würdigen und hochleben zu lassen.

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Tag der Erinnerung: Verstörendes Rundschreiben.

Der im Jahr 2004 von Italien eingeführte Tag der Erinnerung an die Opfer der Karsthöhlen und der Vetreibung (10. Februar) sowie seine zeitliche Nähe zum Holocaustgedenktag (27. Jänner) haben immer wieder dazu geführt, dass die Vernichtungslager der Nazis und die sogenannten Foibe in einem Atemzug genannt wurden.

Dieses Jahr beteiligte sich ausgerechnet das italienische Bildungsministerium mit einem offiziellen Rundschreiben an alle Schuldirektionen und Schulämter — auch an jene in Südtirol — an dieser unerhörten Unsitte.

Die menschliche Kategorie, deren »Bezwingung und kulturelle Auslöschung« hier im Mittelpunkt stehe, sei die italienische, so Departementsleiter Stefano Versari. Zuvor sei auf europäischer Ebene die jüdische »Kategorie« von einem ähnlichen Schicksal betroffen gewesen.

Il “Giorno del Ricordo” e la conoscenza di quanto accaduto possono aiutare a comprendere che, in quel caso, la “categoria” umana che si voleva piegare e culturalmente nullificare era quella italiana. Poco tempo prima era accaduto, su scala europea, alla “categoria” degli ebrei.

— Textauszug im Original

Diese Aussage ist auf so vielen Ebenen verstörend, weil

  • die Verfolgung der Juden systematisch und ihre Vernichtung industriell durchgeführt wurden;
  • die Zahl der Ermordeten nicht im Geringsten vergleichbar ist — weder absolut noch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung;
  • die Menschen jüdischen Glaubens sich im Unterschied zu vielen Opfern der Karsthöhlen nichts hatten zuschulden kommen lassen;
  • Italienerinnen (und viele andere) nicht hauptsächlich wegen ihrer ethnischen, sondern wegen ihrer politischen Zugehörigkeit umgebracht und in die Karsthöhlen geworfen wurden.

Nach Protesten von ANPI, Emanuele Fiano (PD) und Sinistra Italiana distanzierte sich Bildungsminister Patrizio Bianchi schließlich von der Formulierung.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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ANPI-Angriff: Bekennerschreiben aufgetaucht.

In der Nacht vom 23. auf den 24. März, dem Gedenktag des Massakers in den Ardeatinischen Höhlen, waren Vitrinen des italienischen Partisaninnenverbandes ANPI in Bozen beschmiert worden. Ob es ein reiner Vandalenakt oder eine politisch motivierte Einschüchterungsaktion war, blieb zunächst unklar.

Nun ist auf einem CPI nahestehenden neofaschistischen Onlineportal ein »anonymes« Bekennerschreiben erschienen. Demnach hätten Faschistinnen Fotos von Menschen an die Vitrinen kleben wollen, die angeblich von Partisaninnen getötet wurden. Wie das ANPI schon zuvor mitgeteilt hatte, seien die Täterinnen jedoch von einer heranrückenden Polizeistreife in die Flucht getrieben worden, bevor sie ihren Plan fertig umsetzen konnten.

Dem Bekennerschreiben zufolge sei die nächtliche Attacke als Reaktion auf eine Veranstaltung zu betrachten, die an der Siegessäule (vor dem gleichnamigen Denkmal) stattgefunden hat. Bestrafen wollten die Rechtsextremistinnen das ANPI demzufolge, weil es die faschistische Säule als »abzutragendes koloniales Relikt« bezeichnet haben soll.

Die Faschistinnen müssen sich in Südtirol sehr sicher fühlen, wenn sie »anonyme« Stellungnahmen auf ihren eigenen Onlineportalen veröffentlichen.

Siehe auch ‹1 ‹2

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Black Lives Matter in Bozen.

Auch in Südtirol haben sich gestern — trotz Corona — mehrere hundert Menschen den weltweiten Protesten gegen Rassismus angeschlossen, ausgelöst von der Ermordung George Floyds durch einen Polizisten in den Vereinigten Staaten.

Auf Einladung von Bapa Dame Diop fanden sich am Bozner Waltherplatz unter Schlagworten wie Black Lives Matter oder I Can’t Breathe zahlreiche Menschen, darunter viele Betroffene, ein. Sie waren privat oder als Vertreterinnen zivilgesellschaftlicher Organisationen (wie Omas gegen Rechts, Young Greens, Centaurus, ANPI) da, um ein starkes Zeichen gegen strukturellen und personellen Rassismus zu setzen, den viele auch in Südtirol spüren.

Dieser Rassismus mag hierzulande zwar (meist) nicht die drastischen Formen wie in Teilen der USA annehmen, ist aber auch in Europa tief verwurzelt. Diskriminierung zu bekämpfen und die Augen offen zu halten muss ein täglicher Auftrag sein — umso mehr in einem Land, an dessen Regierung die rechtsradikale Lega beteiligt ist.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 ‹8 ‹9 ‹10 | 1›

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Ancóra equidistanza su Auschwitz e foibe.
Quotation

Pochi giorni fa — prima di finire nella bufera per essersi recato in Ungheria a celebrare le SS —  il consigliere comunale fascista di bolzano Andrea Bonazza (CPI) aveva duramente attaccato il sindaco sulla presenza dell’ANPI alle celebrazioni del Giorno del ricordo.

Tuttavia Renzo Caramaschi, incalzato da il Dolomiti, torna a fare di ogni erba un fascio, come già l’anno scorso:

Casapound e le organizzazioni affini, su questo, hanno già vinto. A testimoniarlo sono le parole dello stesso sindaco, attaccato dal consigliere Bonazza. Raggiunto al telefono dal nostro giornale, Renzo Caramaschi, alla guida di una giunta di centrosinistra, ha infatti risposto così: “Certe componenti politiche si scontrano in momenti come questi, con prese di posizioni, contaminazioni, dichiarazioni che danno fastidio come sindaco. C’è chi dice che il 25 aprile è la festa dei rossi, mentre il 10 febbraio quella dei neri, questo Paese vuole mantenere certe fratture. Dobbiamo finirla con queste contrapposizioni, dovremo pacificare la società. Nel mio discorso ho ribadito ciò che ha detto magistralmente il presidente della Repubblica, cioè che è congenita nelle dittature di ogni colore la violenza”.

“Io non ho fatto differenze sulla violenza – continua – su questo le foibe non sono diverse dai camini di Auschwitz. Di fronte alle tragedie non ci sono parole”.

Davide Leveghi, il Dolomiti, 13 febbraio 2020

Ed è proprio questa inaccettabile equidistanza a spalancare la porta ai fascisti e al loro revisionismo storico.

Vedi anche ‹1 ‹2 ‹3 | 1› 2› 3› 4›

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Rosmini: Uni Bozen reagiert.

Schön langsam — besser spät, als nie — kommt die Realität auch am Bozner Universitätsplatz an. Wie das Nachrichtenportal Salto berichtet, protestierten sowohl der italienische Partisaninnenverband (ANPI) als auch der Verein Bozen Solidale gegen die Anwesenheit des russischen Neofaschisten Alexand(e)r Dug(u)in bei der 58. Tagung des Rosmini-Instituts am FU-Sitz.

Während Rektor Paolo Lugli gestern wohl noch eine Grußrede gehalten hat, soll nun das Referat der Professorin Stefania Baroncelli (Uni Bozen) ausfallen. Uni-Präsidentin Ulrike Tappeiner überlegt offenbar, dem dubiosen Verein den zur Verfügung gestellten Saal wieder zu entziehen.

Noch wird allerdings versucht, sich auf die angebliche Seriosität des Rosmini-Instituts herauszureden und den gravierenden Fauxpas damit zu rechtfertigen. Spätestens seit einem Jahr hätten es die Uni und die anderen öffentlichen Unterstützer jedoch besser wissen können — wenn sie auf einen Tweet von (und die Antwort einer weiteren Twitter-Nutzerin) geachtet und den einschlägigen Beitrag gelesen hätten. Getaggt waren sie ja:

Dann wüsste man am Universitätsplatz auch, dass Dugin zwar ein besonders aufsehenerregender Gast ist, aber kein Fremdkörper im personellen und ideologischen Umfeld des Rosmini-Instituts.

Siehe auch ‹1 | 1› 2›

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5SB-PD: FdI zieht unerhörte Parallele.

Für diesen Sonntag hat Fratelli d’Italia (FdI), die rechtsextreme Partei des Landtagsabgeordneten Alessandro Urzì, in Sesto San Giovanni bei Mailand eine Protestkundgebung gegen die neue Regierung von 5SB und PD unter dem bisherigen Premierminister Conte organisiert.

Wie mehrere antifaschistische Vereine, insbesondere der Partisaninnenverband ANPI, anprangern, haben die Neofaschistinnen dafür den ungeheuerlichen Slogan »8. September – das Datum der Verräter« gewählt.

Während der aktuelle Bezug auf die 5SB klar ist — wiewohl sich deren angeblicher »Verrat« nicht am 8. September vollzogen hat — ist das Datum historisch mit dem Waffenstillstand von 1943 verbunden, den Pietro Badoglio im Namen Italiens (nach dem im Juli erfolgten Sturz von Benito Mussolini) am 3. September unterzeichnete und der am 8. September verkündet wurde.

Von den Nazis und den Mussolini treu gebliebenen Faschistinnen wurde Badoglio zum Verräter gestempelt. Eine unfassbare Interpretation, mit der sich FdI nun offiziell gemein macht.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

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Die Turiner Buchmesse und Altaforte.
Verleger bezeichnet sich als Faschist

Rund um die diesjährige Buchmesse von Turin, die vom 9. bis zum 13. Mai stattfinden wird, ist ein Skandal entstanden, der mit dem rechtsextremen Verlag Altaforte zusammenhängt. Mehrere Teilnehmerinnen, darunter das Schriftstellerinnenkollektiv Wu Ming, Autor Carlo Ginzburg und ANPI-Chefin Carla Nespolo werden der Messe fernbleiben, wenn der CasaPound-nahe Verlag wie geplant mit einem eigenen Stand anwesend sein wird.

Altaforte-Chef Francesco Polacchi bestätigte heute seine Gesinnung ohne Umschweife, als er in der Radiosendung Un giorno da pecora angab, »Faschist im einzig möglichen Sinne« zu sein. Der Antifaschismus sei in Italien »das wahre Übel«.

Besonders unerträglich: In Polacchis Verlag — der in Bozen unlängst einen Laden eröffnet und in einem gemeindeeigenen Saal eine Buchvorstellung abgehalten hat — ist gerade das neue Interviewbuch von Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini (Lega) erschienen.

Nachtrag vom 9. Mai 2019: Altaforte wurde schlussendlich von der Buchmesse ausgeschlossen. Unter anderem hatte das Museum von Auschwitz-Birkenau inzwischen angekündigt, andernfalls einen geplanten Vortrag der Holocaust-Überlebenden Halina Birenbaum abzublasen. Stadt Turin und Region Piemont hatten Verleger Polacchi wegen seiner Aussagen verzeigt.

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