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EU: Audiovisuelle Vielfalt umfasst Minderheitensprachen.

Kürzlich hat das EU-Parlament eine Entschließung zur Umsetzung der 2018 aktualisierten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste verabschiedet. Der genehmigte Text beinhaltet auch mehrere Punkte, die für Sprachiminderheiten von Interesse sind.

Nicht nur wird in den Prämissen der Entschließung ausdrücklich auf die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats Bezug genommen, die von mehreren Mitgliedsstaaten — einschließlich Italien — nie ratifiziert wurde. Auch im Beschließenden Teil sind Forderungen enthalten, die im Falle ihrer Umsetzung konkrete Fortschritte mit sich bringen würden.

So wird darin hervorgehoben

wie wichtig es ist, die Zugänglichkeit (Synchronisation, Untertitel, Audiodeskriptionen und andere) in allen Sprachen des Gebiets zu erleichtern, in denen der audiovisuelle Mediendienst erbracht wird[.]

– Punkt 16 der Entschließung

Hervorhebung von mir

Der darauffolgende Punkt stellt klar, dass die audiovisuelle Vielfalt auch die Minderheitensprachen umfasst:

[Das EU-Parlament] fordert verstärkte Anstrengungen zur Verbreitung europäischer Werke, die die gesamte Bandbreite der europäischen Sprachenvielfalt repräsentieren, wobei sowohl die Amtssprachen als auch die Regional- und Minderheitensprachen berücksichtigt werden sollten; hält es daher für unerlässlich, Daten über die sprachliche Verbreitung audiovisueller Mediendienste zu erheben, einschließlich Informationen über die sprachliche Vielfalt bei der Synchronisation, Untertitelung und Audiodeskription, die damit verbunden sind und zusammen mit diesen Diensten zur Verfügung gestellt werden, um gezielter handeln zu können[.]

– Punkt 17 der Entschließung

Hervorhebungen von mir

Beide Punkte gehen in dieser Form auf Änderungsanträge der katalanischen EU-Abgeordneten Diana Riba i Giner (ERCGrüne/EFA) zurück. Ob sie von Kommission und Rat, an die die Entschließung gerichtet ist, beziehungsweise von den Mitgliedsstaaten in irgendeiner Form berücksichtigt werden, bleibt fraglich. Das EU-Parlament hatte sich zum Beispiel auch in Bezug auf die Minority-Safepack-Initiative (MSPI) deutlich minderheitenfreundlicher gezeigt, als es die Kommission letztendlich war.

Bei den audiovisuellen Mediendiensten, mit denen sich die Richtlinie befasst, geht es neben klassischen TV-Angeboten unter anderem auch um Streamingdienste wie Netflix, Apple TV oder Amazon.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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Autorinnen und Gastbeiträge

Wann wird Schottland unabhängig?

Im Jahr 1998 hat Schottland über die Gesetzgebung zur Dezentralisierung (Devolution) sein eigenes Parlament zurückerhalten, das in einem breiten Feld von Zuständigkeiten legislativ tätig ist und die schottische Regierung wählt. Auch wenn nirgendwo im britischen Recht so definiert, verfügt Schottland damit aus verfassungstheoretischer Sicht über Territorialautonomie innerhalb des Vereinigten Königreichs. Autonomie ist im Falle Schottlands zumindest aus der Sicht eines großen Teils der Bevölkerung nur eine Übergangslösung. Es ist unumstritten, dass Schottland eine eigene Nation in freiwilliger Union mit England ist und somit nicht nur moralisch das Recht auf Selbstbestimmung beanspruchen kann: »Die Mehrheit der schottischen Bevölkerung,« schreibt Roland Sturm (APuZ Nr.12-13/2023, 26, Bundeszentrale für politische Bildung), »fühlt sich in erster Linie als ‚schottisch‘, was durch den eigenen Kommunikationsraum, ein eigenes Gesundheits-, Bildungs- und Rechtssystem, eine eigene Nationalkirche und viele weitere schottische Besonderheiten auch im Alltag beständig Bestätigung findet.« Beim Referendum vom 18. September 2014 haben die schottischen Wähler und Wählerinnen bei einer historisch hohen Wahlbeteiligung von 85 Prozent mit 55 Prozent gegen die Auflösung der seit 1707 bestehenden Union mit England gestimmt. Wie geht es mit der schottischen Autonomie und den Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes weiter?

Neuer Auftrieb für Unabhängigkeit durch den Brexit

Die seit Langem von der Scottish National Party (SNP) geforderte Unabhängigkeit hat die Wählerschaft zwar 2014 abgelehnt. Doch beim Brexit-Referendum im Juni 2016 hat Schottland den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs mit der deutlichen Mehrheit von 62% abgelehnt. Der dann vollzogene Brexit hat für das Land eine neue Situation geschaffen. Schottland sei gegen seinen Willen zum Austritt aus der EU gezwungen worden, so Ex-Regierungschefin Sturgeon. Allerdings erzeugte das EU-Referendum auch »Konfliktlinien, die quer zur Skala Nationalismus-Unionismuslagen« (Sturm, APuZ, 28) verläuft, denn ein Teil der SNP-Wähler würde es vorziehen, mit England außerhalb der EU zu bleiben oder ein anderes Verhältnis anzustreben. Die Zahl der Unabhängigkeitsbefürworter unter den Schotten stieg trotzdem deutlich an und bei Umfragen spricht sich seit 2019 regelmäßig um oder über die Hälfte der Befragten für die Loslösung vom Vereinigten Königreich aus.

Mehr Eigenständigkeit, sprich Autonomierechte innerhalb des Vereinigten Königreichs, hat Schottland nach 2016 auch nicht erhalten. Obwohl den Schotten nach dem Unabhängigkeitsreferendum von 2014 der Ausbau der bestehenden Autonomie versprochen worden war, ist es dazu nicht gekommen. Zudem hat sich London zwar seine Kompetenzen aus Brüssel zurückgeholt, diese aber nicht gemäß Devolution-Konzept an die autonomen Länder Wales, Nordirland und Schottland weitergegeben.

Die SNP forderte daraufhin ein zweites Unabhängigkeitsreferendum. Regierungschefin Sturgeon setzte 2022 diese Abstimmung schon für den Oktober 2023 an, was von der Tory-Regierung in London dezidiert abgelehnt wird. Die Konservative Partei (im Englischen: Conservative and Unionist Party) steht in Schottland nicht von ungefähr seit Langem auf verlorenem Posten, verkörpert sie doch das Festhalten an der schottisch-englischen Staatseinheit. Die Dauerherrschaft der Konservativen in London wirkt für die schottische Bevölkerung geradezu als permanente Abschreckung von der britischen Politik als solcher. Bezeichnenderweise war der Spruch »No more Tory governments – ever« der beliebteste Wahlslogan der Unabhängigkeitsbewegung. Auch die Labour Party, die bei den Wahlen zum Unterhaus 2010 noch 41 der 59 Schottland zustehenden Sitze errungen hatte, wird inzwischen nur mehr als »unionistisch« wahrgenommen. Die große Mehrheit der Schotten wählt seit 2007 die SNP, die sich auch bei den Kommunalwahlen von 2022 als weitaus stärkste Partei behaupten konnte.

Wie geht es weiter?

Erklärtes Ziel der SNP bleibt weiterhin ein zweites Unabhängigkeitsreferendum (Indyref 2). Dieses bedarf der Zustimmung der britischen Regierung in London. Boris Johnson und Liz Truss lehnten dieses Ansinnen ab, und auch der aktuelle Premierminister Sunak hält ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum für eine »ziemlich dumme Idee« (Sturm, APuZ, 27). Die Konservativen stehen auf dem Standpunkt, die Schotten hätten 2014 ihre Chance gehabt und dieses Votum habe jetzt für mindestens eine Generation zu gelten. Für die SNP ist der Anspruch auf Unabhängigkeit hingegen durch den aufgezwungenen EU-Austritt noch legitimer geworden.

Inzwischen hat das britische Höchstgericht die Forderung des schottischen Parlaments nach Abhaltung eines zweiten Referendums eine Absage erteilt. Es habe nicht das Recht, über die Abhaltung eines solchen Referendums abzustimmen (Sturm, APuZ, 30). Daraufhin kündigte Regierungschefin Sturgeon im Juni 2022 an, dass die SNP die nächste Parlamentswahl (regulär abzuhalten spätestens Anfang 2025) zu einem De-facto-Referendum über die Unabhängigkeit machen wolle. Mittlerweile ist Sturgeon zurückgetreten, doch auch ihr Nachfolger Humza Yousaf steht für dieses Oberziel schottischer Politik: »Niemand soll daran zweifeln: wir sind die Generation, die Schottlands Unabhängigkeit erreichen wird,« sagte der 37jährige Muslim, der einer ethnischen Minderheit angehört (NZZ, 30.3.2023).

Die große Mehrheit der politischen Vertreter und vermutlich auch der Bevölkerung Schottlands will die staatliche Eigenständigkeit, um der langfristigen politischen Grundorientierung der schottischen Bevölkerung gerecht zu werden, und um ein anderes Gesellschaftsmodell zu verwirklichen. Schottland sieht sich in enger Verwandtschaft mit den skandinavischen Sozialstaatsmodellen und steht seit Jahrzehnten in Konflikt mit den in Westminster regierenden Mehrheiten. Die Devolution, also Territorialautonomie, ist in Schottland an ihre Grenzen gestoßen, denn ein umfassendes Ausmaß an politischer Selbstbestimmung in allen wichtigen Bereichen einschließlich der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Mitgliedschaft in supranationalen Organisationen kann Autonomie eben nicht bieten. Dazu gesellt sich die schottische Präferenz für die Mitgliedschaft in der EU, die das Vereinigte Königreich endgültig verlassen hat.

In Schottland geht es um einen grundsätzlichen Selbstbestimmungsanspruch einer historisch gewachsenen Gemeinschaft, die sich in vielfacher Weise von der Mehrheit des Vereinigten Königreichs fremdbestimmt fühlt. Die 1998 gewährte Territorialautonomie kann diesen Anspruch nicht mehr erfüllen. Aus der vom Staatsverständnis des Vereinigten Königreichs abgeleiteten Notwendigkeit der demokratischen Legitimation der »Vereinigung« steht dem schottischen Volk als Träger dieses Rechts die freie Entscheidung darüber zu. Es hängt wohl von den Mehrheitsverhältnissen in London ab, ob Schottland das Recht auf eine zweite Volksabstimmung zur Loslösung vom Vereinigten Königreich erhält. Territorialautonomie hat eben auch Grenzen. Schottlands Vorteil in dieser geschichtlichen Phase ist, dass Großbritannien das Recht der Schotten auf Selbstbestimmung grundsätzlich anerkennt. Eine weitere Volksabstimmung scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein.

Beitrag auch auf GfbV Voices veröffentlicht.

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Brixen will Kinder gleichgeschlechtlicher Paare eintragen.

Am Donnerstag verabschiedete der Brixner Gemeinderat einen Antrag, demzufolge sich die Gemeinde gegenüber dem italienischen Parlament für die Eintragung von Kindern gleichgeschlechtlicher Paare starkmachen wird. Zudem sollen unverzüglich die entsprechenden meldeamtlichen Schritte eingeleitet werden, sobald es dafür eine Rechtsgrundlage gibt.

Das Team K, das den Vorschlag eingebracht hatte, hätte sich gewünscht, dass die Gemeinde noch etwas weiter geht und der Gesetzeslage ungeachtet sofort mit den Eintragungen beginnt. Dennoch ist das Votum eine wichtige Willensbekundung zugunsten der Gleichberechtigung.

Unterstützung für den Vorstoß kam aus den Reihen der Grünen Bürgerliste, der SVP und des PD.

Der Vertreter von FdI im Gemeinderat, Antonio Bova, zeigte sich über die Annahme des Antrags entsetzt, weil die Gemeinde über ihre Zuständigkeiten hinausgegangen sei. Womit, ist unklar. Ferner gebe es dem Rechtsaußen zufolge ein Recht auf einen Vater und eine Mutter. Das ist erstens eine Lüge, wenn man zum Beispiel an Alleinerziehende denkt; und zweitens erschließt sich mir nicht, wie die Benachteiligung von Kindern gleichgeschlechtlicher Paare diesem angeblichen Recht dienen sollte.

Allerdings hatte das EU-Parlament Italien erst kürzlich klar für diese Diskriminierung gerügt.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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Antrag von Ponsatí an Nazi übergeben.
EU-Parlament

Nach ihrer jüngsten illegalen Festnahme (und sofortigen Freilassung) in Katalonien, hat die von der spanischen Justiz wegen ihrer Rolle beim Referendum vom 1. Oktober 2017 verfolgte EU-Abgeordnete Clara Ponsatí (JxC)  beim Europäischen Parlament einen Schutzantrag gestellt.

In der Zwischenzeit war Ponsatí mindestens ein weiteres Mal in Barcelona und blieb unbehelligt.

Der für die Behandlung des Schutzantrags zuständige parlamentarische Rechtsausschuss hat nun den bulgarischen Rechtsextremisten und bekennenden Fan eines Europa der Nationalstaaten Angel Dzhambazki zum Berichterstatter in dieser Frage ernannt. Diese Rolle hatte das Mitglied der EKR-Fraktion, deren Co-Vorsitzender damals Raffaele Fitto (FdI) war, bereits beim Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Carles Puigdemont, Clara Ponsatí und Toni Comín (alle JxC) inne. Das entsprechende Verfahren war von mehreren Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet und endete im März 2021 zu ungunsten der drei Katalaninnen — deren Immunität nach der Verhaftung von Puigdemont auf Sardinien allerdings vom EuGH vorläufig wiederhergestellt wurde.

Dzhambazki im EU-Parlament (Quelle: TwitterVideo)

Im Februar 2022 sorgte Dzhambazki im EU-Parlament für einen Eklat, als er am Ende einer Rede, in der er unter anderem Orbán und die Fidesz vehement verteidigt hatte, demonstrativ den Hitlergruß machte.

Diesen Freund der spanischen Vox (und der italienischen FdI) hält der Rechtsausschuss also für geeignet, federführend den Antrag von Clara Ponsatí zu betreuen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

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Crusca gegen geschlechtergerechte Sprache.

Die öffentlich-rechtliche italienische Sprachgesellschaft Accademia della Crusca befasste sich kürzlich mit einer Frage des Ausschusses für Chancengleichheit beim italienischen Kassationsgericht zum Thema der Gleichstellung von Frauen und Männern in Rechtsakten.

In ihrer Antwort bewies die Jahrhunderte alte Institution nicht zum ersten Mal eine ultrakonservative, reaktionäre Sicht auf die Sprache.

So empfehlen die Sprachhüterinnen öffentlichen Institutionen — nicht auf Rechtsakte beschränkt — auf Sternchen1»Car* amic*, tutt* quell* che riceveranno questo messaggio…«) und auf das sogenannte Schwa (ə) zu verzichten. Darüberhinaus sprechen sie sich aber sogar gegen gängige Paarformen (wie in »Bürgerinnen und Bürger«) aus. Zulässig seien einzig neutrale Bezeichnungen (wie »Mensch«2im Italienischen gleichlautend mit »Mann«, »Personal«, »Angestellte«) oder: das generische Maskulinum.

Die Crusca behauptet sogar, das generische Maskulinum sei die beste Art, damit sich alle gemeint fühlen, denn es sei Aufgabe dieser Form, zu inkludieren.

Sonst müsste man ja — Achtung: Totschlagargument! — Millionen von Texten, einschließlich der Verfassung, neu schreiben, denn auch im italienischen Grundgesetz sei nur von »Bürgern« (cittadini) die Rede. Frauen sind halt mitgemeint.

Offen zeigt man sich nur für weibliche Berufsbezeichnungen, wie es sie in vielen anderen Sprachen — einschließlich des Deutschen — quasi immer schon gegeben hat: Lehrerin, Sekretärin, Präfektin. Dies gilt aber natürlich auch nur dann, wenn ausschließlich eine oder mehrere Frauen gemeint sind. Sobald auch nur ein Mann dabei ist, setzt der sich durch.

Das Land Südtirol hat sich diesbezüglich (für Deutsch, Ladinisch und auch Italienisch) deutlich fortschrittlichere Richtlinien gegeben, die im Einklang mit denen des Europäischen Parlaments stehen, und lässt sich von den rückwärtsgewandten Ausführungen der italienischen Sprachwächterinnen hoffentlich nicht beeinflussen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

  • 1
    »Car* amic*, tutt* quell* che riceveranno questo messaggio…«)
  • 2
    im Italienischen gleichlautend mit »Mann«
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80%-Mythos: Wie viel EU steckt in unseren Gesetzen?
Faktencheck

Immer wieder hört man auch in Südtirol, nicht selten wenn es um Themen wie Eigenstaatlichkeit oder Autonomieausbau geht, dass ohnehin 80% (oder gar 90%) der Vorschriften inzwischen nicht mehr in Rom, sondern in Brüssel gemacht würden. Mit dieser Aussage soll vermutlich auch die Notwendig- oder Sinnhaftigkeit einer Vertiefung der Selbstverwaltung relativiert werden.

Hierzu bin ich im Podcast Der Professor und der Wolf (Episode 6 – Neutralität und EU) von FM4 mit dem Tiroler Journalisten Armin Wolf und dem Wiener Politikwissenschafter Peter Filzmaier auf einen interessanten Faktencheck gestoßen, den ich hier wiedergebe:

Wolf: Jetzt eine Frage, die mir wirklich wichtig ist, weil man das so oft hört und auch immer wieder in der Zeitung liest: Bis zu 90% unserer Gesetze in Österreich würden in Wahrheit in Brüssel gemacht. Stimmt das?

Filzmaier: Nein, einfach nein, das ist frei erfunden, eine moderne Sage und Legende, wo man die Wurzeln kaum noch feststellen kann. […] Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors hat 1988, vor langer Zeit einmal gesagt, nur auf den Wirtschaftsbereich bezogen glaubt er, dass in zehn Jahren — also 1998 — bis zu 80%, nicht 90% der Gesetze auf EU-Entscheidungen zurückgehen würden. Und Delors hat sich schlicht und einfach geirrt. Es ist so, dass je nach Studie — aber es gibt keine seriöse Studie die 90% sagt — zwischen 10% und 40% der einzelstaatlichen Gesetze auf EU-Entscheidungen zurückgehen, je nach Staat natürlich unterschiedlich und auch sehr unterschiedlich nach Themenbereichen. Im Umweltbereich sind es manchmal sogar mehr, in anderen Bereichen — beispielsweise in der Forschung — gab es auch lange Zeiten, wo kein einziges Gesetz auf eine EU-Entscheidung zurückging.

Transkription von mir

Siehe auch ‹1

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Kinder homosexueller Eltern, EU-Parlament rügt Italien.

In einem von inzwischen mehreren queerfeindlichen Schritten der Regierung von Giorgia Meloni (FdI) untersagte das italienische Innenministerium den Kommunen kürzlich, weiterhin Kinder von homosexuellen Paaren zu registrieren.

Vor allem der Bürgermeister von Mailand, Beppe Sala (Verde), machte diesen abermaligen Einschnitt bekannt.

Das EU-Parlament nahm dies vorgestern zum Anlass, Italien im Rahmen einer Entschließung eine deutliche Rüge auszusprechen:

Das Europäische Parlament […] verurteilt die Anordnung der Regierung Italiens an den Stadtrat von Mailand, die Registrierung von Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern einzustellen; ist der Ansicht, dass diese Entscheidung unweigerlich zu einer Diskriminierung nicht nur gleichgeschlechtlicher Paare, sondern vor allem auch ihrer Kinder führen wird; vertritt die Auffassung, dass diese Maßnahme eine unmittelbare Verletzung der Rechte des Kindes darstellt, die im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes von 1989 aufgeführt sind; ist besorgt darüber, dass diese Entscheidung Teil eines breiter angelegten Vorgehens gegen die LGBTQI+-Gemeinschaft in Italien ist; fordert die Regierung Italiens auf, ihre Entscheidung sofort zurückzunehmen[.]

aus der Entschließung ( P9_TA(2023)0094) zum Thema »Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union«

Italien war bereits eines der absoluten Schlusslichter in der EU und im gesamten sogenannten Westen, was die Anerkennung von Rechten queerer Menschen betrifft. Mit dieser reaktionären Regierung unter neofaschistischer Führung sind weitere deutliche Einschnitte zu befürchten, die — gerade in einem Land wie Italien (vgl. ‹1 ‹2) — selbst im Falle eines späteren Regierungswechsels Jahre erfordern würden, bis sie wieder ansatzweise rückgängig gemacht sind. Der individuelle, aber auch der gesellschaftliche Schaden, der in der Zwischenzeit angerichtet wird, ist ohnehin enorm.

Da über den Änderungsantrag ( B9-0189/2) von Renew, mit dem der Passus in die Entschließung eingefügt wurde, nicht namentlich abgestimmt wurde, konnte ich nicht eruieren, wie der Südtiroler Abgeordnete Herbert Dorfmann (SVP) abgestimmt hat.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 | 1›

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HGV gegen Transparenz und Autonomie.

Laut einem Bericht der TAZ sollen sowohl Rom als auch Brüssel einer in Südtirol geplanten verpflichtenden Herkunftsangabe von Lebensmitteln in der Gastronomie zugestimmt haben. Bislang bestehende Unsicherheiten wären somit ausgeräumt.

Doch das reicht dem HGV offenbar nicht. Im unerschütterlichen Bestreben, ein entsprechendes Landesgesetz abzuwenden, spannt er jetzt auch noch den staatsweiten Verband der Lokalbetreiberinnen (FIPE) ein, der angeblich — wie der HGV selbst — zum Schluss kommt, dass eine derartige Vorschrift nur von EU-Mitgliedsstaaten und nicht von »Regionen oder Provinzen« erlassen werden dürfe. Der Hoteliers- und Gastwirteverband und seine italienischen Freunde arbeiten also nicht mit inhaltlichen Argumenten, sondern stellen der Südtirolautonomie — in Vorwegnahme von Urteilen, die womöglich gar nie gefällt werden — die Zuständigkeit in Abrede, ein eigenes Gesetz zu erlassen, sogar wenn dies mit Zustimmung der EU und des Staates geschieht.

Dem EuGHGV ist offenkundig jedes argumentative Mittel recht, nur um eine unliebsame Regelung zu verhindern — selbst wenn sie von einer Mehrheit im Landtag gewollt wäre. Das ist undemokratisch und autonomiefeindlich.

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