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Politische Umnachtung.
Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

Kreml hör die Signale, der Südtiroler Landtag ist für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Krieges

Vielleicht ist die Botschaft des Südtiroler Landtages beim russischen Kriegspräsidenten angekommen. Die Landtagsabgeordneten wollen den Krieg diplomatisch beenden. Vielleicht empfängt Putin Diego Nicolini (5SB), Paul Köllensperger (TK), Brigitte Foppa (Grüne) und Sandro Repetto (PD) zu Friedensgesprächen. Sie fordern die Wiederherstellung des Völkerrechts und den Abzug der russischen Invasionstruppen.

Ganz so ernst gemeint ist diese Forderung aber nicht. So lehnte die Landtagsmehrheit den SVP-Antrag ab, wonach die volle staatliche Souveränität der Ukraine wiederhergestellt werden und Russland auf die besetzten Gebiete verzichten muss. Die Begründung für die Ablehnung formulierte Diego Nicolini von den Cinque Stelle: Es obliege nicht dem Landtag, den Ukrainern und Russen vorzuschreiben, was sie zu tun hätten. Sollten die russischen Invasionstruppen die Ukraine nicht verlassen?

Nicolini spielt ein mieses Spiel, er setzt die ukrainischen Opfer mit den russischen Tätern gleich. Es ist doch bekannt, dass die Ukraine die Russen loshaben will, deshalb wehren sich die UkrainerInnen vehement gegen die russische Soldateska. Die Haltung von Nicolini verwundert keineswegs. Die Cinque Stelle und ihr Vorsitzender Giuseppe Conte gelten als Russlandversteher.

Seit Februar wüten die russische Armee, ihre kriminellen tschetschenischen Schergen und die Söldner der rechtsradikalen Wagner-Gruppe in der Ukraine. Die östliche und südöstliche Ukraine wurden zusammengebombt. Hunderttausende Menschen wurden nach Russland deportiert, derzeit attackiert die russische Luftwaffe fast ausschließlich zivile Einrichtungen. Warum wollen die Friedensapostel des Landtages den Russen nicht vorschreiben, das zu unterlassen?

Was stört die Friedensfraktion im Landtag an der restlosen Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität, was auch heißt, dass sich die russischen Killertruppen aus den besetzten Gebieten zurückziehen? Der Donbas ist nicht russisch, auch wenn ein Großteil der Bewohner russisch spricht, wie beispielsweise der Schriftsteller Andrej Kurkow. Empfehlenswerte Literatur dazu: Andrej Kurkows Ukrainisches Tagebuch und Tagebuch einer Invasion oder Die Offenen Wunden Osteuropas von Franziska Davies und Katja Makhotina.

Die Bürgerinnen und Bürger in den russischsprachigen Regionen der Ukraine stimmten 1991 mehrheitlich für die Unabhängigkeit. Auf der Krim 54 Prozent, in den übrigen heute russisch besetzten Gebieten bis zu 90 Prozent. Die russischen Behörden agieren in diesen Regionen wie einst das faschistische Regime von Benito Mussolini in Südtirol. Das Land wird russifiziert, beinhart, radikal, gründlich, kompromisslos. Die Menschen dort wurden aber keineswegs gefragt, ob sie das möchten.

Auch Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit fiel mit einer klugen Wortmeldung auf: »Die Grenzen zwischen Staaten und Nationen stimmen nie überein – die Bevölkerung soll in einem echten Referendum selbst darüber entscheiden.« Nur, die Bevölkerung dort hat schon entschieden, für die Ukraine, gegen Russland.

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Autorinnen und Gastbeiträge BBD

Schon wieder: Deutsches Gas zerstört ukrainische Städte.

Russische Bomber attackieren täglich ukrainische Städte, Wohnviertel, Straßen, Kraftwerke. Offensichtlich will Kriegspräsident Putin die Ukraine zurück in die Steinzeit bomben.

Die Bomber fliegen mit auch mit kondensiertem Gas. Dieses Gas soll aus der Kooperation zwischen dem Kreml-Konzern Gazprom und der deutschen Wintershall Dea stammen. Sie plündern gemeinsam Sibirien.Wintershall Dea, eine BASF-Tochter, gilt als der lange energetische Arm Putins in Deutschland und hält trotz des verbrecherischen russischen Krieges in der Ukraine an seiner russischen Kooperation fest.

Ein Ergebnis davon ist das sogenannte Gaskondensat. ZDF frontal und Der Spiegel recherchierten, dass Wintershall Dea das Gaskondensat an seinen Partner Gazprom liefert, der wichtigste Hersteller von Flugbenzin für die russische Luftfahrt. Wird die Ukraine also mit deutscher Hilfe niedergebombt?

Das kondensierte Gas soll laut Wintershall Dea »direkt aus der Bohrung« an Gazprom geliefert werden. Wintershall Dea räumt ein, keinen Einfluss auf die Weiterverarbeitung des geförderten Kondensatgases zu haben. Gaskondensat, ein Nebenprodukt — Experten bezeichnen das flüssige Kohlenwasserstoffgemisch auch »White Petroleum«. Es eignet sich zur Produktion von Kerosin, womit die Bomber fliegen.

Das ZDF und der Spiegel zitieren Wintershall Dea mit der Aussage, kein Gaskondensat an die russische Armee zu liefern und dass es sich auch nicht für Kampfjets eigne. Die Rechercheteams von ZDF und Spiegel hingegen kommen zu einem anderen Ergebnis: Gazprom verarbeite das Gaskondensat zu Kerosin für die Suchoi-Bomber.

Diese Bomber legen die Ukraine in Schutt und Asche. Vorzugsweise haben die russischen Jagdflieger zivile Einrichtungen in ihrem Visier. Wie die Recherchen ergeben haben, trotz Wintershall-Dea-Dementis mit »deutschem« Gaskondensat.

Warum demonstrieren die aufgebrachten Wutbürger nicht vor der BASF? Wo bleiben die Kriegsgegner, die Waffenlieferungen an die sich verteidigenden UkrainerInnen heftig brandmarken? Und warum ist die BASF-Tochter Wintershall Dea trotz des russischen Krieges gegen die Ukraine weiterhin auf den sibirischen Ölfeldern operativ, in Kollaboration mit dem Kreml-Konzern Gazprom? Eine softe Neuauflage des Hitler-Stalin-Paktes, dem besonders die Ukraine zum Opfer fiel?

Zur Unternehmensgeschichte gehört für die beiden deutschen Unternehmen Wintershall und DEA auch ihre Rolle in Nazi-Deutschland. »Wintershall und DEA profitieren als für die Kriegswirtschaft strategisch wichtige Unternehmen von der Machtübernahme der Nationalsozialisten. In beiden Unternehmen werden Zwangsarbeiter eingesetzt und ausgebeutet; sie beteiligen sich auch an der Förderung von Erdölvorkommen in Ost- und Südeuropa«, heißt es selbstkritisch im Aufarbeitungsprojekt von Wintershall Dea. Erforscht wurde dabei auch die Nähe der damaligen Unternehmensführung zur NSDAP.

Ein selbstkritischer Umgang mit damals — doch diese Selbstkritik fehlt heute, besonders wenn es um die Kooperation mit Russland geht.

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Wegkommen vom »Ethnostress«.

Ana Grilc aus Koroska/Kärnten und ihr Kurzgeschichten-Band Wurzelreißer:innen.

Grilc erhielt für ihre Kurzgeschichten den Newcomer-Literaturpreis der Stadt Klagenfurt/Celovec. Sie setzt sich in ihrem beim Klagenfurter slowenischsprachigen Verlag Mohorjeva/Hermagoras erschienenen Buch mit Zweisprachigkeit, Spaltung und Diskriminierung auseinander.

Grilc beschäftigt sich mit der Geschichte der slowenischen Volksgruppe in Kärnten, mit dem NS-Terror gegen den slowenischen Widerstand, mit den Nachkommen der NS-Täter und mit dem Weiterbestehen des Rechtsradikalismus im Nachkriegs-Österreich. Harte literarische Kost.

Ana Grilc zeigt auch die kreativen Formen des slowenischen Widerstandes in Kärnten gegen die »Germanisierung«, gegen die Assimilierung. Sie zitiert in der Kurzgeschichte Marlene die subversive Kraft des Puppentheaters. Laut Grilc ist die Figurentheatertradition in Kärnten/Koroška ein Teil der slowenischen Volkskultur, diente dem Spracherhalt und der Weitergabe der slowenischen Muttersprache. »Bis heute ist das Slowenischsprechen ein politischer Akt – eine widerständige Positionseinnahme«, sagt Ana Grilc im Interview mit Elena Messner vom textfeldsüdost.

Grilc greift Themen und Problematiken ihrer Volksgruppe auf, die sie nicht loslassen, die aber auch stressen. Grilc zitiert den Begriff »Ethnostress« des Südtiroler Bildungswissenschaftlers Hans-Karl Peterlini von der Universität Klagenfurt. Auf die junge Generation lastet die Geschichte, aber auch der »Kampf« um eine gleichberechtigte Zukunft.

Ana Grilc switcht zwischen ihren Familiensprachen, zwischen dem Slowenischen, ihre Mutter- und dem Deutschen, ihre Vaterssprache. Außerdem verwendet sie zuhause zwei slowenische Idiome. Ihre politischen und öffentlichen Arbeiten finden auf Slowenisch statt, »die Sprache der direkten Rede«, sagt Ana Grilc. Dafür sei viel Überwindung notwendig, denn in der Frage der slowenischen Sprachkenntnisse plage sie der Minderwertigkeitskomplex, wie so viele Kärntner Slowen:innen. »Als Kärntner Slowen:in kann man nie gut genug Slowenisch können. Strukturell wird es einem aber unmöglich gemacht, die Sprache im gleichen Maße wie Deutsch zu erlernen«, erklärt Grilc den Minderwertigkeitskomplex.

Für Grilc ist das Deutsche die Sprache der Institutionen, der Geschichtsschreibung, der Macht. Auch die Sprache der NS-Täter:innen, die negative Seite. Andererseits ist das Deutsche aber auch »die Sprache der meisten Literatur, die ich gelesen habe, aktueller gesellschaftspolitischer Diskurse, Wien/Dunaj-s. Eine Kunst- und Koffersprache, die mir formell sehr zusagt«.

Inzwischen spielt Ana Grilc mit ihren Sprachen, sie sagt, sie erlaube sich mehr Freiheiten innerhalb ihrer Mehrsprachigkeit. »Sprache ist dynamisch. Es heißt den Purismus abzustreifen und sich der sprachlichen Realität zu nähern.«

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Enthaltung als Haltung?

Die SVP-Parlamentarier suchen eine »pragmatische« Haltung zur rechtsrechten Regierung Meloni.

Die SVP-Kammerabgeordneten und SenatorInnen wollen die Regierungserklärung der designierten Ministerpräsidentin abwarten. Sie erwarten darin einen Autonomiepassus. Entsprechend vorgeprescht ist Antonio Tajani, Außenminister, einst Präsident des Europaparlaments und Vertrauter der Forza-Italia-Mumie Silvio Berlusconi.

Zu Tajani pflegt SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann, der für Stimmenthaltung im Parlament wirbt, beste Kontakte. Es verwundert nicht, dass Tajani ankündigt, mit der SVP über die Autonomie reden zu wollen. Für die SVP-Rechten, die Athesia-Fraktion in der Volkspartei, das Kooperationsangebot der Meloni-Regierung an die SVP.

Der Taktgeber in dieser Angelegenheit ist die Athesia. Kurz vor den Wahlen darf sich GiorgiMeloni über eine ganze Seite lang in der Tageszeitung Dolomiten erklären. Starker Tobak, Meloni schwafelt zwar von einer starken Autonomie, sie müsse sich aber »ins Gesamtspektrum der nationalen Einheit« eingliedern. Es gebe nämlich Bereiche, die von strategischem Interesse seien, von der Infrastruktur bis hin zur Energie. Offensichtlich die Grenzen der starken Autonomie, gezogen von Meloni, Südtirol müsse in diesen Bereichen die Führung der Zentralregierung überlassen, stellte sie im »Tagblatt der Südtiroler« unwidersprochen fest.

Eine klare Ansage der Neofaschistin, die Südtirol-Autonomie verstärkt ins staatliche Gefüge eingliedern, zurückführen zu wollen, also zu beschneiden. Und trotzdem werben Athesia und ihre Mannen in der SVP, Senator Meinhard Durnwalder und Dorfmann für eine pragmatische Haltung zur rechtsrechten Regierung. Ihre Vorgabe, jetzt offizielle SVP-Strategie?

Die Wortmeldung Tajanis scheint doch orchestriert zu sein. Für Dorfmann ist Tajani ein Freund Südtirols, schlüsselte den politischen Werdegang dieses Südtirol-Freundes auf, originär monarchistisch bis neofaschistisch. Ob Dorfmann seinen Freund Tajani zu seinen Südtirol-Äußerungen angeregt hat, im Duett mit dem CSU-Politiker und Vorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber?

Ein weiterer angeblicher Südtirol-Freund sitzt in der Regierung, Lega-Mann Roberto Calderoli. Vor elf Jahren ging er Cecile Kyenge, Integrationsministerin der Regierung Letta, heftig an. Er verglich sie mit einem Orang-Utan. Ein schöner Freund, abgesehen davon, dass möglicherweise viele SüdtirolerInnen Calderoli zuapplaudieren.

Offensichtlich setzt sich wieder der Machtblock durch, der schon dafür sorgte, dass die Lega nach den letzten Landtagswahlen in die Landesregierung gebeten wurde. Die Athesia-Fraktion. Warum legt sich die SVP ins Bett und kuschelt mit Rechtsrechten?  Wer erwartet sich was davon?

In den vergangenen vier Jahren verabschiedeten die verschiedenen italienischen Regierungen, mit Lega-Beteiligung, knappe vier dürftige und dürre Durchführungsbestimmungen. Die ach so föderalistische und minderheitenfreundliche Lega fiel nicht besonders pro-autonomistisch auf.

Der langjährige Kammerabgeordnete und Senator Karl Zeller (SVP) schlüsselte im Europäischen Journal für Minderheitenfragen detailliert auf, welche italienische Regierungen im Dialog mit der SVP zur Weiterentwicklung der Südtirolautonomie beitrugen. Die Freunde Südtirols sind die linke Mitte, auch wenn das Südtirols Wirtschaft und ihrem Blatt nicht gefällt.

Ein Vergleich: Zwischen 1972 und 1992 wurden 72 weitreichende Durchführungsbestimmungen verabschiedet. Von 1992 bis 2021 weitere 88 Durchführungsbestimmungen, die die Autonomie weiter ausdehnten. 53 davon von mittelinken Regierungen. Die restlichen 25 von den verschiedenen Berlusconi-Regierungen, »wobei es sich dabei lediglich um kleinere technische Anpassungen bestehender Durchführungsbestimmungen handelte«, stellte Zeller klar. In der Berlusconi-Ära gab es keine zusätzlichen Kompetenzen.  

Die Freunde von Rechtsrechts in der SVP kümmert das nicht, sie zwingen den Rest auf ihren melonifreundlichen Kurs. Dieses politische »Schleimen« entseelt die SVP, wird sie die Identität einer autonomistischen Partei kosten. Ein halbes Jahrhundert nach Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts. Ein Jahrhundert nach der Machtergreifung das faschistischen Duce Mussolini biedert sich die SVP seiner politischen Enkelin an, Giorgia Meloni. Enthaltung bei der Vertrauensabstimmung ist keine Haltung, sondern Opportunismus.

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Putin und die Pazifisten.

Keine Waffen an die Ukraine und schon herrscht Frieden!

So oder ähnlich argumentieren die Kriegsgegner. Hat die Ukraine einen Krieg begonnen? Verüben ukrainische Soldaten Kriegsverbrechen? Hat die Ukraine fremde Gebiete annektiert? Russland ist der Täter, die Ukraine das Opfer.

Die Ukraine soll sich also ergeben, fordern die Pazifisten und dann herrscht Frieden. Wie in Butscha oder in vielen anderen Dörfern und Städten, wo russische Soldaten wüteten, Kriegsverbrechen verübten.

Was passiert mit den besetzten ukrainischen Gebieten? Sie werden wohl russisch bleiben, weil für den Frieden die Ukraine Kompromisse eingehen muss.

Was passiert mit den Vertriebenen, mit den nach Russland Deportierten? Sie werden vertrieben und deportiert bleiben. Zum Erhalt des Friedens. Dafür werben die Pazifisten der Marke Cinque Stelle.

Verwunderlich ist dies keineswegs. »Russland unterstützt … die Lega Nord sowie die Cinque Stelle«, zitiert Catherine Belton in ihrem Recherche-Buch Putins Netz Michael Carpenter, 2015 Russland-Berater des damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden. Die Cinque Stelle, die fünfte Kolonne des Putin-Regimes in Italien. Für Putin-Fans wie Giuseppe Conte und seine Stelle ist die widerstandsleistende Ukraine der Täter, Russland wahrscheinlich das Opfer.

Das war auch in den fernen 1990er Jahren die pazifistische Argumentation gegen Waffenlieferungen für Bosnien. Die ehemalige jugoslawische Volksarmee und die serbischen Milizen verwüsteten — hochgerüstet — das angeblich musulmanische Bosnien. Vergewaltigungen, Massenmorde, »ethnische Säuberungen«, Srebrenica, Sarajewo, usw.

Ganz im Sinne der Pazifisten bestraften die westlichen Staaten Bosnien mit einem Waffenembargo. Russland versorgte die serbischen Brüder aus seinem riesigen Waffenarsenal. Die Folgen sind bekannt, das multikulturelle und multireligiöse Bosnien wurde aufgeteilt, die Serben erhielten ihren ethnisch gesäuberten Kanton, die bosniakischen Siedlungsgebiete wurden dem kroatischen Landesteil angegliedert. Es herrscht zwar kein Krieg mehr in Bosnien, aber auch kein Frieden.

Bosnien, das Modell für die Ukraine, angepriesen von den italienischen Pazifisten. Eine unglaubliche Arroganz von späten Nachfahren des Faschismus, die den UkrainerInnen empfehlen, sich dem russischen Imperialismus unterzuordnen.

Eine arrogante Haltung auch, weil Italien laut der Arbeitsgruppe zur Ausfuhr konventioneller Waffen (COARM) zwischen 2015 und 2020 Rüstungsgüter im Wert von 22,5 Millionen Euro an Russland verkauft hat. Die Firma Iveco lieferte Fahrzeuge im Wert von 25 Millionen Euro an Russland, listet Investigate Europe auf. Ein Journalist von La 7 entdeckte die Kriegsfahrzeuge Lince von Iveco Anfang März an der ukrainischen Front. Ab 2015 wurden immer weniger Waffen und Munition von Italien nach Russland geliefert. 2021 wurden es dann wieder mehr. Laut Exportdaten der Statistikbehörde Istat lieferte Italien zwischen Januar und November 2021 »Rüstung und Munition« im Wert von 21,9 Millionen Euro nach Russland.

Roman Schwarzman aus Odesa sprach am 20. Oktober im deutschen Bundestag. Die Botschaft des Holocaustüberlebenden war unmissverständlich, Putin sei »ein ver­dien­ter Schüler Hitlers«. Schwarzman findet im Interview mit Ukraine verstehen klare Worte zur russischen Invasion in seiner ukrainischen Heimat. Im Gespräch mit Ira Peter redet er nicht lange herum, schon gar nicht politisch korrekt. Die Ukraine sei auf tückische Weise überfallen worden, sagt der Holocaustüberlebende, »wie es Adolf Hitler im Juni 1941 getan hat. … Niemand hätte gedacht, dass im 21. Jahr­hundert ein solches faschis­ti­sches Monster wie das aus dem heu­ti­gen Russ­land auftaucht«.

Der ehe­ma­li­ge KGB-Mann Putin weiß laut Schwarzman »wie man einen Ver­nich­tungs­krieg führt, vor allem auch, wie man die zivile Bevöl­ke­rung ver­nich­tet. Er will prak­tisch unsere gesamte Bevöl­ke­rung ver­nich­ten, auch unsere Infra­struk­tur, sogar Kran­ken­häu­ser und Schulen. Hitler und Putin sind Zwil­lings­brü­der«.

Schwarzman zitiert den Propaganda-Slogan »Denazifizierung« von Putin: »Während im 20. Jahr­hun­dert eine ‘End­lö­sung für die Juden­frage’ gesucht wurde, benutzt Putin den Begriff heute, um die Ukraine völlig zu zer­stö­ren. Er behaup­tet, es gab die Ukraine nicht, es sei ein Land, das erfun­den worden ist. Der eine hat sechs Mil­lio­nen Juden ver­nich­tet. Der andere will 40 Mil­lio­nen Ukrai­ner ver­nich­ten«.

Roman Schwarzman sagt im Interview mit Ukraine verstehen, Putin und seine Unterstützer seien Terroristen, weil sie Zivi­lis­ten ermorden. Deutliche Worte, auch an die vielen Putin-Versteher und Russlandverehrer in Deutschland, Österreich und Italien. Schwarzman plädiert auch für verstärkte Waffenlieferungen an die ukrainische Armee, um dem russischen Terror widerstehen zu können.

Die deutsche Geschichte, auch und besonders in der von den Nazis verwüsteten Ukraine, verpflichte Deutschland zu einer weiterreichenden Verantwortung, so das Zentrum für liberale Moderne. Weil die Geschichte die Gegenwart prägt: »Aus der Shoa und dem Vernichtungskrieg im Osten erwächst politische Verantwortung in der Gegenwart: gegenüber dem Judentum, dem Staat Israel, aber auch gegenüber mittelosteuropäischen Ländern wie der Ukraine und Polen«.

Die pazifistischen Russlandversteher sollten — statt sich dem traditionellen Antiamerikanismus hinzugeben — das Tagebuch einer Invasion von Andrej Kurkow durchblättern. Kurkow macht aus seiner Enttäuschung über den Westen — insbesondere über Deutschland wegen der Zögerlichkeit beim Thema Waffenlieferungen — keinen Hehl. Seine Angst, dass die Ukraine im Stich gelassen, ja verraten wird, wächst angesichts der immer offensichtlicher zu Tage tretenden Brutalität der russischen Angreifer mit jedem Kriegstag spürbar.

Der Druck von außen, schreibt er, festige den Zusammenhalt im Innern des politisch vormals durchaus gespaltenen Landes: »Zusammengefasst ist dieses Buch nicht nur eine Chronik des Angriffs von Russland auf die Ukraine, sondern auch eine Chronik darüber, wie der von Russland angezettelte Krieg (…) zur Stärkung der nationalen Identität der Ukraine beigetragen hat.« Kurkow bezeichnet sich selbst als einen ethnischen Russen.

Sein Vorwurf an den russischen Kriegspräsidenten: »Putin zerstört nicht nur die Ukraine, er zerstört Russland und damit auch die russische Sprache. In diesem schrecklichen Krieg (…) ist die russische Sprache wohl eines der unbedeutendsten Kriegsopfer. Ich habe mich schon viele Male für meine russische Herkunft geschämt, für die Tatsache, dass meine Muttersprache Russisch ist. Ich habe mir verschiedene Formeln überlegt, um zu belegen, dass die Sprache nicht schuld ist. Dass Putin die russische Sprache nicht gehört.«

Zurück zu den Pazifisten: Hätten die antifaschistischen Widerstandskämpfer in den 1940er Jahren statt auf Schwarzhemden und deutsche Soldaten zu schießen, mit Friedensfahnen demonstrieren sollen?

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Der Toni, der Herbert und der Meini.

Ein Trio für Giorgia Meloni und die Fratelli d’Italia

Der Chefredakteur des Tagblatts von Giorgia Meloni, Toni Ebner, reibt sich die Augen. Warum? Über den angeblichen Dilettantismus des Landeshauptmannes, des SVP-Obmannes — der nun in Ungnade gefallen ist — und der gewählten SVP-Parlamentarier Julia Unterberger, Manfred Schullian und Dieter Steger. Sie haben sich erdreistet, ohne Genehmigung des Medienhauses Athesia eine ablehnende Haltung gegen die wahrscheinliche Regierung Meloni und ihr rechtsrechtes Bündnis einzunehmen.

Es ist erstaunlich, was der Chefredakteur der Dolomiten alles weiß. Nur sechs Prozent der Meloni-WählerInnen seien traditionell faschistisch, die übergroße Mehrheit habe mit dem Faschismus nichts am Hut. Diese übergroße Mehrheit wolle nur eine politische Änderung, damit der auf Grund gelaufene italienische Staat wieder flott gemacht werde. Milano Finanza stellt hingegen fest, dass die WählerInnen von Rechtsrechts die alte Kaste wiedergewählt haben.

Im Spiegel-Interview sagte der ehemalige Regierungschef und Präsident der EU-Kommission Romano Prodi über Meloni, »ihre Losung ‘Gott, Familie, Vaterland’ ist eins zu eins Mussolini«. Diese Losung brüllte sie auf einer Veranstaltung der spanischen Vox — eine Partei von Neofranquisten — laut heraus.

»Wer ist Prodi?«, wird sich Toni Ebner denken und behauptet, dass sich eine Ministerpräsidentin Meloni keine faschistische Politik leisten könne. Beruhigend. »Ob die neue Regierung für die Interessen Südtirols gut oder schlecht ist, kann erst festgestellt werden, wenn die Koalition um Giorgia Meloni das Regierungsprogramm vorlegt«, philosophiert der Chefredakteur und kanzelt die erwähnten Akteure mit seiner Analyse ab, dass es der falsche Weg sei, »wenn einzelne SVP-PolitikerInnen für den schnellen Applaus ihrer Klientel die künftige Regierung brüskieren«. Welche Interessen bewegen Ebner und seine gehätschelten, einzelnen SVP-PolitikerInnen wie Meinhard Durnwalder, Renate Gebhard und Herbert Dorfmann, die in der SVP für das »politische Einschleimen« bei den rechtsrechten Wahlsiegern werben?

Toni Ebner sieht die dramatische Gefahr aufziehen, dass die Lega aus der Landesregierung auszieht, weil sich »einzelne SVP-PolitikerInnen« gegenüber Meloni völlig unverständlich kurzsichtig verhielten und so das Land in die Sackgasse führten.

Das Tagblatt der Fratelli geht aber davon aus, dass das letzte Wort in der Frage noch nicht gesprochen ist. Das schmeckt nach einer deutlichen Aufforderung aus dem Weinbergweg in die Brennerstraße, die »einzelnen PolitikerInnen« zurückzupfeifen — auf Wunsch von Toni Ebner und auch seines Bruders Michl, Präsident der Handelskammer. Toni Ebner erhebt sich gar zum Siegelverwalter der SVP und erinnert daran, dass über die Koalitionsfragen in Bozen und in Rom »sicher nicht Abgeordnete mit dem Parteiobmann und dem Landeshauptmann allein bestimmen«. Nein, das macht der Weinbergweg, der also gar empfiehlt, eine Koalition mit den siegreichen Rechten in Rom einzugehen.

Hoffentlich rotiert bei dieser unsäglichen politischen Anbiederung der Athesia-Übervater Kanonikus Michael Gamper in seinem Grab.

Im Tagesrhythmus haut die Tageszeitung Dolomiten ihre Empfehlungen an die SVP hinaus. Vor den Parlamentswahlen durfte Meloni auf einer ganzen Seite für ihre Fratelli werben. Unverhohlen kündigte sie an, dass die Autonomie sich »ins Gesamtspektrum der nationalen Einheit« eingliedern müsse. Es gebe Bereiche von strategischem Interesse, ergänzte Meloni, von der Infrastruktur bis hin zur Energie. Südtirol müsse diese der Führung der Zentralregierung überlassen, warb sie für die Beschneidung der Südtirol-Autonomie. Spätestens hier wird sich wohl Toni Ebner sen. — hoffentlich — für seine Nachfahren erbrechen.

Nochmals Romano Prodi im Spiegel: Meloni sei ganz sicher nicht konservativ. Wenn er sich ihre politische Tradition anschaue, »dann macht mir das große Sorgen«, so Prodi, ein »linker« Christdemokrat, vergleichbar mit dem ehemaligen CDU-Politiker und Arbeitsminister Norbert Blüm.

Toni Ebner reiht sich ein in die Phalanx von HistorikerInnen und PolitikwissenschaftlerInnen, hier wie anderswo in Italien, die von der ideologischen Reinwaschung der Meloni schwafeln. Wenn die Freiheitlichen in Österreich rechtsradikal sind, stellt diese Phalanx fest, und die AfD Neonazis, sind Giorgia Meloni und ihre Fratelli Post- bzw. Neofaschisten. Doch um Toni Ebner zu ziterten: Keine Angst, Meloni ist keine Faschistin. Wie tönte Meloni 2015 anlässlich des italienischen Kriegsbeitritts 100 Jahre zuvor? Pro-österreichische SüdtirolerInnen sollten Italien verlassen und nach Österreich auswandern.

Der Statthalter von Meloni in Südtirol, der in Vicenza in die Abgeordnetenkammer gewählte Alessandro Urzì, demonstrierte auf Facebook seine Geisteshaltung, indem er behauptete, die deutschsprachige Rai fördere »ideologischen Terrorismus«. »Hinter der Betonung, dass er nicht in Südtirol gewählt wurde, vermutet er einer Vorgabe der SVP, weshalb Urzì zudem von einem ‘Propagandasystem’ nach DDR Muster und gar von einem ‘Einschüchterungsversuch’ der Rai faselt, die ihm nichts weniger als den Wohnsitz streitig mache«, fasst Simon Constantini die Attacke des ehemaligen Landtagsabgeordneten hier zusammen. »Wenn die Stellungnahme von Urzì ein Vorgeschmack auf die kommende Regierungszeit ist, die ja noch gar nicht begonnen hat, können wir uns auf einiges gefasst machen«, warnt er.

Das scheint die konservativen Freunde im Edelweiß nicht sonderlich zu berühren. Toni Ebner zitiert lieber die Bedenken von Renate Gebhard und Meinhard Durnwalder gegen eine Ablehnung der zukünftigen Regierung Meloni. Durnwalder pflegt, wie sein Onkel Luis vor ihm, beste Beziehungen zur Lega. Kürzlich durfte sich im Tagblatt schon SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann über die regierungskritische Linie seiner Parteispitze auslassen.

Die Haltung von Dorfmann ist kohärent. Er wurde bei den letzten Europawahlen im Bündnis mit Forza Italia gewählt. Die Berlusconi-Partei, zwar gehörig geschrumpft, ist Teil des rechtsrechten Wahlbündnisses von Meloni. Dorfmann wolle wieder gewählt werden, analysierte Salto, deshalb sein Werben zumindest für eine Stimmenthaltung für die Regierung Meloni im Parlament.

Offensichtlich plagen Dorfmann keine Bedenken, der rechtsrechten Meloni-Regierung einen Blankoscheck auszustellen. Meloni zählt in der EU zu den Fans des ungarischen Rechtsradikalen Viktor Orban, der trotz Brüsseler Milliarden ein EU-Feind und trotz NATO-Mitgliedschaft ein Freund des russischen Kriegspräsidenten Putin ist.

Dorfmann kritisierte die FUEN, europäische Dachorganisation der sprachlichen und nationalen Minderheiten, weil sie sich von Ungarn sponsern lässt. Es dürfe nicht verwundern, sagt Dorfmann, dass FUEN-Präsident Vincze Lorant (Angehöriger der ungarischen Minderheit in Rumänen) auf dem FUEN-Kongress eine ungarnkritische Resolution verhinderte. Er hänge nämlich am Gängelband von Orban.

Der illiberale Nationalist Orban zählte zu den ersten aus der europäischen EU-feindlichen Rechten, die Meloni zum Wahlsieg gratulierten. Herbert Dorfmann — gegen Orban, aber für Meloni?

Trotz der Meloni-kritischen Haltung der SVP-Spitze wurde die Partei bereits vom Meloni-Schwager und Südtirolbesessenen Francesco Lollobrigida kontaktiert, der bisher Fraktionschef der Fratelli im Abgeordnetenhaus war. Direkt, nicht auf dem Umweg über die Dolomiten.

Urzì, möglicherweise bald Unterstaatssekretär für Südtirol oder gar Regionenminister, zeigte sich erfreut, dass SVP-Obmann Philipp Achammer mit der Regierung Meloni das Gespräch suchen wird. Das wurde bisher immer so gehandhabt. Gespräche der Landesregierung mit der italienischen Regierung, auf Augenhöhe. Ohne Anweisung aus dem Weinbergweg.

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Die gekaperte FUEN.

Orbannahe ungarische Organisationen dominieren die Dachorganisation der europäischen Minderheiten.

Die FUEN hat auf ihrem Kongress in Berlin den bisherigen Präsidenten wiedergewählt: Loránt Vincze, Angehöriger der ungarischen Volksgruppe in Rumänien und EU-Parlamentarier der Romániai Magyar Demokrata Szövetség (RMDSz).

Vincze kann für sich verbuchen, dass er den altehrwürdigen Dachverband der europäischen Minderheiten modernisierte, aus der politischen Schmollecke der Minderheiten herausholte und den ehemaligen Altherrenclub ethnischer Nostalgiker umbaute und aufrüstete.

Unter seiner Präsidentschaft zog die FUEN erfolgreich ihre Bürgerinitiative MSPI durch. Ein Minderheitenpaket, das in Südtirol angestoßen, an der Europäischen Akademie in Bozen in Grundzügen ausgearbeitet und von mehr als einer Million EU-BürgerInnen unterzeichnet wurde. Der Werdegang ist bekannt, die EU-Kommission versenkte die Initiative kurzerhand.

Schon frühzeitig — während der Minority-Safepack-Kampagne — rümpfte der SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann seine Nase, weil der illiberale ungarische Orban-Staat die MSPI als ein Instrument gegen die anti-ungarische rumänische Regierung, aber auch gegen die EU missbrauchte.

Sein Unbehagen damals war nicht unbegründet. Für den abgelaufenen Kongress lag der FUEN der Entwurf einer Hauptresolution vor. Die hatte es in sich. In dem Text erinnert die FUEN zwar an die russische Invasion in der Ukraine, es waren aber nur einige wenige dürre Zeilen über einen Eroberungserieg. Eine Ungeheuerlichkeit: Die FUEN drückt sich um eine klare Aussage herum.

Stattdessen rechneten die Autoren des Resolutionsentwurfs mit der verkorksten Minderheitenpolitik in der Ukraine ab. Die Ukraine ist zweifellos kein Musterbeispiel gelungener Minderheitenpolitik. Dies gilt aber genauso für Ungarn, für den rumänischen Nachbarstaat, für Polen, für Tschechien, für die Slowakei, für Deutschland und Österreich, für Frankreich, für Italien, für Griechenland, nicht zu reden vom EU-Anwärter Serbien.

Textpassagenlang rechnet die FUEN mit der Ukraine ab, der russische Krieg jedoch ist im Entwurf nicht mehr als eine Fußnote. Damit relativiert die FUEN ihre eh schon dürftige Kritik und verharmlost den Eroberungskrieg. Der Entwurf sei russlandlastig, russlandfreundlich, ukrainefeindlich, so die Reaktion von Martha Stocker, ehemalige Vize-Präsidentin der FUEN. Der Resolutionsentwurf ziele auf eine Verurteilung der Ukraine ab, habe eine klare Schlagseite: geschickt verpackt und trotzdem eindeutig. Die FUEN müsse aufpassen, so die Warnung, in welche Hände sie sich begibt.

Welche Hände wird sie wohl gemeint haben? Wahrscheinlich dachte sie an den selbsternannten Schutzpatron der ungarischen Minderheiten, den ungarischen Ministerpräsidenten Orban, Freund und EU-Statthalter des russischen Kriegspräsidenten Putin, Freund auch des serbischen Nationalisten Dodik in Bosnien, geistiger Bruder von Giorgia Meloni, möglicherweise auch des türkischen Islamisten Erdoğan und des brasilianischen Rechtsradikalen Bolsonaro.

Der Entwurf wurde von den Delegierten grundlegend abgeändert, auch weil es Interventionen gab. Ein dramatischer Eklat konnte somit verhindert werden. Mit diesem Entwurf hätte sich die FUEN zu einer Vorfeldorganisation des ungarischen Außenministeriums degradiert. Weit davon ist sie aber trotzdem nicht mehr entfernt.

Nach seiner Wiederwahl bedankte sich Loránt Vincze engagiert bei Ungarn für die politische und finanzielle Unterstützung, eine peinliche Lobhudelei auf Viktor Orban, wie aus einem Mitschnitt hervorgeht. Der FUEN-Präsident schlug sich in seiner Rede auf die Seite von Orban-Ungarn. Für Vincze ist Ungarn ein Minderheitenparadies, ein zuverlässiger Partner der Minderheiten und besonders der FUEN. Fakt ist aber, dass die sprachlichen und nationalen Minderheiten in Ungarn assimiliert sind. Die Reste dürfen folklorisieren.

Ohne die Fördermittel der ungarischen Regierung — 500.000 Euro — wäre die FUEN bankrott gegangen, erinnerte Vincze an die ungarische Unterstützung. Außerdem habe die politische Lage in Ungarn nichts mit dem Minderheitenthema zu tun, kanzelte Vincze die Ungarnkritiker ab. Völlig »undankbar« und »unangemessen« wäre es, warnte Vincze, wenn die FUEN Ungarn kritisieren würde. Ähnliches wiederholte er auch in einem Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

Über den von den Vertretern der Minderheiten in Deutschland vorgelegten Beschlussantrag zur Situation in Ungarn und über die Auswirkungen auf die Minderheiten — die Diskussion darüber war engagiert — wurde nicht abgestimmt. Das Votum samt entsprechender Resolution verhinderten die gut organisierten ungarischen FUEN-Mitglieder. Vincze, der Statthalter von Orban an der Spitze der FUEN — eigentlich nicht überraschend, doch wohl die wenigsten FUEV-Delegierten werden wissen, wie Vincze im Europaparlament agiert.

Mit weiteren 123 Abgeordneten aus den beiden rechten Fraktionen lehnte er die Schlussfolgerung des Europaparlaments ab, wonach Ungarn keine vollwertige Demokratie mehr sei, sondern vielmehr eine »Wahl-Autokratie«. Auch die EU-Kommission, der Europäische Rat und der Europarat befürchten das Abdriften Ungarns in die Autokratie. Zur Freude Putins.

Auch im Europaparlament verteidigte Vincze die Minderheitenpolitik Ungarns. Die Vorwürfe seien konstruiert, keineswegs nachprüfbare Fakten, sondern stammten aus einem »großen linken ideologischen Haufen«, polemisierte der Parlamentarier. Laut Transtelex wies Loránt Vincze die Kritik des EU-Parlaments zurück, wonach die Orban-Regierung die Rechte nationaler Minderheiten, einschließlich Roma und Juden, nicht garantiere und sie nicht vor Hassrede schütze. Für ihn sind das haltlose Vorwürfe.

Ihm zufolge findet eine »Hexenjagd« gegen Ungarn und gegen die Fidesz-Regierung statt. Vincze sieht die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Verhältnis zu Ungarn zu einer ideologischen Konformität gezwungen, die der Linken, Liberalen, Grünen oder sogar Kommunisten entspricht.

Orban pur. Ähnlich tönen die Fraktionen Identität und Demokratie und Europäische Konservative und Reformer, Sammelbecken der verschiedenen rechten Parteien. Wussten die FUEV-Delegierten nicht, wen sie abermals zu ihrem Präsidenten wählten? Vincze outete sich im EU-Parlament und auf dem Kongress der FUEN deutlich. Wie werden die anderen FUEN-Unterstützer reagieren, deren Zuwendungen Vincze im Vergleich zum ungarischen Beitrag als nicht sonderlich relevant abtat? Zum Beispiel das Land Südtirol? Warum protestierte FUEN-Präsidiumsmitglied Daniel Alfreider, Landesrat und SVP-Vize, nicht gegen Vinczes Aussagen?

Schon einmal versuchten Rechte die FUEN zu kapern. In ihrer Frühphase, die FUEN hieß damals noch FUEV, versuchten Altnazis die Organisation für ihre Zwecke zu missbrauchen. Dagegen stemmten sich viele, wie der spätere langjährige Präsident Hans Heinrich Hansen, Angehöriger der deutschen Minderheit in Dänemark, Friedl Volgger, Antinazi und Mitbegründer der Südtiroler Volkspartei und eine ganze Reihe von Kärntner Slowenen. Zu nennen sind auch weitere Südtiroler wie Christoph Pan oder Martha Stocker. Sie sorgten dafür, dass die FUEV nicht in fremde Hände kam, sondern in die Mitte der europäischen Gesellschaft, immerhin ist die FUEN in verschiedenen europäischen Gremien und Institutionen aktiv.

Was wird aber aus der FUEN, wenn ein orbantreuer Vorsitzender die Organisation auf Linie bringt, die Minderheiten »nützliche Idioten« des illiberalen ungarischen Staates werden?

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Autorinnen und Gastbeiträge

Demonstrieren als Provokation?

Für den Koordinator der neofaschistischen Fratelli d’Italia war der Schützenaufmarsch nahezu ein Anschlag auf die staatliche Einheit.

Marco Galateo, bisher Gemeinderat der Fratelli im Bozner Gemeinderat, empfindet den Fackelzug der Schützen in Erinnerung an den faschistischen Marsch auf Bozen als eine Provokation. Diese »paramilitärische« Organisation (O-Ton Galateo) wagte es, gegen den demokratisch errungenen Wahlsieg seiner Parteichefin Giorgia Meloni zu demonstrieren.

Wie auch immer man/frau zu den Schützen stehen mag, laut geltender republikanischer Verfassung sind Kundgebungen und Demonstrationen Teil demokratischer Teilhabe. Für Galateo sind sie hingegen eine gegen seine Parteiführerin gerichtete Provokation. Offensichtlich übt sich Galateo ganz im Sinne seines Vorbildes im Südtirolbashing, tritt er doch in die breiten Fußstapfen seines Vorgängers im Landtag, Alessandro Urzì. Der wurde bei den Parlamentswahlen in Vicenza in die Abgeordnetenkammer gewählt und Galateo rückt stattdessen in den Landtag nach.

Er wiederholt Urzìs Kritik in Richtung Schützen, sie seien kein kultureller Verein, sondern eine paramilitärische Organisation. FdI-Koordinator Galateo fordert daher Landeshauptmann Kompatscher (SVP) und die Gemeinden auf, »die Millionenbeiträge an die Schützen« zu stoppen. Fake News der Marke Fratelli d’Italia: Laut Kulturlandesrat Philipp Achammer (SVP) beträgt der jährliche Landesbeitrag für die Schützen 100.000 Euro.

Galateo machte in den Reden und auf den Transparenten eine eindeutige Sprache aus: Sezession, die Ablösung von Rom und gar eine Rückkehr zum Faschismus sollen die Schützen gefordert haben. Damit hätten sie »die Grenze des von der Verfassung vorgesehenen Rechts auf freie Meinungsäußerung überschritten«. Das stellt ein »Postfaschist« fest, dessen Partei diese Verfassung abändern will. Der Schützenmarsch sei keine »wichtige, historische Gedenkveranstaltung« gewesen, sondern eine Militärparade und eine Provokation gegen die neue Regierung. Wahrscheinlich wird Alessandro Urzì, Kammerabgeordneter der Fratelli von Vicenza, ein Verbot der Schützen fordern.

Im Visier von Fratelli d’Italia sind aber nicht nur die Schützen, sondern auch der deutschsprachige Nachrichtendienst von Rai Südtirol. So warf Urzì Chefredakteurin Heidy Kessler vor, in Absprache mit der SVP »ideologischen Terrorismus« zu betreiben. Warum? Weil Kessler die neofaschistischen Fratelli als nationalistisch, zentralistisch und egoistisch beschrieb, weil sie Urzì als Kammerabgeordneten von Vicenza bezeichnete, um ihm angeblich seinen Südtiroler Wohnsitz abzustreiten. Kessler sei damit einer Vorgabe der SVP gefolgt, die mit ihrem Propagandasystem nach DDR-Muster politische Gegner einzuschüchtern versuche. Auf Facebook drohte der Neo-Parlamentarier aus Vicenza gar mit Konsequenzen.

Das widerspricht den gefälligen Darstellungen von Giorgia Meloni in der in der Tageszeitung Dolomiten. Jetzt nach den Parlamentswahlen machen ihre Männer vor Ort den Ton. Sie stehen in der Tradition ihrer Chefin, die pro-österreichischen Südtirolern die Auswanderung empfahl, auf einer Veranstaltung der spanischen Vox-Faschisten gegen die liberale Gesellschaft hetzte. Meloni findet außerdem »Duce« Benito Mussolini einen ernsthaften Politiker, der für sein Volk engagiert war.

Historiker Hannes Obermair kritisierte den Fackelumzug der Schützen als »schräg«, er habe bei ihm für Befremden gesorgt. »Weil er sich einerseits gegen den Faschismus richtet, aber andererseits für Tirol und den nationalistischen, letzten deutschen Bürgermeister Julius Perathoner«, sagte er Rai Südtirol. Warum ist ein Bekenntnis zu Tirol schräg? Obermair bedauerte, dass es keinen etablierten Antifaschismus in Südtirol gebe, denn gegen den Faschismus müssten andere demonstrieren.

Andere Kräfte müssten uns in Erinnerung rufen, was vor einer Woche in den Wahlurnen geschah und durchaus bedenkliche Züge trägt.

– Hannes Obermair

Bedenklich ist doch, dass auch Freiheitliche beim Fackelumzug der Schützen mit dabei waren. Die freiheitliche Landtagsabgeordnete Ulli Mair sagte auf Salto über Meloni:

Das große Schreckgespenst sehe ich allerdings nicht in ihr, … ich kann mir durchaus vorstellen, dass man auch unter Meloni Positives für Südtirol erreicht“.

– Ulli Mair (F)

Reinwaschung der Meloni von Mair. Schräg oder?

Doch auch Mitglieder der Süd-Tiroler Freiheit waren beim Fackelzug der Schützen mit dabei. In Erinnerung an den Marsch auf Bozen. Gudrun Kofler, Nichte von Eva Klotz, kandidierte bei den Landtagswahlen in Tirol für die Freiheitlichen. Die österreichischen Rechtsaußen zählten nach den Parlamentswahlen in Italien zu den ersten Gratulanten von Giorgia Meloni.

FPÖ-Europaparlamentarier Harald Vilimsky twitterte:

Italiener holen sich ihr Land zurück, bravissimo!

– Harald Viliminsky

und

Jetzt wird in Italien endlich eine Frau ohne jegliche Quote Regierungschefin und den ganzen Linken und Emanzen hier passt es wieder nicht. Da soll sich jemand auskennen. #bravo Italia.

– Harald Viliminsky

Die Landesparteiobfrau der FPÖ Salzburg und Stellvertreterin von Parteichef Herbert Kickl, Marlene Svazek, freute sich riesig über den Wahlerfolg von Meloni:

Eine starke Frau an der Spitze Italiens. Ganz ohne Quote und mit der Unterstützung von Männern wie Matteo Salvini im Rücken. In Italien hat man trotz mehrerer rechter Parteien erkannt, dass dieses Lager geeint auftreten und die Beste an die Spitze muss. Dann ist offenbar alles möglich.

– Marlene Svazek

Echt: Schräger geht es nimmer.

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