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Autorinnen und Gastbeiträge

Mit Atomwaffen kein echter Friede.
Ukraine-Krieg

Nach der russischen Invasion in der Ukraine wird in Europa ein neuer Eiserner Vorhang fallen. Danach wird es darum gehen müssen, Atomwaffen endlich definitiv zu ächten.

Die Schreckensbilder aus den beschossenen und ausgehungerten Städten des Ostens der Ukraine, das Leid der Eigeschlossenen und Flüchtenden, der unglaubliche Mut und die Entschlossenheit von Regierung und Verteidigungskräften der Ukraine werden uns noch wochenlang begleiten. Wenn Putin sein Diktat für einen Waffenstillstand (Demilitarisierung, Neutralität, Abtretung widerrechtlich besetzter Gebiete) nicht durchsetzt, wird er die nächste Garnitur an Waffen und militärischen Einheiten einsetzen bis zu den tschetschenischen Terrormilizen von Kadyrow, seinem Statthalter in Grosny, das er bis 2009 dem Erdboden gleich gemacht hat. Wie weit Russland zu gehen bereit ist, hat das Regime im Kreml in Aleppo und anderen Städten gezeigt. Wenn die Welt nach Syrien (und wohlgemerkt auch nach der Invasion des NATO-Staats Türkei in Afrin und Rojava) wieder zur Tagesordnung zurückkehrt, warum sollte das nach Putins »Militär-Sondereinsatz« im Nachbarland nicht auch so sein?

Mit Sicherheit geht diese Rechnung des Kremls nicht mehr auf, und das schafft Hoffnung. Konnte Europa in Tschetschenien und Syrien noch wegschauen und die Annexion der Krim und die von Russland herbeigeführte De-facto-Abspaltung des Donbass mit schwachen Sanktionen hinnehmen, ändert dieser Krieg alles. Zunächst hat er die Ukraine vereint, ein Land mit dutzenden Minderheiten. Er hat die EU zu einer ungekannten Geschlossenheit geführt, hinter Hilfslieferungen, Sanktionen, Flüchtlingsaufnahme ist auch die Perspektive eines baldigen EU-Beitritts einer freien Ukraine konkret geworden. Er hat für die NATO geklärt, dass sie auch konventionell zur gemeinsamen Verteidigung gerüstet sein muss. Er hat aber auch zur bitteren Erkenntnis geführt, dass hochgerüstete Autokratien zu allem bereit sind, solange sie auf ihr Militär zählen können.

Die Zeitenwende, die deutsche Politiker ausgerufen haben, betrifft nicht nur die Sanktionierung Russlands, sondern auch das Ende der Friedensdividende, der Friedensordnung, die sich nach der Schlusserklärung von Helsinki 1975 und der Gründung der OSZE ergeben hat. Das Putin-Regime hat dem souveränen Staat Ukraine das Existenzrecht und das Recht auf territoriale Integrität abgesprochen, einem ganzen Volk das Recht auf demokratische Selbstbestimmung genommen und damit die Grundlagen des Friedens in Europa aus den Angeln gehoben.

Angesichts eines dermaßen eklatanten Bruchs des Völkerrechts müsste die Weltgemeinschaft eigentlich geschlossen den Notstand ausrufen und zur Verteidigung des angegriffenen Landes schreiten. Das ist in einzelnen Fällen auch schon geschehen, wie z.B. in Korea 1950-1953, in Kuwait 1991 und dann im Kosovo 1999, dort allerdings ohne Zustimmung des von China und Russland blockierten Sicherheitsrats. Gegen das Votum der Autokratien ist dann eine Art Notwehrrecht eines angegriffenen und von Völkermord bedrohten Landes anerkannt und eine humanitäre Intervention ermöglicht worden. Das geschieht jetzt nicht: Russland hat nicht nur eine High-Tech-Armee, sondern ist die quantitativ größte Atommacht und dem Putin-Regime ist jede Eskalation zuzutrauen.

Die völkerrechtstreue Staatengemeinschaft – immerhin 141 von 193 UN-Mitgliedstaaten, die den russischen Angriff verurteilt haben – wird sich auf eine andere Strategie einigen müssen, wenn sich der Ukraine-Krieg nicht wiederholen soll. Leider werden es zunächst massive Investitionen in die Rüstung sein, die zu Lasten des Klimaschutzes gehen. In Europa wird die Stärkung der NATO unvermeidlich sein. Dann wird es ein weltweit koordiniertes Regime für Wirtschaftssanktionen gegenüber verbrecherischen Autokratien brauchen, was nicht nur für Russland gilt. Die UN wird sich eine neue demokratische Struktur und eine viel robustere Eingreiftruppe geben müssen, wenn sie Angriffskriege und Völkermord verhindern will. Schließlich wird es einen Durchbruch zur nuklearen Abrüstung brauchen. Es kann im 21. Jahrhundert nicht mehr sein, dass sich autoritäre Mächte unter dem militärischen Schirm ihrer Atomwaffen alles erlauben. Dann bliebe dem Faustrecht immer Spielraum sowohl für Erpressung als auch für konkreten Angriff. Putin braucht nur mit »noch nie gekanntem Ausmaß an Gewalt« zu drohen und kann über Nachbarländer herfallen. Die entsprechende Konvention gibt es bereits, den Atomwaffenverbotsvertrag. Er ist am 22. Jänner 2021 in Kraft getreten. 86 Staaten haben ihn unterzeichnet, 56 haben ihn ratifiziert. Natürlich die heutigen Atommächte nicht. Die offiziellen und De-facto-Atommächte haben damals gar nicht an den Verhandlungen teilgenommen. Doch genau das ist die Herausforderung der nächsten Zeit: nicht nur einen Atomwaffensperrvertrag mit allen Mitteln einhalten (geschieht derzeit gegenüber dem Iran), sondern auch den Atomwaffenverbotsvertrag endlich zu einem Pfeiler einer echten globalen Friedensordnung zu machen.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Souveränität nur in Partnerschaft?
Ukraine

Vor den Augen der Welt, ja sogar des UN-Sicherheitsrats, dreht der Kreml das Rad der Zeit zurück: vor 2014 (Maidan, die Befreiung vom Janukowytsch-Regime), vor 1991 (Unabhängigkeitserklärung der Ukraine), vor 1922, als die erste sozialistische Sowjetrepublik der Ukraine entstand, und eigentlich bis ins 19. Jahrhundert, als es den Staat Ukraine noch nicht gab, sondern nur die absolute Zarenherrschaft. Als neuer Zar in einem eurasiatischen Raum ohne Völkerrecht und Menschenrechte sieht sich anscheinend auch sein heutiger Herrscher. Der von der Mission der »russischen Zivilisation« besessene Ex-KGB-Mann sieht sich als Wegbereiter des neuen eurasisch-russischen Großreichs mit der Ukraine als Teil davon.

Nach all dem, was die Ukrainer im 20. Jahrhundert unter Russland erlebt haben, wird verständlich, warum sie nichts mehr von einer Kremlherrschaft wissen wollen. Im historischen Gedächtnis der Ukraine ist nicht nur die jüngste Vergangenheit verankert, sondern auch der Holodomor: die durch die Zwangskollektivierung Stalins ausgelöste Hungersnot, die in den 1930er Jahren mindestens 3,5 Millionen Ukrainern das Leben kostete. An dieses und andere Verbrechen unter russischer Herrschaft erinnert Wolfgang Mayr auf Voices. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, während der russische Despot von »Entnazifizierung der Ukraine« faselt. Hundert Jahre nach Gründung der ersten Republik Ukraine 1922 entsteht jetzt eine neue »Provinz Ukraine« von Putins Gnaden.

Die Vorlage für diesen ethnofaschistischen Wahn scheint Slobodan Milošević mit seinem Plan für Großserbien geliefert zu haben, den Russland immer gestützt hat, auch in der Zeit, als Putin schon Präsident war. Dieser Plan ist nach Aggressionskriegen, Massenvertreibung und Völkermord in den Nachbarstaaten Serbiens gescheitert, auch weil Europa und die NATO diese Art von Verbrechen am Ende nicht dulden wollten. Dass Putin für seine Pläne über viele tausend Leichen zu gehen bereit ist, hat man nicht erst seit seinem Invasionsbefehl vom 24. Februar 2022 erkennen können. Seine Blutspur zieht sich vom Zweiten Tschetschenienkrieg (1999-2009, 75.000 zivile Opfer) über die Kriege in Georgien, die Annexion der Krim, den von Moskau gesteuerten Aufstand im Donbass, die Ermordung missliebiger Russen im Ausland, den Giftanschlag auf Nawalny und als bisherigen Höhepunkt die erbarmungslose Bombardierung der syrischen Zivilbevölkerung im Krieg des Assad-Regimes gegen das eigene Volk.

In vielen Äußerungen hat Putin deutlich gemacht, dass er die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine von 1991 (90,3% der Wählerschaft hat zugestimmt) eigentlich gar nicht anerkennt. Er hat die Auflösung der Sowjetunion immer als die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts« bezeichnet. In einem Aufsatz vom Juli 2021 Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern« hat Putin seine Linie gegenüber der Ukraine schon vorgezeichnet, die jetzt ablaufende Invasion ideologisch gerechtfertigt: »Ich bin überzeugt, dass die Ukraine echte Souveränität nur in Partnerschaft mit Russland erreichen kann«, schrieb er. Eine Partnerschaft, die jetzt mit Panzern und Raketen hergestellt wird. Mit anderen Worten: Die Ukraine darf souverän sein, sofern sie sich partnerschaftlich unterwirft. In dieser Schrift stellt Putin die Existenz der Ukraine als eigene Nation infrage und behauptet, dass die gegenwärtige Regierung des Landes von westlichen Verschwörungen gesteuert sei.

In seiner Rede im russischen Staatsfernsehen vom 21. Februar 2022 hat Putin seinen Überfall auf die Ukraine angekündigt und gerechtfertigt. Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel bezeichnete diese Rede als eine klassischen »Hatespeech«. Putin komme nicht damit klar, dass das sowjetische Imperium auseinandergefallen sei, so das Zitat auf Wikipedia. Er flüchte sich zu Stalin, der das große Land zusammengehalten und das Auseinanderdriften der Republiken aufgehalten habe. »Er schleppt die ganze unverarbeitete imperiale Geschichte der Russen mit sich, die unbewältigte Vergangenheit Russlands und der Sowjetunion. Zugleich unterdrückt er die Aufarbeitung und damit das Freiwerden für die Zeit nach dem Imperium.« Die Inhalte betreffend sei die Rede »einfach völlig irre«. Die angebliche Geschichtsinterpretation diene als Vorspann lediglich dazu, die Ukraine als eigenständige Nation zu negieren und so zu tun, als habe die derzeitige Regierung mit dem ukrainischen Volk nichts zu tun. Putin propagiert laut Schlögel schon seit Jahren die Russkij Mir, die »russische Welt«, ein imperiales und völkisches Konzept, demzufolge überall dort, wo Russen leben und wo Russisch gesprochen wird, ein Recht Russlands bestehe, mitzureden und zu intervenieren

Diese Art von militärisch erzwungener »Partnerschaft« nach Zarenmanier, wie im Aufsatz vom Juli 2021 angesprochen, wird Putin wohl nicht lange überleben. Focus hat mit seiner Analyse von Putins Politik von 2012 wohl recht, als das Magazin zu seiner Politik in sechs Bereichen (Stabilität, Sowjetnostalgie, Modernisierung, starkes Russland, Oligarchen und Demokratie) schrieb: »Je länger Putin das Riesenreich mit Gewalt zusammenhält und auf Unterdrückung setzt, umso größer die Gefahr des Auseinanderbrechens.« Bis es aber so weit kommt, und Putin mit den anderen Schurken des russischen Regimes vor dem Internationalen Strafgerichtshof steht wie damals Milošević, kann er leider noch viel Leid und Unheil anrichten. Man hätte es wissen müssen.

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Putins Angst vor Gendern?

Die freiheitliche Landtagsabgeordnete Ulli Mair verteidigt den russischen Neo-Imperialismus

Ulli Mair äußert ihre Ansichten nicht hinter vorgehaltener Hand. Das Interview in der Neuen Südtiroler Tageszeitung ist ein Beispiel dafür. Sie wirft dem Westen, stellvertretend dafür den USA und Deutschland, vor, auf ein Gesellschaftsmodell zu setzen, das nicht überall wohlwollend aufgenommen werde. Mair stößt sich am bunten Regenbogen-Deutschland, am offenen Auftreten von Schwulen, Lesben, an Menschen, die in kein gesellschaftliches Korsett passen. Das stört Ulli Mair, genauso die neonazistische AfD und auch den starken Mann im Kreml, der seine rücksichtslose Polizei immer wieder prügeln lässt, Anti-Kriegsdemonstranten genauso wie Vertreter indigener Völker aus Sibirien, Schwule. Das freie Leben im Westen, um Ulli Mair zu interpretieren, provoziert also Putin?

Geschenkt die Analyse von Mair, dass die Linke in Deutschland den Staat heruntergewirtschaftet hat (wer regierte die vergangenen 16 Jahre?) und dass die Volksparteien Befehlsempfänger Washingtons sind. Die Befehle gibt wahrscheinlich die Ostküste, Rechte meinen damit das amerikanische Judentum.

Ulli Mair stellt, wie ihr Idol Putin, arrogant fest, dass die Ukraine kein nationaler Staat ist. Sondern? Sie kritisiert, dass in der Ukraine nicht alle Menschen gleich denken. Aha. Will Ulli Mair einen Führerstaat, in dem alle Menschen gleich denken müssen? Denken in Südtirol alle gleich?

Die freiheitliche Landtagsabgeordnete verdrängt in ihrer Pro-Putin-Betrachtung, dass die Sowjetunion über Jahrzehnte hinweg die ukrainische Sprache diskriminiert hatte. Sie vergisst auch, dass die russische Sowjetunion für den Hungerholocaust in den 1930er Jahren verantwortlich ist. Für einen Genozid. Mehr als drei Millionen Ukrainer fielen dieser politisch gewollten Hungerskatastrophe zum Opfer. Weitere sieben Millionen Menschen starben im Krieg der Nazis, »bloodlands«, bezeichnete der Historiker Snyder die Ukraine. Zweifelsohne ist das ukrainische Sprachengesetz ein Verstoß gegen die Menschen- und Minderheitenrechte. Aber auch eine nachvollziehbare Reaktion auf die 70-jährige russische Kolonialisierung des Landes. Klar, aber – nicht nur strategisch – falsch.

Mair schreibt am russischen Märchen der illegalen Nato-Osterweiterung weiter. Da ist aber nichts Illegales, Akteure von damals dementieren dieses PutinNarrativ«. Es sind unabhängige Staaten, die nach dem Nazikrieg und der stalinistischen Herrschaft um Aufnahme in die Nato gebeten haben. »Man sagt immer, dass Russland der Wiedervereinigung Deutschland [sic] zugestimmt hat, weil die NATO das Versprechen abgegeben habe, sich nicht weiter nach Osten auszudehnen«, zitiert Ulli Mair »man«.

Mair sagt im Interview, sie lehnt Angriffskriege ab. Ein billiges Lippenbekenntnis. Sie macht »die Amerikaner« für eine ganze Reihe von Kriegen verantwortlich, zitiert dabei Tschetschenien und Syrien. Zwei Länder, die Putin plattbombardieren ließ und lässt. In Tschetschenien installierte der Mair-Freund ein brutales Killerregime, in Syrien stützt Putin den Diktator Assad.

Ulli Mair ist die dienstältesteLandtagsabgeordnete und findet als Bürgerin vieles, was derzeit geschieht, nicht transparent. Weil die westliche Diplomatie zu wünschen übrig lässt, weil der Westen den Bösen ausfindig gemacht hat, weil die Medien »uns« berieseln, weil die Wahrheit unter die Räder kommt, weil Südtirols Landwirtschaft draufzahlen wird. So ähnlich formuliert es der ungarische Ministerpräsident Orban, so argumentierten auf einem Treffen rechtsradikale Parteien Westeuropas. Der russische Präsident sponserte gezielt in den letzten Jahren die europäische Rechte, tanzte mit der ehemaligen österreichischen Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ-nah), das war ein symbolträchtiges Bild. Kneissl ist heute Aufsichtsratsmitglied des russischen Konzerns Rosneft und Gastautorin des Kreml-Propagandasenders Russia Today.

Über die Opfer des russischen Aggressionskrieges in der Ukraine verliert Ulli Mair kein Wort. Da liegt sie wieder gleichauf mit den AfD-Politikern Alice Weidel und Tino Chrupalla, auch mit Donald Trump und anderen rechten westlichen Politikern, die neidisch nach Russland schielen.

Wie kommt Mair dazu, der Ukraine den Nato-Beitritt zu verwehren? Sie spricht der Ukraine ihre Souveränität ab.

Wer ist Ulli Mair? Abgesehen davon, dass es dazu ja nicht mehr kommt: Putin wird aus der souveränen Ukraine einen Vorhof bauen, eine russische Kolonie.

Ulli Mair faselt in dem Interview über eine Annexion fremder Gebiete unter urkainischer Flagge. Es gibt keine ukrainischen Annexionen. Nach der bolschewistischen Revolution wurden Teile des Donbass der Ukraine zugesprochen, aber nicht von der Ukraine annektiert. Stalin-Nachfolger Nikita Chruschtschow schenkte in seiner unermesslichen Freundlichkeit die Krim der Ukraine. Nichts mit Annexion. Stalin hatte während des Zweiten Weltkrieges die Ureinwohner der Krim, die Krimtataren, kollektiv deportieren lassen, in die zentralasiatischen Sowjetrepubliken. Weiß Ulli Mair, worüber sie gerade schwafelt?

Und noch ein Versuch einer Erklärung, wer Ulli Mair ist: Im fernen 2002, vor 20 Jahren, polemisierte Mair gegen die Spendeninitiative Jüdischer Gedenkstein auf dem Bozner Friedhof in Oberau. Mair wetterte damals gegen diese Initiative und wandte sich gegen BürgerInnen, die privates Geld für den Gedenkstein spenden wollten. Das ist Ulli Mair – derzeit als Pressesprecherin von Wladimir Putin tätig.

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Einträgliche Kriegsindustrie.
Iveco Defence Vehicles

Die Rüstung ist eine enorme, wahnsinnige Gelddruckmaschine — auch in Südtirol, wo sich der weltweite Hauptsitz von Iveco Defence Vehicles (IDV) befindet. Dort konnte im soeben abgelaufenen Jahr die Produktivität derart gesteigert werden, dass im Februar allen Angestellten ein steuerlich begünstigter Bonus von rund 600 bis 1.000 Euro winkt. Dies berichtet der Corriere in seiner heutigen Südtirolbeilage.

In Zeiten wie diesen, wo die Nato auf der einen und Russland auf der anderen Seite die Muskeln spielen lassen und Europa bald erneut in einem verhängnisvollen Krieg versinken könnte, hat diese Nachricht einen besonders dumpfen Klang. Die Russische Föderation gehört dabei genauso zu den Abnehmern von IDV-Militärfahrzeugen wie einige Nato-Mitgliedsstaaten.

Im Jahr 2016 hatte Hans Heiss (Grüne) versucht, mit einer Landtagsanfrage (2239/16) Informationen über den Rüstungskonzern in Erfahrung zu bringen. Auskunft gab es jedoch keine, das Land hat keinen Einblick.

Auf eine frühere Anfrage (466/14) von Alessandro Urzì (AAnC, heute FdI), der nicht weniger als einen Ausbau der Rüstungsindustrie in Südtirol angeregt hatte, gab Arno Kompatscher im September 2014 bekannt, dass das Land die Rüstungssparte von Iveco seit 2004 mit über 600.000 Euro gefördert hatte. Die wirtschaftliche Bedeutung von IDV beschrieb der LH damals als »sehr groß, sowohl in Bezug auf die Beschäftigung, als auch den Mehrwert und die Kompetenzen betreffend.« Ein kritisches Wort zur kriegsrelevanten Rolle des Unternehmens war nicht zu lesen.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Missachtetes Selbstbestimmungsrecht als Konfliktursache.
Berg-Karabach – Republik Arzach

Derzeit wird die kleine Bergregion Karabach von aserbaidschanischen Truppen mit türkischer Unterstützung großflächig bombardiert. Über tausend Menschen sind umgekommen, 75.000 Bewohner, die Hälfte der Bevölkerung von Arzach, sollen schon geflohen sein. Die 1991 selbst erklärte Republik Arzach ist eine armenische Enklave in Aserbaidschan, deren Status in der Sowjetzeit nie zufriedenstellend gelöst worden ist. In den Kriegen seit 1991 sind mehr als 40.000 Menschen umgekommen, davon 23.000 Armenier. Auch an die 600.000 Azeris sind aus den umstrittenen Gebieten geflüchtet. Mithilfe Armeniens hat die Republik Arzach nämlich eine größere Pufferzone besetzt, um sich gegen neue Offensiven Aserbaidschans militärisch abzusichern.

Das autoritäre Regime in Baku wird von der Erdogan-Despotie militärisch unterstützt, die diesen Kriegseintritt zugunsten des „Brudervolks“ von Aserbaidschan auch im großen Stil propagandistisch ausschlachtet. Diktator Alijev setzt auf die nationale Solidarität im Kampf gegen den äußeren Feind, zumal es in seinem Land wirtschaftlich und sozial immer mehr bergab geht. Auf der anderen Seite steht das demokratische Armenien. Der nach einem demokratischen Frühling gewählte Präsident Paschinjan hat im August 2019 in Stepanakert, der Hauptstadt der Republik Arzach, klipp und klar gesagt: „Arzach ist und bleibt Armenien.“

Die Türkei eröffnet mit der Intervention zugunsten Aserbaidschans einen neuen Kriegsschauplatz gegenüber Armeniens Schutzmacht Russland, neben Syrien und Libyen, um seine Verhandlungsposition auszubauen. Erstaunlich: die Erdogan-Despotie ist trotz ihrer völkerrechtswidrigen und aggressiven Außenpolitik immer noch NATO-Mitglied, also unser Bündnispartner. Nicht erstaunlich: die EU hat wie gewohnt keine einheitliche und klare Position zu diesem Konflikt.

Voraussichtlich wird es, vermittelt durch Russland, die USA und die sog. Minsker Gruppe der OSZE, zu einem neuen Waffenstillstand kommen mit einer Korrektur der heutigen Pufferzone. Das wäre wiederum keine dauerhafte stabile Lösung. Der 1918 gegründete Staat Aserbaidschan erhielt das Gebiet 1921 und erhebt heute Anspruch auf die Wiederherstellung seiner staatlichen Integrität. Die UN und der Europarat haben in Resolutionen die Rückgabe von Arzach an Aserbaidschan gefordert: eine Fehlentscheidung, die von den Armeniern von Arzach komplett abgelehnt wird: es ist, als ob die Staatengemeinschaft aus 100 Jahren leidvoller Erfahrung nichts gelernt hätte.

Eine stabile Lösung kann nur durch die in verschiedenen UN-Konventionen grundgelegte Anwendung des Selbstbestimmungsrechts erreicht werden, indem den Menschen das Recht auf freie Entscheidung über ihren politischen Status erlaubt wird. Die Staatengemeinschaft muss sich zur Anwendung dieses demokratischen Grundrechts als Friedensinstrument durchringen. In einem zweiten Schritt kann sich das Volk von Arzach für die Integration in den Staat Armenien entscheiden, da diese Mini-Republik als unabhängiger Staat kaum überlebensfähig ist.

Warum Selbstbestimmung? Die Armenier von Berg-Karabach (Arzach, armenische Schreibweise Artsakh) wurden schon vor genau 100 Jahren Opfer eklatanter Fehlentscheidungen der Staaten. Ihr Siedlungsgebiet gehört seit Jahrhunderten zum Kern armenischer Gebiete im Kaukasus. Die Friedenskonferenz von Paris konnte sich bezüglich Karabach nicht entscheiden, das schon damals zu 90% von Armeniern bewohnt war. Zwischen Dezember 1920 und Juni 1921 waren sowohl Nachitschewan (heute „autonome“ Region von Aserbaidschan) als auch Berg-Karabach Sowjetarmenien überlassen worden. Auf Drängen der kemalistischen Türkei schlug die Sowjetunion im Juli 1921 beide Gebiete Aserbaidschan zu. Die Armenier von Berg-Karabach wurden einfach übergangen, beharrten aber im 20. Jahrhundert immer auf Wiedervereinigung. Die Anträge des pseudoautonomen Oblast (Kreis) Berg-Karabach aus Aserbaidschan entlassen und Armenien angegliedert zu werden, wurden pauschal abgelehnt. In der Reformperiode seit 1988 bildete sich eine Volksbewegung unter der Losung „Miazum!“ (Vereinigung), die von Aserbaidschan ignoriert wurde. Als sich daraufhin Karabach praktisch geschlossen loslöste, überzog Aserbaidschan die kleine Bergregion mit Krieg.

Somit erleben die Armenier von Arzach derzeit eine neue Runde eines 100 Jahre alten Konflikts. Wenn man heute tausende weiterer Opfer vermeiden will, müssen — nach 100 Jahren Missachtung des Selbstbestimmungsrechts einer kleinen Volksgruppe — die beiden betroffenen Staaten, die Minsker Gruppe der OSZE und die UNO die schwerwiegenden Fehler von damals korrigieren. Beispiel ist der Fall Kosovo: obwohl schon 1913 mit großer Mehrheit von Albanern bewohnt, wurde es nicht Albanien, sondern Serbien zugeschlagen mit allen bekannten Folgen. Es hat nach Krieg und Vertreibung 1999 eine „Sezession als Akt der Notwehr“ erreicht, die international mehrheitlich anerkannt worden ist. Tragisch ist heute die geschichtliche Kontinuität von Völkermordverbrechen: die Nachkommen der Opfer des osmanischen Völkermords an den Armeniern von 1915 werden von Aserbaidschan mit Drohnen aus israelischer Produktion bombardiert, die von der Erdogan-Despotie an Baku geliefert werden, ein Staat, der den Genozid an den Armeniern nie anerkannt hat.

Zur Vertiefung: zahlreiche Publikationen der Armenien-Spezialistin im deutschen Sprachraum, Tessa Hofmann.

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Griechenland stimmt Nordmazedonien zu.

Heute hat das griechische Parlament nach einer 40stündigen Rekordsitzung mit 153 zu 146 Stimmen dem neuen Namen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zugestimmt, die fortan Nordmazedonien heißen soll. Damit dürfte ein jahrelang schwelender Namensstreit beigelegt sein, der auf der Tatsache beruht, dass sich die geografische Region Mazedonien bzw. Makedonien — außer auf die frühere jugoslawische Teilrepublik — auch auf Griechenland, Bulgarien, Albanien und Serbien erstreckt.

Vor allem Griechenland wollte verhindern, dass das nunmehrige Nordmazedonien die Bezeichnung Mazedonien für sich allein beansprucht.

Mit der jetzt erfolgten Einigung, die dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras (Syriza) vonseiten der Opposition unter anderem den Vorwurf des Verräters eingebracht hat, dürfte Nordmazedonien der Erfüllung seines Wunsches deutlich nähergekommen sein, sowohl der EU, als auch der NATO beizutreten.

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Die Kurden Syriens und der Westen.
Jahrtag des Angriffs auf Afrin

Am 20. Jänner 2018 hat die türkische Armee, unterstützt von syrischen Dschihadistenbanden, die kurdisch-syrische Grenzregion Afrin angegriffen und nach zwei Wochen Krieg erobert und besetzt. Vor wenigen Tagen hielten die GfbV und Kurdenvereine in aller Welt Mahnwachen dazu ab. Seitdem hält das Erdoğan-Regime mithilfe dieser Milizen Afrin nicht nur besetzt, sondern betreibt mit Nachdruck ethnische Säuberung. Durch unzählige Gewaltakte werden die kurdischen Bewohner vertrieben, syrische Dschihadisten machen sich breit. Den kurdischen Bauernfamilien wird Land, Hof und Eigentum geraubt, öffentliche Infrastruktur zerstört, das kurdische Kulturgut arabisiert. Bis 2011 waren gut 95% der etwa 350.000 Bewohner von Afrin Kurden, die Region war in Syrien auch bekannt als „Kurdax“ oder „Çiyayê Kurmênc“, was so viel bedeutet wie „Kurdische Berge“. Jetzt verpflanzt die türkische Okkupationsmacht die Angehörigen der syrisch-arabischen Milizen nach Afrin, baut Militärlager auf, verdrängt die verblieben Kurden. Laut einem Memorandum der GfbV sind mindestens 32 Schulen zerstört und 318 weitere geschlossen worden. In der Öffentlichkeit darf nur mehr Arabisch gesprochen werden, alles Kurdische ist aus den noch funktionierenden Schulen verschwunden. Straßennamen werden arabisiert, der Hauptplatz von Afrin-Stadt heißt jetzt „Erdoğan-Platz“. Der Alptraum der Südtiroler in den 1920er Jahren spielt sich derzeit im Zeitraffer und weit brutaler in Afrin ab, mit einem wesentlichen Unterschied: die Türkei hat diese Region in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg besetzt.

Die wenigsten westlichen Staaten haben vor einem Jahr gegen dieses Unrecht protestiert. Die EU drückte mit einigen Zeilen der Außenbeauftragten Mogherini „ihre Besorgnis“ über das Vorgehen der Türkei aus. In Deutschland stritt man sich darüber, ob jetzt tatsächlich die Nachrüstung für die von der Türkei eingesetzten Leopard II-Panzer ausgesetzt werden müsse. Die Schurken in Damaskus und Moskau freuten sich darüber, dass die Kurden im Norden Syriens geschwächt und gemaßregelt werden, obwohl die Türkei dabei syrisches Staatsgebiet besetzte. Dabei haben sich die Kurden im Norden Syriens nie von Syrien abgespalten, sondern sogar hunderttausende Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen. Die USA rührten keinen Finger, für die NATO war es kein Problem, dass ein NATO-Mitglied über eine friedliche Nachbarregion herfiel, tausend Menschen ermordete und 250.000 vertrieb. Interessant auch der Unterschied im Verhalten der EU und des Westens im Fall der Krim-Annexion 2014 und der Afrin-Invasion 2018. Während die Verletzung der Souveränität der Ukraine durch Russland mit Sanktionen geahndet wurde, blieb Europa dem völkerrechtswidrigen Handeln des EU-Beitrittskandidaten und NATO-Mitglieds Türkei gegenüber völlig passiv.

Diese Passivität des Westens, der EU und der USA, arbeitet natürlich Erdoğan, Putin und Assad in die Hände. Die Türkei will die demokratische Föderation Rojava-Nordsyrien als Ganze vernichten und eine dauerhafte Pufferzone zwischen Syrien und der Türkei einrichten. Das Assad-Regime will mit Unterstützung der Russen möglichst das ganze Staatsgebiet wieder unter seine Kontrolle bringen und jede Form von demokratischer Autonomie in Teilgebieten beseitigen. Der IS, von der Türkei lange genug geduldet oder gar gefördert, ist von den kurdischen Selbstverteidigungskräften Rojavas am Boden besiegt worden. Zum Dank dafür werden sie von der Trump-Administration jetzt im Stich gelassen. Der Truppenabzug der USA aus Rojava ist eine Einladung an die Türkei, den nächsten Aggressionskrieg zu starten, denn in Afrin hat die „Staatengemeinschaft“ schon bewiesen, dass ein derartiger Angriffskrieg keine Folgen für den Aggressor haben wird. Erdoğan kann sich sicher fühlen.

Mit der Invasion der multiethnischen, demokratischen Autonomen Region in Nordsyrien kann man auch die Hoffnung auf ein föderales, demokratisches Nachkriegs-Syrien abschreiben. An Afrin und dem drohenden Angriff der Türkei auf Rojava-Nordsyrien, auf den die EU genauso wenig reagieren wird, lässt sich die Ausrichtung der europäischen Außenpolitik im Nahen Osten bemessen. Frieden und Stabilität, Demokratie und Minderheitenschutz, Schutz der Zivilbevölkerung und der Menschenrechte: oft nehmen die Staatschefs der EU diese Worte in den Mund. In Afrin und Rojava erweist sich, worum es dabei geht: leeres Geschwätz.

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Doch besser ein eigener Staat?

Die autonome Kurdenregion Afrin ist soeben von den türkischen Invasionstruppen, unterstützt von Dschihadistenbanden, erobert worden. Tausende Kämpfer der Selbstverwaltungseinheiten sind gefallen, und viele hundert Zivilisten in den Bombardements umgekommen. 150.000 Kurden und andere Syrer haben ihre Heimat verlassen müssen. Es gibt kaum einen krasseren Bruch des Völkerrechts als einen solchen Angriffskrieg mit der Vertreibung eines Nachbarvolks aus seinem angestammten Gebiet. Seine einzige „Schuld“: Es will innerhalb eines demokratischen Syriens eigenständig sein. Nach Afrin steht das Völkerrecht wieder mal als zahnloses Regelwerk da, missachtet von Aggressoren, Komplizen und passiven Zuschauern.

Afrin ist nicht nur von Russland, dem Paten des Assad-Regimes, geopfert worden, sondern Syrien selbst hat nichts unternommen, um seine Staatsbürger zu verteidigen, weil diese Region als Teil des autonomen Rojava unbotmäßig ist. Schließlich haben auch die USA ihre Verbündeten im Kampf gegen den IS einfach im Stich gelassen. Das offizielle Europa sieht bei diesem Drama achselzuckend zu und lässt Erdoğan gewähren. Es gab keine nennenswerte Initiative irgendeiner europäischen Regierung, für Afrin Schutz zu fordern und zu veranlassen. Die französische Regierung hat der Türkei sogar „legitime Sicherheitsinteressen“ in Afrin zugebilligt. Federica Mogherini hat sich nach der Eroberung Afrins durch die Türkei und Kurdenvertreibung „besorgt“ gezeigt. Sie wird sich wohl auch bei den kommenden Genozidverbrechen der Türkei nichts als „besorgt“ zeigen und damit hat es sich dann auch. Das ist die EU heute.

Von der NATO und der EU haben sich die Kurden wohl kein Eingreifen erwartet, doch die Mitverantwortung der Europäer ist nicht zu leugnen. Die Türkei hat Afrin mit Panzern aus Deutschland, mit Kampfjets aus den USA, mit Helikoptern aus Italien und Waffen aus anderen NATO-Ländern sturmreif geschossen. Hier verübt ein NATO-Partner und EU-Beitrittskandidat einen Angriffskrieg und die Verbündeten schauen zu. Während die EU ein ähnliches, in verdeckter Form verübtes Verbrechen in der Ukraine zumindest mit Sanktionen ahnt, gab es bei Afrin bisher nicht die geringsten Forderungen, dieselben Maßstäbe anzulegen.

Die „internationale Staatengemeinschaft“ steigt sehr schlecht aus diesem Konflikt aus, wie aus dem gesamten bisher 7 Jahre andauernden Syrien-Konflikt. In Syrien mischen eine ganze Reihe ausländischer Mächte mit. Die autonome, multiethnische und demokratische Region Rojava-Nordsyrien musste sich mit hoher Opferzahl gegen den IS verteidigen und war doch eine Oase des Friedens geblieben, die hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat (mehr als Deutschland). Wenn der IS heute im Wesentlichen besiegt ist, dann ist dies der kurdischen SDF zu verdanken. Die USA und Europa danken es den Kurden mit Zuschauen bei türkischen Verbrechen. Dankbarkeit ist eben keine Kategorie internationaler Politik.

Welche Lehren müssen die Kurden selbst aus diesem Versagen des Völkerrechts und seiner Garanten in der „Staatengemeinschaft“ ziehen? Eines haben die Kurden wiederum schmerzlich erfahren: sie können sich auf niemanden verlassen, schon gar nicht auf den Westen. Der IS ist besiegt, jetzt überfällt sie die Türkei, doch man lässt sie fallen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, er kann gehen. Die zweite Lektion ist die Eigenstaatlichkeit. Hätten die Kurden zumindest im Irak und Syrien ihren eigenen Staat mit militärischer Verteidigung, könnten sie nicht in zwei Monaten vom Nachbarn Türkei überrannt und vertrieben werden. Sie könnten ihre Verteidigung organisieren, Verbündete gewinnen, selbst die Ausrüstung beschaffen, zur Freude europäischer Waffenlieferanten. Doch setzen gerade die Kurden und anderen Volksgruppen im Norden Syriens auf bloße Autonomie in einem föderalen und demokratischen Nachkriegs-Syrien unter Verzicht auf einen eigenen Nationalstaat. Eine Illusion? Unter völkerrechtsverachtenden Nachbarstaaten und Großmächten ist das, als wollte man Wölfen Vegetarismus predigen.

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