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Sesselkleberei beendet.

Es bedurfte eines Urteils des Kassationsgerichts, um Christian Egartner (SVP) dazu zu bewegen, seinen Landtagssessel endlich zu räumen. Gerichte hatten ihm bereits in erster und zweiter Instanz bescheinigt, dass er 2008 nicht wählbar war. Als erste Nichtgewählte seiner Partei wird Julia Unterberger seine Nachfolge antreten.

Finanziellen Schaden hat er dem Land nicht nur durch sein widerrechtlich empfangenes Politikergehalt zugefügt. Weil die SVP eine authentische Interpretation des Wahlgesetzes forcieren wollte, wurden auch Ressourcen des Landtages gebunden. Schließlich holte Landtagspräsident Dieter Steger (SVP) auf Kosten des Steuerzahlers auch noch zwei Gutachten ein, die angeblich zum Schluss kamen, Egartner müsse selbst nach seiner Verurteilung in zweiter Instanz nicht zurücktreten. Wenn das auch zutreffen sollte, ändert dies nichts an der politischen Opportunität, das Amt zumindest ruhen zu lassen, bis das Kassationsgericht entschieden hat.

Noch größer ist aber der Schaden, den Egartner und seine Partei der Demokratie und der Transparenz zugefügt haben. Dies, während die SVP gleichzeitig die politische Wählbarkeitsfeststellung aus Eigeninteresse missbraucht, um unliebsame Gegner auszuschalten.

Der Druck auf Landtagspräsident Dieter Steger steigt jetzt ebenfalls, da auch in seinem Fall erhebliche Zweifel an der Wählbarkeit bestehen. Solange ihn niemand anzeigt, wird es aber keine gerichtliche Feststellung geben — und auf einen Rücktritt warten wir wohl vergeblich.

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Hinterland von Venedig.

Wie die Tageszeitung in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, hat die Landesregierung beschlossen, dass Bozen sich an der Kandidatur des Triveneto als Europäische Kulturhauptstadt beteiligt. Das Triveneto wurde im Faschismus eingeführt, u. a. um Südtirol in einen größeren, kulturell hegemonischen Kulturraum einzubetten und so leichter zu assimilieren. Dem wäre eigentlich nichts mehr hinzuzufügen — die kulturelle Konzeptlosigkeit und Leere ist derart trostlos und eklatant, dass sie von selbst zum Himmel schreit.

Seit Jahren wird über eine eigenständige Kandidatur Bozens und über eine gemeinsame Bewerbung der Europaregion debattiert, und nun degradieren wir uns mit einer Nacht- und Nebelaktion unserer Regierung freiwillig zum kulturellen Anhängsel Venedigs. »Weil wir auch als Euregio keine Chance gegen Venedig gehabt hätten«, wie der Landeshauptmann in vorauseilender Selbstunterschätzung feststellt. Bozens Bürgermeister Spagnolli ist mit dieser Lösung sehr zufrieden und bezeichnet die Landeshauptstadt (ohne Witz!) als Hinterland der Lagunenstadt. Wir machen uns die zentralistische Kulturauffassung des Faschismus zueigen und bestätigen sie noch 65 Jahre nach Kriegsende — aus freien Stücken.

Ende 2005 hatte ich davon geschrieben, dass die Floskel vom Schnittpunkt der Kulturen nichts anderes bezeichne, als Südtirols Peripherizität in zwei Kulturräumen, ohne ernstzunehmende eigenständige Produktion. Eigentlich hatte ich geglaubt, dass wir — durch das Erstarken zahlreicher hochwertiger Initiativen wie Transart, Festival Bozen und Tanz Bozen, durch die Austragung der Manifesta und die Eröffnung des Museions — die Überwindung dieser dunklen Phase anpeilen. Doch jetzt muss ich zur Kenntnis nehmen, dass zumindest die offizielle Kulturpolitik außerstande ist, diese Realität zur Kenntnis zu nehmen, aufzuwerten und zusammen mit anderen kulturellen Eigenheiten (die Dreisprachigkeit zum Beispiel) selbstbewusst in den Vordergrund zu stellen. Die Landesregierung begreift Südtirol nicht einmal mehr als Schnittpunkt der Kulturen, sondern sogar als kulturelles Hinterland nur einer davon. So präsentieren wir uns der Welt.

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Einsatz für mehr Transparenz.

Während einer eigens einberufenen Pressekonferenz haben die Südtiroler Grünen gestern angekündigt, vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Landesregierung und die SEL AG erheben zu wollen. Sowohl die Exekutive, als auch die Landesenergiegesellschaft (welche sich zu 100% in öffentlicher Hand befindet) hatten sich wiederholt geweigert, dem Landtag wesentliche Informationen über Verträge mit den Energieriesen Enel und Edison zugänglich zu machen. Mit ihrer Forderung nach Offenlegung waren die grünen Landtagsabgeordneten Riccardo Dello Sbarba und Hans Heiss zuvor mehrmals abgeblitzt. Dadurch wird die demokratische Kontrollfunktion des Landesparlaments über die Nutzung des öffentlichen Gutes Wasserkraft deutlich eingeschränkt. Das diesbezügliche Recht soll nun gerichtlich erstritten werden.

Ein unmissverständliches politisches Signal sandten auch die Landtagsabgeordneten Schuler und Noggler (beide SVP) aus, die sich an der Pressekonferenz der Grünen beteiligten — um ihre volle Unterstützung für den Rekurs kundzutun. Die beiden »Abweichler« hatten sich bereits in der Vergangenheit ausdrücklich für mehr Transparenz in dieser Angelegenheit eingesetzt und scheuen im Sinne dieses Prinzips (lobenswerterweise) auch nicht davor zurück, mit der Opposition gemeinsame Sache zu machen.

schließt sich der grünen Forderung nach Offenlegung der Verträge und aller weiteren Details an. Den juridischen Aspekt wird das Gericht zu prüfen haben. Politisch ist aber in jedem Fall inakzeptabel, dass die öffentliche Energiegewinnung ominösen Geheimhaltungsklauseln unterworfen wird.

Siehe auch 1›

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Ladinische Fahrpläne sind da.

Orar ladin.

Wie von gefordert und vom Landeshauptmann versprochen, sind jetzt die neuen Fahrpläne des ÖV auch auf Ladinisch erschienen. Zwar noch mit den Macken, die ich bereits hier beschrieben hatte, aber immerhin: ein erster Schritt ist getan! Endlich!

Ich gratuliere dem Mobilitätsressort für die geleistete Arbeit!

Die neuen Fahrpläne können hier bereits heruntergeladen werden.

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Drei Tage Haft.

Wie befürchtet hat sich die Landesregierung diese Woche dafür entschlossen, aus rein politisch-ideologischen Gründen — medizinische gibt es keine — Frauen drei Tage lang im Krankenhaus festzuhalten, nachdem sie mittels Pille einen Schwangerschaftsabbruch »begangen« haben. Dieselbe für den Steuerzahler sehr kostspielige Strafmaßnahme gilt nicht für chirurgische Abtreibungen. Italien ist weltweit das einzige Land, das die Vergabe der sogenannten RU-486 mit einem Krankenhausaufenthalt verknüfpt.

Reichlich sonderbar mutet die offizielle Begründung für diesen Schritt an: Man habe sich an eine Empfehlung aus Rom gehalten. Hätte man anders entschieden, wäre das Land Südtirol dafür verantwortlich. Dass Autonomie Verantwortung bedeutet, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Schöpft man den (geringen) Handlungsspielraum nicht aus, weil man nicht den Mut dazu hat, kann man den Laden auch gleich dichtmachen.

Zahlreiche italienische Regionen mit Normalstatut (!) haben ihre Entscheidungsbefugnis ausgeschöpft und geben die Pille in »eintägiger Behandlung« ab.
Im Vorfeld des Beschlusses hatte die Landesregierung großmundig verkündet, sie würde sich strikt an medizinische Erwägungen halten. Sie wollte sich diesbezüglich auch in Innsbruck erkundigen, wo die Pille seit elf Jahren ohne Zwangsaufenthalt verabreicht wird. Offensichtlich erfolglos.

Siehe auch 1›

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RU-486.

Grundsätzlich kann man für oder gegen die Abtreibung sein. Ich selbst habe keinen Zweifel, dass Frauen — gerne nach entsprechender Beratung — dieses Recht zusteht, obschon ich natürlich hoffe, dass möglichst wenige davon Gebrauch machen (müssen). Die Politik sollte sich darauf beschränken, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Schwangerschaftsabbrüche weitgehend überflüssig zu machen, ohne jedoch durch Gebote und Verbote direkt Einfluss auf den Körper der Frau zu nehmen.

Egal jedoch, ob man Abtreibungsgegner oder -befürworter ist, finde ich die derzeitige Diskussion um die Abtreibungspille RU-486 (Mifepriston/Mifegyne) grotesk und einer liberalen demokratischen Gesellschaft völlig unwürdig. Es steht nämlich nicht der Schwangerschaftsabbruch per se zur Diskussion, obgleich manche diesen Eindruck vermitteln, sondern lediglich eine Methode, die für die betroffenen Frauen physisch und psychisch schonender ist. Sie ihnen — mit welcher Begründung auch immer — vorzuenthalten kommt einer Bestrafung gleich. Wobei man davon ausgehen kann, dass keine Frau leichtfertig entscheidet, ihre Schwangerschaft abzubrechen; viele haben außerdem auch so schon jahrelang daran zu leiden.

Ohnehin ist Italien mit der Zuslassung dieser Pille im Vergleich zu den meisten anderen westlichen Ländern arg in Verzug: Sie wurde schon 1988 im laizistischen Frankreich, 1991 in Großbritannien, 1992 in Schweden und dann vor elf Jahren (1999) in fast allen anderen westeuropäischen Ländern — einschließlich Deutschland, der Schweiz und Österreich — zugelassen. Diese italienische Verspätung ist mitunter durch den direkten und konstanten Einfluss der katholischen Kirche auf die italienische Politik zu erklären.

In allen Ländern hat sich selbst nach Jahren gezeigt, dass die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche dadurch nicht zugenommen hat, dass mit dem Präparat eine schonendere Alternative zur chirurgischen Abtreibung angeboten wird. Ihr Gewissen stellt also einen übergeordneten Filter dar, der Frauen von einem Schwangerschaftsabbruch abhält, wenn sie ihn nicht für unbedingt notwendig halten. Haben sie sich einmal dafür entschieden, lassen sie sich aber auch nicht durch die Schwere des Eingriffs abschrecken.

Genauso als Betrafung anzusehen ist die vor allem politisch motivierte — und offensichtlich durch keine medizinische Notwendigkeit zu rechtfertigende — Entscheidung, Frauen zwangsweise drei Tage lang im Krankenhaus zu behalten, nachdem sie die Pille eingenommen haben. Innerhalb Italiens variiert die Prozedur, da diese Entscheidung in den Zuständigkeitsbereich der Regionen fällt. Das Trentino oder die Emilia-Romagna haben sich für eine »eintägige« Behandlung entschieden, andere Regionen nehmen die Frau für mehrere Tage in Sicherheitsverwahrung — eine Vorschrift, die in keinem anderen Land der Welt gilt. Wobei ins Auge fällt, dass eine herkömmliche, chirurgische Abtreibung ambulant erfolgt, die Frau das Krankenhaus also in der Regel noch am selben Tag des Eingriffs verlassen kann.

Die Südtiroler Landesregierung hat noch keine diesbezügliche Richtlinien erlassen und befindet sich somit in grober Verspätung. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass sie sich strikt an medizinische Erwägungen hält und nicht in den Chor der Ideologen einstimmt, welche am Körper der Frau eine entwürdigende politische Schlacht austragen.

Siehe auch 1› 2›

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Und halt schon wieder eine Zuständigkeit.

I.

Glaubt man dem Landespresseamt, kann sich Südtirol kaum noch wehren vor immer neuen Kompetenzen. Nachdem der Landeshauptmann heute in Rom war, ist von der Zuständigkeit die Rede, das neue Gefängnis in Bozen zu bauen — und zwar aufgrund des sogenannten Mailänder Abkommens, das unsere Finanzautonomie neu regelt.

Nun, man könnte die Geschichte auch etwas anders erzählen: Das Land baut eine Justizanstalt nach staatlichen Vorgaben und schenkt sie dem Staat — der seit Jahrzehnten außerstande ist, seinen diesbezüglichen Aufgaben nachzukommen. Das heutige Bozner Gefängnis ist eine Schande und für jeden Häftling eine Zumutung.

Inhaltlich wird das Land Südtirol auch zukünftig kein Mitspracherecht haben, höchstens eines, das sich auf Verhandlungen mit und Zugeständnisse durch den Staat beschränkt. Eine veritable Zuständigkeit ist das nicht.

Obwohl der Staat seine Zuständigkeiten nur mangelhaft wahrnimmt, werden die — angesichts der offensichtlichen Ineffizienz vermutlich überhöhten — Ausgaben stets mit eingerechnet, wenn es darum geht, die von Südtirol empfangenen Gelder aufzurechnen. Dieses Thema wird gesondert zu diskutieren sein.

II.

Im Vergleich zu jenen deutscher Bundesländer wurden die Zuständigkeiten Südtirols schon mehrmals als sehr weitreichend eingestuft. Auch ausgewiesene Fachleute wie Prof. Francesco Palermo von der Eurac bescheinigen dem deutschen Föderalismus eine de facto sehr geringe Dezentralisierung.

Ich selbst bin kein Experte auf diesem Gebiet, sondern beschränke mich vor allem auf Recherchen und Beobachtungen. Wenn ich aber auf dem bayerischen Justizportal lese, was der Freistaat auf diesem Gebiet alles regelt, komme ich nicht umhin daran zu zweifeln, dass die Südtiroler Autonomie diesbezüglich mehr zu bieten hat. Einige Auszüge:

Die Gerichtsbezirke und die Gerichtssitze sind durch das Gesetz über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern vom 25. April 1973, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.10.2004, festgelegt.

Zum Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz gehören:

– die Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg
– 22 Landgerichte
– 73 Amtsgerichte
– 11 amtsgerichtliche Zweigstellen

Legt Südtirol seine Gerichtsbezirke und Gerichtssitze eigenständig fest? Gehören die Gerichte in Südtirol zum Geschäftsbereich der Landesregierung?

Der Strafvollzug ist seit dem 1. Januar 2008 durch ein Landesgesetz (Bayerisches Strafvollzugsgesetz) geregelt. Das bislang geltende Strafvollzugsgesetz des Bundes wurde insoweit ersetzt. Dieses Dokument informiert Sie über die Kernaufgaben des Vollzuges.

Art. 2 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes lautet:
“Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Er soll die Gefangenen befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Behandlungsauftrag).”

Kann das Land Südtirol den Strafvollzug per Landesgesetz autonom regeln? Das wäre dann eine Zuständigkeit.

Natürlich weiß ich nicht, welchen Handlungsspielraum der Freistaat Bayern bei seiner autonomen Gesetzgebung besitzt und wie sehr er sich dagegen an Vorgaben des Bundes halten muss. Darüber wird uns vielleicht ein in diesen Dingen bewanderter Leser aufklären können.

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Unter Landesaugen.

Abfahrten Klausen.

Gestern wurde der neu renovierte Bahnhof Klausen mit großem Trara von der Landespolitik eingeweiht. Schienennetzbetreiber RFI (Staatsbahnen) hat diese nagelneue, »perfekt zweisprachige« Abfahrtstafel Partenzetafel dazuspendiert. Ob sie dem anwesenden Landeshauptmann — der wohl nicht den Zug benützt hat — aufgefallen ist?

Als unsere Volksvertreter vor einigen Jahren die neue Methangastankstelle an der MeBo eröffnet haben, haben sie sich an der fehlenden Zweisprachigeit offensichtlich auch nicht gestört. Den Zustand haben sie nicht bemängelt oder gar zum Anlass genommen, sprachpolitische Kursänderungen einzuleiten. Im Gegenteil: Die offensichtlich »einsprachige« Tankstelle war auch noch Gegenstand eines pompösen, mit Fotos garnierten Artikels in der landeseigenen Werbebroschüre »Das Land Südtirol«.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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