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SWZ thematisiert die Eigenstaatlichkeit.

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Auf der Titelseite der dieswöchigen Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) berichtet Chefredakteur Robert Weißensteiner, dass die Idee der Eigenstaatlichkeit auch unter Unternehmern zaghaft an Attraktivität gewinnt. Genannt werden dafür vornehmlich ökonomische Gründe. »Zerfallserscheinungen« des italienischen Staates, überbordende Bürokratie und Steuerlast, aber vor allem die Bedrohung durch »griechische Verhältnisse« ließen selbst die traditionell konservative, auf Stabilität und Kontinuität bedachte Unternehmerschaft, welche »in den letzten vier Jahrzehnten keine stichhaltigen Argumente [fand], warum Südtirol weg von Italien muss«, immer öfter mit der Sezession liebäugeln.


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Comentârs

22 responses to “SWZ thematisiert die Eigenstaatlichkeit.”

  1. succus avatar
    succus

    Da Italien nach Griechenland, Spanien, Portugal und Irland nun auch langsam ins Visier der globalen Finanzspekulanten (siehe beispielsweise NZZ) gerät, ist dieser Sinneswandel gar nicht verwunderlich, sondern absehbar. Leider ist hier der blanke Opportunismus am Werk, denn solange auch nur irgendwie ein Vorteil aus der italienischen Staatszugehörigkeit gezogen werden kann, werden die Wirtschaftstreibenden nicht eine Selbstständigkeit fordern. Die Dinge ändern sich, Italien ist bereits seit langem bei verschiedensten Indikatoren nur im unteren Drittel bzw. ganz hinten zu finden. Langsam aber sicher wird vielen klar, dass dies zu einer schleichenden Verarmung und damit einhergehend zu vielen weiteren Problemen führt, zudem ist ein Ausweg nicht in Sicht. Sollte die Bonität Italiens massiv unter Druck geraten, dann werden wir von Seiten der Wirtschaftstreibenden Forderungen hören, wie wir sie vor wenigen Monaten kaum für möglich gehalten hätten.

  2. pérvasion avatar

    Da hast du Recht, succus, das ist blanker Opportunismus — der uns und unsere Ideen nicht leiten darf. Wirtschaftliche Vorteile können nie und nimmer ein hinreichender oder entscheidender Grund für die Loslösung von Italien sein, wir können sie höchstens als Katalysator für ein gesamtgesellschaftliches Projekt nutzen. Und selbst dies ist freilich nicht unproblematisch.

  3. gorgias avatar
    gorgias

    @succus

    davon abgesehen, dass ich pèrvasion zustimme, dass mit wirtschaftlichen vorteilen für eine sezession zu argumentieren der falsche weg ist, wird die aktuell angedrohte Herabstufung Italiens durch eine Ratingagentur überbewertet und hochdramatisiert.

    ich glaube du verwendest den anlass nur, um mal wieder italien-bashing zu betreiben. ich finde den artikel der nzz den du verlinkt hast ausgewogen. ich rate dir ihn vollständig zu lesen, vor allem die letzten drei absätzte. hättest du das getan glaube ich kaum dass du dich darauf bezogen hättest.

  4. succus avatar
    succus

    @gorgias
    …ich habe den gesamten Artikel gelesen. Wenn du mal die das übliche Procedere bei unseren Pleitekandidaten verfolgen würdest, dann könntest du ein gemeinsames Muster erkennen: Zuerst wird gewarnt, dann dementiert, schlussendlich aber tritt der Ernstfall ein. Schau dir mal die Diskussion um Griechenland an, da kannst du es live mitverfolgen.
    Mir geht es nicht darum ein Italien-Bashing zu betreiben, ich wünschte mir, alles wäre im grünen Bereich. Leider kann ich seit Jahren auf wirtschaftlichen Gebiet, aber auch auf vielen anderen Gebieten, eine zunehmende Verschlechterung feststellen. Das macht mir Sorgen. Gleichzeitig ist ein großer Teil der italienischen Politik nur mit sich selber beschäftigt, hier braut sich für mich Schlimmeres zusammen.

  5. Flo avatar
    Flo

    Ich verstehe nicht, wieso nicht auch der wirtschaftliche als einer der Hauptgründe für eine Loslösung von Italien akzeptiert werden sollte. Je mehr Gründe gegen Italien sprechen, umso besser. Und wir alle wissen, wenn sich einmal die Südtiroler Wirtschaft von Klein bis Groß und damit auch das Geld sich von Italien verabschiedet, dann kann vieles sehr schnell gehen (wie überall auf der Welt).
    Schon aufgrund der vielen total irrwitzigen Anti-Mafiabestimmungen und Regeln müssten viele Unternehmer vehement für eine Loslösung eintreten. Von den sonstigen wirtschaftlichen und gesetzgeberischen Problemen Italiens ganz zu schweigen…

  6. pérvasion avatar

    Ich verstehe nicht, wieso nicht auch der wirtschaftliche als einer der Hauptgründe für eine Loslösung von Italien akzeptiert werden sollte. Je mehr Gründe gegen Italien sprechen, umso besser.

    Ich bin der Meinung, dass wir ein klares und positives Südtirolprojekt ausarbeiten müssen, welches zur Überwindung des nationalstaatlichen Prinzips beiträgt. Ein negatives Projekt, welches sich vordergründig auf die Unzulänglichkeiten Italiens beruft, hat nicht nur kaum erfolgschancen, sondern steht auf den tönernen Füßen des (kurzfristigen) Opportunismus. Das BBD-Manifest beschreibt ein Modell, welches nicht auf Italienfeindlichkeit baut, sondern im Gegenteil auf die grenzüberschreitende Solidarität mit unseren Nachbarn — im Gegenzug aber auch nicht obsolet wird, wenn es Italien wirtschaftlich wieder besser geht oder wenn Berlusconi (wie heute) eine Wahlschlappe erleidet.

    Unter den hier im Blog genannten Voraussetzungen bin ich selbst dann für die Unabhängigkeit, wenn dies zunächst einen etwas kleineren Landeshaushalt bedeuten sollte.

  7. anonym avatar
    anonym

    Ich verstehe auch nicht weshalb sonst immer von Pluralismus und Meinungsvielfalt gesprochen wird und kaum geht es um die Selbstbestimmung ist nur mehr die Motivation a la BBD akzeptabel?
    Ich denke es kann viele Gründe geben weshalb man die Selbstbestimmung fordert. Wirtschaftliche gehören da genauso dazu wie idealistische Gründe wie jene der STF oder jene von BBD.
    Letztenendes will die Wirtschaft auch nur dass der Motor wie geschmiert laufen soll. Dazu gehört dann auch im eigenständigen Südtirol ein friedliches und gerechtes Miteinander der Ethnien. Niemand hätte Interesse an Spannungen und Konflikten. So what?

  8. hunter avatar
    hunter

    meine volle zustimmung für pervasions ausführungen.

    @ anonym
    versteh ich jetzt nicht ganz. du kannst ruhig auch wirtschaftliche gründe anführen, und ich werde dir im gegenzug dann halt sagen, dass ich das für opportunistisch halte und ich auch für ein unabhängiges südtirol wäre, wenn es wirtschaftlich keine vorteile brächte. was ist da das problem? wo siehst du da pluralismus und meinungsvielfalt in gefahr? ich verbiete dir deine meinung ja nicht – ich teile sie nur nicht. und das sei mir doch wohl auch erlaubt zu sagen. remember? meinungsvielfalt und pluralismus.

  9. fabivS avatar
    fabivS

    Non lo so… a me l’opportunismo di per sè non piace. Non credo che se avessimo qualche vantaggio ad annetterci alla Francia o alla Spagna, sarebbe giusto farlo. Nemmeno se l’Italia decidesse di raddoppiare le nostre entrate smetterei di credere nell’indipendenza: non amo la vita del parassita.
    La sopravvivenza economica è una condizione necessaria, perchè se non riuscissimo a vivere senza lo Stato, chiedere l’indipendenza sarebbe un suicidio. Ma i piccoli vantaggi aggiuntivi tipo “in Austria la benzina costa meno” non li considero determinanti: mah, sarà  perchè ho un Vespa invece di un SUV… :-)

    Il fatto che si continui a sostenere che l’Italia sia sull’orlo della bancarotta (ormai lo si ripete da decenni) non è un motivo per nessuno: non funziona così da nessuna parte. In Grecia, che io sappia, nessuno chiede la secessione a causa della recente crisi. Le crisi semmai acuiscono fratture preesistenti, come il vento riattiza la brace.

    E comunque più che il rating economico, ci sono altri fattori che possono incidere con maggior diritto nella scelta. La trasparenza delle istituzioni, la qualità  della vita democratica, la corruzione, le diseguaglianze sociali, la difficoltà  nell’ottenere giustizia: nemmeno Michael Kolhaas mise a ferro e fuoco la Sassonia per via del prezzo della benzina… :-)

  10. succus avatar
    succus

    E comunque più che il rating economico, ci sono altri fattori che possono incidere con maggior diritto nella scelta. La trasparenza delle istituzioni, la qualità  della vita democratica, la corruzione, le diseguaglianze sociali, la difficoltà  nell’ottenere giustizia: nemmeno Michael Kolhaas mise a ferro e fuoco la Sassonia per via del prezzo della benzina…

    Genau das ist der Punkt, es gibt vielerlei Indikatoren, welche die Lebensqualität ausmacht. Hier ist Italien nicht im Spitzenfeld, aber auch nicht auf den letzten Plätzen. Die OECD hat in den letzten Tagen eine interessante Website freigeschaltet, welche versucht, ein Ranking (auch nach persönlichen Präferenzen) von Ländern zu machen: OECD Better Life Initiative Bezüglich Griechenland: Auch hier wurde in den letzten Jahren immer wieder der desaströse Zustand der Staatsfinanzen und einer wenig wettbewerbsfähigen Wirtschaft angeführt, viele glaubten, dass geht ewig so weiter. Stimmt aber nicht, irgendwann mal ist der Karren endgültig an die Wand gefahren.

  11. anonym avatar
    anonym

    Ihr seht meines Erachtens alles ein wenig nach dem Schwarz/Weiss Muster. Der Opportunismus Vorwurf ist schon eine Art Vorverurteilung.
    Als Wirtschaftstreibender kann ich euch versichern, dass auch ich nicht nur Steuern und Geld im Kopf habe, wenn ich mich für die Selbstbestimmung einsetze, sondern eine Reihe von Gründen. Aber wirtschaftliche gehören auch dazu. Das macht mich aber nicht zu einem Opportunisten.
    Ich sehe es vielmehr so, dass wir gegen unseren Willen bei einem Staat sind, der uns nie nach unseren Willen befragt hat. Viele Südtiroler haben sich mit dieser Situation deswegen abgefunden, weil es ihnen wirtschaftlich gut erging. Bröckelt nun diese wirtschaftliche Grundlage für unseren Wohlstand, dann ist es mit diesem stillschweigenden Einverständnis eben vorbei.
    Man muss eben auch hinnehmen, dass viele Menschen keine Idealisten sind sondern zuerst an ihr Auskommen denken müssen. Für mich ist das jedenfalls ein weiterer Puzzle-Stein im Mosaik des Selbstbestimmungsgründe und sollte vielmehr wie ein Ochs vor den Karren gespannt werden, um das gemeinsame Zeil zu erreichen.

  12. hunter avatar
    hunter

    noch ein gedanke zum wirtschaftlichen argument und zur kapitalistischen denkweise im allgemeinen:

    hab neulich im radio eine meldung gehört. ein sprecher der autoindustrie hat dabei sinngemäß folgendes verlautbart: “wenn die umweltauflagen und co2-grenzwerte weiter erhöht werden, sehen wir uns gezwungen, die produktion ins ausland zu verlagern”.

    obwohl aussagen wie diese tagtäglich zu hören sind und zur normalen wirtschaftsrhetorik gehören, ist obiges statement aus einem moralischen blickwinkel betrachtet ein “schmankerl” und offenbart opportunismus und rücksichtslosigkeit schonungslos.

    grenzwerte werden ja nicht zum spass gemacht, sondern sollen ermöglichen, dass wir in einer weniger gesundheitsgefährdenden umwelt leben müssen.

    es ist demnach aber ok, die belastung, die nachweislich schädlich ist, sonst würden ja keine auflagen diesbezüglich eingeführt, anderen menschen aufzuerlegen, nur weil deren länder in punkto umweltschutz einen – sagen wir mal – recht kurzsichtigen umgang pflegen.

    hinzu kommt noch, dass viele westliche konzerne wie auch unser konsum- und wirtschaftsverhalten hauptursachen für beinahe sämtliche umweltprobleme auf der welt sind (regenwaldabholzung, raubbau, überfischung, treibhaus, ölkatastrophen, atommüll usw.). die umwelteinflüsse, die aus dem konsum entstehen, lassen sich nicht vermeiden. die belastungen der produktion (rohstoffe, güter usw.) lagern wir hingegen in länder aus, deren menschen durch ihr konsum- und wirtschaftsverhalten nur einen bruchteil der belastungen verursachen. mehr noch: würden diese menschen den selben energie- und rohstoffverbrauch wie wir haben … na dann – gute nacht!

  13. fabivS avatar
    fabivS

    @Anonym:

    se ci si guadagna tanto meglio, ma gli interessi economici sono molto variabili e sono un motivo solo incidentale: adesso non mi venite a dire che se l’Italia fosse in testa alle classifiche la questioni sudtirolesi non esisterebbero. E’ una contingenza che l’Italia sia ridotta male, non è scritto nel Vangelo. Per alcune categorie di lavoratori, poi, potrebbe di sicuro essere conveniente lo status attuale.
    Se poi si accettano per sè stessi motivazioni di interesse, si deve anche riconoscerle agli altri: quindi siccome è conveniente alla SVP restare provincia autonoma, bisogna concludere che fanno bene a boicottare la Selbstbestimmung…

    Ripeto: se ci si guadagna ben venga, nessuno piange, ma non può essere un motivo determinante.

  14. anonym avatar
    anonym

    @fabivS
    ich sag nur wie es ist, es sind nicht alles Idealisten und manche (viele?) denken eben mit der Brieftasche statt mit der Herzen oder mit dem Kopf.
    Und vergiss nicht, die letzten Jahrzehnte wurde den Südtirolern tag und nacht über die Systemmedien eingetrichtet, sie lebten auf der Insel der Seeligen und es würde sich ja ach so lohnen, diese weltbeste Autonomie. Nachgerechnet hat man erst jetzt mal und ist draufgekommen, soviel nutzt es uns gar nicht. Dabei hätte man nur über die Grenze schauen und sehen können dass es den Österreichern oder Schweizern auch nicht schlechter geht und dass wir vieles der EU, das meiste uns selbst zu verdanken haben und nicht nur der SVP und der Autonomie.
    Übrigens, was macht denn diese SVP? Genau das was du sagst, sie wehrt sich (noch) mit Händen und Füssen und verteufelt andere welche die Selbstbestimmung fordern. Letzten Endes geht es überall nur um Interessen, traurig aber wahr.

  15. ko avatar
    ko

    Es gibt nun mal viele Gründe für einen freien Staat Südtirol und in meinen Augen ist auch der wirtschaftliche ein aktueller Grund dem italienischen Staat Servus zu sagen. Und das nicht nur in finanzieller Sicht sondern auch aufgrund der Unterdrückung der südtiroler Wirtschaft durch nationalistische Gesetze wie zB. der Beschriftung der Waren, Medikamente usw. wie auch hier schon oft erwähnt.

    Ich persönlich würde aber sogar dafür bezahlen von Italien los zu kommen, verstehe aber auch Firmeneigner die die wirtschaflichen Vorteile erkennen.

  16. anonym avatar
    anonym

    Eine Wahl mit den Beinen
    In eigener Sache – Bemerkungen und Klarstellungen zum Thema SWZ, Wirtschaft und Selbstbestimmung bzw. Sezession
    Der Artikel “Option Eigenständigkeit?” bezüglich des aufkeimenden Nachdenkens in der Wirtschaft über eine Loslösung Südtirols von Italien “als letzte Möglichkeit” hat Wellen geschlagen und ist von Selbstbestimmungskreisen für ihre Zwecke missbraucht worden. Eine Klarstellung.

    Bozen – In Südtirol gibt es an die 35.000 gewerbliche Unternehmer; angesichts dieser großen Zahl ist es natürlich, dass manche von ihnen politische Parteien wählen, die in der Autonomie keine befriedigende Lösung der Südtirol-Frage sehen, sondern Selbstbestimmung jetzt und heute verlangen, um eine Abspaltung von Italien zu erreichen. Die große Mehrheit der Südtiroler Unternehmer (wie offensichtlich auch die Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung) hat aber immer in der Autonomie jene Lösung gesehen, die alle Beteiligten zufrieden stellt in einem zusammenwachsenden Europa ohne Grenzbalken. Besonders jene Unternehmer, die aufgrund der Größe ihrer Firmen ein besonderes Gewicht haben, halten nichts von Sezessionsbestrebungen; sie schauen nach vorne, nicht zurück, für sie ist eine Grenzänderung heute weder realistisch noch politisch notwendig.

    Allerdings ist Politik nichts Statisches, und neue Zeiten gebären neue Ideen. In weiten Teilen Norditaliens hat die Lega Nord, die inzwischen Regierungspartei ist, mit ihrem Ansinnen großen Anklang gefunden, eine Abspaltung “Padaniens” vom Einheitsstaat zu betreiben. Umberto Bossi will den leistungsstarken Norden von der “Roma sprecona” emanzipieren, die dessen Geld nach Süden schaufelt. Die Lega will inzwischen vorerst die Föderalisierung Italiens, aber die Sezession als mögliches Endziel bleibt bei ihr im Gespräch. Das und der schleichende wirtschaftliche Niedergang Italiens sind der Hintergrund, vor dem die “Option Eigenständigkeit” in Teilen der Südtiroler Wirtschaft erstmals “denkbar” geworden ist. Die SWZ hat weder den Selbstbestimmungsverfechtern das Wort geredet noch eine Sezession als realistischen oder wünschenswerten Weg vorgeschlagen, sondern nur berichtet, dass sich heute im Gegensatz zu früher auch der eine oder andere “ernsthafte” Unternehmer fragt, wie es weitergehen soll in einem Staat, in dem die Unternehmen mit Bürokratie erstickt und mit Vorschriften, Strafen und Steuern erdrosselt werden. Ich gestehe: Ich kann mich bei dieser Diagnose auf keine Umfragen berufen und auf keine öffentlichen Aussagen, sondern nur auf Äußerungen, die sehr diskret erfolgen.

    Tatsache ist, dass in Italien schon seit längerer Zeit eine innere Sezession in der Form im Gange ist, die Lothar Späth, der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, einmal eine “Abstimmung mit den Beinen” genannt hat – als Ausdruck für ein Votum, das nicht im Wahllokal erfolgt, sondern in der Praxis. Diese Abstimmung hat zum Beispiel dazu geführt, dass Fiat der erste große Autobauer ist, der seine Produkte inzwischen mehrheitlich im Ausland herstellt, und Fiat-Chef Sergio Marchionne hat zuletzt wiederholt damit gedroht, weitere Werke in Italien zu schließen und abzuwandern. Das, was Fiat macht, machen viele andere italienische (und auch Südtiroler) Firmen: sie suchen ihr Heil im Ausland, sie vollziehen eine Art nicht territoriale Sezession von ihrem Land. Und: Censis-Direktor Giuseppe Roma hat kürzlich bei einer Anhörung im römischen Parlament besorgt darauf verwiesen, dass übermäßig viele der hellsten Köpfe unter den jungen Italienern das Land verlassen, weil sie hier keine Perspektive für sich sehen. Sicher: Auch Unternehmen in anderen EU-Staaten produzieren längst teilweise anderswo. Aber Italien gilt international trotz vergleichsweise geringer Lohnkosten als ungünstiger Wirtschaftsstandort, weil viele Dinge im Argen liegen – von der Justiz über die Infrastrukturen bis zur hohen Regelungsdichte. Die Zustände, die Gian Antonio Stella in seinem Bestseller “La deriva” beschrieben hat, sprechen Bände – ebenso wie die Tatsache, dass Italien seit bald 20 Jahren das geringste Wirtschaftswachstum der großen EU-Staaten aufweist. Das alles sind Probleme, denen sich die Politik in Rom endlich stellen muss, wenn sie Italien Zukunft geben will.

    Die Südtiroler Wirtschafszeitung steht weltanschaulich für Freiheit, Marktwirtschaft, Demokratie und friedliches Zusammenleben, und diese Linie hat sie unter meiner Leitung konsequent verfolgt. Ich habe im Laufe der Jahre in unzähligen Kommentaren zu einer echten Partnerschaft zwischen den Volksgruppen und zu mehr Zweisprachigkeit aufgerufen, ich habe darauf verwiesen, wie persönlich bereichernd es ist, in einem Land mit zwei Kulturen zu leben, ich habe Kritik daran geübt, dass in unseren Schulen so wenig sprachgruppenübergreifende Kontakte ermöglicht werden, ich habe hartnäckig zu Toleranz und Mäßigung aufgerufen, wenn wieder einmal die nationalen Pferde durchzugehen drohten. Das rechte “deutsche Eck” hat mich deshalb schon einmal als “italophil” bezeichnet. Damit kann ich leben. Womit ich Probleme habe, ist etwas ganz anderes. Ich habe einen zugegebenermaßen nicht wissenschaftlich belegbaren Artikel zur Frage geschrieben, mit der sich Südtiroler Unternehmer ebenso beschäftigen müssen wie Sergio Marchionne: Hat meine Firma Zukunft in Italien? Wenn ein solches Nachdenken verwendet wird, um der SWZ ein Nahverhältnis anzudichten, das sie nie hatte und nie haben wird, solange ich Chefredakteur bin, dann stört mich das. Diese Zeitung wird trotzdem das bleiben, was sie sein will: ein im besten Sinne des Wortes liberales Blatt, das auch unbequeme Dinge sagen kann, weil der Herausgeber die Unabhängigkeit der Redaktion gewährleistet.

    Robert Weißensteiner

  17. anonym avatar
    anonym

    Ist es nicht bezeichnend, dass sich jeder der sich mit dem Thema Selbstbestimmung in diesem Land befasst, sofort erklären muss er gehört ganz sicher nicht zu den “gewissen Kreisen” und dem “rechten deutschen Eck” an?

  18. fabivS avatar
    fabivS

    Die große Mehrheit der Südtiroler Unternehmer (wie offensichtlich auch die Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung) hat aber immer in der Autonomie jene Lösung gesehen, die alle Beteiligten zufrieden stellt in einem zusammenwachsenden Europa ohne Grenzbalken. Besonders jene Unternehmer, die aufgrund der Größe ihrer Firmen ein besonderes Gewicht haben, halten nichts von Sezessionsbestrebungen; sie schauen nach vorne, nicht zurück, für sie ist eine Grenzänderung heute weder realistisch noch politisch notwendig.

    La versione blindata del “politically correct” in Sudtirolo. Wir blicken in die Zukunft… ma in uno Stato che del futuro (sue e nostro) se ne frega altamente.

  19. hunter avatar
    hunter

    dieser automatismus (selbstbestimmung = rechts = dubios und was weiß ich noch alles) ist wahrlich zum kotzen. gleich wie die reflexartige entschuldigung, wenn einem etwas als leiseste kritik an der derzeitigen politischen situation südtirols ausgelegt werden könnte. es folgt sofort ein bekenntnis zur autonomie und zum italienischen staat. von wegen nationale pferde, die da mit jemandem durchgehen. es kann sein, dass ich mich wiederhole, aber da haben wir schon wieder einen, der vor nationalismus warnt, aber in seiner argumentation eindeutig festschreibt, dass er nicht im stande ist über nationale stereotypen und logiken hinauszudenken.

  20. pérvasion avatar

    Vollkommen mit hunter einverstanden — Wort für Wort. Trotzdem fällt auf, dass dieser unerträgliche »Automatismus« wohl zu einer Justierung, nicht aber zu einer wesentlichen Distanzierung geführt hat.

  21. Beppi avatar
    Beppi

    hunter bringt es wieder einmal bestens auf den Punkt! Kompliment!

    Noch etwas zu einem unterschwelligen Argument, das ich manchmal in der SWZ in diesem Zusammenhang finde:
    Wenn Weißensteiner schreibt, dass er und seine Zeitung

    […] weltanschaulich für Freiheit, Marktwirtschaft, Demokratie und friedliches Zusammenleben [stehen]…

    dann gibt er im Grunde ein altes Credo des Kapitalismus wieder, nämlich, dass die Gesellschaft die möglichst besten (d.h. stabilsten, friedlichsten, “marktfreundlichsten”) Voraussetzungen für die Ökonomie zu bieten habe. Der Horror jedes Wirtschaftstreibenden solle es deswegen sein, so wird suggeriert, wenn Separatisten Südtirols Stabilität für “Experimente” aufs Spiel setzten.

    Nun, da ist wieder jene arg verzerrte Denkschablone am Werke, die in der Selbstbestimmung nur das Werkzeug von Fanatikern zu sehen trachtet. Es scheint, dass wir noch so einiges zu leisten haben, bis das Modell dieser Plattform hier zumindest mit den etablierten Vorstellungen konkurrieren kann.

    P.S.: Wie lange übrigens noch das Autonomie-Statut im Stande ist, für jenes ideale Wirtschaftsklima zu sorgen, das Weißensteiner anscheinend indirekt einem “Freistaat” nicht zutrauen möchte, wird sich bei zunehmenden knappen, öffentlichen Kassen und Erodierung der für das System “vitalen” ethnischen Grundkonstanten durch Migration erst herausstellen müssen. Freilich betreibe ich hier Schwarzmalerei. Aber ich denke, jeder Wirtschaftstreibende sollte so offen sein, Alternativen zu durchdenken, um für die Zukunft gut vorzusorgen. Das hier vorexerzierte, reflexartige Ablehnen steht einem dynamischen Unternehmertum allerdings nicht gut zu Gesichte.

  22. hunter avatar
    hunter

    @ beppi

    das hat gar nichts mit schwarzmalerei zu tun. die antizipation ist eine nicht unwesentliche fähigkeit, die erfolgreiches unternehmertum auszeichnet. was wir hier machen bzw. versuchen, ist, entwicklungen zu erkennen und zu beurteilen und daraus – RECHTZEITIG – die richtigen schlüsse zu ziehen.
    südtirol hätte die chance sowohl gesellschafts- als auch wirtschaftspolitisch einen schritt voraus zu sein, denn die entwicklungen sind evident. statt dessen kommt mir vor man wartet ab und möchte dann erst reagieren, wenn schon viel porzelan zerschlagen, viel geld den eisack hinuntergeronnen und wenn auch der letzte depp kapiert hat, dass handlungsbedarf besteht.
    es ist ein bisschen wie mit den ganzen umweltthemen, die von den grünen in den 80er jahren aufgeworfen wurden. damals wurden sie deswegen als spinner abgetan. heute hat jede partei von ganz links bis ganz rechts genau diese “absurden” positionen im programm. hätten damals einige mut gehabt und hätte ein ganzes land in den 80er jahren den ölaustieg konsequent vorbereitet und durchgezogen, die lebensmittelproduktion biologi- und regionalisiert – mein gott, wie würde dieses land heute dastehen: vorreiter bei sämtlichen alternativen energiegewinnungsformen, milliarden gespart bezüglich co2 emissionsmaßnahmen usw. usw.

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