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Neue Südtirolerinnen in den Schulen.

Das Landesinstitut für Statistik (Astat) erhebt jährlich Südtirols Schulbevölkerung. Im Zuge der Auswertung wird auch ermittelt, wie hoch der prozentuelle Anteil an Zuwandererinnen in den deutschen, italienischen und ladinischen Schulen ist.
Das sagt aber nur indirekt etwas darüber aus, welcher Anteil dieser im wahrsten Sinne neuen Südtirolerinnen sich für eine Schule mit deutscher oder italienischer Unterrichtssprache entscheidet bzw. wie viele eine paritätische Schule in den ladinischen Tälern besuchen. Um an diese gesellschaftspolitisch relevanten Indikatoren zu gelangen, ist leider noch etwas eigene Rechenarbeit erforderlich.

Ich habe mir jetzt die Mühe gemacht, die einzelnen Daten der aktuellsten Astat-Schülerzahlen (2010/11) zusammenzutragen und in Bezug auf die Gesamtzahl an neuen Südtirolerinnen in unseren Schulen aufzuschlüsseln.

Und dies ist das Ergebnis:

Grundschulen: Knapp 53% (1.239) der neuen Südtirolerinnen entscheiden sich für eine Grundschule mit italienischer Unterrichtssprache, etwas mehr als 45% (1.063) besuchen eine Schule mit deutscher Unterrichtssprache und knapp 2% (45) gehen in den ladinischen Gemeinden zur Schule.

Mittelschulen: Hier vergrößert sich das Ungleichgewicht zugunsten der Schulen mit italienischer Unterrichtssprache (>55% entspr. 821 Schülerinnen), nur noch rund 43,5% (642) entscheiden sich für eine Mittelschule mit deutscher Unterrichtssprache und knapp 1% (14) besuchen die Mittelschule in Ladinien.

Oberschulen: Über zwei Drittel (66,9%, entspr. 845) der Neuen, die sich für den Besuch einer Oberschule entscheiden, sind heuer an einer Einrichtung mit italienischer Unterrichtssprache eingeschrieben. Das sind mehr als doppelt so viele, wie jene (rd. 32,5% oder 411 Schülerinnen), die eine Oberschule mit deutscher Unterrichtssprache besuchen. Nur 0,55% (7) besuchen hingegen eine Schule in Gherdëina oder Badia.

Siehe auch 1›

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Südtirol gegen die Kernkraft.

Nicht nur die Südtiroler Gesellschaft, auch die Landespolitik geht — angesichts der Katastrophe in Japan — gegen den geplanten Wiedereinstieg Italiens in die Kernkraftnutzung in die Offensive. Auf Vorschlag von Michl Laimer (SVP) hat sich die Landesregierung offiziell gegen AKWs ausgesprochen. Die Südtiroler Bevölkerung soll im Hinblick auf das Referendum vom 12. Juni sensibilisiert und zur Teilnahme animiert werden. Auch der Landtag will klar gegen AKWs Stellung beziehen.

Der Umweltlandesrat selbst macht darauf aufmerksam, dass die Zentralregierung mit der Atomkraft auf eine veraltete Technik setzt, noch dazu in einem erdbebengefährdeten Land. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sei es mehrmals zu starken Erschütterungen gekommen. Außerdem verfüge Italien aufgrund seiner Lage (Geographie, Sonneneinstrahlung etc.) über ideale Voraussetzungen für die Nutzung regenerativer Energiequellen.

Senator Oskar Peterlini (SVP) hat eine dringende Anfrage zu diesem Thema hinterlegt und fordert die Regierung auf, ihre Pläne zu überdenken. Danach sieht es jedoch nicht aus: In den Medien hat die zuständige Umweltministerin bereits angekündigt, die Regierung werde an ihren Absichten festhalten. Das müssen wir Bürgerinnen am 12. Juni verhindern.

Siehe auch ‹1 2› / ‹3 ‹4 ‹5 ‹6

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«Alto Adige» wines for the US.

Vor einem knappen Jahr, im April 2010, referierte Johannes Gutmann, Inhaber der Firma Sonnentor, an der Berufsschule Brixen, im Rahmen des “Tages der Meister” zum Thema “Vom Spinner zum Winner”. Der Niederösterreicher Gutmann, dessen Markenzeichen die abgewetzten Lederhosen seines Großvaters sind, vermarktet heute weltweit bäuerliche Bio-Spezialitäten unter der Marke “Sonnentor”. Von Null ist es dem Querdenker Gutmann gelungen eine Weltmarke zu kreieren. Neben einigem Glück bedarf es hierfür auch ein ausgezeichnetes Gefühl für die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt.

Den anwesenden Südtiroler Meisterinnen und Meistern gab er zwei Ratschläge mit: Erstens in ihren Produkten Geschichten zu erzählen. Südtirol sei ein reiches Land an Traditionen und Geschichten und diese müssen mit den ausgezeichneten Produkten, die unser Land erzeuge, erzählt werden. Zweitens beschwörte er die SüdtirolerInnen die Chancen zu erkennen, die unter anderem der italienische Markt für hochwertige Produkte aus den Alpen böte.
In einem Gespräch im Anschluss seiner Ausführungen fragte ich Gutmann um eine Meinung, ob sich Südtirol in Italien unter dem Begriff “Sudtirolo” oder “Alto Adige” zu vermarkten.
Sudtirolo war seine Antwort — wie soll man denn unter einem historisch aufgezwungenen Namen auch seine Traditionen und Geschichten verpacken.

Die EOS (Export Organisation Südtirol), die für die Vermarktung der Südtiroler Betriebe zuständig ist, beschreitet in den USA wieder einmal andere Wege. Alto Adige — wines of the Italian Alps ist der Leitfaden der durch die Webseite [Link] führt. In einem Untermenü erklärt man den BesucherInnen in einem Nebensatz zwar, dass Alto Adige die älteste Weinregion des deutschen Sprachraumes ist, ansonsten vermeidet man sämtliche historisch gewachsenen Ortsnamen wie der Teufel das Weihwasser. “Today there are about 12,750 acres of vineyard planted in Alto Adige, which lie in the valleys along the Adige River between Silandro and Salorno along the Isarco River between Bolzano and Bressanone.”

Lieber als eine starke eigene Marke “South Tyrol” aufzubauen, die die Vielfalt unseres Landes betont, fährt man im Kielwasser des “stile italiano” der im Bereich der hochwertigen Lebensmittel sicherlich einige Vorteile bringt, aber eben nicht unser Land in der vollen kulturellen, sprachlichen und historischen Bandbreite darstellt. Sind dies die Geschichten, die wir mit unseren Produkten erzählen wollen?

Nicht verwunderlich, dass der Name Südtirol international so gut wie unbekannt ist. Vor etlichen Jahren wurden weltweit die 1000 bekanntesten Tourismusdestinationen ermittelt. Während Nordtirol sehr wohl dazu zählte fand man Südtirol nirgendwo. Ohne Namen existiert man eben nicht oder noch schlimmer, unter falschem Namen verleugnet man den Inhalt – eine marketingmäßige Todsünde. Eine Binsenweisheit, die noch nicht zu unseren hochbezahlten Marketingexperten der EOS vorgedrungen zu sein scheint.

Siehe auch ‹1 | 1› 2›

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Südtiroler Deutsch.

Hunter hat mich — aus welchem Grund auch immer — auf diesen Wikipedia-Eintrag über die Südtiroler Varietät der deutschen Sprache aufmerksam gemacht. Ich will ihn hier wiedergeben und nur in den Kommentaren sagen, was ich davon halte. Mich würde natürlich auch die Meinung der Leserinnen interessieren.

Südtiroler Deutsch ist eine Varietät des Deutschen und durch Interferenzen aus dem Italienischen geprägt.

Typisch zweisprachige Aufschrift in Südtirol mit Grammatikfehler (Kohlern bei Bozen).

Entstehung des Landes Südtirol

Anders als z.B. im Falle der sog. nationalen Varietät Österreichisches Deutsch sind in Südtirol unstrittig sowohl die Voraussetzungen zur Herausbildung einer an geographisch-politischen Grenzen festzumachenden sprachlichen Sonderentwicklung als auch faktisch konstatierbare Südtirolerismen gegeben, die definitionsgemäß tatsächlich auf Südtirol beschränkt sind und in Südtirol heute vom Großteil der Sprecher als standardsprachlich angesehen werden.

Bis zum Ersten Weltkrieg war das Gebiet des heute so benannten Südtirol (italienischer Verwaltungsbegriff: Provincia Autonoma di Bolzano) Teil der Grafschaft Tirol, die auch große rein italienischsprachige Gebiete umfasste (sog. Welschtirol, z.B. Trentino) und seit dem Tod Margaretes von Maultasch durch Personalunion der neuen Tiroler Landesherren zum Habsburgerreich gehörte. Durch den Vertrag von Saint-Germain kam jedoch auch das überwiegend deutschsprachige Gebiet südlich des Alpenhauptkammes bis Salurn an Italien und wurde mit dem Trentino zu einer mehrheitlich italienischsprachigen Region vereint.

Unter Mussolini wurde der Versuch unternommen, Südtirol zu italianisieren bzw. an die italienische Kultur zu assimilieren, d.h. Orts- und Familiennamen wurden von Ettore Tolomei durch italienische, oft frei erfundene Namen ersetzt und die Zuwanderung von Italienern aus anderen Regionen gefördert. Dadurch entstand südlich von Bozen ein ausgedehntes Gewerbegebiet (Alu-Werke) und westlich der Talfer eine italienische Neustadt mit faschistischer Architektur (Siegesdenkmal, jetziger Corso della libertà ). Eine Enteignung oder Vertreibung der Tiroler Volksgruppe, die in Südtirol zahlenmäßig immer die Mehrheit stellte und wirtschaftlich durch die einträgliche Landwirtschaft abgesichert war, bzw. eine ethnische Säuberung wurde von den italienischen Faschisten dagegen nie betrieben oder geplant. Erst Hitler strebte eine Umsiedlung der Tiroler Volksgruppe an. Im Zuge der sog. Option mussten die Südtiroler 1939 zwischen einem Verbleib in einem italianisierten Südtirol oder der Aussiedlung in die später von den Nazis im Zweiten Weltkrieg besetzten Ostgebiete wählen.

Die überwältigende Mehrheit der Südtiroler stimmte zwar für das vermeintliche Deutschtum bzw. die Auswanderung, doch verließ wegen der Kriegswirren nur ein kleiner Teil tatsächlich Südtirol und wurde größtenteils in Südtiroler-Wohnsiedlungen in Österreich aufgefangen. Nach dem Weltkrieg kehrten viele der sog. Optanten dank des Gruber-De-Gasperi-Abkommens wieder nach Südtirol zurück, zumal sich Italien im Geiste der Aussöhnung verpflichtete, den Optanten wieder die italienische Staatsbürgerschaft zu verleihen.

Bis zum vollständigen Inkrafttreten des Autonomiestatutes prägten ethnische Spannungen und sichtbare Polizei- und Militärpräsenz weiterhin den Alltag in Südtirol, spätestens seit den Neunzigern ist aber von einer breiten Zustimmung der Südtiroler zur Zugehörigkeit zum Staat Italien auszugehen. Politische Bestrebungen, eine Eigenstaatlichkeit oder sog. Selbstbestimmung (Eva Klotz) anzustreben, sind auf kleinste Gruppierungen beschränkt und eine Rückkehr zur Schutzmacht Österreich, deren internationalem Engagement auch vor der UNO die Erlangung der Autonomie zu verdanken ist, wird von keiner politischen Partei gefordert. Auch die langjährige Regierungspartei SVP, eine ursprünglich rein ethnisch definierte Sammelpartei, strebt keine Änderung des Status Quo oder gar eine Volksabstimmung an, da mit einem breiten Bekenntnis zur Zugehörigkeit zum Staat Italien zu rechnen wäre und damit dem durch das Autonomie-Statut dem Land Südtirol eingeräumten Sonderstatus die Legitimation entzogen würde. De facto bewirkte das Autonomie-Statut eine Art Eigenstaatlichkeit Südtirols, übergeordnete (d.h. staatliche bzw. italienische) Kontrollinstanzen fehlen weitgehend und auch in jenen Bereichen, in denen keine Autonomie vorgesehen wäre (Oberschulen), werden staatliche Gesetze nur bedingt verwirklicht, zumal in der rechtspraxis oft Unklarheit herrscht, wieweit nationale, d.h. italienische Bestimmungen auf Südtiroler Verhältnisse zu übertragen wären.

Sprachliche Faktoren

Die Situation des Deutschen in Südtirol unterscheidet sich von jener der Nachbarländer und ähnelt in gewissem Sinne der Rolle der Mundart und dem Einfluss des Romanischen in der Schweiz:

  • fehlende Verstädterung: der Großteil der Südtiroler lebt in Dörfern und Kleinststädten, selbst in der einzigen Großstadt, d.h. Bozen, erreicht der Anteil der deutschen Bevölkerung gerade einmal die Ausmaße einer Kleinstadt.
  • Lebendigkeit des Dialekts: in vielen Bereichen des täglichen Lebens (selbst an höheren Schulen, für die gesetzlich der Gebrauch des Standarddeutschen vorgeschrieben wäre) dominiert die Mundart, eine überregionale Umgangssprache fehlt weitgehend und eine dialektfreie Standardsprache, wie sie in weiten Teilen Deutschlands vorherrscht, wird als fremd abgelehnt, weshalb auch nur bedingt von Diglossie gesprochen werden kann.
  • Distanz zur Schriftsprache: die deutsche Standardsprache wird oft als fremd empfunden und Defizite im sprachlichen Ausdruck sogar der Gymnasiasten wurden im Auftrag der Südtiroler Landesregierung u.a. durch die Studie DESI wissenschaftlich nachgewiesen.‹1
  • fehlender Austausch mit sprachlich verwandten Regionen: anders als z.B. in Österreich, wo sich ein reger Bevölkerungsaustausch unter den einzelnen Dialekt(unter)gruppen nachweisen lässt, ruht Südtirol gewissermaßen in sich selbst. Mit der Errichtung universitärer Bildungseinrichtungen auch in Kleinststädten wie Brixen und Bruneck (Fachhochschulen wie die sog. Freie Universität Bozen oder die Europäische Akademie u.ä.) besteht für junge Südtiroler keine Notwendigkeit mehr, den Heimatort jemals zu verlassen. Das Südtiroler Schulamt weigerte sich sogar noch bis 2007 grundsätzlich, nämlich bis zum Unterliegen in vier Prozessen vor dem Verwaltungs- und Arbeitsgericht Bozen, österreichische Lehrer, deren Lehramt vom italienischen Unterrichtsministerium nach der EU-Richtlinie 89/48 anerkannt worden war, als reguläre Lehrer mit unbefristetem Dienstvertrag einzustellen, obwohl Südtiroler Lehrer auch ohne Lehramt solche Dauerstellen (insegnanti di ruolo / Stammrollenlehrer) erlangen konnten.
  • Isolation und latente Xenophobie bzw. Ethnozentrismus: Nach einer Verlautbarung der CARITAS vertreten 40% der Südtiroler bzw. laut ASTAT-Studie sogar zwei Drittel der Jugendlichen die Meinung, es gebe in Südtirol zu viele Ausländer,‹2 obwohl die Migrationsproblematik Südtirol erst sehr spät und bislang nur in kleinem Maßstab erfasste. Einwanderer-Kinder besuchen fast ausschließlich italienischsprachige Schulen: im Jahr 2007 betrug an deutschsprachigen Oberschulen (15- bis 19-Jährige) der Ausländeranteil nur 1,7%; lässt man jene Ausländer, die nur formal, d.h. wegen der Verheiratung eines ihrer Südtiroler Elternteile mit einem Österreicher oder Deutschen, als Ausländer zählen, außer Acht, sinkt der Ausländeranteil sogar auf 1,2% – an den italienischsprachigen Oberschulen in Südtirol beträgt er aber fast 9%. An den Grund- und Mittelschulen ist das Missverhältnis ähnlich: 2,6% zu 15,2% bzw. 2,4% zu 16,4%.
  • mangelnde Vertrautheit mit Fachsprachen und Verwaltungsterminologie: vielfach kennen Südtiroler Verwaltungsbedienstete zwar die italienischen termini technici, sind aber i.d.R. nicht mit den entsprechenden Ausdrücken und Wendungen in österreichischen oder deutschen Paralleltexten vertraut, weshalb Südtiroler fachsprachliche Texte für Nicht-Südtiroler oft wenig fachsprachlich und zuweilen auch unverständlich wirken.
  • Superstrat-Wirkung des Italienischen: in weiten Bereichen des Alltags müssen Verwaltungsbedienstete ohne Dolmetsch-/ Übersetzungsausbildung laufend rasch italienischsprachige Texte übersetzen, wodurch Interferenzen oft unvermeidbar sind. Viele der in aller Eile und ohne Sorgfalt geschaffenen Neologismen und Ausdrucksweisen werden mühelos in die Alltagssprache übernommen und gelten dank der Autorität der Behörde oft als richtig. Dies gilt für viele zweisprachige Aufschriften.

Interferenzen

Als typische Interferenzen aus dem Italienischen können gelten:

  • lexikalische Interferenzen: z.B. Identitätskarte (nach it. carta d’identità ) statt Personalausweis, Schulführungskraft (nach it. dirigente scolastico) statt Schulleiter (offizielle Bezeichnung in z.B. Österreich und Bayern) oder Direktor (Alltagswort für Schulleiter in Österreich und in deutschen Bundesländern), Neologismen wie Stammrollenlehrer (nach it. insegnante di ruolo = verbeamteter Lehrer, zumindest mit unbefristetem Dienstvertrag), wobei hier auch von einem Sachspezifikum gesprochen werden kann;
  • semantische Interferenzen: didaktische Tätigkeit(en) (nach it. attività  didattiche) statt dt. Unterricht in Wendungen wie: die Wiederholungsprüfungen müssen vor dem Beginn der didaktischen Tätigkeit abgeschlossen sein, die didaktische Tätigkeit endet Mitte Juni – die Interferenz liegt darin, dass didaktisch sich im Standarddeutschen immer auf die Didaktik, also die Wissenschaft vom Unterrichten, bezieht und nicht synonym mit Unterricht verwendet werden kann; Literat auch im Sinne von Latein-Deutschlehrer (nach it. materie letterarie).
  • syntaktische Interferenzen: häufig begegnen Genitivattribute oder auch lange Genitivattribut-Reihen anstelle von Komposita oder Präpositionalausdrücken nach dem Vorbild der italienischen di/della/…-Ausdrücke: z.B. die Vergabe der Stellen der Zweitsprachlehrer der Grundschule statt: die Stellenvergabe für Zweitsprachenlehrer (= Deutschlehrer an italienischsprachigen Schulen) an Grundschulen.
  • phraseologische/idiomatische Interferenzen: typisch Südtirolerisch ist die Verwendung der Präposition innerhalb auch mit Zeitpunkten, obwohl im Standarddeutschen innerhalb nur mit Zeitstrecken kombiniert werden kann (innerhalb zweier Tage, innerhalb von fünf Tagen), also z.B: das Gesuch (= Südtirolerisch fast immer statt sachlich richtigem: Antrag) muss innerhalb 31. Oktober eingereicht werden, wobei die italienische Konstruktion: entro il 31 ottobre falsch übertragen wurde; einen Gefallen machen steht für einen Gefallen tun (nach it. fare un piacere).
  • phonetische Interferenzen: z.B. die Aussprache des Digraphs <<qu>> als ku̯ wie im Italienischen statt kv wie im Standarddeutschen; Lanthaler vermutet, diese erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingetretene Entwicklung gehe auf Volksschullehrerinnen zurück, die den Schülern im Schreibunterricht einschärften, qu dürfe nicht kw geschrieben werden, wobei das Italienische nur indirekt diese Ausspracheveränderung bewirkt hätte.

Daneben treten im Südtiroler Deutsch Sprachformen auf, die nicht als Interferenz erklärbar sind, sich aber dennoch aus der besonderen Situation des Südtirolerischen erklären. So wird ähnlich wie in der Schweiz schriftlich als Relativpronomen meist das veraltete, im Mittelalter nach lateinischem Vorbild (qui/quae/quod) eingeführte und von Duden als papierenes Deutsch bezeichnete welcher/welche/welches benutzt, das aber im gesprochenen Deutsch in Südtirol kaum verwendet wird, also keineswegs der natürlichen Ausdrucksweise entspricht. Auch werden bestimmte, als politisch korrekt erfundene, Wörter wie z.B. das in der Schweiz gängige Lehrperson (statt Lehrkraft/Lehrkörper) benutzt. Oft ist eine für Mundartsprecher bezeichnende Unsicherheit der Grund für nicht-standardsprachliche Ausdrücke wie z.B. Einreichefrist mit unüblichem Fugen-e statt Abgabetermin o.ä. Andere Erscheinungen des Südtiroler Deutschen werden von Südtirolern selbst als mundartlich empfunden und sind in der Schriftsprache nicht anzutreffen, etwa das von vielen Nordtirolern als das Südtiroler Kennwort empfundene Pronomen: sell/semm bzw. verhaucht: hell (vermutlich aus der Amtssprache: < selbiger, selbigem) statt demonstrativem der/die/das, Beispiel: sell woas i nit für: «das weiß ich nicht».

Oft überschätzt wurde die Übernahme italienischer Wörter (Sachspezifika oder praktische Kurzwörter wie targa für “Kennzeichen/KFZ-Nummerntafel”) und Interjektionen (Oschtia < it. ostia; magari usw.) in die Alltagssprache, die keine tiefergehende Beeinflussung des Sprachsystems an sich vermuten lassen und oft kurzlebig sind. In Stellenanzeigen fand sich etwa oft der Ausdruck militärfrei (für it. militesente), durch den der Bewerberkreis auf Männer mit abgeleistetem Militärdienst eingeschränkt wurde, der jedoch mit Abschaffung der Wehrpflicht ebenso schnell wieder verschwunden ist. Für Südtirol, obgleich nicht für das Deutsche in Südtirol, typisch ist auch die umgekehrte Beeinflussung. Italienische Aufschriften entsprechen häufig nicht den italienisch-standardsprachlichen, im eigentlichen Italien üblichen (vgl. attendere prego im Sinne des dt. Bitte warten! statt si prega di attendere oder un attimo). Da heute viele Italiener v.a. außerhalb der Großstadt Bozen einer starken Assimilierung an die (Süd-) Tiroler, d.h. deutschsprachige Kultur in Südtirol unterliegen und ihre Kinder vielfach in deutschsprachige Schulen schicken, um ihnen sozialen Anschluss und größere Arbeits-Chancen zu sichern, ist in bestimmten Bereichen mit dem Entstehen einer Interlanguage zu rechnen.

Auswahlbibliographie

  • AUFSCHNAITER, Werner von. Sprachkontaktbedingte Besonderheiten der deutschen Gesetzes- und Amtssprache in Südtirol. In: Germanistische Mitteilungen, 16 (1982), S. 83-8.
  • BAUER, Roland. Deutsch als Amtssprache in Südtirol. In: Terminologie et tradtition. Hg. W. Osterheld. S. 63-84. Luxembourg: Office des publications officielles des communautés europeénnes. 1994.
  • EGGER, Kurt. Die Vielfalt der sprachlichen Ausdrucksmittel in der Umgangssprache von Schülern in Bozen. In: Vielfalt des Deutschen. Festschrift für Werner Besch, S. 653-63. Frankfurt a.M., 1993.
  • KRAMER, Johannes. Deutsch und Italienisch in Südtirol. Heidelberg: Winter, 1981.
  • LANTHALER, Franz und Annemarie Saxalber. Die deutsche Standardsprache in Südtirol. In: Österreichisches Deutsch. Linguistische, sozialpsychologische und sprachpolitische Aspekte einer nationalen Variante des Deutschen. Hg. Rudolf Muhr, Richard Schrodt und Peter Wiesinger. S. 287-304. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky, 1995.
  • MOSER Hans und Oskar Putzer. Hg. Zur Situation des Deutschen in Südtirol. Sprachwissenschaftliche Beiträge zu den Fragen von Sprachnorm und Sprachkontakt. Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft – Germanistische Reihe, Band 13. Innsbruck, 1982.
  • PERNSTICH, Karin. Der italienische Einfluss auf die deutsche Sprache in Südtirol, dargestellt an der Südtiroler Presse. Schriften zur deutschen Sprache in Österreich, Band 11. Wien: Braumüller, 1984.
  • RIEDMANN, Gerhard. Die Besonderheiten der deutschen Schriftsprache in Südtirol. Duden Beiträge 39. Mannheim: Bibliographisches Institut, 1972.
  • RIEDMANN, Gerhard. Bemerkungen zur deutschen Gegenwartssprache in Südtirol. In: Standardsprache und Dialekt in mehrsprachigen Gebieten Europas. Hg. P. Sture Ureland. Linguistische Arbeiten, Band 82. Tübingen, 1979.

Anmerkungen

  1. DESI wurde zusammen mit der ersten regionalen Auswertung der PISA-Studie in Südtirol 2003 durchgeführt, allerdings so wie auch PISA irregulär: ein Drittel der (schlechten) Schüler wurden von vornherein von der Teilnahme ausgeschlossen und der gesamte Englisch-Testteil wurde wegen angeblicher Benachteiligung der Südtiroler Schüler, die als erste Fremdsprache Italienisch lernen, nicht durchgeführt. Das DESI-Südtirol-Ergebnis liest sich nüchtern: am Wortfeld Bahnhof scheiterten alle Schüler, kein einziger konnte beispielsweise ein Stellwerk als solches benennen. Die bundesdeutschen Testexperten sprachen mit Rücksicht auf ihre offiziellen Auftraggeber wohlwollend von item bias und ignorierten die signifikanten sprachlichen Defizite – Aufgaben, in denen Südtiroler Schüler grundsätzlich schlecht abschnitten, wurden kurzerhand vor der Auswertung ausgeschlossen. Trotz dieser schönenden Faktoren fiel das Ergebnis eindeutig aus: im Wortschatztest erreichten nur 14% der Südtiroler Gymnasiasten die höchste Leistungsgruppe, der in Deutschland fast die Hälfte (!) der Fünfzehnjährigen angehört, umgekehrt lag ein Viertel (!) der Südtiroler Gymnasiasten in der allerschlechtesten Gruppe, die in Deutschland trotz aller Migrationsprobleme nur 7% ausmacht. Siehe den Offiziellen Schlussbericht der deutschen DESI-Projektgruppe auf der Homepage des PI: http://www.schule.suedtirol.it/pi/publikation/Desi.htm. Ergebnis des Wortschatztests (22,6 gegenüber 7,6% unter schlechtester Gruppe A, 44,2 vs. 14,2% in bester Gruppe C): S. 36; Ausschluss der Berufsbildung (= 30%!!): S. 7; Item-Bias: «Brötchen» nicht gekannt, S. 12; DIF-Analysen (Differential Item Functioning), bei Wortfeld Bahnhof völlig versagt, S. 17.
  2. Siehe http://www.social.bz.it/pressarchive.php?art_id=67611. Abgerufen am 20. November 2010.
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Più sudtirolesi che altoatesini.

Che ci siano più sudtirolesi che altoatesini sarebbe un’affermazione ridondante se riferita all’uso che molti fanno dei due termini, «sudtirolesi» per definire i cittadini di lingua tedesca e «altoatesini» per quelli di lingua italiana. Un uso teminologico che non solo descrive, ma contribuisce a riprodurre una separazione concettuale che dovremmo finalmente lasciarci alle spalle. Seguendo tale logica i sudtirolesi sarebbero «esattamente» il 69,15% della popolazione e gli altoatesini il 26,47%, come insegnano le dichiarazioni di appartenenza.

Quel che invece potrebbe sorprendere è ciò che si evince sfogliando il cosiddetto «barometro linguistico» dell’ASTAT, nella sua versione più recente, risalente ormai al 2004. Coloro che si autodefiniscono cittadini di lingua italiana, alla domanda relativa all’appartenenza «territoriale ed etnica» dicono di sentirsi altoatesini al 10,1%, ma la somma di chi si sente sudtirolese (2,6%), sudtirolese di lingua italiana (14,4%) o addirittura tirolese (0,3%) raggiunge un ben più pesante 17,3%.

Certo, il 52,2% dei concittadini di lingua italiana si definisce prima di tutto «italiano», ma raffrontando questi risultati all’identità monolitica che solitamente attribuiamo ai gruppi linguistici constatiamo una liquidità sorprendente. Chi è già pienamente arrivato in questa terra, emancipandosi dalla necessità di definirsi lungo un’asse «nazionale» preferisce definirsi sudtirolese piuttosto che altoatesino; un fatto che rende obsoleta la distinzione fra sudtirolesi (puramente di lingua tedesca) e altoatesini (gli italiani tutti) — ed impellente un uso più inclusivo e integrativo del termine Sudtirolo (anche da parte della popolazione di lingua tedesca).

Rafforzando l’interazione degli «italiani» con l’autonomia attuale e con i progetti di un suo sviluppo — anche in chiave «sovrana» — si contribuirebbe inoltre a far crollare ulteriormente la necessità di identificarsi con una comunità «nazionale». Non è uno sforzo fine a se stesso, se pensiamo che l’identificazione nazionale è destinata a venir delusa dalla realtà e quindi a generare disagio rispetto alle proprie aspettative.

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Showdown auf der Brennerlinie.
Wie Trenitalia den Brenner-Fernverkehr systematisch sabotiert

Laut letzten Meldungen (Freitag, 10.12.2010) dürfen die Eurocity-Züge auf der Brennerlinie nun doch wieder Zwischenhalte bedienen. Die Eilverordnung der italienischen Schienennetzbehörde wurde für drei Monate ausgesetzt. Ausgenommen davon, der Eurocity München – Venedig – München, der zwischen Brenner und Venedig keinen Zwischenhalt bedienen darf.

Die Episode der Anfang dieser Woche bekannt gewordenen Eilverordnung der italienischen Schienennetzbehörde ist der vorläufige Höhepunkt der systematischen Sabotage der DB/ÖBB-Eurocityzüge auf der Brennerbahnlinie durch Trenitalia. Hätte DB/ÖBB keine (teilweise) Aussetzung der Verordnung erreicht, wäre Südtirol ab Sonntag, 12. Dezember 2010 ohne direkten Zug zwischen Innsbruck und Bozen dagestanden. Nicht nur eine Katastrophe für den Standort Südtirol, sondern auch ein eindrückliches Exempel was unsere Autonomie im Ernstfall tatsächlich wert ist.

Von fairen Wettbewerbsbedingungen kann auf der Brennerbahn trotz (teilweiser) Aussetzung dieser Eilverordnung in keiner Weise gesprochen werden. RFI (der italienische Schienennetzbetreiber) und Trenitalia torpedieren das DB/ÖBB-Engagement tagtäglich. Teils erfolgen die Maßnahmen gegen den unliebsamen Konkurrenten aus dem Norden subtil und lassen sich nicht mal beweisen, teils sind die Maßnahmen offenkundig.

Die Episode ist nicht nur ein Lehrbeispiel, wie die Liberalisierung des europäischen Eisenbahnmarktes im Detail hintertrieben werden kann, sie zeigt uns SüdtirolerInnen auch sehr eindrücklich die Grenzen unserer sogenannten “Vorzeigeautonomie” auf. Grundlegende Interessen Südtirols werden in Rom entschieden. Aus autonomiepolitischer Sicht ist es völlig inakzeptabel, dass eine römische Behörde darüber entscheidet, ob, wann und wie in Südtirol ein Zug verkehren darf.

Selbst wenn nun ab dem Fahrplanwechsel am Sonntag, 12. Dezember 2010, von den 5 geplanten Eurocity-Zügen 4 wie geplant verkehren können, muss festgestellt werden, dass das Fernverkehrsangebot auf der Brennerstrecke alles andere als zufriedenstellend ist. Lediglich fünf durchgehende Eurocityzüge verbinden Südtirol mit Innsbruck und München im Tagesverkehr. Besonders am Tagesrand (morgens von Südtirol nach München und abends von München nach Südtirol) ist das Angebot völlig ungenügend. So erreicht man mit dem neuen Fahrplan München mit dem ersten direkten Zug erst um 14.25 Uhr. Der letzte direkte Tageszug Richtung Südtirol verläßt München schon um 15.30 Uhr. München ist somit für einen Tagestermin ab Südtirol mit der Bahn nicht mehr in akzeptabler Weise erreichbar. Ein völlig untragbarer Zustand, den das Land Südtirol in der gesamten Tragweite nicht erfasst zu haben scheint. Man gewinnt den Eindruck, dass der Fernverkehr im entsprechenden Ressort als Selbstläufer betrachtet wird – ein systematisches Engagement vonseiten des Landes ist nicht feststellbar.

Ein Vergleich: Das Tessin in der Südschweiz liegt wie Südtirol an der Alpensüdseite. Dort verfügt man an einem normalen Werktag über 33 direkte Zugpaare von der Kantonshauptstadt Bellinzona Richtung Arth Goldau an der Nordseite der Alpen. Aufgrund des integralen Schweizer Taktfahrplanes sind alle wichtigen Schweizer Städte vom Tessin von 5.00 Uhr morgens bis 22.00 Uhr im Halbstundentakt erreichbar. 33 alpenquerende Direktzüge vom Tessin in die Zentralschweiz, 5 alpenquerende Direktzüge (zusätzlich noch ein Nachtzug) von Südtirol nach München – das sind die Fakten.

Wie es zum Bruch zwischen Trenitalia und DB/ÖBB kam

Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009 wurden die Eurocityzüge auf der Brennerstrecke in der klassischen “internationalen Länderkonvention” abgewickelt. Die jeweilige staatliche Bahngesellschaft organisiert ihr Teilstück: DB auf der Strecke München-Kufstein, ÖBB von Kufstein zum Brenner und Trenitalia vom Brenner Richtung Süden.

Aufgrund der notorischen Unzuverlässigkeit und destruktiven Arbeitsweise von Trenitalia hat sich das Verhältnis zwischen DB/ÖBB und Trenitalia zusehends verschlechtert. Während der laufenden Fahrplanperiode wollte Trenitalia im Juni 2008 die Hälfte der damals noch 6 Eurocity-Züge streichen. Einige Wochen vor dem Fahrplanwechsel im Dezember 2008 dann die Ankündigung von Trenitalia, einen der 6 Eurocity-Züge endgültig zu streichen und den immer gut ausgelasteten Eurocityzug Michelangelo (München – Rom – München) nach Rimini umzuleiten. Neben diesen im internationalen Bahnverkehr unüblichen, kurzfristigen Ankündigungen gab es die notorischen Mängel beim Trenitalia Rollmaterial und bei der Sauberkeit der Züge. Aufgrund derselben Mängel ist übrigens auch das Cisalpino-Projekt (50% Schweizer Bahn, 50% Trenitalia) im Dezember 2009 gescheitert.

Für den Fahrplanwechsel im Dezember 2009 kündigte Trenitalia den vollständigen Rückzug vom Brenner-Fernverkehr an. Dies bewog DB/ÖBB die Eurocityzüge auf der Brennerstrecke in Eigenregie, ohne den unzuverlässigen Partner Trenitalia durchzuführen.

Generell ist anzumerken, dass Trenitalia unter Moretti einen Isolationskurs fährt. Neben dem Rückzug auf der Brennerstrecke und dem Auseinanderbrechen der Cisalpino-Kooperation hat sich Trenitalia auch von der internationalen Strecke Venedig – Tarvis – Villach zurückgezogen und das Angebot nach Frankreich drastisch reduziert. So gibt es mittlerweile keine durchgehenden Züge mehr nach Nizza. Das Verhältnis zur französischen Bahn SNCF soll sich sichtlich abgekühlt haben.

Die Kooperation DB und ÖBB mit dem italienischen Partner Le Nord

Aufgrund der Liberalisierungen im europäischen Bahnnverkehr, planten die DB (Deutsche Bahn) und ÖBB (Österreichische Bundesbahn) zusammen mit dem lombardischen Bahnunternehmen Le Nord, die Eurocityzüge auf der Brennerstrecke in Eigenregie durchzuführen. Plötzlich bekundete nun Trenitalia doch wieder Interesse für die von DB/ÖBB beantragten Trassen. Siehe dazu : ‹1. Dies jedoch nicht, weil man ernsthaft an eine Wiederaufnahme des Verkehrs auf der Brennerstrecke dachte. Ziel der Aktion war es einzig und allein, das von DB/ÖBB lancierte Projekt zu torpedieren und zu behindern. Der internationale Verkehr auf der Brennerstrecke hing teilweise am seidenen Faden.

Die Schlüsselrolle des italienischen Netzbetreibers RFI und von Centostazioni

Eine der Hauptursachen für die systematische Behinderung der DB/ÖBB-Züge liegt darin, dass es zwischen Netzbetreiber (RFI) und Trenitalia keine Trennung gibt. RFI (Rete Ferroviaria Italiana) gehört zu 100% der Holding Ferrovie dello Stato (FS), die auch 100% der Anteile an Trenitalia hält. Zudem hält diese Gruppe knapp 60% an Centostazioni, der Gesellschaft, die den Bahnhof Bozen verwaltet. Geschäftsführer und großer Macher der FS-Holding ist Mauro Moretti. Objektivität bei der Vergabe der Trassen kann bei dieser Interessenslage nicht erwartet werden.

Die neue Kooperation musste sich deshalb teils mit sehr schlechten Trassen zufrieden geben. So darf bis heute z.B. nicht Mailand Hauptbahnhof, sondern nur Mailand Porta Garibaldi angefahren werden. Trotz neuer Bahnstrecke zwischen Verona und Bologna bekam man eine Trasse zugewiesen, die kaum schneller als die eines Regionalzuges ist. Für den kommenden Fahrplan plante DB/ÖBB zwei zusätzliche Züge von Verona bis Bologna zu verlängern. Eine auch für Südtirol hochinteressante Angebotsausweitung Richtung Süden. RFI lehnte ab. Begründung: Die Bauarbeiten am Bahnhof Bologna.

An den Bahnhöfen wurden in der Anfangszeit die EC-Züge nicht angesagt und auch nicht auf den Anzeigetafeln gelistet. In den Fahrplänen von Trenitalia scheinen die DB/ÖBB Züge noch immer nicht auf. In Deutschland, wo es auch keine Trennung zwischen Eisenbahnnetz und DB (Deutscher Bahn) gibt, wurde die Deutsche Bahn dazu verpflichtet, auch die Fahrpläne ihrer Konkurrenten zu listen.

Aufgrund einer persönlichen Intervention des großen FS-Machers Moretti (ein entsprechendes Schreiben, das die direkte Intervention Morettis belegt, liegt dem Autor dieses Beitrages vor) wurde die strikte Order ausgegeben, an keinen RFI- und Centostazioni-Bahnhöfen den Verkauf von Fahrkarten von DB und ÖBB zuzulassen. Ein lokaler Reiseveranstalter aus Bozen versucht seit Dezember 2009 vergeblich eine Räumlichkeit von Centostazioni am Bahnhof Bozen anzumieten, um dort einen professionellen Fahrkartenverkauf anzubieten. Noch im September 2010 hat der Centostazioni-Chef bei einem Besuch in Bozen hochtrabend vom neuen Dienstleistungszentrum am Bozner Bahnhof gesprochen. Abgesehen davon, dass die vom bautechnischen Standpunkt eher bescheidenen Umbauarbeiten am Bozner Bahnhof kein Ende finden, ist man bei RFI an einer Dienstleistung, die Südtirol bitter nötig hätte, nämlich einem Ticketverkauf am Bahnhof Bozen für alle Bahngesellschaften, die unser Land betreffen und einer professionellen Beratung, nicht interessiert. Dafür hat man das Bahnhofsrestaurant mit Chefexpress wieder an einen Pächter vermietet, der zu Südtirol überhaupt keine Bezug hat. Anstatt eine Visitenkarte für Südtirol, ist das Bahnhofsrestaurant, so wie der gesamte Bahnhof, ein Unort. Genau das Gegenteil von dem, was Centostazioni auf seiner Webseite ankündigt.

Teilweise erfolgt die Behinderung der Eurocityzüge subtil und lässt sich nur sehr schwer beweisen, wie folgende Episode zeigt: Am Montag, 6. Dezember 2010 wird der Eurocityzug Mailand – München mit Abfahrt in Bozen um 10.43 pünktlich gelistet. Etwa zur selben Zeit erreicht ein mit ca. 75 Minuten verspäteter Regionalzug aus Verona kommend den Bozner Bahnhof. Unter eisenbahntechnisch normalen Umständen müsste nun der pünktliche Eurocityzug den verspäteten R-Zug in Bozen überholen dürfen. RFI scheint denkt nicht daran. Der Eurocityzug wird in Folge vom R-Zug bis zum Brenner ausgebremst. Am Brenner hat der Eurocity gute 30 Minuten Verspätung angehäuft.

Alle wichtigen Entscheidungen im Eisenbahnwesen fallen in Rom

Abgesehen von der Vinschger Bahn und der Rittner Bahn, werden alle Bahnstrecken Südtirols von RFI verwaltet. Auch im Regionalverkehr, der mittlerweile vom Land Südtirol finanziert und geplant wird, hängen wir auf Gedeih und Verderb vom Schienennetzbetreiber RFI ab. Dieser vergibt die Trassen, steuert den Verkehr und organisiert die Instandhaltungsarbeiten (Wartungsintervall auf der Brennerstrecke mitten am Vormittag) nach seinem Arbeitsrhythmus. Viele Investitionen, wie der Umbau auf den Bahnhöfen im Pustertal oder auf der Meraner Linie wurden vom Land Südtirol finanziert, obwohl dieses nicht Eigentümer dieser Infrastrukturen ist. Die materielle Übernahme der Meraner und Pustertaler Bahnlinie durch das Land Südtirol ist dringend notwendig. Mittelfristig muss dies auch für die Brennerbahn gefordert werden. Das Land Südtirol muss entsprechende Forderungen in Rom deponieren und mit Nachdruck vertreten. Episoden, wie die Eilverordnung der italienischen Schienennetzbehörde Anfang dieser Woche verdeutlichen die Notwendigkeit der vollen Zuständigkeiten im Eisenbahnverkehr. Es ist völlig inakzeptabel, dass römische Behörden über den Eisenbahnverkehr in Südtirol entscheiden. Für eine “Vorzeigeautonomie” verfügen wir in verdächtig vielen Bereichen über keinerlei Einfluss.

Das Land Südtirol und der Fernverkehr auf der Brennerbahn

Während das Land Südtirol im Personennahverkehr in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt hat, ist das Engagement im Fernverkehr auf der Brennerbahn ungenügend. In den letzten Monaten hat sich der Eindruck verfestigt, dass das Fernverkehrsangebot von den entsprechenden Verantwortlichen als Selbstläufer betrachtet wird. Eine Haltung, die den Ernst der Lage nicht erkennt. Für den Standort Südtirol ist das derzeitige Angebot von fünf Eurocityzügen im Tagesverkehr nicht ausreichend und muss kurzfristig auf mindestens sieben bis acht Zugpaare ausgebaut werden. Besonders am Tagesrand benötigen wir zusätzliche Verbindungen. Notfalls muss sich das Land Südtirol hierfür auch finanziell beteiligen – es reicht nicht, lapidar zu erklären, man wäre hierfür nicht zuständig. Zum Vergleich: Der Provinzflughafen Bozen hat bisher ca. 52 Millionen Euro gekostet. Für die ungleich wichtigeren Brenner-Fernverkehrszüge scheint sich in Südtirol niemand zuständig zu fühlen. Jedenfalls ist es erstaunlich, dass bisher keine Einigung mit den DB/ÖBB erzielt werden konnte, um diese Züge auch für die Landesabos zugänglich zu machen. Ebenfalls erstaunlich, dass man keine Einigung für den Vormittags-Eurocity (Bozen ab 8.43, München an 12.25) und Nachmittags Eurocity (München ab 17.30 Uhr, Bozen an 21.30 Uhr) erzielen konnte. Dieses Zugpaar verkehrt für die nächste Fahrplanperiode nicht mehr. Ein Beitrag von etlichen 100.000 Euro hätte diese wichtige Tagesrandverbindungen anscheinend garantiert.

Solange die Eurocityzüge noch in der klassischen Kooperation zwischen DB/ÖBB/Trenitalia geführt wurden, hat man sich den Zugang für die Landesabos auf den damals noch von Trenitalia geführten Zügen noch einen höheren Betrag kosten lassen (angeblich etliche Millionen Euro).

Mit dem Rückzug von Trenitalia hat man beim Land Südtirol offensichtlich gar nicht ungern die Gelegenheit ergriffen, diese Summe einzusparen. Warum man zwar Trenitalia hierfür einen Millionenbetrag überwiesen hat und es mit den DB/ÖBB bisher zu keiner Einigung kam, bleibt eine offene Frage.

Seit Juni 2010 bzw. September 2010 verkehren zwischen Bozen und Rom wieder zwei direkte von Trenitalia geführte Zugverbindungen, was als sehr positiv zu bewerten ist. Trotzdem besteht ein bestimmter Eindruck, dass es für dieses doch eher plötzliche Entgegenkommen vonseiten Trenitalia gar einen informellen Deal zwischen Trenitalia und Land Südtirol gegeben hat, dafür das DB/ÖBB-Projekt nicht allzusehr zu unterstützen.

Die Diskussion um den Fernverkehr auf der Brennerbahn kann nicht abgeschlossen werden, ohne zu erwähnen, dass vor etlichen Jahren regionale Direktverbindungen zwischen Bozen und Innsbruck angekündigt wurden. Anscheinend soll hier das Land Nordtirol nicht die entsprechenden Geldmittel flüssig machen. Wie dem auch sei – trotz “Sonntagsredenprojekt Europaregion Tirol” warten wir noch immer vergeblich auf direkte Regionalzug-Verbindungen zwischen Bozen und Innsbruck. Diese könnten, durch entsprechende Anschlüsse in Innsbruck, teilweise die Lücken im Fernverkehr schließen.

Selbst das derzeitige Fernverkehrsangebot ist langfristig nicht gesichert. Laut Eisenbahn Revue International 11/2010 haben alleine die ÖBB im Jahre 2010 mit den Brennerzügen ein Defizit von 12 Millionen Euro eingefahren. Dies war mitunter ausschlaggebend, dass uns der Vormittags-Eurocity (Bozen ab 8.43, München an 12.25) gestrichen wurde. Sollte das Land Südtirol den Ernst der Lage nicht endlich erkennen und durch einen entschlossenen Einsatz das Fernverkehrsangebot auf der Brennerstrecke kontinuierlich ausbauen, könnten wir in etlichen Jahren vor dem Nichts stehen. Für den Standort Südtirol ein untragbarer Zustand.

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Der neue Korridor.

Es ist noch nicht lange her, da waren in Südtirol zwischen Brenner und Winnebach sogenannte Korridorzüge unterwegs, Verbindungen zwischen Nord- und Osttirol, welche Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten zuerkannt worden waren. Aus Südtiroler Sicht handelte es sich um beängstigende Geisterkonvois, die hierzulande weder halten noch Leute ein- und aussteigen lassen durften.

Der dieswöchige Beschluss der italienischen Schienennetzbehörde dürfte die Korridorzüge jetzt im sogenannten »vereinten Europa« wieder auferstehen lassen. Demzufolge dürften Fernzüge nur noch durch Südtirol fahren, ohne an unseren Bahnhöfen zu halten. Ein Mitspracherecht hat das Land dabei nicht, denn die Behörde sitzt in Rom und entscheidet für das gesamte Staatsgebiet. Erklärbar ist die Regelung, welche Fernzügen allgemein jeden Zwischenhalt untersagt, mit dem groben Interessenskonflikt, der im italienischen Schienenverkehr vorherrscht: Dem Staat gehören gleichzeitig die Regulierungsbehörde, der Schienenbetreiber RFI und die angeschlagene Bahngesellschaft Trenitalia (TI), die beiden letzteren gehören sogar der selben Betriebsgruppe an. Innerhalb dieses Geflechts hat nun der eine Arm (TI) dem anderen Arm (der Regulierungsbehörde) »mitgeteilt«, der Fernverkehr (der Konkurrenz) störe den Regionalverkehr (von TI); obwohl alle von der Behörde angehörten Regionen eine solche Störung abgestritten haben, ist nun die Entscheidung ergangen, welche ganz klar als protektionistische Maßnahme zugunsten des staatlichen Platzhirsches TI zu werten ist und dazu dient, Mitbewerber auszuschalten. Die Erreichbarkeit Südtirols wird dadurch schwer schädigt.

Das ist ganz eindeutig eine Entscheidung, die nicht im Interesse von Bürgern und Bahnfahrern gefällt wurde, sondern einzig und allein den Partikularinteressen eines Unternehmens entspricht. Dabei hätte eine staatliche Regulierungsbehörde eigentlich die Aufgabe, gleiche Voraussetzungen für alle konkurrierenden Unternehmen zu schaffen. Dass das schon bisher nicht der Fall war beweist unter anderem die Tatsache, dass Trenitalia am Bahnhof keine Tickets für die DB-ÖBB-Züge anbieten musste — denen diese Regelung jetzt wohl ohnehin das Garaus bereiten wird.

Schlüsselkompetenzen, die unser autonomes Land nicht hat (und das sind die meisten) können wir auch nicht in unserem Sinne gestalten. Dazu gehören etwa das Schulsystem, Zuwanderung und Integration, der Konsumentenschutz — und eben auch die wichtigsten Verkehrswege (Schiene, Autobahn, Luftverkehr).

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Transparenz und Verantwortung.

Ich persönlich befürworte den Ausbau des Bozner Flughafens — aus Gründen, die ich an anderer Stelle dargelegt habe. Zu diesem Thema wurde aber eine aufwändige Mediation geführt, deren Ergebnis nicht einfach so auf den Kopf gestellt werden darf. Zudem steht das Ergebnis eines Referendums im Raum, welches zwar aufgrund des knapp verfehlten Quorums nicht bindend ist, aber einen beeindruckenden Fingerzeig der Bevölkerung beinhaltet.
In einer Demokratie darf alles neu diskutiert werden, keine Entscheidung ist auf immer und ewig festgeschrieben. Doch die Bevölkerung ist ernstzunehmen und einzubinden, nicht zu übergehen und für blöd zu verkaufen. Ausdruck von Verantwortung und Transparenz wäre etwa die Abhaltung eines bindenden Referendums ohne Beteiligungsschwelle. Die Verlängerung der Landebahn trotz gegenteiligen Mediationsergebnisses wäre hingegen Ausdruck von Respektlosigkeit und Ignoranz.

Das Projekt Ried am Kronplatz kenne ich nicht im Detail. Ich weiß, dass die Anbindung von Skigebieten an die Bahn in der Schweiz gang und gäbe ist. Dass dazu auch eine neue Skipiste erforderlich ist, wage ich zu bezweifeln. In jedem Fall habe ich hierzu (noch) keine gefestigte Meinung. Ob man nun für oder gegen Ried ist, eines ist in jedem Fall sicher: Die Art und Weise, wie die SVP die Volksbefragung torpediert hat, die gezielte Demontage mit fadenscheinigen Argumenten, die Meidung einer inhaltlichen Debatte auf Augenhöhe zugunsten des Abstimmungsboykotts, ist für eine demokratische Gesellschaft nicht hinnehmbar. Das erinnert an para- und pseudodemokratische Systeme, in denen nicht Transparenz und Verantwortung, sondern Macht und Einschüchterung vorherrschen.

Gegen die Übernahme des E-Werkes an der Töll durch die Landesenergiegesellschaft SEL ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Manches Gegenargument der Etschwerke und der Gemeinden Bozen und Meran mutet merkwürdig an; so zum Beispiel, dass die Etschwerke das Kraftwerk seit 1898 führen. Kommt es zu einer Ausschreibung, sollte doch selbstverständlich sein, dass der Beste zum Zug kommt, und nicht zwangsläufig der Platzhirsch. Ob die Entscheidung der Landesregierung rechtens war, werden die Gerichte prüfen. Es zeugt aber nicht von Transparenz, wenn das Land gleichzeitig den Schiedsrichter zwischen unterschiedlichen Anbietern spielt und als Inhaber der SEL ein Eigeninteresse verfolgt.

Es geht nicht immer um den Inhalt. Um die Methoden schon.

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