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Journalism is printing what someone else does not want printed.
Christoph Franceschini ist die "Politische Persönlichkeit des Jahres 2022"

politika, die Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft, hat im Oktober vorigen Jahres beschlossen, die Auszeichnung “Politische Persönlichkeit des Jahres”, ein Titel der alljährlich für “besondere Leistungen im Bereich der Politik” vergeben wird, an den Journalisten, Buchautor und Dokumentarfilmer Christoph Franceschini zu vergeben. Die Verleihung erfolgte am vergangenen Dienstag im Alten Rathaus in Bozen.

Auslöser für die Wahl Franceschinis war das Buch “Freunde im Edelweiß”. “Aber der Anlassfall hätte nicht genügt. Es ist die jahrelange, hartnäckige, nicht nachlassende journalistische, investigative Tätigkeit, die Christoph Franceschini über den Anlassfall hinaus kennzeichnen”, schreibt politika in einer Aussendung. In der ausführlichen Begründung heißt es:

Christoph Franceschini [ist] seit Ende der 1980er-Jahre ein verlässlicher investigativer Journalist, dessen Scoops mitunter weit über die Grenzen Südtirols Resonanz finden. Er war und ist ein konstanter Faktor im Spiel von Checks and Balances in Südtirol und repräsentiert als Aufdeckungsjournalist wie kaum ein anderer seiner Zunft die Kontrollfunktion der Vierten Gewalt gegenüber den Machthabenden.

Franceschinis Arbeit bildet durch ihre Tiefe, Beharrlichkeit und Überparteilichkeit eine Alternative zu einem Journalismus, der sich auf Agenturmeldungen und Presseaussendungen stützt und weite Teile der Nachrichtenwelt in Beschlag genommen hat. Der auch in Südtirol gegenwärtigen Verquickung von Journalismus, Politik und Wirtschaft versucht sich Franceschini zu entziehen, auch dank eines für seine Arbeit unabdingbaren Netzwerks.

Meinungs- und Medienpluralismus sind Grundpfeiler der Demokratie. Das Wissen um Vorgänge und Hintergründe in Politik und Wirtschaft ist eine Voraussetzung für demokratische Teilhabe. Dieses stärkt Franceschini zusätzlich, indem er seine investigativ-journalistischen Einsichten in Büchern und Filmen aufbereitet, vertieft und/oder historisch einordnet. Die Auszeichnung Franceschinis als Politische Persönlichkeit des Jahres 2022 anerkennt, dass die Arbeit unabhängiger Journalistinnen und Journalisten den Boden demokratischer Prozesse bereitet und die Pressefreiheit einen fundamentalen und somit unverzichtbaren Aspekt der Grundfreiheiten darstellt, die es in einer Demokratie zu verteidigen gilt.

Mir wurde bei der Verleihungszeremonie die Ehre zuteil, die Laudatio auf Franceschini zu halten, welche ich hier wiedergebe:

Die Laudatio: würdevoller, hochgeistiger Höhepunkt einer jeden Auszeichnung. Wenn man sie aber einen Kindskopf wie mich bestreiten lässt, können daraus schon einmal

„Flache Witze für einen steilen Typen“

werden. Los geht’s: „Die Presse hat die Aufgabe das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.“ Wenn man diesen Aphorismus des österreichischen Schriftstellers und Theaterkritikers Alfred Polgar in einen hiesigen Kontext stellt, dann wird klar: Christoph Franceschini ist der Rasenmäher Südtirols. Und wie es sich für einen ordentlichen Rasenmäher gehört, macht er gehörig Lärm. Seine Stimme wird gehört. Und obwohl er für sie singt, ist er das Gegenteil der Schneekatzen, die alles zudecken. Mit seinen Scoops hat er einigen überfliegenden Ambitionen bereits das Grab geschaufelt. Und dieses Schaufeln beherrscht er mittlerweile aus dem Effeff, für die er übrigens auch einmal gearbeitet hat. Bei einem bekannten österreichischen Nachrichtenmagazin hat er sich ebenfalls profiliert. Mag er eigentlich Wortspiele? SEL denk I woll, wenn I an SELfservice denk. Max Rainer Sensationsjournalismus um des Skandals willen sein, wie manche mit Schaum vor dem Mund poltern, pirchern und stockern, oder das Gegenteil: Der Wilde aus Eppan geht den Mächtigen nicht auf den Laim.Er klebt ihnen vielmehr an den Fersen. Wenn er zu mähen beginnt – ach seine Philippika in die Tasten hammert – steigt in Hausnummer 7 – in der Brennerstraße wie am Weinbergweg – und eventuell auch überall dazwischen der Blutdruck. Seinem Äußeren entsprechend hat er sich nie für den einfachen, den glatten, den geebnerten Weg entschieden. Seines ist die harte Tour, das Zottelige. Er eilt von einer journalistischen Brandstätte zur nächsten. Zwischenstopp höchstens mal vor Gericht. Die Bauernschläue ist ihm ebenso zuwider, wie der Urlaub bei diesen. Stellt man ihn vor die Wahl,traud er sich statt des Deegens die noch spitzere Feder zu nehmen, womit er schon so manchen Mannfreddo – also kalt – erwischt und von der Komfort- in die Erweiterungszone oberhalb der Wahrnehmungsgrenze befördert hat. „Das geht nicht“ gibt es für ihn nicht. Das sagt er selber. Wenngleich der Weg zum tatsächlichen Abschluss seines Studiums – Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft hat er sich aufgehalst – dann doch ein zu steininger war. Zwischenzeitlich hat er in Eppan aktiv die Seite gewechselt. Aber er bleibt Pressemensch und nicht Gutmensch, denn das Wort mag er nicht. Er sieht sich wie Südtirol lieber im Fadenkreuz der Mächte. Dementsprechend wenige Freunde hat er im Edelweiß. Seine zweite Rolle ist beim Film. Für „Bombenjahre – Die Geschichte der Südtirol-Attentate“ hat er 2005 sogar einen Preis – Achtung, jetzt wird es sehr sehr flach! – ergattert. Mit über 50 wagte er schließlich den Sprung. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Er ist nach 17 Jahren von der Neuen Südtiroler Tageszeitung, die ihm zu boulevardesque wurde, ab- und bei salto.bz aufgesprungen. Online statt Print. Auf Linie ist er dennoch nicht. Er bleibt sich treu, ohne sich verbiegen zu müssen. Ein grader, kein ebner Michl. Oder wie George Orwell niemals sagte: „Journalism is printing what someone else does not want printed. Everything else is public relations.”

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 ‹8 ‹9 ‹10 ‹11 ‹12

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Solidarität mit Salto.
Für Meinungs- und Pressefreiheit in Südtirol

Wir geben diesen wichtigen Appell als Zeichen der Unterstützung mit freundlicher Genehmigung des Autors in vollem Umfang wieder.

von Hans Heiss

Presse- und Medienfreiheit sind ein hohes Gut. Als Grundsäulen von Verfassung und Demokratie bilden sie eine Basis für eine offene Gesellschaft. In Südtirol hatten es Freiheit und Vielfalt von Presse und Medien lange nicht leicht. Sie wurden für die Sprachminderheiten mühsam errungen, der Medienpluralismus gewann nur langsam an Boden. Seit gut 40 Jahren hat sich langsam ein wenig Vielfalt eingestellt, wenn auch immer wieder mit Rückschlägen. Trotz der Dominanz eines Medienhauses, von Athesia, das rund 80 % der Medien kontrolliert, bleibt Pluralismus noch gewahrt, wenn auch unter großen Mühen. Dank Rundfunk, Presse, Online-Medien und eines bürgerschaftlichen citizen-journalism.

Umso schwerwiegender daher, wenn Athesia, der stärkste Akteur der Südtiroler Medienwelt, gegen einen kleinen Konkurrenten wie Salto mit Rechtsmitteln massiv und bedrohlich vor Gericht zieht. Der Präsident von Athesia-Druck, Michl Ebner, will Salto und Redakteur Christoph Franceschini wegen Beleidigung vor dem Landesgericht Bozen klagen und hohen Schadensersatz fordern. Die Liste der als beleidigend angeführten Artikel und Sachverhalte ist lang, bei näherer Durchsicht aber hat die Anklage wenig Substanz und Gehalt: Inhalt und Ton sind scharf, mitunter schmerzhaft, wahren aber den Ton bissiger Polemik.

Vor allem bieten die Artikel Informationen und Hintergründe, deren Kenntnis für die Öffentlichkeit Südtirols notwendig ist. Genau dies ist die Aufgabe eines kleinen Mediums wie Salto: Verschwiegenes und Vertuschtes aufzudecken, um so die Informationsrechte und Wissensgrundlage einer demokratischen Öffentlichkeit zu sichern. Werden dabei die Inhaber des Südtiroler Medienmonopols angegriffen und ihre Praktiken enthüllt, so ist dies legitim. Wenn aber der Angegriffene nicht die eigenen Medien nutzt und nicht mit journalistischen Mitteln antwortet, sondern stattdessen zur Klage greift, so lässt dies tief blicken. Warum nutzt die Athesia-Spitze nicht die mediale Feuerkraft des eigenen Konzerns, um den Salto-Artikeln zu begegnen, sondern beschreitet den Weg der Klage?
Journalismus wird von Athesia-Verantwortlichen offenbar nicht nur als Informationspflicht begriffen, sondern als Machtinstrument. Dasselbe Medium, das gegen politisch und persönlich Missliebige oft jede Objektivität vermissen lässt, nimmt gegen Angriffe eines kleinen Mediums den Gerichtsweg, um Salto einzuschüchtern oder gar zum Schweigen zu bringen.

Gegen solche Übergriffe muss sich eine demokratische Öffentlichkeit zur Wehr setzen. Wir bekunden unsere volle Solidarität mit Salto und Christoph Franceschini, den weiteren Autorinnen Lisa Maria Gasser, Paolo Ghezzi, Fabio Gobbato, Wolfgang Mayr und ermutigen sie, ihren Weg eines aufklärenden, investigativen und meinungsfreudigen Journalismus weiter zu beschreiten. Athesia hingegen ist gut beraten, die Klage zurückzuziehen: im Interesse der Presse- und Meinungsfreiheit, aber auch, um sich selbst ein hohes Maß an Peinlichkeit zu ersparen. Eine pluralistische und offene Presse- und Medienlandschaft in Südtirol ist kein Luxus, sondern dringend notwendig, heute vielleicht mehr denn je.

  • Die laufend aktualisierte Liste der Unterzeichnenden ist auf Salto abrufbar.
  • Weitere Unterstützungserklärungen für diesen Appell werden unter info[at]salto.bz entgegengenommen.

Siehe auch ‹1 ‹2

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Die Zerstörung der SVP.

Am Freitag hat die SWZ wieder das Ergebnis einer sogenannten Sonntagsfrage veröffentlicht, bei der abgefragt wurde, was die Wählerinnen ankreuzen würden, wenn am Wochenende ein neuer Landtag gewählt würde. Wie immer handelt es sich auch bei dieser Erhebung des Sozialforschungsinstituts Apollis um eine Momentaufnahme und nicht um eine Prognose, da sich bis zum tatsächlichen Wahltermin noch einiges ändern könnte, insbesondere auch Meinungen und Prioritäten der Befragten.

Dennoch zeichnen solche Umfragen ein wichtiges Stimmungsbild, und das ist in diesem Fall gerade für die Mehrheitspartei wenig schmeichelhaft. Nur noch 37% würden demnach heute das Edelweiß ankreuzen1Ergebnis LTW 2018: 41,9% – Sonntagsfrage Juni 2021: 43% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 42%, während vor allem die Grünen — auf sage und schreibe 17% — zulegen könnten2Ergebnis LTW 2018: 6,8% – Sonntagsfrage Juni 2021: 13% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 14%. Sie wären dann, begünstigt auch durch die Sorge um den Klimawandel, schon fast halb so stark wie die SVP.

Verbessern würden sich auch die Freiheitlichen (auf 8%)3Ergebnis LTW 2018: 6,2% – Sonntagsfrage Juni 2021: 4% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 6% und FdI (auf 6%)4Ergebnis LTW 2018: 1,7% – Sonntagsfrage Juni 2021: 2% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 4%. PD5Ergebnis LTW 2018: 3,8% – Sonntagsfrage Juni 2021: 6% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 4% und 5SB6Ergebnis LTW 2018: 2,4% – Sonntagsfrage Juni 2021: 2% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 1% könnten das magere Ergebnis der letzten Landtagswahl in etwa halten, während TK7Ergebnis LTW 2018: 15,2% – Sonntagsfrage Juni 2021: 9% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 8%, STF8Ergebnis LTW 2018: 6% – Sonntagsfrage Juni 2021: 7% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 7% und Lega9Ergebnis LTW 2018: 11,1% – Sonntagsfrage Juni 2021: 10% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 8% die Werte von 2018 nicht mehr erreichen könnten.

Eine derart geschwächte Volkspartei wäre zwar nach innen — also in Südtirol — ein Beitrag zur Pluralisierung; nach außen hin, insbesondere auf staatlicher Ebene, könnte ein Absturz der großen Minderheitenpartei, wie wohl auch Oppositionelle einräumen würden, mitunter als Zeichen missverstanden werden, dass den Südtirolerinnen die Autonomie nicht mehr so wichtig ist. Umso besorgniserregender wäre dies, falls Italien demnächst tatsächlich eine weit rechte Regierung erhielte.

Dafür trägt die SVP, die

  • sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt;
  • immer öfter als Freunderl-, Selbstbedienungs- und Lobbypartei wahrgenommen wird;
  • das Soziale ebenso häufig vernachlässigt wie ihre einstigen Kernthemen (Autonomieausbau, Minderheitenschutz…) und
  • noch nicht einmal eine klare Abgrenzung zur postfaschistischen FdI auf die Reihe kriegt

allerdings die fast alleinige Schuld. Genausowenig wie Rezo damals als Überbringer der schlechten Nachricht für die »Zerstörung« der CDU verantwortlich war, sind hierzulande Journalistinnen, die wenig erbauliche Machenschaften und Skandale in der Volkspartei aufdecken, für deren Zerstörung verantwortlich — wiewohl sich das offenbar einige in der Sammelpartei einreden wollen.

Bei der SVP-Landesversammlung vom Samstag waren zumindest schon einige Töne zu vernehmen, die man als Schritt in die richtige Richtung werten könnte. Ob den Worten auch Taten folgen werden und welche Linie sich schlussendlich durchsetzt, muss sich aber erst zeigen.

Spätestens im Herbst 2023 steht dann aber keine Sonntagsfrage mehr an. Wenn beim Ergebnis der Volkspartei auch dann noch eine drei vorne steht, wird es für Arno Kompatscher10sofern er noch einmal antritt, Philipp Achammer und alle anderen in der Partei ungemütlich.

Siehe auch ‹1 ‹2

  • 1
    Ergebnis LTW 2018: 41,9% – Sonntagsfrage Juni 2021: 43% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 42%
  • 2
    Ergebnis LTW 2018: 6,8% – Sonntagsfrage Juni 2021: 13% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 14%
  • 3
    Ergebnis LTW 2018: 6,2% – Sonntagsfrage Juni 2021: 4% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 6%
  • 4
    Ergebnis LTW 2018: 1,7% – Sonntagsfrage Juni 2021: 2% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 4%
  • 5
    Ergebnis LTW 2018: 3,8% – Sonntagsfrage Juni 2021: 6% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 4%
  • 6
    Ergebnis LTW 2018: 2,4% – Sonntagsfrage Juni 2021: 2% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 1%
  • 7
    Ergebnis LTW 2018: 15,2% – Sonntagsfrage Juni 2021: 9% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 8%
  • 8
    Ergebnis LTW 2018: 6% – Sonntagsfrage Juni 2021: 7% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 7%
  • 9
    Ergebnis LTW 2018: 11,1% – Sonntagsfrage Juni 2021: 10% – Sonntagsfrage Jänner 2022: 8%
  • 10
    sofern er noch einmal antritt
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Autorinnen und Gastbeiträge

ManderInnen, es isch Zeit.

Die SVP-Spitze hat sich zu einem sibyllinischen Urteil durchgerungen. Vier hochrangige Exponenten müssten zurücktreten. Das Buch über die Freunde im Edelweiß sorgt für ein ordentliches Beben.

Erst die Veröffentlichung des Buches des Autoren-Duos Christoph Franceschini und Artur Oberhofer über den SAD-Skandal und den angekoppelten Machtspielen zwingt die SVP zu Konsequenzen. Das Buch spiegelt wider, wie politisch verdorben manche SVP-Politiker sind. Dokumentiert wird diese Verdorbenheit mit Audio-Dateien der Ermittler. Eigenartig ist und bleibt, warum die SVP nicht früher die Reißleine zog, immerhin weiß die Parteiführung schon seit geraumer Zeit von den Putschplänen gegen Arno Kompatscher.

Zurücktreten müssten Landesrat Thomas Widmann, einer der Hauptakteure der Putschisten-Pläne, Bezirksobmann und Ex-SAD-Präsident Christoph Perathoner, SVP-Vize Karl Zeller – er wird für die Weitergabe der Audio-Dateien verantwortlich gemacht – und Gert Lanz als Vorsitzender der SVP-Fraktion, weil er sich konsequent vor den madig gemachten Landeshauptmann stellte. Das Buch des Autoren-Duos Christoph Franceschini und Artur Oberhofer über die Freunde im Edelweiß sorgt in der Regierungspartei also für ein ordentliches Beben.

Eine Partei demontiert sich selbst. Die Partei der Autonomie, die mit ihrem Paket die Selbstverwaltung auf den Weg brachte, steht vor einem Abgrund. Die Folge exzessiver Interessenspolitik unter dem Deckmantel der SVP.
Wie wird es wohl den Ehrenamtlichen in der SVP gehen? Vor Jahren waren es noch sehr viele, die die Volkspartei trugen. Wie viele Ehrenamtliche werden in das Buch des Autoren-Duos Franceschini und Oberhofer Freunde im Edelweiß hineingelesen, die Audio-Dateien angehört haben? Ein Buch über einige Oligarchen, die nicht dem Land dienen. Oligarchen, deren Politik meilenweit vom Volk entfernt ist. Tragen die Ehrenamtlichen diese Politik noch mit?

In den Hoch-Zeiten der Südtiroler Volkspartei warben viele Frauen und Männer unter ihren Nachbarn für die Parteimitgliedschaft. Diese Frauen und Männer waren das Rückgrat einer Partei, die selbstbewusst das »Volk« im Parteinamen führt. Damals zählte die SVP mehr als 80.000 Mitglieder. Heutzutage sollen es nur mehr 20.000 sein. Man kann wohl vermuten, Tendenz fallend.

Verwunderlich ist es nicht. In den letzten Jahren der Amtszeit von Landeshauptmann Durnwalder platzte der Sel-Skandal, der manipulierte Wettbewerb um die Stromkonzessionen. Zum Platzen brachte diesen Skandal Christoph Franceschini, damals noch Redakteur der Neuen Südtiroler Tageszeitung.

Der inzwischen abgewickelte Sel-Skandal mündete in den SAD-Skandal, der die Strom-Wettbewerbsmanipulationen von damals in den Schatten stellt. Politikwissenschaftler Günther Pallaver vergleicht den Kampf um die SAD, um die Konzessionen im öffentlichen Nahverkehr, und das damit verbundene Machtspiel mit dem Tangentopoli-Sumpf anfangs der 1990er Jahre. An der staatsweiten Korruption riesigen Ausmaßes zerbrach die mächtige Democrazia Cristiana. Ist das auch das Schicksal der SVP?

Das Buch und die Audiodateien belegen das Agieren mächtiger Interessensgruppen, die daran arbeiteten, den mit den meisten Vorzugsstimmen aus den Landtagswahlen 2018 hervorgegangenen SVP-Listenführer Arno Kompatscher als Landeshauptmann auszubremsen, zu verhindern. Der Versuch eines Putsches, gesteuert in der SVP-Fraktion von Thomas Widmann in Zusammenspiel mit dem ehemaligen Pfalzner SVP-Obmann und Unternehmer Ingomar Gatterer. Und der Alt-Landeshauptmann Durnwalder als Regisseur?

Beeindruckend, wie miesmachend Thomas Widmann über Arno Kompatscher im Telefongespräch mit Gatterer lästert. Auch die Mitschnitte weiterer Gespräche, Durnwalder über Widmann und Achammer beispielsweise, runden das Bild ab, ein erschreckendes Bild.

Der Oligarch Gatterer, seine Bewertungen einiger SVP-Politiker und seine Allmachtsallüren stehen offensichtlich für das moderne Südtirol. Ein Land zum Ausnehmen. Man bedient sich der Partei, um unter dem Edelweiß die eigenen Interessen knallhart durchzudrücken. Die Autonomie-Oligarchen missbrauchen das Land wie eine Goldgrube, es wird ausgepresst wie eine Zitrone.

»Man« fühlt sich der rechtsradikalen Lega näher als der eigenen Partei, nachzuhören in den Audiodateien. Nach seinem Wahlsieg 2018 wurde Kompatscher regelrecht in eine Koalition mit der Lega gezwungen. Der Partner der Lega sind die neofaschistischen Fratelli d’Italia.

Für die Koalition aus SVP und Lega gab es dann auch eine Belohnung, Athesia-Direktor Michl Ebner – zweifelsohne der mächtigste Oligarch – wurde während der Regierungszeit der Koalitionäre Cinque Stelle-Lega von der Lega als Staatsvertreter in die Autonomiekommission berufen.

Während Kompatscher als Landeshauptmann die Eneuerung wagte, verpasste diese seine Partei, findet ff-Vize-Chefredakteur Georg Mair. Oder sie wurde gar nicht angestrebt oder aber verhindert, könnte man hinzufügen. Landeshauptmann und Partei haben sich auseinandergelebt. Auch die Basis, die Ehrenamtlichen?

Arnold Tribus, Herausgeber der Neuen Südtiroler Tageszeitung, wünscht sich eine Revolte der Anständigen. Er findet es ungerecht, die ganze SVP als Saustall darzustellen. Tribus verweist auf Bürgermeisterinnen, Gemeinderätinnen, Referentinnen, Mitglieder von Körperschaften, »die sauber sind, anständig, redlich, unbescholten, ehrlich und ehrenhaft, sittlich und verantwortungsbewusst.« Kurzum Leute, »die ihre Pflicht tun und niemals in ihre eigene Tasche wirtschaften, sondern das Wohl des Gemeinwesens im Auge haben.« Tribus findet es unerhört, »wenn nun Generationen von kleinen Politikern verdächtigt werden können, unlautere Geschäfte und Machtspiele zu machen.«

Die Entscheidung der Partei, vier Exponenten der involvierten Lager im SAD-Skandal zum freiwilligen Abgang zu bewegen, ist halbherzig. Diese Entscheidung wird der Partei von Silvius Magnago nicht gerecht. Im Foyer des SVP-Sitzes werden BesucherInnen von einem »hölzernen« Magnago und seinem

Du sollst deiner Parteien dienen und nicht dich ihrer bedienen.

empfangen.

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Obdachlosenmobbing in Bozen.

Das Informationsportal Salto hat — etwa mit Beiträgen von Elisa Brunelli ‹1 ‹2 ‹3, Valentino Liberto, Giuseppe Musumarra und Christoph Franceschini — dankenswerterweise die unmenschliche und heuchlerische Obdachlosenpolitik der Gemeinde Bozen öffentlich gemacht, die mit einer kurz vor Weihnachten durchgeführten Räumung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Die Stadtregierung von Bürgermeister Renzo Caramaschi setzt im Umgang mit Geflüchteten und Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, seit Jahren auf Repression durch Polizei und Militär, Platzverweise (das sogenannte Daspo), Zwangsräumungen, Enteignungen und eine entmenschlichende, paternalistische Bürokratie, die einigen die Straße selbst im Winter als die würdevollere Alternative erscheinen lässt.

Nach Bekanntwerden der Weihnachtsräumung stellte der Chef des grünen Koalitionspartners, Felix von Wohlgemuth, dem hiesigen Rudy Giuliani per offenem Brief die Rute ins Fenster:

Sehr geehrter Herr Caramaschi,
erneut haben Sie eine Zwangsräumung von Obdachlosen veranlasst und dass diese Räumung am Tag vor Weihnachten durchgezogen wurde, setzt dem Ganzen das sprichwörtliche Sahnehäubchen auf.
Sind Sie nicht als [M]itte-[L]inks[-]Bürgermeister bei dieser Wahl angetreten? Haben wir Ihre Kandidatur nicht genau deswegen unterstützt? Weshalb also machen Sie jetzt eine Politik, welche jedem Legapolitiker zur Ehre gereichen würde?
Sie müssten eigentlich wissen, dass Sie mit dieser Art des Vorgehens die Grundwerte der Verdi Grüne Vërc mit Füßen treten. Es ist eine Missachtung Ihrer Partner und eine Schlag ins Gesicht Ihrer (und unserer!) Stadträtin Chiara Rabini, welche seit Monaten versucht, die wildesten Auswüchse Ihres autoritären Führungsstiles abzuwehren.
Für den Fall, dass Sie es vergessen haben sollten: Eine Koalition ist eine Partnerschaft und kein Anbetungsverein eines gefährlich nahe an der Arroganz der Macht stehenden Bürgermeisters. Man trägt gemeinsam Verantwortung für seine Stadt und genau deswegen sind solche Alleingänge auf das Schärfste zu verurteilen.
Wenn Ihnen Law & Order wichtiger ist als Ihre Koalition, dann lassen Sie uns das bitte wissen. Der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht…und die Sprünge sind schon unübersehbar.
Hochachtungsvoll
Felix von Wohlgemuth

Doch statt einer Kursänderung führte diese ausgezeichnete, höchst überfällige Stellungnahme — wie von Christoph Franceschini nachgezeichnet — zu einer Distanzierung der Bozner Stadtpartei von ihrem Landesvorsitzenden.

Gleichzeitig holte Stadtrat Stefano Fattor (PD) zum Gegenschlag aus. Er verteidigte nicht nur die unbarmherzige Vorgehensweise, sondern folgte dem üblichen Bozner Whataboutism: Die Landgemeinden müssten der Hauptstadt eben Obdachlose abhnehmen — als wären es keine Menschen mit eigenem Willen und Bedürfnissen. Sowieso ist Bozen die einzige mir bekannte Großstadt, die sich über ihre großstadttypischen Probleme wundert und kleine Dörfer dafür verantwortlich macht.

Ohnehin entlarvt das Brunelli als reines Mimimi, indem sie nachweist, dass Bozen etwa unter allen Südtiroler Gemeinden, die Geflüchtete aufgenommen hatten (von Meran und Brixen über Vintl, Auer oder Pfitsch bis Mals), laut Angaben des italienischen Innenministeriums Ende 2019 im Verhältnis zur Bevölkerungszahl die landesweit geringste Aufnahmequote hatte.

Unzweifelhaft ist aber die aktuelle Situation untragbar. Eine radikale Veränderung im Umgang mit Menschen, die sich in einer Notsituation befinden oder kein Dach über dem Kopf haben (weg von der Repression und hin zu wirklich niederschwelligen Angeboten und einer Einbindung auf Augenhöhe) ist unumgänglich. Mit dem heutigen Bürgermeister und seiner Entourage scheint das aber nicht umsetzbar.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7

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Pestizidprozess und Grundrechte.

Wie Christoph Franceschini auf Salto darlegt, verkommt das Gerichtsverfahren gegen den inzwischen in den Bundestag gewählten Karl Bär (Grüne) vollends zur Farce. Der letzte verbliebene Kläger muss im Jänner sogar von der Polizei vorgeführt werden.

Bär fordert nun von der EU, eine Richtlinie zu erlassen, die einen Justizmissbrauch wie diesen künftig unterbindet, da er die Meinungsfreiheit gefährde. Dessen Anwalt Nicola Canestrini wird von Franceschini mit den Worten zitiert, dass Italien das perfekte Pflaster für gegenstandslose Klagen sei, die nur geführt würden, um unangenehme Kritiker mundtot zu machen.

»Nur wegen ein paar Südtiroler Bauern« stehe nun das italienische Justizsystem und dessen Vereinbarkeit mit internationalen Rechtsgrundsätzen im Fokus, so Franceschini.

Wäre es aber nicht das Beste, was (uns) passieren könnte, wenn dieser unsägliche Prozess wenigstens dazu beitragen könnte, die italienische Justiz etwas fairer und grundrechtverträglicher zu machen? Solange sie sich für solch gefährliche Farcen hergibt, immer jemand versuchen, dies zu missbrauchen, um andere einzuschüchtern.

Siehe auch ‹1 / ‹2 ‹3 | 1›

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Bei Anfrage Politik.
Dorfmann / Puigdemont

Auf Salto thematisierte Christoph Franceschini kürzlich das Schweigen des EU-Abgeordneten Herbert Dorfmann (SVP) zur Immunität von Carles Puigdemont, Clara Ponsatí und Toni Comín (alle JxC) — und zum eigenen Abstimmungsverhalten.

Tatsache aber ist, dass Madrid Dutzende frei gewählte Abgeordnete wenige Tage nach ihrer Wahl verhaftet und ins Gefängnis gesteckt hat. Dass man politische Ideen mit dem Strafgesetz und der Justiz bekämpft und Volksvertreter zu drastischen Gefängnisstrafen verurteilt hat.
Wir Südtirolerinnen und Südtiroler sollten das eigentlich kennen. War es nicht die Südtiroler Volkspartei, die über ein halbes Jahrhundert lang überall auf der Welt die Solidarität für die eigene bedrohte Minderheit eingefordert und auch bekommen hat­?

— Christoph Franceschini

F-Obmann Andreas Leiter Reber machte Dorfmanns Verhalten daraufhin auch zum Thema eines Facebookeintrags, den der EU-Abgeordnete als »peinlich« bezeichnete. Er habe

allen Journalisten, die mich bisher gefragt haben, erklärt wie ich abgestimmt habe […]

— Herbert Dorfmann (SVP)

Aha. Als EU-Parlamentarier gibt man seine politische Meinung zu einem so wichtigen Thema nicht von sich aus und von vornherein preis. Man will gefragt werden. Und setzt sich mit der Materie offenbar nicht einmal auseinander, denn die von Franceschini wiedergegebe Aussage

„Juristisch ist die Sache klar“, sagt Dorfmann zu Salto.bz, „die Immunität gilt ausschließlich für die politische Arbeit im Parlament und sie ist auch zeitlich an das Mandat gebunden.

ist — zumindest in ihrer Absolutheit — wohl falsch, wie wir hier anhand von offiziellen Dokumenten des EU-Parlaments dargelegt haben.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 | 1›

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Covid: Abgelehntes Verwaltungspersonal.

Sabes-Sanitätsdirektor Pierpaolo Bertoli hat Salto eine Stellungnahme zum Beitrag Die 2-Tages Quarantäne geschickt. In seiner Replik schildert Christoph Franceschini, dass LH Arno Kompatscher (SVP) bereits im Frühsommer angeboten hatte, das Personal für die Kontaktverfolgung und die Verwaltung der Quarantänemaßnahmen aufzustocken. Der Generaldirektor der Landesverwaltung, Alexander Steiner, habe — so Franceschini — eine Liste von 100 Landesbeamtinnen erstellt, die dem Gesundheitsbetrieb zu diesem Zweck für einen bestimmten Zeitraum hätten zur Verfügung gestellt werden können. Zudem war ein Amtsdirektor zur Koordinierung dieses Teams vorgesehen.

Dieser Vorschlag wurde – nach meinen Informationen – von den zuständigen Stellen in der Sanität abgelehnt. Von den 100 Personen wurden am Ende genau 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernommen.

— Christoph Franceschini

Sollte diese Darstellung zutreffen, wäre das immer wieder — auch hier: ‹1 ‹2 ‹3 — dokumentierte Desaster bei der Verwaltung von Infektionen und Quarantänen unentschuldbar.

Siehe auch ‹1 ‹2

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