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Rai-Information gleichgeschaltet.

Nach der Übernahme des öffentlich-rechtlichen italienischen Rundfunks durch die rechtsrechte Regierung schreitet die Besetzung von Schlüsselpositionen in großen Schritten voran. So wurde nun Gian Marco Chiocci, seit Ende 2018 Verantwortlicher Direktor der Nachrichtenagentur Adnkronos, die Führung der wichtigsten TV-Nachrichtensendung Tg1 übergeben. Seine Berufung soll Medienberichten zufolge direkt von Premierministerin Giorgia Meloni (FdI) durchgesetzt worden sein. Daneben wurde Antonio Preziosi zum Direktor von Tg2 ernannt — auf Wunsch von Silvio Berlusconis Forza Italia.

Entscheidend für das Gelingen dieses weiteren Gleichschaltungsschritts soll im Verwaltungsrat die Enthaltung von Alessandro Di Majo gewesen sein, der der 5SB nahesteht.

In seiner Rolle als Chefredakteur der rechten Zeitung Il Tempo hatte Chiocci den faschistischen Diktator Benito Mussolini Ende 2017 zum Mann des Jahres gekürt. Die Faschistinnen würden in Italien verfolgt, während die Gräuel des Kommunismus vergessen worden seien, hieß es damals in einem surrealen und wehleidigen Leitartikel von Marcello Veneziani. Das ist so sehr der Fall, dass Chiocci fünf Jahre später das Informationsflaggschiff der Rai übernimmt.

Zuvor hatte er unter der Führung von Vittorio Feltri (heute FdI-Regionalabgeordneter in der Lombardei) auch für Berlusconis Giornale gearbeitet.

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Vierte Gewalt unter Kuratel.

Für die Demokratie ist ein funktionierender und unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk von kaum zu überschätzender Bedeutung. Den italienischen — die Rai — leitet fortan mit Giampaolo Rossi ein direkter Vertrauensmann von Regierungschefin Giorgia Meloni (FdI), deren rechtsrechte Mehrheit seit Monaten an der Gleichschaltung der Medien gearbeitet hatte. Wichtige Persönlichkeiten haben die öffentliche Sendergruppe inzwischen unter zunehmendem Druck von Rechts verlassen und somit Platz gemacht für die unverhohlenen Ambitionen der neofaschistischen Regierung.

Wer ist der Mann?

Als FdI-Mitglied war der neue Generaldirektor der Rai, Giampaolo Rossi, federführend an der Organisation des Parteifests Atreju beteiligt. Zudem war er noch 2021 als Verfasser eines »konservativen Manifests« für den rechten römischen Bürgermeisterkandidaten Enrico Micchetti in Erscheinung getreten. Und bis 2018 schrieb er einen Blog für die Berlusconi-Zeitung il Giornale.

Regelmäßig schoss er sich, auch mit antisemitischem Vokabular, in Vergangenheit auf George Soros und seine Open Society Foundations ein. Vor dem ungarischen Philanthropen, aber auch vor der Neuen Weltordnung und der Umvolkung, so Rossi, könne Europa nur der autoritäre russische Präsident Wladimir Putin retten. Neben Feministinnen gehörten ferner auch Seenotretterinnen zu den Lieblingszielen seiner Verbalattacken, »Nigerianer und Gutmenschen« stempelte er zu »Abschaum«.

Als Verschwörungstheoretiker tat sich Rossi auch während der Corona-Pandemie hervor. Er outete sich als Impfgegner und beschimpfte den italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella als »Dracula«, weil der sich für die Impfkampagne stark gemacht hatte.

Seit einer Reform von Matteo Renzi (PD) wurde ab 2016 der Einfluss des Parlaments auf die Rai zurückgedrängt — und der der Regierung gestärkt. Dies machen sich Meloni und ihre Spezln nun rücksichtslos zunutze, um neben Legislative und Exekutive auch die vierte Staatsgewalt unter ihre Kontrolle zu bringen. Wer die Berichterstattung kontrolliert, hat natürlich auch massiven Einfluss auf Interpretation und Rezeption der Regierungsarbeit.

Mit drin hängt freilich auch diesmal wieder Südtirol, das den eigenen öffentlichen Rundfunk nicht von der Rai entkoppeln wollte. Mehrere Landtagsabgeordnete — einschließlich Alessandro Urzì (FdI) — begründeten ihre damalige Gegenstimme übrigens damit, dass sie den politischen Einfluss auf den Sender gering halten wollten.

Siehe auch 1›

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HGV gegen Transparenz und Autonomie.

Laut einem Bericht der TAZ sollen sowohl Rom als auch Brüssel einer in Südtirol geplanten verpflichtenden Herkunftsangabe von Lebensmitteln in der Gastronomie zugestimmt haben. Bislang bestehende Unsicherheiten wären somit ausgeräumt.

Doch das reicht dem HGV offenbar nicht. Im unerschütterlichen Bestreben, ein entsprechendes Landesgesetz abzuwenden, spannt er jetzt auch noch den staatsweiten Verband der Lokalbetreiberinnen (FIPE) ein, der angeblich — wie der HGV selbst — zum Schluss kommt, dass eine derartige Vorschrift nur von EU-Mitgliedsstaaten und nicht von »Regionen oder Provinzen« erlassen werden dürfe. Der Hoteliers- und Gastwirteverband und seine italienischen Freunde arbeiten also nicht mit inhaltlichen Argumenten, sondern stellen der Südtirolautonomie — in Vorwegnahme von Urteilen, die womöglich gar nie gefällt werden — die Zuständigkeit in Abrede, ein eigenes Gesetz zu erlassen, sogar wenn dies mit Zustimmung der EU und des Staates geschieht.

Dem EuGHGV ist offenkundig jedes argumentative Mittel recht, nur um eine unliebsame Regelung zu verhindern — selbst wenn sie von einer Mehrheit im Landtag gewollt wäre. Das ist undemokratisch und autonomiefeindlich.

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Solidarität mit Salto.
Für Meinungs- und Pressefreiheit in Südtirol

Wir geben diesen wichtigen Appell als Zeichen der Unterstützung mit freundlicher Genehmigung des Autors in vollem Umfang wieder.

von Hans Heiss

Presse- und Medienfreiheit sind ein hohes Gut. Als Grundsäulen von Verfassung und Demokratie bilden sie eine Basis für eine offene Gesellschaft. In Südtirol hatten es Freiheit und Vielfalt von Presse und Medien lange nicht leicht. Sie wurden für die Sprachminderheiten mühsam errungen, der Medienpluralismus gewann nur langsam an Boden. Seit gut 40 Jahren hat sich langsam ein wenig Vielfalt eingestellt, wenn auch immer wieder mit Rückschlägen. Trotz der Dominanz eines Medienhauses, von Athesia, das rund 80 % der Medien kontrolliert, bleibt Pluralismus noch gewahrt, wenn auch unter großen Mühen. Dank Rundfunk, Presse, Online-Medien und eines bürgerschaftlichen citizen-journalism.

Umso schwerwiegender daher, wenn Athesia, der stärkste Akteur der Südtiroler Medienwelt, gegen einen kleinen Konkurrenten wie Salto mit Rechtsmitteln massiv und bedrohlich vor Gericht zieht. Der Präsident von Athesia-Druck, Michl Ebner, will Salto und Redakteur Christoph Franceschini wegen Beleidigung vor dem Landesgericht Bozen klagen und hohen Schadensersatz fordern. Die Liste der als beleidigend angeführten Artikel und Sachverhalte ist lang, bei näherer Durchsicht aber hat die Anklage wenig Substanz und Gehalt: Inhalt und Ton sind scharf, mitunter schmerzhaft, wahren aber den Ton bissiger Polemik.

Vor allem bieten die Artikel Informationen und Hintergründe, deren Kenntnis für die Öffentlichkeit Südtirols notwendig ist. Genau dies ist die Aufgabe eines kleinen Mediums wie Salto: Verschwiegenes und Vertuschtes aufzudecken, um so die Informationsrechte und Wissensgrundlage einer demokratischen Öffentlichkeit zu sichern. Werden dabei die Inhaber des Südtiroler Medienmonopols angegriffen und ihre Praktiken enthüllt, so ist dies legitim. Wenn aber der Angegriffene nicht die eigenen Medien nutzt und nicht mit journalistischen Mitteln antwortet, sondern stattdessen zur Klage greift, so lässt dies tief blicken. Warum nutzt die Athesia-Spitze nicht die mediale Feuerkraft des eigenen Konzerns, um den Salto-Artikeln zu begegnen, sondern beschreitet den Weg der Klage?
Journalismus wird von Athesia-Verantwortlichen offenbar nicht nur als Informationspflicht begriffen, sondern als Machtinstrument. Dasselbe Medium, das gegen politisch und persönlich Missliebige oft jede Objektivität vermissen lässt, nimmt gegen Angriffe eines kleinen Mediums den Gerichtsweg, um Salto einzuschüchtern oder gar zum Schweigen zu bringen.

Gegen solche Übergriffe muss sich eine demokratische Öffentlichkeit zur Wehr setzen. Wir bekunden unsere volle Solidarität mit Salto und Christoph Franceschini, den weiteren Autorinnen Lisa Maria Gasser, Paolo Ghezzi, Fabio Gobbato, Wolfgang Mayr und ermutigen sie, ihren Weg eines aufklärenden, investigativen und meinungsfreudigen Journalismus weiter zu beschreiten. Athesia hingegen ist gut beraten, die Klage zurückzuziehen: im Interesse der Presse- und Meinungsfreiheit, aber auch, um sich selbst ein hohes Maß an Peinlichkeit zu ersparen. Eine pluralistische und offene Presse- und Medienlandschaft in Südtirol ist kein Luxus, sondern dringend notwendig, heute vielleicht mehr denn je.

  • Die laufend aktualisierte Liste der Unterzeichnenden ist auf Salto abrufbar.
  • Weitere Unterstützungserklärungen für diesen Appell werden unter info[at]salto.bz entgegengenommen.

Siehe auch ‹1 ‹2

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EU-Kommission gegen Italien.
Whistleblowing

Einmal mehr sieht sich die EU-Kommission gezwungen, Italien vor den EuGH zu zerren. Diesmal ist der Grund, dass das Land die Vorgaben zum Schutz von Whistleblowerinnen in der öffentlichen Verwaltung nicht umgesetzt hat. Die entsprechenden Maßnahmen waren 2019 vorgegeben worden und hätten bis Ende 2021 in staatliches Recht umgewandelt werden müssen. Die Regierungen von Giuseppe Conte (5SB), Mario Draghi und Giorgia Meloni (FdI) haben dies verabsäumt. Die Richtlinie sieht vor, dass Personen, die aus dem Inneren einer Verwaltung auf Missstände hinweisen, angemessen geschützt werden.

Darüberhinaus muss sich Italien einem weiteren Verfahren stellen, weil die EU-Kommission die zehnjährige Aufenthaltsdauer als Voraussetzung für das Bürgergeld für eine unnötige Diskriminierung hält.

Ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren droht dem Staat aber auch aufgrund des heute von der Regierung Meloni gefassten Beschlusses, die Konzessionen für den Betrieb von Strandbädern ohne Ausschreibung zu verlängern.

Italien ist traditionell eines der Länder, die am häufigsten gegen EU-Recht verstoßen. Eine sehr teure Gepflogenheit, die sich in naher Zukunft wohl nicht ändern wird.

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Transparenz auf die Speisekarte.

Auf Initiative von Manfred Vallazza (SVP) und mit Unterstützung unter anderem von Brigitte Foppa (Grüne) könnte in Südtirol bald die Pflicht zur Herkunftsangabe einiger Hauptzutaten wie Fleisch oder Eier in der Gastronomie eingeführt werden. Interessensverbände wie der HGV oder die Handelskammer laufen gegen die geplante Maßnahme sosehr Sturm, dass sich die Frage fast von selbst aufdrängt, was es denn zu verbergen gibt. Das von der Bürokratisierung scheint mir jedenfalls ein vorgeschobenes oder zumindest stark übertriebenes Argument zu sein.

In der nahen Schweiz gibt es die Kennzeichnungspflicht schon lange, vor wenigen Jahren wurde sie ausgedehnt (etwa auf Fisch) und ich muss sagen, dass ich diese Transparenz stets als sehr angenehm empfinde. Sie ist ein Beitrag zur bewussten Ernährung, zu Regionalität und Klimaschutz sowie indirekt zu mehr Qualität.

Dass auch in Südtirol sehr viele wissen möchten, was ihnen in Kantinen und Restaurants serviert wird, zeigt die gerade veröffentlichte, im Auftrag des Bauernbundes durchgeführte Apollis-Umfrage, der zufolge 92% der Befragten eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht befürworten.155% sehr dafür, 37% eher dafür, 6% dagegen — Durchführungszeitraum September 2022

Den Vorschlag, auf Freiwilligkeit zu setzen, halte ich hingegen für eine unverschämte Verarschung. Freiwillig kann jede:r alles machen, was nicht verboten ist — die Herkunftsangabe ist »freiwillig« schon heute möglich, es würde sich also gar nichts ändern. Transparenz gäbe es weiterhin höchstens dort, wo es dem Gastbetrieb (und nicht dem Gast) nützt und Intransparenz da, wo es etwas zu verbergen gibt.

Die Kennzeichnungspflicht kann hingegen dazu führen, dass Angebote umgestellt, wenn nötig Speisekarten verkleinert, aber sorgfältiger gestaltet werden. Interessant wäre übrigens auch —nach Schweizer Vorbild — Angaben wie »Hühnerfleisch aus in der Schweiz verbotener Käfighaltung« verpflichtend zu machen. Aber das Gesetz könnte freilich zu einem späteren Zeitpunkt dahingehend ergänzt werden.

Siehe auch 1›

  • 1
    55% sehr dafür, 37% eher dafür, 6% dagegen — Durchführungszeitraum September 2022
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Ermittlungen gegen Thomas Widmann eingestellt.

Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Gesundheitslandesrat Thomas Widmann (SVP) wegen der Anschaffung von Schlauchtüchern am Anfang der Corona-Pandemie wurden eingestellt.

Dass die in der Folge kostenlos an die Bevölkerung verteilten, wohl nur bedingt wirksamen Erzeugnisse ohne Ausschreibung bei einer Firma bestellt worden waren, die Widmanns Cousin gehört, stellt laut Gericht kein rechtlich relevantes Fehlverhalten dar.

Ähnlich erging es den Ermittlungen zur zweiten Bestellung von Masken und Schutzanzügen in China durch die Firma Oberalp. Auch diesbezüglich wurde die Position des später geschassten Landesrats archiviert.

Beides halte ich vor allem deshalb für eine wichtige Nachricht, weil das politisch vielleicht eher mittelkluge Verhalten des Landesrats dazumal für harsche Kritik und Korruptionsvorwürfe gesorgt hatte. Insbesondere auch ein allseits bekannter früherer Berater des italienischen Gesundheitsministeriums hatte Widmann — als pars pro toto für Südtirol insgesamt — deswegen mit Dreck beworfen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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Autorinnen und Gastbeiträge

Der Metropol-Deal.

Gianluca Savoini und der Versuch, russisches Geld für seine Lega aufzutreiben

Die Geschichte liegt schon länger zurück. Sie spielte sich am 18. Oktober 2018 im Moskauer Hotel Metropol ab. Ein enger Mitarbeiter des damaligen stellvertretenden italienischen Ministerpräsidenten und Innenministers Matteo Salvini, Gianluca Savoini, führte Gespräche, um russische Ölgelder in die Kassen seiner Lega zu pumpen.

Mit Savoini vor Ort waren, schrieb Buzzfeed News, der Anwalt Gianluca Meranda und der Finanzberater Fancesco Vannucci. Das russische Trio bestand aus Ilja Andreevich Jakunin, Andrej Kharchenko und ein Mann namens Jurij. Laut Buzzfeed News handelt es sich um Männer, die der sogenannten eurasischen Bewegung des völkischen Ideologen Aleksandr Dugin nahestehen sollen.

Buzzfeed News wurde eine Audioaufnahme des Treffens zugespielt. Die sechs Männer diskutierten über die Bedingungen eines Abkommens, um der Lega 65 Millionen Dollar russischer Ölgelder für den Europawahlkampf zur Verfügung zu stellen. Hier die vollständige Abschrift des Meetings, das eine Stunde und 15 Minuten dauerte.

Das Quintett klügelte ein durchdachtes System aus, das den eigentlichen Nutznießer des Deals — Matteo Salvini und seine Lega — gekonnt in dem Geschäftskonstrukt verbarg. Diese Art der Parteifinanzierung geißelte Buzzfeed News als einen unverfrorenen Verstoß gegen das italienische Parteienfinanzierungsgesetz. Dieses verbietet politischen Parteien, ausländische Spenden anzunehmen.

Der Ort der Verhandlung war also das marmorprotzige Hotel Metropol. Just the right place, um über eine »große Allianz« zu diskutieren. Vor mehr als 100 Jahren versuchten von diesem Hotel aus Anhänger des Zaren den Marsch der Bolschewiki auf den Kreml zu stoppen. Nach der erfolgreichen Revolution entwarfen in der Suite 217 die Bolschewisten den Entwurf für die erste sowjetische Verfassung.

Die sechs erwähnten Männer, die sich 2018 in der Hotellobby trafen, hatten auch die Geschichte im Visier. Vordergründig ging es zwar um ein Ölgeschäft. Ihr eigentliches Ziel war es aber, liberale europäische Demokratien — für Putin ein Horror — zu untergraben. Das zweite Ziel war die Gründung eines neuen Europa, das mit Russland verbündet sein wird.

Die Italiener betonten in dem mitgeschnittenen Gespräch, bei dem Ölgeschäft gehe es nicht um private Gewinne, sondern um eine politische Angelegenheit. Mit dem Geld aus dem Öl-Deal sollte eine Kampagne finanziert werden, die für die beiden Länder von Vorteil, von gegenseitigem Nutzen ist, heißt es in der Abschrift des Gesprächsmitschnitts.

Es waren die italienischen Journalisten Stefano Vergine und Giovanni Tizian, die erstmals im Espresso über das Treffen und den angedachten Deal berichteten. Der Pressesprecher von Salvini tat die Meldung über das obskure Meeting im Hotel Metropol in Moskau als Phantasien ab, Salvini-Mitarbeiter Savoini dementierte in der kremlnahen Nachrichtenagentur Sputnik an einer Verhandlung teilgenommen zu haben. In einer Stellungnahme an Buzzfeed News bezeichnete Savoini die Geschichte als »eine Fiktion«.

In dem erwähnten Mitschnitt ist jedoch zu hören, wie Savoini seinen Gesprächspartnern versicherte, dass er der Verbindungsmann zwischen der italienischen und der russischen Seite sei. Er sagte auch, dies sei ihm von »Aleksandr« bestätigt worden, eine mögliche Anspielung auf Aleksandr Dugin. Savoini ist mit Dugin fotografiert worden.

Buzzfeed News wandte sich mit einer Reihe von detaillierten Fragen zum Metropol-Treffen an Savoini. Die Antwort von Savoini: »Tut mir leid, aber ich verschwende keine Zeit für diese Dinge«, und fügte hinzu, dass sein Anwalt darauf reagieren werde. Eine weitere Reaktion blieb aus, auch die angekündigte Antwort des Anwalts, schreibt BuzzFeed.

Die beiden Espresso-Journalisten Stefano Vergine und Giovanni Tizian veröffentlichten ihre brisante Recherche in ihrem Buch Das Schwarzbuch der Lega. Vergine und Tizian berichteten auch, dass sich Salvini am Abend des 17. Oktober — einen Tag vor dem von allen Seiten dementierten Metropol-Treffen — mit dem stellvertretenden Leiter der russischen Präsidialverwaltung Dmitrij Kozak im Büro von Vladimir Pligin getroffen habe, dem Spitzenfunktionär der Putin-Partei. Dieses Treffen wurde aber auf dem offiziellen Terminplan von Salvini nicht vermerkt, wissen Vergine und Tizian, an diesem Abend scheint es keinerlei Salvini-Engagements gegeben zu haben.

Im von Buzzfeed News veröffentlichten Audiomitschnitt des Metropol-Treffens wies Savoini beim Gespräch die drei russischen Gastgeber darauf hin, dass sich Europa geopolitisch verändere. »Wir wollen Europa verändern. Ein neues Europa muss wie bisher in der Nähe Russlands sein, weil wir unsere Souveränität haben wollen. Wir wollen wirklich entscheiden für unsere Zukunft, Italiener, für unsere Kinder, für unsere Söhne.« Eine solche Politik sei nur möglich, führte Savoini aus, wenn Italien sich von Brüssel und von den USA lossage.

Für diesen europäischen Wandel böten sich die Lega und ihre befreundeten Parteien wie die österreichischen Freiheitlichen und die AfD an, genauso die Schwedendemokraten, Marine Le Pen, Orban und sein Ungarn, der sich als Anti-EU versteht und auch entsprechend agiert.

Einer der russischen Teilnehmer sagte, die Vorbereitungen für den angestrebten Deal seien abgeschlossen, einige Details müssten aber noch geklärt werden. Dazu gehörten die Banken, über die der Geldtransfer abgewickelt und die Häfen, über die der Öltransport laufen sollte.

Als Partner des Deals regte ein weiterer russischer Gesprächsteilnehmer zwei russische Gesellschaften — Lukoil oder Rosneft — sowie die Handelsgesellschaft Naftogaz an. »Das ist vorzuziehen. Warum? Denn wenn neben dem Unternehmen, das von unseren großen Ölproduzenten Rosneft oder Lukoil kauft und später verkauft, ein viertes Unternehmen auftaucht, dann ist das… (unhörbar).« Zitat aus dem Mitschnitt, wenn ein viertes Unternehmen auftaucht, könnte das Aufmerksamkeit erregen, interpretierte Buzzfeed News diesen russischen Einwand.

Die drei russischen Verhandler plädierten für ein nach außen transparentes und nachvollziehbares Geschäft, um keinen Argwohn zu wecken. Laut Audiomitschnitt empfahl einer der Russen, über die ihm bekannte Winter-Bank in Wien ein Konto für den Verkäufer und den Käufer zu eröffnen, zu guten Konditionen. Sie erkundigten sich auch nach italienischen Gesetzen und nach der Regelung der Parteienfinanzierung.

Die Verhandlung gipfelte in der verbalen Übereinkunft, dass eine große russische Ölgesellschaft innerhalb eines Jahres mindestens drei Millionen Tonnen Kraftstoff an den italienischen Konzern Eni im Wert von 1,5 Milliarden Dollar verkauft. Der Kauf und Verkauf würde über Vermittler erfolgen, wobei die Verkäufer einen ermäßigten Satz auf diese Transaktionen anwenden würden.

Dieser ermäßigte Satz würde 65 Millionen US-Dollar ausmachen, rechnete Buzzfeed News nach und der Rabatt sollte geheim an die Lega weitergerecht werden. Für Savioni und seine Partner sollte zudem eine Vermittlungsgebühr lockergemacht werden.

Nach Bekanntwerden des Metropol-Treffens und des Deals nahm die Mailänder Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Die russischen Justizbehörden verweigerten laut der Tageszeitung la Repubblica die angefragte Zusammenarbeit. Die Ermittlungen wurden inzwischen eingestellt, Savioni ist also ein unbescholtener Mann. Die stramm rechte Zeitung Il Giornale bemüht sich kräftig, die Sicht der Lega auf den Deal zu verbreiten.

Der Giornale zitierte frohlockend die Aussage der Rom-Korrespondentin von Kommersant, Elena Pushkarskaya, laut der das Metropol-Treffen nicht als politisch wahrgenommen wird, weil es »eher nach Verhandlungen zwischen Geschäftsleuten aussieht«. Solchen Treffen sind business as usual. Der Giornale reichte noch einen flapsigen Salvini-Sager nach, nie einen Rubel erhalten zu haben. Es ging beim Deal um Dollars, nicht um Rubel.

Das Metropol-Treffen also nur ein Treffen von Geschäftsmännern? Nur Fiktion? Kein Grund zur Aufregung? Fakt ist, die Mailänder Staatsanwaltschaft konnte den Fall Metropol nicht aufarbeiten — und das erreichte die russische Justiz mit ihrer verweigerten Zusammenarbeit.

Der ehemalige österreichische Vizekanzler von der rechten FPÖ, Heinz-Christian Strache, biederte sich einer angeblichen Oligarchentochter an. Strache bat um russische Wahlkampfunterstützung, im Austausch sollte es öffentliche Aufträge geben. Die Freiheitlichen lehnen wie die Lega EU-Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Österreich gilt wegen seiner Russlandfreundlichkeit als eine Oase für russische Oligarchen.

Offener, offizieller, läuft es in Deutschland ab. Die Energiepolitik des deutschen Staates war eine freiwillige Unterwerfung, im Gegenzug gab es Billigöl — und Gas. Nord Stream 2 ist das Symbol für die unnötige wirtschaftlicher Abhängigkeit Deutschlands von Russland, wie es der Grüne Toni Hofreiter formulierte.

Ungarn des rechtsradikalen Viktor Orban, ein politischer Freund von Salvini und der Neofaschistin Meloni, boykottiert die Anti-Putin-Sanktionen der EU, untersagt die Waffenlieferung in die Ukraine und erhält im Gegenzug von Russland Öl und Gas zum Billigtarif. Eine Art Metropol-Deal zwischen Orban und Putin. Das Vorbild für Salvini und Meloni. Das angeblich nie stattgefundene italo-russische Treffen im Moskauer Hotel Metropol reiht sich in die russischen Versuche ein, die Europäische Union zu sprengen.

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