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Autorinnen und Gastbeiträge

SVP-FdI: Operation Weichspülen.
Teil 1

Es wächst zusammen, was nicht zusammengehört. SVP und Fratelli d’Italia. Wirklich nicht?

Landwirtschaftsminister Lollobrigida, fratello von »Ministerpräsident« Meloni, geißelte die Migration als »Umvolkung«. Auf die Grenzen, Migranten rein. Europaweit schwafeln Rechtsradikale, bekanntermaßen gesponsert vom russischen Kriegspräsidenten Putin, von einem »Bevölkerungsaustausch«. So als ob eine geheime Macht diese Migration — um Italien zu schaden — steuern würde.

Ministerpräsidentin Meloni lässt Anti-Terror-Einheiten gegen »Klimakleber« ausrücken. Der Applaus der Autofans und Klimaleugner ist ihr gewiss. Auch in Südtirol. Wo bleiben die Anti-Terror-Einheiten im Kampf gegen die Mafia?

Eine der ersten Maßnahmen dieser rechts-rechten Regierung war das Rave-Verbot. Raven, ein Anschlag auf die Einheit des Staates? Raven, eine Gefahr für Land und Leute?

Aus den Reihen dieser Regierung tönt es immer wieder lesben- und schwulenfeindlich, gegen Queere, kurzum gegen »Andere«. Kinder und Jugendliche müssen gegen diese »sexuellen Abartigkeiten« geschützt werden, so die Begründung für die Hetze. Das katholische Lager und viele Südtiroler klatschten begeistert.

Rechtskonservativ, reaktionär ist dieses Arsenal, extrem nationalistisch wird es, wenn die Fratelli die italienische Sprache zur ausdrücklichen Pflicht erheben wollen. Simon Constantini bezeichnete dieses Ansinnen von Fabio Mollicone (FdI) als besorgniserregend. Bisher galt das Prinzip, dass jede Staatsbürgerin das Recht genießt, die italienische Sprache zu gebrauchen. Mollicone will daraus eine Pflicht basteln.

»Insbesondere … in Südtirol, wo die deutsche der italienischen Sprache laut Autonomiestatut gleichgestellt sein sollte, hätte die Pflicht zur Kenntnis der Staatssprache unabsehbare Folgen«, warnte Constantini in seinem Artikel »Zwang zur Beherrschung der italienischen Sprache«.

Halb so schlimm? Die Äußerungen von Vertreterinnen der Fratelli d’Italia über Faschismus und Antifaschismus sind erschreckend. Schon der ehemalige Ministerpräsident Berlusconi, der sich immer wieder abfällig über den Antifaschismus geäußert hatte, ebnete damit den Faschisten des 21. Jahrhunderts den Weg. Er holte Alleanza Nazionale, vormals der noefaschistische MSI, aus dem politischen Eisschrank der italienischen Nachkriegsdemokratie. Die Erben des Faschismus haben sich in dieser Republik eingenistet, eine Republik, die auch von Antifaschistinnen erkämpft worden ist.

Aber wen kümmert das?

Ansonsten hält sich diese doch sehr rechte Regierung mit krassen radikalen Tönen strategisch zurück. Kreidefressen scheint angesagt zu sein. »Warum agiert die Regierung so unauffällig?« fragte sich Rainald Manthe vom Zentrum Liberale Moderne: »Die Regierung muss nun liefern — nicht nur für gute Wahlergebnisse sorgen. Als Regierungskoalition muss man sich an Verträge und Zusagen halten, die Verwaltung muss rechtskonforme Gesetzesvorschläge machen, die Wirtschaft laufen — und die Öffentlichkeit schaut zu. All dies schränkt die Handlungsmöglichkeiten Melonis ein.“

Manthe hat noch eine andere Erklärung zur Hand: »Meloni und ihre Partei haben es von Anfang an darauf angelegt, durch Mitregierung zu gestalten, nicht durch Populismus aus der Opposition. Melonis Regierung wäre dann ein Ausdruck des „Techno-Populismus“, einer Verbindung von Populismus und Technokratie. War der Populismus also nur Wahlkampftaktik, gepaart mit dem nicht aufgearbeiteten Erbe des Faschismus von Fratelli d’Italia und Italien?«

Südtirol ist Italien

Diese Strategie geht auf, italienweit, aber auch und besonders in Südtirol. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist mit der Arbeit der Regierung Meloni zufrieden. Die bereits bekannte Apollis-Umfrage der SWZ, aufgearbeitet von der Neuen Südtiroler Tageszeitung, belegt, dass die Zustimmung unter der deutsch- und ladinischsprachigen Bürgerinnenschaft höher ist als unter der italienischsprachigen. Die Mehrheit der SVP, Team-K-, F- und STF-Wählerinnen äußert sich positiv über Meloni. Südtirol ist Italien.

Diese Sympathien müssen verwundern. Constantini schaute sich die parlamentarische Aktivität von Francesco Lollobrigidia, ausgewiesener Freund des Bauernbundes, in seiner Oppositionszeit genauer an. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Fratelli in der Abgeordnetenkammer und Schwager von Giorgia Meloni fiel durch eine besondere Südtirolbesessenheit auf. Die Vorstöße waren untergriffig, eine besessene Südtirolfeindlichkeit quillt aus seinen Anfragen. Tatkräftig unterstützte der ehemalige Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì das Treiben seines Kameraden.

Die Erklärungen für die Zustimmung zu Meloni sind vielfältig. Als »klar, kohärent, konkret, seriös und verantwortungsvoll« lobt der Meloni-Mann Alessandro Urzì seine Chefin. »Meloni wird als staatstragend wahrgenommen, dieses Image hat sie konsequent aufgebaut«, ergänzt die Grüne Brigitte Foppa. »Die SüdtirolerInnen waren einerseits auf das Schlimmste gefasst und sind jetzt erleichtert, dass es nicht so gekommen ist. Andererseits ist Meloni eine kompetente junge Frau, die bis jetzt noch nicht viel falsch gemacht hat. Das honorieren die SüdtirolerInnen«, analysiert die ansonsten Meloni-kritische SVP-Senatorin Julia Unterberger.

Zu einem gänzlich anderen Schluss kommt der emeritierte Universitätsprofessor und Politikwissenschaftler Günther Pallaver auf Salto. Die Südtiroler leiden in Sachen Faschismus anscheinend an Vergesslichkeit, frotzelte der Professor. Er erinnerte an den Sager »Se fossi italiano, probabilmente sarei fascista« des Südtiroler Abgeordneten Friedrich Graf Toggenburg 1921. Gilt das heute auch noch?

»Der Faschismus war in den 1920er Jahren einem Teil des Südtiroler Bürgertums durchaus willkommen, wie heute die rechtsrechten Fratelli d’Italia. Die Wirtschaft Südtirols denkt gleich wie vor 100 Jahren an den Profit. Hauptsache, die Kassa stimmt. Law and Order sind wichtiger als Demokratie und Menschenwürde. Wer gegen die angebliche „Invasion der Ausländer“ poltert, ist in Südtirol willkommen. Wer eine reaktionäre Familienpolitik propagiert, erhält in Südtirol Applaus«, konstatiert bedauernd der Wissenschaftler Günther Pallaver. Der Toggenburg-Spruch von 1921 klingt heute, leicht abgewandelt: »Se fossi italiano, probabilmente voterei Fratelli d’Italia.«

»Se fossi italiano, probabilmente voterei Fratelli d’Italia.«

Tatsächlich sagte dies Angelika Kaufmann von der Initiative Zomholtn in der Corona-Ära. Als Südtirolerin wähle sie zwar die Lega, heute Partner in der Meloni-Regierung, als Mailänderin würde sie Meloni wählen. Viel Applaus erntete Lega-Chef Matteo Salvini, im Oktober 2018 Innenminister, bei einem Auftritt der Kastelruther Spatzen. »Salvini wurde herzlich empfangen«, fand die Neue Südtiroler Tageszeitung. Weil er radikal feindlich gegen Migranten und Flüchtlinge auftrat, deutsche Seenotretter populistisch als Kriminelle verunglimpfte oder weil die Lega einst föderalistisch und minderheitenfreundlich war?

Der Klagenfurter Universitätsprofessor Hans-Karl Peterlini zitiert in der Neuen Südtiroler Tageszeitung den ehemaligen Grünen-Politiker Alexander Langer mit der Frage, »warum Südtirol, das doch von rechts nie gutes erfuhr, genau auf dem rechten Auge blind ist […]«

Südtirols Autonomie gibt es auch deshalb, weil die kommunistische Partei PCI im Parlament 1971 dem Zweiten Autonomiestatut zugestimmt hatte. Ein Gemeinschaftswerk von DC und SVP, gesponsert von Österreich. Fast verzweifelt weist der langjährige SVP-Parlamentarier Karl Zeller darauf hin, dass die nach 1992 erlassenen 88 Durchführungsbestimmungen zum Ausbau der Autonomie Mitte-Links-Regierung erlassen haben. Im Land macht sich ein autonomistischer menefreghismo breit — stattdessen begrüßen Südtirolerinnen das Meloni-Projekt eines starken Staates, scheinen ihren Sager verdrängt zu haben, Südtiroler sollen nach Österreich auswandern, wenn sie sich nicht mit Italien identifizieren.

Wenn sich nun die Mehrheit der SVP-Wählerinnen positiv zu Meloni äußert, wird sich die SVP wohl auf den Weg in die Arme von Meloni machen. Der Maschinenraum der SVP, so die Wochenzeitung ff über den Bauernbund (SBB), brummt bereits für Meloni und ihre Partei. Der SBB fühlt sich bei Landwirtschaftsminister Lollobrigida gut aufgehoben, weil er laut Sonntagsreden Bären und Wölfe »entnehmen« möchte. Der Chef im Maschinenraum, der Landtagsabgeordnete Franz Locher, schwafelte von einer starken Region, nicht von einer starken »Provinz«. Wie sein offensichtliches Vorbild Meloni?

In der Tageszeitung Dolomiten durfte sich vor den Parlamentswahlen im Herbst 2022 Spitzenkandidatin Giorgia Meloni auf einer ganzen Seite ausbreiten. Ja, starke Autonomie, aber ein noch stärkerer Staat, textete sie unwidersprochen im Tagblatt der Südtiroler. Die Tageszeitung Dolomiten nimmt noch immer massiven Einfluss auf die politische Stimmung, sagt Peterlini in der Tageszeitung zur Meloni-Zustimmung im Land.

Serie I II

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Südtiroler Fascho-Kuschelei.
Hohe Zustimmungswerte für Meloni

Wählen würden sie ihre Partei eher nicht, die bisherige Regierungsarbeit von Giorgia Meloni (FdI) bewerten viele Südtirolerinnen dennoch positiv: Dem Apollis-Politbarometer1Erhebungszeitraum: 9. Februar bis 12. März – Grundgesamtheit: wahlberechtigte Bevölkerung – 1.000 Befragte (SWZ) zufolge sind sage und schreibe 57% der Südtirolerinnen mit der Arbeit des rechtsrechten Kabinetts eher (46%) oder sogar sehr zufrieden (11%). Weniger (22%) oder gar nicht zufrieden (8%) sind insgesamt nur knapp ein Drittel (30%).

Im Durchschnitt sind die Deutschsprachigen (62%) und die Ladinischsprachigen (66%) sogar noch zufriedener mit Meloni als die Italienischsprachigen (50%) — bei der Landbevölkerung punktet sie mehr (61%) als in den Städten (50%).

Erstaunlich ist auch die Aufschlüsselung nach Wahlabsicht. Bei den Befragten, die sich zu einer italienischen Mitterechtspartei bekennen, erzielt die römische Regierung erwartungsgemäß die besten Werte: über 80% bewerten die Regierung positiv.239% sehr + 45% eher zufrieden = 84% Dann aber folgen der Reihe nach die Wählerinnen von SVP310% sehr + 54% eher zufrieden = 64%, Team K411% sehr + 48% eher zufrieden = 59% und deutschen Mitterechtsparteien.517% sehr + 40% eher zufrieden = 57%

Knapp aber doch sind sogar bei denen, die die Grünen wählen würden, die Zufriedenen im Vorsprung.63% sehr + 42% eher zufrieden = 45% bei 41% Unzufriedenen Nur die 4% erklärten PD-Wählerinnen sind mit den Neofaschistinnen erwartungsgemäß klar unzufrieden.721% gar nicht + 53% weniger zufrieden = 74%

Betrachtet man die Altersgruppen, gibt es lediglich bei den Jüngsten (18-34 Jahre) eine relative Mehrheit von Unzufriedenen.811% gar nicht + 33% weniger zufrieden = 44% · 4% sehr + 36% eher zufrieden = 40% Bei allen anderen überwiegt die positive Bewertung klar.9Zufriedene: 35-49 Jahre 54%; 50-64 Jahre 68%; ≥65 Jahre 63%

Dass die rechtsrechte Regierung sozial Benachteiligte marginalisiert und drangsaliert zeigt sich darin, dass 62% der Erwerbslosen unzufrieden mit der Arbeit von Meloni sind.

Die Kuschelei der SVP (‹1 ‹2 ‹3) und des Team K mit FdI, Lega und FI scheint sich für die Rechten also ebenso zu lohnen, wie etwa die mangelnde Abgrenzung der Grünen. Da sehen die Wählerinnen über Revisionismus und Faschismus-Verharmlosungen (‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5) gerne hinweg. Doch auch die Kriminalisierung von Seenotrettung und Flucht, die Diskriminierung queerer Menschen, die beabsichtigte Entkriminalisierung von Folter, der Missbrauch von Sprache als politische Waffe, der übersteigerte Nationalismus — und das ist nur eine kleine Auswahl an bestürzenden »Leistungen« dieser Regierung — können viele Südtirolerinnen offenbar nicht von ihrer Zufriedenheit abbringen.

Wobei auch zu sagen ist, dass meiner Beobachtung zufolge Südtiroler Medien (oft leider auch alternative) eher wenig Interesse für die fast täglichen Entgleisungen der Regierungsmehrheit in Rom zeigen. Wenn doch, wird darüber oft erstaunlich unkritisch berichtet.

Siehe auch ‹1

  • 1
    Erhebungszeitraum: 9. Februar bis 12. März – Grundgesamtheit: wahlberechtigte Bevölkerung – 1.000 Befragte
  • 2
    39% sehr + 45% eher zufrieden = 84%
  • 3
    10% sehr + 54% eher zufrieden = 64%
  • 4
    11% sehr + 48% eher zufrieden = 59%
  • 5
    17% sehr + 40% eher zufrieden = 57%
  • 6
    3% sehr + 42% eher zufrieden = 45% bei 41% Unzufriedenen
  • 7
    21% gar nicht + 53% weniger zufrieden = 74%
  • 8
    11% gar nicht + 33% weniger zufrieden = 44% · 4% sehr + 36% eher zufrieden = 40%
  • 9
    Zufriedene: 35-49 Jahre 54%; 50-64 Jahre 68%; ≥65 Jahre 63%
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Sonntagsfragen von Apollis und Demox.

Kürzlich wurden die Ergebnisse zweier Umfragen bekanntgegeben, in deren Rahmen — in Hinblick auf die diesjährigen Landtagswahlen — ermittelt wurde, was die Wahlberechtigten ankreuzen würden, wenn »am nächsten Sonntag« Wahlen stattfänden.

Eine Umfrage wurde im Auftrag der Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) von Apollis (Bozen)1Durchführungszeitraum: 9. Februar bis 12. März 2023. durchgeführt, die zweite im Auftrag der SVP von Demox (Wien).2Durchführungszeitraum: 21. bis 29. März 2023.

Dabei ergaben sich teils erhebliche Unterschiede:

In beiden Fällen bliebe die SVP erwartungsgemäß stärkste Partei. Laut Apollis hätte sie im Vergleich zur letzten Landtagswahl (LTW18: 41,9%) mit einem Rückgang von knapp zwei Prozentpunkten (40%), laut Demox jedoch mit deutlich größeren Verlusten (36-37%) zu rechnen.

Während das derzeitige Potenzial des Team K (TK) von beiden Instituten ungefähr gleich hoch eingestuft wird3Apollis: 13%; Demox: 12-13%; LTW18: 15,2%, ist der Unterschied bei den Grünen erheblich.4Apollis: 14%; Demox: 10-11%; LTW18: 6,8% Sowohl Apollis als auch Demox sehen STF und F relativ stabil bei 6-7%5LTW18: STF 6% und F 6,2%, FdI im Aufschwung6Apollis: 6%; Demox: 7-8%; LTW18: 1,7% und die Lega im Sinkflug.7Apollis: 3%; Demox: 5-6%; LTW18: 11,1% Der PD bliebe unverändert bei rund 4%.8Apollis: 4%; Demox: 3-4%; LTW18: 3,8%

Die Umfragen sind selbstverständlich keine Wahlprognosen, sondern aktuelle Stimmungsbilder, die zum Beispiel durch politische Entwicklungen, Wahlkampf einschließlich Bündnisentscheidungen, Kandidierende, geänderte Prioritäten in der Bevölkerung oder Wahlbeteiligung entscheidend beeinflusst werden können.

Zusätzliche Daten, Erhebungsmethoden und -zeitraum sowie Größe des jeweiligen Stichprobenfehlers können in den Herkunftsmedien nachgelesen werden.

Siehe auch ‹1 ‹2 | 1› 2›

  • 1
    Durchführungszeitraum: 9. Februar bis 12. März 2023.
  • 2
    Durchführungszeitraum: 21. bis 29. März 2023.
  • 3
    Apollis: 13%; Demox: 12-13%; LTW18: 15,2%
  • 4
    Apollis: 14%; Demox: 10-11%; LTW18: 6,8%
  • 5
    LTW18: STF 6% und F 6,2%
  • 6
    Apollis: 6%; Demox: 7-8%; LTW18: 1,7%
  • 7
    Apollis: 3%; Demox: 5-6%; LTW18: 11,1%
  • 8
    Apollis: 4%; Demox: 3-4%; LTW18: 3,8%
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Moschee: Islam ins Privatleben?

Der römisch-katholische Theologe Paolo Renner, der in Brixen Islam doziert, plädiert für die Errichtung einer Moschee mit angeschlossenem Kulturzentrum in Bozen. Die rund 20.000 hier lebenden Muslime könnten sich heute in Südtirol nicht religiös weiterbilden und liefen daher Gefahr, fundamentalistischen und radikalen Ideen zu verfallen, so seine Begründung.

Auf die pünktliche Kritik der Rechten (F und STF) antwortete der Vorsitzende der Südtiroler Grünen, Felix von Wohlgemuth, auf Facebook mit einem plakativen »Der Islam ist Teil Südtirols und Europas«. Worauf Markus Lobis seinerseits mit »Der Islam gehört ins Privatleben. So wie alle anderen Religionen auch!« reagierte. Julia Unterberger (SVP) stimmte ihm zu.

Mal davon abgesehen, dass die Debatte am Vorschlag von Paolo Renner und insbesondere an seiner Begründung völlig vorbeiläuft, halte ich die Aussage, der Islam gehöre ins Privatleben, für diskriminierend.

Nicht dass ich mit der Meinung, Religionen gehörten allgemein ins Privatleben, nicht einverstanden wäre. Diese Auffassung aber just gegen die erste und einzige Moschee in Stellung zu bringen, während es in Südtirol hunderte christlicher Kirchen gibt, ist unlauter und ungerecht. Da wird das »eigene« Privileg übersehen, um anderen etwas zu untersagen.

Das ist wie wenn Sprecherinnen einer nationalen Mehrheitssprache Maßnahmen zum Minderheitenschutz ablehnen — mit dem Argument, Sprachen sollte man generell nicht schützen. Dem könnte man vielleicht in einer idealen Welt sogar zustimmen, doch die Stärke von Mehrheitssprachen beruht gerade auf dem Privileg, dass sie implizit und explizit geschützt sind und von etablierten Machtstrukturen profitieren.

Vertreterinnen von Nationen, die Völkern die Gründung eines Staates verweigern, weil Staaten angeblich obsolet und Grenzen etwas Abzubauendes seien, erliegen demselben Trugschluss.

Klar, all die genannten Argumente klingen nachvollziehbar. Dann sollen aber zuerst die christliche Religion tatsächlich ins Privatleben verbannt werden, nationale Mehrheitssprachen ihre Privilegien abgeben und Staaten ihre Staatlichkeit aufgeben. Erst dann kann auf dieser Grundlage die Errichtung einer Moschee, der Ausbau des Minderheitenschutzes oder die Gründung eines Staates abgelehnt werden.

Sonst ist es nichts anderes als eine Diskriminierung Unterprivilegierter durch Privilegierte.

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Transit: Anita scheitert am EuG.

Das ging schnell: Der italienische Frächterverband Anita unter dem Vorsitz von Thomas Baumgartner (Fercam) hatte am 11. November 2022 (um 11:11 Uhr?) beim Europäischen Gericht (EuG) eine Klage gegen die EU-Kommission (EU-K) eingereicht.

Der Vorwurf: Unterlassung. Die EU-K habe es verabsäumt, wegen der verkehrsmindernden Maßnahmen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten.

Schon am 2. Februar entschied nun die dritte Gerichtskammer in Luxemburg, dass die Frächter nicht berechtigt seien, die EU-K in diesem Fall wegen Unterlassung zu verklagen. Der Vorstoß sei »offensichtlich unzulässig«, weshalb ein Verfahren erst gar nicht eröffnet wird.

Das ist eine gute Nachricht für Mensch und Umwelt auch in Südtirol, aber leider noch keine vollständige Entwarnung. Gerade fährt nämlich der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) eine aggressive Kampagne gegen Österreich und die dort ergriffenen Maßnahmen. Diesem Vorstoß setzen sich zwar Grüne und STF, nicht aber unser »nachhaltiger« Landeshauptmann (oder gar sein Umweltlandesrat-Darsteller) entschieden entgegen.

Siehe auch 1›

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Über ein halbes Jahr für einen Reisepass.

Auch die STF weist auf unfassbar lange Wartezeiten für die Beantragung und den Erhalt eines neuen italienischen Reisepasses in Südtirol hin. Allein auf einen entsprechenden Termin müsse man derzeit in der Landeshauptstadt länger als ein halbes Jahr warten, in Meran sogar über sieben Monate. Anschließend vergingen noch einmal drei Wochen, bis der Pass abholbereit ist.

Die Onlineplattform, über die der Termin für den Antrag gebucht werden muss, sei ferner teils einsprachig italienisch.

Aufgrund der chronischen Inneffizienz des Staates fordert die STF unter anderem eine Intervention der Landesregierung. Auch wenn Südtirol in dem Bereich nicht zuständig ist, solle sich das Land für eine Reform einsetzen.

In Österreich, so die Bewegung, würden Reisepässe innerhalb von fünf Tagen ab Beantragung zugestellt, in dringenden Fällen — gegen Aufpreis — sogar schon am nächsten Tag. Ein Termin sei nicht erforderlich.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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Landtag gegen Wehrpflicht.

Der Südtiroler Landtag hat sich heute mit großer Mehrheit gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Italien ausgesprochen. Der entsprechende Punkt eines Beschlussantrags (Nr. 651/22) der STF wurde mit 26 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.

Abgelehnt wurden hingegen sowohl die Prämissen als auch zwei weitere Punkte: So wollte der Landtag die Landesregierung nicht damit beauftragen, für Südtirol eine Ausnahmeregelung zu erwirken, falls Italien dennoch die Wehrpflicht wiedereinführt, damit Südtirolerinnen nicht gegen ihren Willen zum italienischen Heer einberufen werden und keine Kasernen im Lande wieder in Betrieb genommen oder gar neu gebaut werden. Genausowenig wie die Mehrheit der Abgeordneten die Gültigkeit von allfälligen Vergünstigungen, die mit einem freiwilligen Kurzwehrdienst einhergehen, in Südtirol verhindern wollte.

Das halte ich in einem Land, das sich für autonom hält, ein äußerst sonderbares Abstimmungsergebnis.

Am ehesten noch wäre für mich nachvollziehbar gewesen, wenn Südtirol sich nicht einmischen wollte, ob Italien lieber eine Freiwilligenstreitkraft oder eine Wehrpflichtigenarmee will — solange Südtirolerinnen nicht zum Dienst gezwungen werden. Zwar ist die Abschaffung der Wehrpflicht gerade aus Sicht einer Minderheit eine gute Sache, bei einer Wehrpflichtigenarmee sollen aber einleuchtenderweise die politische Instrumentalisierung (bis hin zum Militärputsch) unwahrscheinlicher, dafür aber die Abbildung demokratischer Vielfalt größer sein.

Falls die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte, eine Ausnahme für Südtirol erwirken (vgl. ‹1) oder Vergünstigungen für Kurzwehrdienstleistende abwenden zu wollen, wäre hingegen aus autonomistischer Sicht logisch.

Auch die Einbringerinnen des Vorschlags, einen wenige Wochen langen freiwilligen Wehrdienst einzuführen, machen keinen Hehl daraus, dass es sich nicht sosehr um eine sicherheitspolitische wie vor allem um eine nationalistische Maßnahme handelt, um Menschen noch mehr mit der Nation zu verschweißen und ihre Loyalität zu steigern. Solchen in der Regel besonders nationalistisch gesinnten Personen gerade in Südtirol wie auch immer geartete Vorteile zu gewähren, wäre ein kontraproduktiver Unsinn.

Schon heute ist es meines Wissens so, dass Ehemalige des italienischen Heeres auch in Südtirol bevorzugt in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden müssen.

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Der Regionalrat dolmetscht einseitig.

Aufgrund eines einstimmig gefassten Beschlusses werden die Sitzungen des Regionalrats von Südtirol und Trentino schon bald auch online live mit Simultanübersetzung verfolgt werden können. Wie Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit bemerkt, klingt das besser als es ist, denn auch diese Neuigkeit ist Anlass für eine Benachteiligung der deutschen Sprache: Übersetzt wird nur in eine Richtung, von Deutsch zu Italienisch und nicht umgekehrt.

Die TAZ ist der Sache nachgegangen und hat vom Generalsekretär des Regionalrats, Jürgen Rella, eine Bestätigung erhalten: Da im Plenum der Regionalversammlung, wie auch im Südtiroler Landtag, nur in eine Richtung übersetzt wird, könne das Angebot auch online nur im Einbahnmodus zur Verfügung gestellt werden. Wollte man Gleichbehandlung, wären dafür mindestens zwei zusätzliche Dolmetscherinnen nötig.

Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Minorisierung einer Sprache (bzw. suprematistische Zweisprachigkeit) zu einem Teufelskreis und somit immer tiefer in die Diskriminierung führt: Anders als ihre deutschsprachigen Kolleginnen halten viele Regionalrats- und sogar Südtiroler Landtagsabgeordnete italienischer Zunge beharrlich an der Simultanübersetzung fest und finden es nicht nötig, sich so grundlegende passive Zweitsprachkenntnisse anzueignen, dass sie dem Sitzungsablauf in beiden Sprachen folgen könnten. Doch anstatt sich dadurch eine wie auch immer geartete Benachteiligung einzuhandeln, sorgen sie mit ihrer Borniertheit nur für eine weitere Marginalisierung der deutschen Sprache — während sie womöglich noch von einer italienischen Minderheit schwafeln.

Jetzt kommt die Übersetzung also auch der Öffentlichkeit und insbesondere (nationalistischen) Journalistinnen zugute, die sich die Aneignung passiver Deutschkenntnisse ebenfalls schenken können, wenn sie aus dem zweisprachigen Regionalrat berichten wollen. Natürlich müsste aber zum Beispiel eine Nordtiroler Journalistin Italienisch lernen, wenn sie aus Trient (oder aus Bozner Gemeindestuben) korrespondieren wollte.

Eine Sprache ist entbehrlich und wird es immer mehr. Die andere bleibt unverzichtbar.

Siehe auch 1› 2›

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