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Autorinnen und Gastbeiträge

Geschätzte Opposition…
Ist Inquisition Teil Ihres Auftrags?

Ein bisschen Moralapostel müssen Oppositionelle schon sein, will man sich doch zumindest in Fragen der Moral von den Regierenden abheben. Obwohl, einige oppositionelle VertreterInnen nahmen es in der Vergangenheit auch nicht sonderlich ernst mit dieser Moral.

Oppositionelle werden aber zu Moral-Taliban, wenn sie BürgerInnen verbieten wollen, einen Wahlaufruf zu unterzeichnen. Darauf läuft doch die angestrengte »Untersuchung« der Unterstützungsaktion 2018 für Arno Kompatscher hinaus.

Der eingerichtete Ausschuss soll untersuchen, ob es einen Missbrauch bei den Wahlspenden an die SVP gegeben hat oder nicht und ob es einen Vorteil für jene Menschen gab, die sich im Wahlkampf mit der Aktion Wir für Arno an die Seite des Landeshauptmannes gestellt hatten. Eine knallharte Unterstellung.

Sie haben offenbar einen möglichen Wahlkampfspendenskandal ausgemacht. Vier Jahre nach den Landtagswahlen. Eine unglaublich effiziente Truppe die Opposition, die schon bei der Abwahl von Thomas Widmann als Landesrat für Gesundheit ihren Feind ausmachte: den Landeshauptmann, nicht Widmann.

Was könnte der »Missbrauch« von Wahlspenden sein? Dass Geld in die Parteikasse gespült wird? Dass damit der Wahlkampf finanziert wird? Ungeheuerlich!

Sie wollen aufdecken, ob Unterzeichnende der Aktion Wir für Arno deshalb zu einem Vorteil kamen? Auch wenn diese Unterstellung als Frage daherkommt, beinhaltet sie doch den Vorwurf, UnterzeichnerInnen profitierten von ihrer Teilnahme an Wir für Arno. Das wäre glatt ein Fall von Korruption. Wie kommen Sie zu diesem Vorwurf? Wollen Sie eine nächste Aktion Wir für Arno verhindern? Müssen sich BürgerInnen zuerst bei einem oppositionellen Zentralkomitee eine Genehmigung einholen?

Möglicherweise werden einige UnterzeichnerInnen von 2013 und von 2018 ihre Unterschrift für Arno inzwischen bedauern. Aus verschiedenen Gründen. Weil er sich vom SVP-Apparat schikanieren lässt, beispielsweise, weil die SVP von Interessengruppen gekapert wurde, weil vom Volk in der SVP nur noch Spurenelemente vorhanden sind.

Auch ich habe 2018 den Aufruf Wir für Arno unterschrieben. Somit unterstellen Sie mir, wie vielen anderen auch, vorteilsgesteuert gehandelt zu haben. Wenn Sie davon überzeugt sind, sollten Sie die Macher der Aktion und die Unterzeichnenden anzeigen. Ich stehe Ihnen im Inquisitionsausschuss gerne zur Verfügung.

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Wahlzettelwirtschaft.

Heute wird ein neuer Südtiroler Landtag gewählt. Die erste eigentliche Landtagswahl hatte Südtirol im Jahr 2003, denn bis zur Verfassungsreform von 2001 — die auch eine Reform des Autonomiestatuts war — setzte sich das Landesparlament aus den Südtiroler Mitgliedern des Regionalrats zusammen. Die Wahl war eine Regionalratswahl.

Während der Ära Durnwalder war klar, dass die Sprachreihung auf den (amtlich »Stimmzettel« genannten) Wahlzetteln Deutsch-Italienisch ist. Das war 2003, 2008 und 2013 so.

In der Ära Kompatscher ist das anders: die Sprachreihung wurde umgekehrt, die Landtagswahl(en) zudem in eine »Wahl des Landtages« umbenannt:

Und was ist mit der dritten Landessprache? Ladinisch wurde nicht vergessen, ist aber den Wählenden in Gherdëina und Badia vorbehalten, als lebten viele Ladinerinnen nicht auch auf dem restlichen Landesgebiet.

Einer der Gründe für diese bedauerliche Entscheidung dürfte wohl sein, dass die ladinische Sprache hierzulande künstlich in zwei Varianten getrennt gehalten wird, obwohl es längst eine gemeinsame Schriftsprache gäbe. So sind die Wahlzettel (vgl. Abbildung) in den beiden Tälern unterschiedlich beschriftet — als ob es im Deutschen gesonderte Vorlagen für Puster-, Eisack- oder Etschtal gäbe. Divide et impera.

Man hätte dann aber, wenn Ladinisch schon auf die ladinischen Täler beschränkt bleiben muss, wenigstens auf diesen Wahlzetteln Ladinisch erstgereiht anführen können.

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Landtagswahlumfragen 2013 und 2018.

Heute veröffentlichten die Athesia-Medien die Ergebnisse einer vom Market-Institut in Linz durchgeführten Sonntagsfrage zur anstehenden Landtagswahl.

Hier ist eine Gegenüberstellung von:

Wie man sieht, gab es zwischen der Sonntagsfrage von 2013 und dem Landtagswahlergebnis teils erhebliche Unterschiede. Dies bedeutet nicht, dass die Studie »falsch« war oder daneben lag, denn es handelt sich dabei nicht um eine Prognose, sondern um eine Momentaufnahme.

Sicher ist jedenfalls, dass etwa die SVP und die STF 2013 bei der LTW13 ein deutlich besseres Ergebnis erzielen konnten, als bei der — bereits Anfang 2013 veröffentlichten — M13-Umfrage. Umgekehrt schnitten Freiheitliche, Grüne und PD schlechter ab. Das kann zum Beispiel auf den Wahlkampf, auf Skandale oder auf die Auswahl der Kandidatinnen zurückzuführen sein.

Zu den Erkenntnissen:

  • Die SVP schneidet bei der aktuellen M18-Umfrage mit 39% besser ab, als bei der M13-Umfrage (38%). Das sind rund sieben Prozentpunkte weniger, als bei der letzten Landtagswahl.
  • Im Vergleich zu M13 schrumpft die Zustimmung der Blauen laut M18 um ein Drittel auf 16%. Das sind rund zwei Prozentpunkte weniger, als bei der LTW13.
  • Die Zustimmung zur STF ist im Vergleich zu M13 mehr als doppelt so hoch (von 4% auf 11%). Das sind circa 4 Prozentpunkte mehr, als bei der LTW13.
  • Eine Überraschung ist das Team Köllensperger, das kurz nach seiner Gründung auf 8% kommt.
  • Die Grünen liegen derzeit laut M18 bei 7%, während sie bei der M13-Umfrage noch 11% und bei der LTW 8,7% erzielt hatten.
  • Die Lega kann ihr M13-Ergebnis (1%) verfünffachen und jenes der LTW13 — 2,5% in der Wahlallianz mit Team Autonomie und Forza A. Adige — auf 5% verdoppeln.
  • Der PD schrumpft von 10% (M13) beziehungsweise 6,7% (LTW13) auf 4% (M18).

Siehe auch 1› 2›

Detailliertere Daten, Erhebungsmethoden und -zeitraum sowie Größe des jeweiligen Stichprobenfehlers können in den Herkunftsmedien nachgelesen werden.

*) Das Team Köllensperger ging im Juli 2018 aus der 5SB hervor und wurde demnach nur in der Market-Umfrage berücksichtigt. Die Grünen bildeten 2013 mit SEL; die Lega mit Team Autonomie und Forza A. Adige; die BürgerUnion mit LadinsDolomites und WirSüdtiroler eine Wahlallianz. Andere: mathematischer Rest auf 100%, beinhaltet alle nicht gesondert angeführten Listen.

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Digitale Defensive.

Das anbrechende digitale Zeitalter hätte für den Ausbau der Eigenständigkeit und mehr Sichtbarkeit in der virtuellen Welt genutzt werden können. Diese Möglichkeit wurde aber sowohl von der alten, als auch von der neuen, jungen, dynamischen Landesregierung völlig verschlafen, sodass wir heute virtuell vielleicht noch schlechter dastehen, als real.

Vor der letzten Landtagswahl — besser spät, als nie — hatte die SVP zumindest noch versprochen, sich endlich für ein eigenes Südtiroler Internetsuffix starkzumachen. Doch geschehen ist seitdem genau: gar nichts.

Sage und schreibe 13 Jahre sind bereits vergangen, seit Katalonien sich als erste Region eine TLD (.cat) sicherte. Im Internetzeitalter ist das eine halbe Ewigkeit. Inzwischen konnten, auch aufgrund von Änderungen bei den Vergaberegeln, Dutzende Städte (.berlin, .paris) und Regionen (.eus, .gal, .cymru, .bayern, .tirol) nachziehen.

Demgegenüber gerät Südtirol vor dem staatlichen Zentralisierungs- und Vereinheitlichungswahn immer tiefer in die Defensive. Das hat mitunter sehr konkrete negative Auswirkungen auf die Zwei- und Dreisprachigkeit.

Angeblich hat Südtirol ja nicht einmal die Zuständigkeit, die Internetadresse der Landesverwaltung selbst auszusuchen. Einer Vereinheitlichung kommunaler Homepages nach einem staatsweit definierten Layout will man sich nun aber immerhin verweigern. Den entsprechenden Vorschlag der STF nahm die Landesregierung am 14. Juni an — mit welchem Erfolg, werden wir ja sehen.

Indes ist — zum Beispiel — die Regionalverwaltung von Korsika im stark zentralistischen Frankreich nur noch unter www.isula.corsica erreichbar: eigenes Internetsuffix, selbst ausgewählte Internetadresse, korsische Sprache1Die Begriffe »isula« und »Corsica« sind korsisch, auf Französisch müsste es www.ile.corse heißen — doch diese Adresse existiert nicht.. In Südtirol ist ähnliches unvorstellbar.

Siehe auch ‹1 | 1› 2› 3›

  • 1
    Die Begriffe »isula« und »Corsica« sind korsisch, auf Französisch müsste es www.ile.corse heißen — doch diese Adresse existiert nicht.
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Die SVP-Umfrage zur Landtagswahl 2018.

Die Nachricht des Tages ist die von der Volkspartei beim Wiener Meinungsforschungsinstitut GfK in Auftrag gegebene — und von diesem vor rund vier Wochen durchgeführte — »Sonntagsfrage« zur heurigen Landtagswahl. Sie wurde gestern von der SVP den Medien präsentiert und von diesen (TAZ, Dolomiten, AA) in ihren heutigen Printausgaben wiedergegeben.

Ich habe hier den Versuch einer grafischen Aufbereitung (im Vergleich zum Landtagswahlergebnis  2013) versucht, obwohl die Angaben der drei Zeitungen teils widersprüchlich waren:

Allen Blättern gemeinsam ist die Information, dass die SVP auf rund 40% der Stimmen (laut Dolomiten: 39-41%) gekommen wäre, wenn die Wahl zum Zeitpunkt der Umfrage stattgefunden hätte. Das wäre ein Rückgang um fast 6 Prozentpunkte im Vergleich zum Landtagswahlergebnis 2013.

Erstaunlich stabil wären demnach die Freiheitlichen geblieben. Laut TAZ lagen sie bei 18% und laut Dolomiten zwischen 17 und 18% (im — gerundeten — Mittel 17,8%). Bei der letzten Wahl hatten sie mit 17,9% sechs Landtagsmandate errungen.

Eine dramatische Verbesserung ihres Ergebnisses von 2013 hätte die Fünfsternebewegung hinlegen können, die laut AA 7-8%, laut TAZ 8% und laut Dolo 9% der Stimmen errungen hätte. Bei ihrem ersten Antritt zu einer Landtagswahl hatten sie im Herbst 2013 (2,5%) einen Landtagsabgeordneten (Paul Köllensperger) entsandt.

Ähnlich wie die Freiheitlichen hätte auch die Süd-Tiroler Freiheit ihr Ergebnis halten können. Wäre die Landtagswahl vor rund vier Wochen abgehalten worden, wäre sie (laut TAZ) auf 7% gekommen — 2013 waren es 7,2% gewesen.

Bei den Grünen herrscht wiederum größere Konfusion: So sieht sie die TAZ bei 6%, während sie der AA als stabil (2013: 8,7%) bezeichnet und die Dolomiten von leichten Verlusten spricht.

Die Lega hätte (laut TAZ und AA) 5% geschafft, während sie bei der letzten Landtagswahl im Wahlbündnis mit Forza Italia und Team Autonomie nur 2,5% und mit Elena Artioli einen Sitz errungen hatte.

Und schließlich die PD, die laut AA zwischen 4 und 5%, laut TAZ »unter 5%« gelegen hätte. Rund ein Drittel ihrer Wählerinnen wären dem derzeitigen Koalitionspartner der SVP somit abhanden gekommen.

Wo die kleineren Parteien (AAnC/FdI, BürgerUnion, aber z.B. auch CasaPound) bleiben, ist völlig unklar. Wäre die Union laut Dolomiten »nicht mehr vertreten«, schreibt die TAZ, dass

die kleineren Ein-Mann-Parteien wie Andreas Pöders BürgerUnion oder Alto Adige nel Cuore von Alessandro Urzì […] aufgrund der geringen Prozentsätze in der Umfrage nicht berücksichtigt [wurden].

Angesichts dieser widersprüchlichen Zusammenfassungen sind die Ergebnisse natürlich mit besonderer Vorsicht zu genießen. Zurückzuführen sind die Abweichungen übrigens wohl darauf, dass die SVP — laut Dolomiten — bei der Vorstellung der Daten »weder Fotos, noch Mitschreiben« gestattet hatte. Durchgeführt worden sei die Umfrage »bei 1000 Südtiroler Wahlberechtigten aller 3 Sprachgruppen« (Dolo).

Siehe auch 1›

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Wird Kalifornien über Unabhängigkeit abstimmen?
Offizielle Unterschriftensammlung kann starten

Der Staatssekretär von Kalifornien, Alex Padilla, gab am Montag die amtliche Registrierung der kalifornischen Unabhängigkeitsinitiative bekannt. Die Einbringerinnen um die sogenannte YesCalifornia-Initiative könne mit der Sammlung der erforderlichen 365.880 Unterschriften beginnen. Dies entspricht fünf Prozent der Wählenden1nicht mit »Wahlberechtigten« zu verwechseln bei der letzten Gouverneurswahl im November 2014.

Zum Vergleich: In einer nichtamtlichen Befragung hatten sich 2013 über 56.000 Südtirolerinnen für die Abhaltung eines Unabhängigkeitsreferendums ausgesprochen. Das sind rund 20% derer, die sich im gleichen Jahr an der Landtagswahl beteiligten.

Kommt die nötige Unterstützung binnen 180 Tagen (also bis 20. Oktober 2018) zusammen, wird es im Mai 2021 zu einer Abstimmung über die Eigenstaatlichkeit des heutigen US-Bundesstaats kommen. Rund ein Drittel der Kalifornierinnen können sich heute Umfragen zufolge eine Abspaltung vorstellen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

  • 1
    nicht mit »Wahlberechtigten« zu verwechseln
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Ein faires Wahlrecht sieht anders aus.

“Wir möchten das neue Wahlgesetz in unserem Interesse mitgestalten”, sagte sinngemäß Senator Zeller auf RAI Südtirol nach der Parteienvereinbarung zum neuen Wahlgesetz.

Dabei kann mit “unserem Interesse” wohl nur jenes der SVP gemeint sein, denn passgerechter für den Bedarf der Mehrheitspartei könnte eine Wahlrechtsregelung gar nicht ausfallen. Dafür sorgt die regionale Sperrklausel von 20% der gültigen Stimmen, die für nur in Südtirol wahlwerbende Parteien einer 40%-Hürde gleichkommt (also für jene Parteien, die eigentlich nicht regional auftreten können oder wünschen). Eine absolut undemokratische Norm, um die uns allenfalls Erdoğan beneiden wird.

Dann die Aufteilung Südtirols in vier Ein-Parlamentssitz-Wahlkreise, die der SVP wie bisher drei Mandate sichern würde und dem PD das vierte, sofern sich PD und SVP auf einen Kandidaten nach SVP-Geschmack einigen. “Ein Mechanismus bei der Zuweisung der drei proportionalen Sitze,” schreibt die Fünf-Sterne-Bewegung (5SB) in ihrer Stellungnahme, “der maßgeschneidert ist auf die politische Mehrheit im Land, um so das ganze ‘Abgeordnetenpaket’ aus Südtirol der SVP zu sichern.” Als Gegenleistung habe die SVP heute schon die Stimmen ihrer zukünftigen Parlamentarier an Renzi verkauft. Hier wird ein Wahlgesetz gezimmert, das zumindest für die Region die bestehenden Verhältnisse zugunsten von zwei Parteien zementiert, die in Südtirol zusammen knapp 52% der Wähler hinter sich vereinen (Landtagswahl 2013).

Ein faires Wahlrecht sieht anders aus. Ein solches Wahlrecht hätte den politischen Pluralismus innerhalb der Wählerschaft eines autonomen Landes mit zwei Sprachminderheiten halbwegs getreu im Parlament abzubilden. In Südtirol gibt es neben der SVP-PD auch rund 28% der Bürger, die deutsche “patriotische” Parteien wählen. Dann gibt es die Grünen, die Linke, italienische Mitterechts- und Rechtsaußen-Kräfte mit den übrigen Stimmen. Warum sollen all diese Kräfte bei der Sitzverteilung nur zuschauen dürfen? Warum soll dieser politische Pluralismus innerhalb des Landes völlig unter die Räder kommen oder nur von der Anbindung (und damit Unterordnung) an eine staatsweite Partei sowie von weiteren Zufällen abhängen?

Ein faires Wahlrecht für Südtirol sieht anders aus. Um der Besonderheit dieses autonomen Landes gerecht zu werden und den Minderheitenschutz zu wahren, braucht es natürlich eine Sonderregelung für Südtirol mit der Ausklammerung der in Südtirol wahlwerbenden Kräfte von der staatsweiten 5%-Hürde. In diesem Punkt liegt die SVP richtig. Doch innerhalb des Landes müssen alle politischen Kräfte eine Chance haben, sofern man die politische Repräsentativität der Südtiroler Vertretung in Rom sichern will. Warum sollen die Grundprinzipien des Landtagswahlrechts für die Parlamentsvertreter nicht mehr gelten? Die Südtiroler Parlamentarier haben ein Mandat für den Staat im Sinne der Verfassung und vertreten territorial auch Südtirol in Rom. Deshalb sind Wahlkreise in Südtirol mindestens genauso unbegründet wie bei der Landtagswahl. Kein Parlamentarier braucht das Pustertal oder den Vinschgau in Rom zu vertreten, sondern allenfalls Südtirol! Es genügt das reine Verhältniswahlrecht für die Südtirol zustehenden Sitze (4 oder 5) ohne Sperrklausel. Also ganz wie eine Landtagswahl, jedoch für nur 4-5 Mandate im Parlament.

Wenn man auf “nationaler” Ebene mit einer 5%-Klausel die Kleinparteien aus dem Hohen Haus fernhalten will, ist in Südtirol als besonderes Gebiet allenfalls dieselbe Hürde gerechtfertigt. 40% hingegen macht die politische Minderheit platt. Die Zeiten, als eine Partei die Südtiroler Wählerschaft geschlossen in Rom vertreten konnte, sind vorbei. Heute haben auch andere Kräfte Anspruch, Südtirol in Rom mitzuvertreten, sofern sie sich untereinander einigen und den nötigen proportionalen Stimmenanteil erringen. Und die Wählerschaft hat ein Anrecht auf ein faires Wahlrecht.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Für eine repräsentativere Landesregierung.

Das Problem ist sattsam bekannt und hat zum disagio politico (nicht sociale) unter den Italienern Südtirols stark beigetragen. Seit 1993 wird die italienische Sprachgruppe in der Landesregierung durch eine Partei vertreten, die nur einen kleineren Teil der italienischen Wählerstimmen auf sich vereint (PD-Ergebnis bei den Landtagswahlen 2013: 6,7%). Ganz gleich, wen wir wählen, hieß es darum oft aus italienischen Kreisen, wir sind nie in der Landesregierung vertreten. Während die deutsch- und ladinischsprachige Wählerschaft seit jeher mehrheitlich in der Regierung vertreten ist, gilt dies offensichtlich für die italienischsprachige Wählerschaft nicht, und das auf Dauer.

Laut Autonomiestatut ist das zwar völlig rechtens, doch politisch nicht ideal, weil sich die Mehrheit der italienischen Wählerschaft ausgeschlossen fühlt, die Wahlbeteiligung sinkt, die politische Frustration steigt. Also kein Vorteil für die Demokratie im Land. Laut Statut (Art. 50, Abs. 2) muss die Landesregierung die Stärke der Sprachgruppen im Landtag widerspiegeln. Wenn nun die Italiener in immer geringerer Zahl wählen und ihre Stimmen auf eine Vielzahl von Parteien aufsplittern, seien sie selbst schuld, wenn am Ende nur ein einziger Landesrat diese Sprachgruppe (26% der Bevölkerung) vertritt, also gleich viele Landesräte wie die Ladiner (4,5% der Bevölkerung).

Doch ginge es auch anders, wenn man ein neues “konkordanzdemokratisches” Prinzip verankerte, nämlich, dass es die Mehrheit der Abgeordneten jeder Sprachgruppe sein muss, die die Landesräte zu bestimmen hat. Ein solches Prinzip verletzt nicht das Demokratieprinzip, entspricht aber besser einem autonomen Land mit drei Sprachgruppen. Die Vertretung der italienischen Sprachgruppe würde damit nicht mehr einer Partei überlassen, die nur die Minderheit der Abgeordneten dieser Gruppe stellt (PD heute 2 von 5). Eine Sprachgruppe würde nicht mehr dafür benachteiligt, dass sie aus strukturellen Gründen verschiedene kleine Parteien in den Landtag wählt. Zu diesem Prinzip würde nebenbei auch das Recht — und nicht bloß eine Kann-Bestimmung —der Ladiner auf einen Landesrat gehören.
Ganz neu wäre dieser Ansatz nicht.

Die Gruppe der Landtagsabgeordneten einer Sprachgruppe hat nämlich laut Statut in einigen Fällen einige Aufgaben und Recht, wie z.B. die Anfechtung von Haushaltskapiteln (Art. 84, Abs. 2) und vor allem bei der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch Landesgesetze (Art. 56, Abs. 1 und 2). Warum nicht dieser Gruppe auch die Kernaufgabe der Vertretung der jeweiligen Sprachgruppe in der Regierung anvertrauen? Dabei wäre es wichtig, die Landesregierung nicht nur mit 7 Landesräten zu besetzen, wie derzeit, sondern mit 9 oder 10, damit sich bei Aufrundung auch zwei für die italienische Sprachgruppe ausgehen. Gelangte die Gruppe der italienischsprachigen Abgeordneten zu keinem Konsens oder Mehrheitsentscheid, wäre der Landeshauptmann wieder frei, einen italienischen Landesrat seiner Wahl in die Regierung zu berufen.

Damit wäre die Landesregierung repräsentativ für die jeweilige Mehrheit der Sprachgruppen im Landtag. Dies würde ihre politische Legitimation stärken und so manchen Frust auf italienischer Seite abbauen. Entscheidungen in der Landesregierung würden in der Folge nicht mehr so häufig einstimmig getroffen wie heute, doch wäre auch die italienische Rechte bzw. Mitterechts mehr in die Mitverantwortung einbezogen.

Die Chance für diese Neuerung bieten der laufende Autonomiekonvent und die nachfolgende Statutsreform. Eine solche Regelung kann aber auch schon in die Novelle zum Landtagswahlrecht eingefügt werden, die der Landtag diesen Monat Mai diskutiert und verabschiedet. Der ethnischen Konkordanz im Land wäre mit einer solch einfachen Neuregelung wesentlich gedient.

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