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Zwei Urteile.

Zur Repression in seiner inzwischen pseudodemokratischen Verwaltungszone Hongkong orientiert sich China vorerst offenbar doch nicht an der europäischen Wertegemeinschaft. Diese Woche nämlich wurden die drei Demokratieaktivistinnen Joshua Wong, Ivan Lam und Agnes Chow in Zusammenhang mit den teils schweren Unruhen von 2019 zu langen Haftstrafen verurteilt: dreizehnandhalb, zehn bzw. sieben Monate müssen die drei hinter Gitter.

Ganz anders in Europa. Für ihre Rolle bei den Protesten vom 20. September 2017 im Vorfeld des Unabhängigkeitsreferendums wurden die beiden katalanischen Aktivisten Jordi Cuixart (Òmnium Cultural) und Jordi Sànchez (ANC) in Spanien wegen Aufruhrs zu je neun Jahren Haft verurteilt. Politische Ämter hatten sie damals nicht inne. Trotz klarer Aufforderungen der UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen wurden die beiden Jordis nicht wieder frei gelassen. Im Gegenteil: Diese Woche aberkannte ihnen das spanische Höchstgericht auch noch die gesetzlich vorgesehenen Hafterleichterungen. So schafft man Rechtsstaatlichkeit.

Die mangelnde Lernfähigkeit der chinesischen Diktatur ist offensichtlich. Dabei wäre außerhalb von Hongkong das nötige Knowhow schon vorhanden. Ein Friedensnobelpreis liegt für China so wohl leider noch in weiter Ferne.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 | 1›

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Autorinnen und Gastbeiträge

Covid 19 – eine Zwischenbilanz.
Überlegungen eines besorgten Schweizer Bürgers

Wir geben diese Stellungnahme mit freundlicher Genehmigung des Autors wieder. Sie war am 7. April als Gastkommentar in der Mittelländischen Zeitung und einen Tag später auf deren Onlineportal erschienen.

Eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen

von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Paul Robert Vogt

Vorwort: Wieso nehme ich überhaupt Stellung?

Aus 5 Gründen:

  1. bin ich mit meiner Stiftung «EurAsia Heart – A Swiss Medical Foundation» seit mehr als 20 Jahren in EurAsien tätig, habe fast ein Jahr in China gearbeitet und seit 20 Jahren eine kontinuierliche Verbindung zum «Union Hospital of Tongji Medical College/Huazhong University of Science and Technology» in Wuhan, wo ich eine meiner vier Gastprofessuren in China habe. Die 20-jährige Verbindung zu Wuhan habe ich auch in den jetzigen Zeiten konstant aufrechthalten können.
  2. ist COVID-19 nicht nur ein Problem der mechanischen Beatmung, sondern betrifft das Herz in ähnlicher Weise. 30% aller Patienten, welche die Intensivstation nicht überleben, versterben aus kardialen Gründen.
  3. ist die letzt-mögliche Therapie des Lungenversagens eine invasiv-kardiologische, respektive kardiochirurgische: die Verwendung einer «ECMO», der Methode der «extrakorporellen Membran-Oxygenation», d.h. die Verbindung des Patienten mit einer externen, künstlichen Lunge, welche bei diesem Krankheitsbild die Funktion der Lunge des Patienten so lange übernehmen kann, bis diese wieder funktioniert.
  4. bin ich – ganz einfach – um meine Meinung gefragt worden.
  5. sind sowohl das Niveau der medialen Berichterstattung wie auch sehr viele Leserkommentare nicht ohne Widerspruch hinzunehmen und zwar in Bezug auf Fakten, Moral, Rassismus und Eugenik. Sie benötigen dringend einen Widerspruch durch zuverlässige Daten und Angaben.

Die dargelegten Fakten entstammen wissenschaftlichen Arbeiten, welche ein «peer-review» durchlaufen haben und in den besten medizinischen Zeitschriften publiziert worden sind. Viele dieser Fakten waren bis Ende Februar bekannt. Hätte man diese medizinischen Fakten zur Kenntnis genommen und wäre man fähig gewesen, Ideologie, Politik und Medizin zu trennen, wäre die Schweiz heute mit grosser Wahrscheinlichkeit in einer besseren Lage: wir hätten pro Kopf nicht die zweitmeisten COVID-19-positiven Leute weltweit und eine bedeutend kleinere Zahl an Menschen, welche ihr Leben im Rahmen dieser Pandemie verloren haben. Zudem hätten wir mit grosser Wahrscheinlichkeit keinen partiellen, unvollständigen «Lock-down» unserer Wirtschaft und keine kontroversen Diskussionen, wie wir hier wieder «herauskommen».

Anmerken möchte ich noch, dass alle wissenschaftlichen Arbeiten, die ich erwähne, bei mir im Original erhältlich sind.

1. Die Zahlen in den Medien

Es ist verständlich, dass alle das Ausmass dieser Pandemie auf die eine oder andere Art erfassen möchten. Nur, die tägliche Rechnerei hilft uns nicht weiter, da wir nicht wissen, wie viele Personen lediglich folgenlos Kontakt mit dem Virus hatten und wie viele Personen tatsächlich krank geworden sind.

Die Anzahl asymptomatischer COVID-19 Träger ist wichtig, um Vermutungen über die Ausbreitung der Pandemie machen zu können. Um brauchbare Daten zu haben, hätte man jedoch zu Beginn der Pandemie breite Massentests durchführen müssen. Heute kann man nur noch vermuten, wie viele Schweizer Kontakt mit COVID-19 hatten. Eine Arbeit mit einer amerikanisch-chinesischen Autorenschaft hat schon am 16. März 2020 publiziert, dass auf 14 dokumentierte mit 86 nicht-dokumentierten Fällen von COVID-19-positiven Personen zu rechnen ist. In der Schweiz muss man deshalb damit rechnen, dass wohl 15× bis 20× mehr Personen COVID-19-positiv sind, als in den täglichen Berechnungen dargestellt wird.

Um den Schweregrad der Pandemie zu beurteilen, bräuchten wir andere Daten:

  • Eine exakte, weltweit gültige Definition der Diagnose «an COVID-19 erkrankt»: a) positiver Labortest + Symptome; b) positiver Labortest + Symptome + entsprechender Befund im Lungen-CT; oder c) positiver Labortest, keine Symptome, aber entsprechende Befunde im Lungen-CT.
  • Die Anzahl hospitalisierter COVID-19-Patienten auf der Allgemeinabteilung.
  • Die Anzahl COVID-19-Patienten auf der Intensivstation.
  • Die Anzahl beatmeter COVID-19-Patienten.
  • Die Anzahl von COVID-19-Patienten am ECMO.
  • Die Anzahl an COVID-19 Verstorbenen.
  • Die Anzahl infizierter Ärzte und Pflegepersonen.

Nur diese Zahlen ergeben ein Bild vom Schweregrad dieser Pandemie, respektive von der Gefährlichkeit dieses Virus. Die aktuelle Anhäufung von Zahlen ist derart ungenau und hat einen Touch von «Sensationspresse» – das letzte, was wir in dieser Situation noch brauchen.

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PISA 2018: Südtirol im Vergleich.

Vor wenigen Tagen wurden von der OECD die Ergebnisse der neuen PISA-Studie (2018) bekanntgegeben. Schwerpunktthema war diesmal die Lesekompetenz.

Im internationalen Vergleich kann Südtirol wiederum sehr gute Ergebnisse erzielen, wie die folgenden Punktezahlen in den drei getesteten Bereichen zeigen:

*) einschließlich Südtirol und Trentino

Dabei liegen jedoch die Schulen mit deutscher Unterrichtssprache insbesondere im Vergleich zu jenen mit italienischer Unterrichtssprache weit vorne. Letztere liegen — anders als noch 2015 — durchwegs unter dem italienischen sowie dem OECD-Durchschnitt.

In Mathematik sind die Ergebnisse der deutschen und ladinischen Schulen sogar besser, als jene des besten europäischen Landes (Estland).

Weltweit liegen China — wo allerdings nur die wohlhabenden Städte Peking und Shanghai sowie die Provinzen Jiangsu und Zhejiang getestet wurden — und Singapur fast schon uneinholbar weit vorne.

Siehe auch ‹1

Hinweise: Der Wert für das Trentino im Testfeld Naturwissenschaften war nicht auffindbar. Die Ergebnisse für Spanien (und somit auch Euskadi und Katalonien) im Bereich Lesekompetenz wurden wegen möglicher Unregelmäßigkeiten noch nicht veröffentlicht. Für Deutschland und Österreich liegen (wenigstens zum aktuellen Zeitpunkt) keine regionalen Ergebnisse vor.

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Prodemokratische Allianz siegte in Hongkong.

Gestern haben in Hongkong flächendeckende Bezirkswahlen stattgefunden, die auch als wichtigster Test für den Rückhalt der prodemokratischen Protestbewegung in der Bevölkerung galten. Es handelt sich dabei um die sechste Legislatur seit Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China.

Die prodemokratische Allianz aus mehreren Parteien konnte — bei deutlich angestiegener Wahlbeteiligung von 47,01% im Jahr 2015 auf nunmehr 71,23% — einen veritablen Erdrutschsieg hinlegen. In 17 der 18 Bezirke der Sonderverwaltungszone stellt sie fortan die Mehrheit. Die Sitze der prochinesischen Kräfte schmolzen gleichzeitig von rund 300 auf etwa 60 zusammen.

Selbst den nur rund 150.000 Einwohnerinnen zählenden Inseldistrikt konnten die Pekingtreuen nur halten, weil ihre drei mit weiteren acht Sitzen zusammengezählt werden müssen, die nicht gewählt, sondern zentral ernannt wurden.

Für die Regierung der Sonderverwaltungszone unter Carrie Lam ist das Wahlergebnis eine schwere Schlappe.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

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Europäische Repression als Vorbild. Für China.

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das geschehen würde: Eine Diktatur wie die chinesische nimmt sich das »freie« und »demokratische« Europa der Werte zum Vorbild, um die Protestbewegung in Hongkong einzuschüchtern.

Konkret verbreitete die staatliche chinesische Tageszeitung China Daily mit Sitz in Peking über die sozialen Medien ein Video mit der unverhohlenen, offen an Hongkong gerichteten Warnung, dass Separatistinnen mit hohen Strafen zu rechnen hätten.

Zur Abschreckung und als Vergleich werden sowohl die langen Haftstrafen (zwischen 9 und 13 Jahren) gegen die Anführerinnen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, als auch das harte Vorgehen der spanischen Polizei gegen die Protestierenden in Barcelona genannt.

Das Schweigen der EU und der europäischen Staaten im Angesicht dieser — eines Rechtsstaates unwürdigen — Vorgehensweise rächt sich bereits.

Wir hätten ein Vorbild für die Achtung der Menschenrechte und der persönlichen Freiheiten werden können. Stattdessen dienen wir nun autoritären Staaten als Blaupause und Rechtfertigung für Repression und Verfolgung.

Das ist ernüchternd und beschämend.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 ‹8 ‹9 ‹10 | 1› 2› 3› 4› 5›

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100 Jahre für ein Referendum.
Tribunal Supremo beschließt hohe Haftstrafen

Heute früh gab das spanische Höchstgericht sein Urteil gegen die politischen Häftlinge aus Katalonien bekannt.

  • Insgesamt rund 100 (um genau zu sein: 99,5) Jahre betragen die verhängten Haftstrafen, dazu kommen Amtsverbote und Geldstrafen. Der siebenköpfige Senat entschied einstimmig.
  • Schon im Vorfeld waren Details des Urteils durchgesickert, mehrere Verteidigerinnen kündigten Beschwerden an.
  • Zwischen 9 und 13 Jahren Freiheitsentzug wurden im Einzelnen verhängt:
    • Oriol Junqueras (ERC): 13 Jahre (Aufruhr und Veruntreuung)
    • Dolors Bassa, Raül Romeva (ERC), Jordi Turull: je 12 Jahre (Aufruhr und Veruntreuung)
    • Carme Forcadell (JxC): 11,5 Jahre (Aufruhr)
    • Joaquim Forn, Josep Rull: je 10,5 Jahre (Aufruhr)
    • Jordi Cuixart (Òmnium Cultural), Jordi Sànchez (ANC): je 9 Jahre (Aufruhr)
  • Die katalanischen Ex-Ministerinnen Carles Mundó, Meritxell Borràs und Santi Vila wurden wegen Ungehorsams zu Geldstrafen verurteilt.
  • Den Vorwurf der Rebellion (Hochverrat) machte sich der Senat nicht zueigen, für den anerkannten Tatbestand des Aufruhrs ist das Strafmaß jedoch außergewöhnlich hoch.
  • Für Urteile des Höchstgerichts gibt es keine weitere innerstaatliche Instanz. Aller Voraussicht nach werden sich die Verurteilten an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden.
  • Im Fall des ERC-Vorsitzenden und ehemaligen stv. Regierungschefs Oriol Junqueras hatte sich das Höchstgericht an den EuGH gewandt, um dessen Immunitätsstatus als EU-Abgeordneter klären zu lassen. Beobachterinnen zufolge stellt es eine Anomalie dar, dass die Antwort des EU-Gerichts nicht abgewartet wurde.
  • In Katalonien kam es nach Bekanntwerden des Urteils zu massiven spontanen Kundgebungen, die zur Stunde andauern. Hochgeschwindigkeitsstrecken wurden lahmgelegt.
  • Auch in València, auf den Balearen und im zu Frankreich gehörenden Nordteil Kataloniens gingen die Menschen auf die Straße.
  • Die Bewegung Tsunami Democràtic rief (wohl nach Hongkonger Vorbild) zur Besetzung des Flughafens von Barcelona auf. Mehr als 100 Flüge mussten gestrichen werden.
  • Der katalanische Gemeindenverband (AMC) und die Vereinigung der Gemeinden für die Unabhängigkeit (AMI) riefen die Kommunen auf, die institutionelle Tätigkeit für 72 Stunden einzustellen.
  • Premierminister Pedro Sánchez (PSOE) schloss sich dem Urteil in einer ersten Stellungnahme entschieden an. Die Verurteilten hätten gegen die Interessen der nicht separatistischen »Mehrheit« gehandelt. (Es ging jedoch gerade um die Ermittlung eines mehrheitlichen Willens). Begnadigungsforderungen erteilte er eine erste Absage, wofür er von Podemos-Chef Pablo Iglesias postwendend kritisiert wurde.
  • Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon (SNP) twitterte: »These politicians have been jailed for seeking to allow the people of Catalonia to peacefully choose their own future. Any political system that leads to such a dreadful outcome needs urgent change. My thoughts and solidarity are with all of them and their families.«
  • Die Europäischen Grünen veröffentlichten eine Stellungnahme. Eine politische Lösung der Katalonienfrage könne es nicht geben, solange politische Anführerinnen im Gefängnis sitzen.
  • Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis schrieb auf Twitter: »I have no right to comment on Catalan independence. It is for the Catalans to decide. BUT, the rest of us must rise up against politicians being sentenced to long prison stretches in the heart of Europe for pursuing political agendas mandated by voters«
  • Den einst von Spanien empört aufgenommenen Entscheiden ausländischer Gerichte, dass (etwa im Fall des ehemaligen Präsidenten Puigdemont) kein Hochverrat vorliege, stimmte das Gericht mit dem Urteil indirekt zu.
  • Richter Pablo Llarena erließ bereits einen neuen Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont (diesmal wegen Aufruhr und Veruntreuung, nicht aber wegen Rebellion).
  • Die Zentrale Wahlkommission (JEC) veranlasste umgehend die Streichung der Verurteilten von den Wahllisten der Kongresswahl vom 10. November.
  • Die Sprecherin der EU-Kommission Mina Andreeva bezeichnete das Urteil in der täglichen Pressekonferenz einmal mehr als interne Angelegenheit Spaniens.
  • Die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau (BenC) rief die vom Urteil »verletzten« Unabhängigkeitsbefürworter- und -gegnerinnen auf, gemeinsam die Stimme zu erheben.
  • Der katalanische Präsident Quim Torra (JxC) verlangte ein unverzügliches Treffen mit Premier Sánchez und dem König.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 | 1› 2› 3› 4› 5› 6› 7› 8› 9› 10› 11› 12›

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Hongkong und der »historische Realismus«.

2019: Der in Hongkong lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Demokratiebewegung »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass Peking diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

1989: Der in der DDR lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Montagsdemos »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass Moskau diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

1982: Der in Südafrika lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Anti-Apartheid-Bewegung »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass die weiße Regierung diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

1967: Der in den USA lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Civil-Rights-Bewegung »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass Washington diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

1957: Der in Südtirol lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Autonomiebewegung »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass Rom diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

1946: Der in Indien lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Satyagraha-Bewegung »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass London diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

1913: Der in England lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Suffragetten-Bewegung »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass Westminster diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

1820: Der in den USA lebende Südtiroler S. K. sagt der Zett, er habe in den vergangenen Wochen »natürlich« die Zonen gemieden, wo die Proteste stattfanden. Er teile die Ziele der Sklaven »vom Herzen her«, sehe das alles aber auch realistisch. Es sei utopisch zu glauben, dass Washington diesbezüglich irgendwelche Zugeständnisse machen werde.

Kontext: In der heutigen Zett ist ein Interview mit einem in Hong Kong lebenden Südtiroler erschienen.

In all den aufgezählten Fällen gab es selbstverständlich keine Garantie, dass die Proteste und Aufstände erfolgreich sein würden. Meistens schien die Lage zunächst sogar aussichtslos. Wäre man aber »realistisch« geblieben, wären die damit zusammenhängenden Veränderungen nie zustande gekommen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 ‹8 ‹9 ‹10 ‹11 | 1› 2›

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Autorinnen und Gastbeiträge

The Hong Kong Experience.
What does it mean to “belong to a nation”?

by Joachim Prackwieser

Remember, boy, that behind all these men… behind officers and government, and people even, there is the Country Herself, your Country, and that you belong to her as you belong to your own mother. Stand by her, boy, as you would stand by your mother…!

(Hale, The Man Without a Country: 35)

This passage is taken from the short story The Man Without a Country by the American novelist Edward E. Hale [i], which tells the story of a tragic misfit, Lieutenant Philip Nolan, who had renounced his country under oath and, consequently, was sentenced to spend his life at sea, denied returning to his country ever again. Moreover, the verdict ordered his sentinels to never pronounce the name of “his country” or talk about matters concerning it in his presence. However, not embracing the idea of having a country because he never learnt its meaning, the protagonist has not been affected much by his fate for some time. Yet, it didn’t take long before he grew aware that the people surrounding him, mostly navy soldiers, tied many aspects of their life to this concept by now, thus depriving him of any news and information about the place he was born. It was in this condition that he uttered the above quoted advice to the narrator, surrendering himself to the unifying schemes of the era of the nation states. Much like Hale’s protagonist, Hong Kong people have not been bothered by their lack of national identity [ii]; they have not needed this concept until they were confronted by those of their “motherland” China, who indeed possess such an identity. It was from midnight 1 July 1997 on, when Hong Kong was officially returned to China after 150 years under British colonial rule that the Hong Kong people had to cope intensively with this confrontation.

Before continuing with the period after 1997, a quick glimpse on the origin of the Hong Kong people’s lack of national identity shall be offered. First and foremost, it was a matter of colonial rule to keep them at distance from any national identity whatsoever: Hong Kong’s linkage to China was downplayed to legitimate British rule, yet its bonds to Great Britain were downplayed at the same time to prevent the inhabitants from applying for the right of abode in Great Britain. Second, China’s transformation into a communist state greatly facilitated the Hong Kong people’s dismissal of national identity, as it triggered alienation and a sense of menace among them. Mao’s dictatorship that caused turmoil of hitherto unseen scales, e.g. the Great Leap Forward (1958-62) or the Great Proletarian Cultural Revolution (1966-76) ending in tens of millions of deaths, and from which many sought shelter in the British colony, shaped this “refugee mentality” [iii]. It caused the phenomenon of a one-sided development that can be labelled “market mentality” [iv]: In contrast to the two omnipresent and contradictory discourses in most countries, state and market, the greater part of the Hong Kong people have been moulded by only one discourse – that of the market. Hong Kong’s identity became defined by the loyalty to the global market over any state. At the end of this transformation, having taken place during the 1970s and 80s, money and family were all that mattered and could be trusted. In other words, not survival but choice in terms of consumption with little concern about national identity determined people’s lives from then on. This way of thinking even led to a comprehensive rejection of the mentality of the state.

Law (in the common law embodiment) and the introduction of what can be labelled “welfare colonialism” played an important role in providing a frame to this mentality: Large scale riots had broken out in the 60s, triggered by severe social inequality which stemmed from the mesmerizing economic boom Hong Kong was experiencing back then. In this period the colonial government’s very right to rule had been questioned. In order to evade this crisis of legitimacy and close the gap with its citizens, the administration could have introduced some form of representative government. As Jones argues, the government engaged instead in a wider process of hegemonic restructuring by introducing a “consultative machinery to provide readier access to government” accompanied by “an impressive programme of welfare colonialism.” [v] The foremost means to achieve this restructuring was the law that acquired a crucial role in ideological terms, by setting new rules of engagement between state and society. Important in this regard is that law, employed this way, provided an alternative channel of redress and more importantly a means of governance, thus avoiding democratic reform.

Before this background, post-handover Hong Kong has to be read and understood. First of all, the distinction between Hong Kong and Mainland China is apparent in many ways: In Hong Kong mass media and internet are not censored, permanent residency for foreigners is permitted and British rule had a lasting influence on the way of life, core values and the outlook resembling the Western world. Therefore, since 1997 Beijing makes use of different channels to instil the Chinese national identity into the inhabitants of the then instituted Hong Kong Special Administrative Region, a territory under direct supervision of the Central People’s Government. National identity is being taught through mass media, which has been changing its portrayal of Mainland Chinese and China over the past several decades from negative towards very positive and national symbols are omnipresent (e.g. the playing of the Chinese national anthem is mandatory before the news). Another important channel to teach Hongkongers to belong to the country is schooling: different measures have been developed to shape the school children’s image of China as their motherland from kindergarten onwards. However, the inhabitants’ reaction to this endeavour is varied. While some Hongkongers are happy to finally be able to embrace a clear sense of identity, many more insist on their distinctiveness. National identity is often reflected upon critically and consciously, where arguments range from the viewpoint that national belonging involves rediscovering one’s long-lost home and roots to the opinion that national belonging means surrendering to state propaganda (think of Lt Philip Nolan). This attitude is readily proven by several protests and bold lawsuits against the Beijing instituted HKSAR Government in the tradition of law as the channel of redress, placing Hong Kong’s courts into a position of guardians of rule of law and human rights, which they assumed with exigent sense of responsibility. Yet, protests diminish in scale and the courts are not armoured for a longstanding fight against Beijing [vi]. A new form of “belonging to the nation” seems to be coined by the Hong Kong people in recent years, consciously or unconsciously. It is one apparently derived from their inherent market mentality, based on the discourse not of the state but of the market. They shift their allegiance towards the country as they might shift their allegiance towards a consumer product, e.g. a young Hongkonger may define his feelings towards the Chinese national flag in terms of whether it is fashionable or unfashionable like adjudicating on a t-shirt, thus totally disregarding its symbolic significance. Especially in the sphere of business, faith in the national market of China serves as a substitute for faith in the Chinese state. In other words, the market enables an alternative form of loyalty to China.

Edward Hale was an apologist of the nation state. Therefore, it is no wonder that he lets embrace his protagonist the concept in the end. However, the Hong Kong experience shows that a different and paradoxical form of belonging to a nation is viable, when “Capitalism as Religion” in Walter Benjamin’s reading has been adopted by a society. Benjamin states in this essay that capitalism is a “Kultreligion, vielleicht die extremste, die es je gegeben hat. Es hat in ihm alles nur unmittelbar mit Bezug auf den Kultus Bedeutung, er kennt keine spezielle Dogmatik, keine Theologie.” [vii] Capitalism thus permits such a society to reject the Dogmatik and Theologie of the state, yet at the same time to develop bonds to it through a consumerist approach.

The ensuing questions come intuitively to my mind (while many more could be developed):

  • Can a Hong Kong style market mentality be traced among South-Tyrolese of Austro-Hungarian descent, where “money and family are all that matters and can be trusted”?
  • If this is the case, does it assume a similar role of accepting some and rejecting other symbols representing the Italian state over time, grounding on a consumerist choice (not only symbols like flags but also sports and cultural idiosyncrasy like music, food etc.), while largely rejecting the state as an abstract reference point?
  • Consequently, have these South-Tyrolese already learnt to appertain to the Italian nation to a certain degree as the people of Hong Kong have done to China?
  • Yet, interestingly, more and more South-Tyrolese voice the opinion that South Tyrol should declare independence because Italy’s economic situation endangers South Tyrol’s prosperity. Is this a step beyond the Hong Kong experience (there, China is the prosperous giant supporting Hong Kong, which had been severely struck by the Asian Crisis), i.e. a society based on the market mentality is not only able to adapt to an alien nation, but at the same time can easily renounce this nation when the sine qua non of this mentality, the economy itself, is jeopardised?

[i] Hale, Edward Everett. The Man Without a Country: And Other Tales. Boston: Roberts Brothers, 1888.

[ii] National identity is a modern phenomenon that only fully permeated the people when they began to feel that they intrinsically belong to a nation to which they should “naturally” be loyal. Cf. Gellner, Ernest. Nations and Nationalism. Ithaca: Cornell University Press, 1983. According to Eriksen, “urbanization and individualism create a social and cultural vacuum in human lives… Nationalism promises to satisfy some of the same needs that kinship [and religion] was formerly responsible for”. Cf. p. 107 in Eriksen, T. H. Ethnicity and Nationalism: Anthropological Perspectives. London: Pluto Press, 2002.

[iii] Cf. p. 15 in Mathews, Gordon, Eric Kit-wai Ma and Tai-lok Lui. Hong Kong, China : Learning to Belong to a Nation. Abingdon: Routledge, 2008.

[iv] Ibid.

[v] Cf. p. 46 Jones, Carol. “Politics Postponed: Law as a Substitute for Politics in Hong Kong and China.” In Law, Capitalism and Power in Asia : The Rule of Law and Legal Institutions, edited by Kanishka Jayasuriya. London; New York: Routledge, 1999.

[vi] Art 158 of Hong Kong’s “mini-constitution”, the Basic Law, provides Communist China’s centre of power, the Standing Committee of the National People’s Congress, to have the last say on interpretational issues of the Basic Law, thus deviating considerable influence from Hong Kong’s courts towards Beijing.

[vii] Benjamin, Walter, Theodor Wiesengrund Adorno, and Gershom Gerhard Scholem. Gesammelte Schriften. 6, [Fragmente vermischten Inhalts – Autobiographische Schriften]. Edited by Rolf Tiedemann and Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985, pp. 100-102.

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