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Mindestsicherung in Gefahr?

Die Trentiner Ableger der sogenannten konföderierten italienischen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL warnen, dass die Zentralregierung von Giorgia Meloni (FdI) die Zuständigkeiten von Südtirol und Trentino in den Bereichen Arbeit und Soziales massiv beschneiden könnte.

Im Arbeitsdekret der Regierung, mit dem auch das Bürgergeld abgeschafft werden soll, fehle jeder Hinweis auf die Kompetenzen der beiden autonomen Länder. Damit seien soziale Maßnahmen auf Landesebene wie die Mindestsicherung gefährdet.

Eine parlamentarische Delegation der Rechten hätten die Gewerkschaften schon vor einiger Zeit auf die Notwendigkeit hingewiesen, in der Notverordnung der Regierung eine Schutzklausel zu verankern, doch nach wie vor fehle sie in den Entwürfen. Wenn sie nicht vor Veröffentlichung der Maßnahme eingefügt werde, könnte das weitreichende Folgen haben.

Siehe auch ‹1 ‹2

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Die Schmerzen des Sailer F.
Quotation

Es tut den Tiroler Busunternehmern weh, wenn ein italienischer Unternehmer, der in Österreich ein Unternehmen betreibt, dieses Los bekommt.

Franz Sailer, Obmann der Tiroler Autobusbetriebe in der Wirtschaftskammer

Diese auf orf.at zitierte Aussage Sailers anlässlich der Vergabe einer Buslinie zwischen Innsbruck und Nassereith an Ingomar Gatterers SAD Austria tut noch mehr weh, als den Busunternehmern der Verlust des Loses. Freilich sind Ingomar Gatterer und seine Praktiken nicht unumstritten. Aber darum soll es hier nicht gehen.

Wenn in den Sonntagsreden wieder einmal die Euregio gepriesen, von nicht existierenden Grenzen und vom Kampf gegen den Nationalismus gesprochen wird, können wir dieses Zitat hervorkramen, um zu zeigen, wie verinnerlicht wir das vereinte Tirol Europa haben.

Für Franz Sailer ist ein Südtiroler Busunternehmer kein Tiroler, sondern ein italienischer Unternehmer. Franz Sailer schmerzt es offenbar, wenn Unternehmen innerhalb der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino konkurrieren. Dabei tritt Gatterer ja gar nicht mit der Südtiroler SAD AG an, sondern mit dem österreichischen Ableger SAD Austria GmbH  – also einem österreichischen Unternehmen mit Sitz in Schönwies. Aber um ein solches zu betreiben hat Gatterer nach Ansicht Sailers wohl die falsche Staatsbürgerschaft. Ja wo kämen wir hin, wenn jetzt schon “ausländische Oligarchen” innerhalb der Euregio respektive der EU Unternehmen gründen dürfen? Herr Sailer, das 19. Jahrhundert hat angerufen und möchte seine Weltsicht zurück!

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6

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Südtirol und Trentino gegen den Stalinismus.

Ist es die Angst, es sich mit den Faschistinnen zu verscherzen? Unwissenheit? Desinteresse? Fakt ist jedenfalls, dass der Regionalrat jüngst nicht nur den Widerruf einer Auszeichnung für Josip Broz gefordert, sondern auf Wunsch von FdI auch einen Antrag (Nr. 44/2021) gegen Totalitarismus verabschiedet hat.

Dass gerade die, denen eine auch nur halbwegs glaubwürdige Distanzierung vom Faschismus schwerfällt, den Nationalsozialismus, Kommunismus, Faschismus und Stalinismus (in dieser Reihenfolge) verurteilen wollen, ist nur auf den ersten Blick merkwürdig. Sie tun es im Sinne der Gleichmacherei, zur Tarnung und Vertuschung — denn in je breiterer schlechter Gesellschaft sich der Faschismus befand, desto weniger einzigartig und schlimm war er. Und desto mehr haben alle vor der eigenen Haustüre zu kehren. Dass so mitunter Täter und Opfer, Aggressorinnen und Angegriffene über einen Kamm geschoren werden, ist durchaus erwünscht.

Fotokopien solcher Anträge reicht die Partei von Giorgia Meloni landauf landab auf dem gesamten Staatsgebiet ein und kann sich dabei auf eine höchst umstrittene Entschließung des EU-Parlaments (vom 19. September 2019) zu diesem Thema berufen. Deren »Ausgewogenheit« geht allerdings weniger auf eine ernsthafte historische Bewertung oder Gewichtung denn auf die rein politische Balance zwischen der unterschiedlichen Sensibilität und Interessenlage west- und osteuropäischer EU-Mitgliedsstaaten zurück, die sich gleichermaßen berücksichtigt wissen wollten.

Für die italienischen Neofaschistinnen, die von sich selbst ablenken wollen, ist das ein gefundenes Fressen. Seht her, alle haben Leichen im Keller, was also wollt ihr von uns?

Und die Mehrheit im Regionalrat geht dieser offensichtlichen Geschichtsklitterung und Verschleierungsstrategie auf den Leim. Man muss sich echt wundern, was alles geht.

Siehe auch 1›

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Tito und die Cancel Culture.

Der Regionalrat von Südtirol und Trentino hat Ende Jänner nahezu einstimmig einen Begehrensantrag (Nr. 12/2021) von Forza Italia, PATT und Autonomisti Popolari – Fassa genehmigt, mit dem die italienische Regierung aufgefordert wird, den an Tito (Josip Broz) verliehenen Verdienstorden der Italienischen Republik zu widerrufen.

In der Debatte machte der faschistische Abgeordnete Marco Galateo (FdI) darauf aufmerksam, dass Tito ein Kommunist war, der Italienerinnen habe umbringen lassen, weil sie Italienerinnen waren. Was nicht stimmt — er ließ sie nicht aufgrund ihrer Ethnie, sondern aufgrund ihrer faschistischen Ideologie und der vom Faschismus verübten Verbrechen verfolgen, so wie er auch deutsche und slawische Faschistinnen jagte. Galateo war jedenfalls der Auffassung, dass in dieser Angelegenheit selbst eine Enthaltung inakzeptabel wäre (und erinnerte hierfür an den neofaschistischen Gedenktag). Dieses Engagement für Geschichtsaufarbeitung ist sonderbar, da sich seine Partei und ihre Verbündeten regelmäßig winden und fadenscheinigste Argumente1wie das dümmliche »die Geschichte kann man nicht auslöschen« bemühen, wenn es zum Beispiel darum geht, Mussolini eine Ehrenbürgerschaft zu entziehen. Oder ein faschistisches Schandmal auch nur zu historisieren — geschweige denn zu schleifen. Von Cancel Culture schwafelte hingegen Ignazio Benito La Russa neulich, als es darum ging, ein Bild des faschistischen Diktators aus der Ehrengalerie in einem Ministerium zu entfernen.

Mit 34 Stimmen zu null bei nur zwei Enthaltungen wurde der Antrag schlussendlich genehmigt, 17 Abgeordnete nahmen an der Abstimmung nicht teil. Vielleicht richtet der Regionalrat demnächst ja sogar eine Aufforderung an Rom, auch Benito Mussolini seine Auszeichnung zu entziehen.

Wohl eher nicht.

Siehe auch 1› 2›

  • 1
    wie das dümmliche »die Geschichte kann man nicht auslöschen«
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Ladinia: Ein Jahrhundert divide et impera.

Heute jährt sich sich die Teilung des ladinischen Sprachgebiets zum hundertsten Mal. Per Dekret ordnete Diktator Benito Mussolini am 21. Jänner 1923 den Anschluss von Souramont (Anpezo, Col und Fodom) an Belluno und somit seine Abtrennung von Südtirol an. So endete, wie vom Ultranationalisten Ettore Tolomei gefordert, die Jahrhunderte währende politische Einheit der Ladinerinnen. Erklärtes Ziel war die sprachliche und kulturelle Assimilierung — ein Prozess, der bis heute nicht gestoppt wurde.

Wenige Jahre später wurde das Faschistenwerk der Dreiteilung vollendet, als Fascia bei Gründung der Provinz Bozen unter Trient verblieb.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich der Gemeinderat von Anpezo noch unmissverständlich gegen eine Abtrennung vom restlichen Sprachgebiet — und vom deutschsprachigen Tirol südlich des Brenners — ausgesprochen, eine demokratische Willensbekundung, die den Faschistinnen nichts galt. Doch auch das republikanische Italien machte sich die faschistischen Argumente zueigen, als es die immer wieder vorgebrachte, im Oktober 2007 auch in einem amtlichen Referendum eindrucksvoll bestätigte Forderung nach Wiedervereinigung beharrlich ignorierte.

Genauso wie etwa das faschistische Ortsnamensdekret (Nr. 800/1923) von Benito Mussolini noch immer gültig ist, entfaltet auch Dekret Nr. 93/1923 bis heute seine schä(n)dliche Wirkung. Höchste Zeit, dies endlich zu ändern.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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Ladinische Ansagen in Bus und Bahn.

Seit heute werden die fünf Bahnhöfe Bruneck/Bornech, Bruneck/Bornech Nord, St. Lorenzen/S. Laurenz, Waidbruck/Pruca und Klausen/Tluses — aber offenbar nicht Bozen/Bulsan — in den Landeszügen auch auf Ladinisch angekündigt.

Im Laufe der kommenden Wochen und Monate sollen dann einer Ankündigung des zuständigen Landesrats Daniel Alfreider (SVP) zufolge auch für sämtliche rund 350 Bushaltestellen in Ghërdeina, Badia una Fascia Ansagen in ladinischer Sprache hinzukommen. Anscheinend gilt dies aber nicht für Anpezo, wohin ebenfalls Südtiroler Busse (Linie 445) fahren.

Mit dieser Neuerung wird der ältesten und kleinsten Landessprache im öffentlichen Nahverkehr fortan etwas mehr Präsenz und Gleichberechtigung verliehen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 | 1› 2›

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Sprachniveau der Ärztinnen senken?

Ein aus dem Trentino stammender Hausarzt muss seine Praxis in Andrian schließen, weil er fünfmal an der Erlangung des Zweisprachigkeitsnachweises gescheitert ist. Angeblich soll er bei den Prüfungen unter anderem zu den Themen Architektur und Schwarzmarkt befragt worden sein, wobei er es sowohl beim Land als auch beim Goethe-Institut versucht haben soll. Er bemängelt, dass die Fünfjahresfrist zur Erlangung des Nachweises nur für Ärztinnen gilt, die im Krankenhaus beschäftigt sind.

Der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger (TK) fordert eine Reform. Entweder solle die Zweisprachigkeitsprüfung auf die beruflichen Anforderungen zugeschnitten werden oder das geforderte Niveau von C1 auf B2 des europäischen Referenzrahmens gesenkt werden, wie dies in Deutschland, Österreich und in der Schweiz der Fall sei.

Die Vorschläge sind grundsätzlich überlegenswert, zumindest solange es einen akuten Personalmangel gibt. Beim Gesundheitswesen handelt es sich aber um einen besonders sensiblen Bereich, weshalb höchste Vorsicht angebracht ist.

Zu sagen ist, dass es eine Logik hat, wenn Aufschübe eher Spitals- als Hausärztinnen angeboten werden, da erstere im Krankenhaus von anderen Ärztinnen und Pflegerinnen umgeben sind, die notfalls beim Übersetzen behilflich sein können, wiewohl dies strenggenommen nicht ihre Aufgabe wäre. Eine Hausärztin ist häufig auf sich allein gestellt, weshalb die angemessene Kenntnis der Zweitsprache noch wichtiger ist. Dementsprechend hatte der Gesundheitsbetrieb dem Arzt aus dem Trentino einen Wechsel ins Krankenhaus angeboten.

Auch dass in Südtirol ein etwas höheres Sprachniveau verlangt wird als etwa in Deutschland ist nicht sinnbefreit. Dort nämlich kann B2 als Einstiegsniveau betrachtet werden, um mit Kolleginnen und Patientinnen zu kommunizieren. Der Berufsalltag wird sich dann größtenteils auf Deutsch abspielen, sodass die Erlangung eines höheren Niveaus by doing faktisch sichergestellt ist.

In Südtirol hingegen könnte B2 für viele der endgültige Sprachkenntnisstand sein: Wer hierzulande ein bestimmtes Niveau nicht schon beherrscht, wird es nämlich je nach Kontext und persönlichem Engagement möglicherweise nie erreichen. Im Unterschied zu Deutschland, Österreich und Deutschschweiz ist bei uns nämlich nicht sichergestellt, dass der sprachliche Kontext im Alltag zu einer ständigen aktiven Konfrontation mit der Sprache führt. Gerade Deutschsprachige tendieren dazu, einem bei Minderheiten verbreiteten Reflex folgend rasch in die staatliche Mehrheitssprache zu wechseln, wenn das Gegenüber die eigene Muttersprache nicht auf einem gewissen Niveau beherrscht.

So wird in Deutschland aus B2 vermutlich schnell das bessere C1, während in Südtirol der Abfall auf B1-Niveau drohen könnte. Genauso wie etwa auch beim Thema Immersion gilt es eben zu verstehen und zu berücksichtigen, dass Südtirol aufgrund der Minderheitensituation nicht eins zu eins mit anderen Ländern verglichen werden kann: Unsere Mehrsprachigkeit bedarf besonderer Maßnahmen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 | 1› 2›

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Liberale Gleichberechtigung.

Der Fall mit der einseitigen Simultanübersetzung im Regionalrat (und im Landtag) führt mich zu einer weiteren, grundsätzlicheren Überlegung: Liberale erliegen leider nicht selten dem auf Oberflächlichkeit zurückzuführenden Trugschluss, dass Gleichberechtigung immer und überall Gleichheit voraussetzt. Dabei unterschätzen oder blenden sie die Mechanismen fast völlig aus, die der Minorisierung — und ganz allgemein unausgewogenen Machtverhältnissen — zugrundeliegen.

Wenn zum Beispiel eine deutschsprachige Südtiroler Abgeordnete im Plenum des Landtags bewusst Italienisch spricht, weil dort (in einem von nur zwei Landesparlamenten des Staates, in denen nicht ausschließlich Italienisch gesprochen werden darf!) die Staatssprache unterrepräsentiert sei, so mag das gut gemeint sein — zeugt aber von einer verzerrten Wahrnehmung.

Dass italienischsprachige Kolleginnen jemals im Regionalrat (oder in einem Bozner Stadtviertelrat) bewusst und systematisch Deutsch sprechen würden, weil die Sprache dort unterrepräsentiert ist, wage ich zu bezweifeln. Viele machen jedenfalls noch nicht einmal die Anstrengung, Deutsch auch nur zu verstehen.

Ähnlich verhält es sich, wenn deutschsprachige Abgeordnete (Gruß ans Team K!) systematisch Landtagsanfragen auf Italienisch verfassen. Das mag bei oberflächlicher Betrachtung nett aussehen, ist aber nichts anderes als ein weiterer Schritt zur sprachlichen Unterordnung. Sie blenden aus, dass die Mitarbeiterinnen der Landesverwaltung und des Landtags aufgrund des staatlichen Kontexts ohnehin überdurchschnittlich viel auf Italienisch abwickeln müssen. Und tragen dazu bei, dass sie noch öfter in die Staatssprache schwenken müssen als ohnehin — denn Landtagsanfragen werden ausschließlich in der Frage beantwortet, in der sie gestellt werden.

Dabei ist ja sogar bei Gesetzen, die quasi »auf Deutsch« ersonnen, geschrieben und verabschiedet werden, letztendlich nur der italienische Wortlaut entscheidend1Autonomiestatut, Art. 99. Gegen derart substantielle Ungleichbehandlung wäre Widerstand nötig, doch daran haben sich offenbar schon alle gewöhnt.

Wenn Liberale falsche Rücksicht auf die dominante Staatssprache nehmen, machen sie jedenfalls das Spiel des alles homogenisierenden Nationalstaats — und fühlen sich ironischerweise ganz besonders weltoffen und respektvoll.

Was am Ende dabei rauskommt, sind Dinge wie der einsprachige Dolmetschdienst, den dann aber leider kaum jemand problematisch findet. Schon gar nicht die Liberalen.

Siehe auch ‹1 ‹2 | 1›

  • 1
    Autonomiestatut, Art. 99
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