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Die neuen Schutzhütten.

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Rund um die drei geplanten neuen Schutzhütten in Südtirol hat sich — ob ihrer Architektur — eine breite Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern entwickelt. Zivilgesellschaftliches Engagement ist stets erfreulich und die öffentliche Auseinandersetzung kann, solange sie fair geführt wird (und nicht etwa in Beleidigungen oder Zensurwünsche ausartet), für beide Seiten nur gewinnbringend sein.

Vom Reflex, auf die langjährige Ausbildung der Architekten zu verweisen — weshalb sie schon wüssten, was sie da machen — halte ich wenig. Einerseits ist das Vertrauen in die Ausbildung verständlicherweise angeschlagen, da bei weitem nicht jeder Architekt so baut, wie es sein Fachwissen und das Berufsethos von ihm erwarten ließen. Und andererseits ist ein derartiger Verweis undemokratisch: Schließlich wird die Ausbildung vorausgesetzt, entbindet aber nicht von der besonderen Verantwortung, welche durch die Bebauung öffentlichen Raums — noch dazu in einer so außerordentlichen Lage — gegenüber der Öffentlichkeit entsteht. Ich glaube an die Vermittlerrolle des Architekten, die jedoch durch den Rückzug auf das Argument der eigenen fachlichen Überlegenheit umgangen wird.

In ihrer Stellungnahme zur gegenwärtigen Diskussion hat die Südtiroler Architektenkammer richtigerweise auf die Entwicklung hingewiesen, die zum Beispiel die Ausstattung von Bergsteigern während der letzten Jahrzehnte durchlaufen hat. Genauso wie niemandem einfallen würde, im Sinne der Tradition zu fordern, wir sollten die Dolomiten mit Schuhwerk aus dem 19. Jahrhundert erklimmen, wäre es unverständlich, so zu bauen, wie damals. Die Erfordernisse an eine Berghütte haben sich seit damals ebenfalls verändert.

Gleichzeitig erfordert das Bauen am Berg jedoch auch eine hohe Sensibilität und viel Zurückhaltung. Vor Moden sollten wir uns in Acht nehmen. Eine Hütte soll nicht einen Wanderer in greller Bergbekleidung mimen, der am Ende seiner Anstrengungen wieder nach Hause zurückkehrt: Die Hütte bleibt.
Es besteht aber kein Zweifel, dass wir zeitgemäß bauen müssen. Zeitgemäß ist nicht gleichbedeutend mit gut, denn auch zeitgemäße Architektur kann, wie alles andere, gut oder schlecht, schön oder unschön sein. Sicher falsch wäre aber unzeitgemäßes Bauen: Wir könnten dem historischen Bestand keine größere Respektlosigkeit erweisen, als ihn nachzuäffen, mit anderen Worten ausgedrückt, mit den uns zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten so zu tun, als habe es keinen Fortschritt gegeben. Die »Wahrheit« des Bauens liegt darin, dass zu jeder Zeit so gebaut wurde, wie es am Effektivsten und Effizientesten war, was freilich nicht bedeutet, Bewährtes zu verwerfen, sondern behutsam abzuwägen, was auch heute noch gut ist und was hingegen sinnvollerweise verändert, ergänzt und verbessert werden kann. Mit Ästhetik hat das nur am Rande was zu tun.

Deshalb ist es völlig irreführend, in der derzeitigen Debatte zwischen Bewahrern (den Gegnern der neuen Hütten) und Erneuerern (ihren Befürwortern) zu unterscheiden. Wer zeitgemäß baut und auf die Überheblichkeit verzichtet, auch Gutes aus missverstandener Fortschrittlichkeit zu verwerfen, ist nämlich der eigentliche Bewahrer einer bewährten Bautradition.

Die konkreten Projekte kenne ich — wie vermutlich fast alle, die sich an der Diskussion beteiligen — nur aus der Presse und kann deshalb kein endgültiges Urteil fällen. Doch den veröffentlichten Bildern lässt sich meiner Einschätzung nach nichts entnehmen, das den Schluss zuließe, Planer und Juroren hätten ihre Aufgabe nicht ernstgenommen, eine möglichst gute Antwort auf die Problematik öffentlichen Bauens in einer so besonderen Lage zu suchen.



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Comentârs

8 responses to “Die neuen Schutzhütten.”

  1. ingo dejaco avatar
    ingo dejaco

    Sehr gut auf den Punkt gebracht!!!

  2. chi lo capisce avatar
    chi lo capisce

    Nach dem ich die vielen Diskussionen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt habe und dabei so manchen Griff unter die Gürtellinie beobachten musste, ist dieser Beitrag richtig wohltuend.
    Ich bin überzeugt, dass viele in der Diskussion sehr oberflächlich sind und die Projekte wahrscheinlich auch nur sehr oberflächlich kennen.
    Der Südtiroler Traditionalismus und der Herdentrieb (siehe z.B die irrsinnige und falsche Bezeichnung “Betonbunker”) sind in dieser Diskussion leider in der Mehrheit.
    Besonders gefallen hat mir in der Diskussion der Satz von Christoph Engl (SMG): “Jede Tradition war mal Innovation”…
    (http://www.stol.it/Artikel/Chronik-im-Ueberblick/Lokal/Jede-Tradition-war-mal-Innovation)

  3. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Herr Engl hat schon Recht, dass jede Tradition einmal Innovation war. Er hat nur vergessen hinzuzufügen, dass nicht jede Innovation auch zur Tradition wurde. Nur das Gute hat Bestand. Manche Neuerungen, die nichts taugten, sind auch wieder verworfen worden. Architektur ist deswegen besonders heikel, weil Gebäude keine Privatangelegenheit sind wie ein Bild, das man sich ins Wohnzimmer hängt, sondern eine öffentliche Angelegenheit. Es ist daher verständlich, dass die Öffentlichkeit mitreden und ihre ästhetischen Vorstellungen einbringen will. Mit Überheblichkeit darüberzufahren und die Mehrheit der Bevölkerung für dumm und unfähig zu erklären, die zeitgemäße Architektur zu verstehen, bringt uns nicht weiter. In allen öffentlichen Angelegenheiten ist Konsens gefragt.

    1. hunter avatar
      hunter

      @ hartmuth
      das blöde ist nur, das man vorher nicht weiß, welche innovation zur tradition werden wird und viele bleibende innovationen nicht auf einen konsens sondern auf einzelinitiativen zurückzuführen sind. was natürlich nicht heißt, dass ich grundsätzlich nicht für konsensuale willensbildung bin.

  4. succus avatar
    succus

    Ein wirklich sehr guter Beitrag, wie ich ihn bisher noch nicht gelesen habe. Trotz der lebhaften Diskussionen finde ich im Netz, bis auf eine Ankündigung des Landespresseamtes zur Ausstellung keine detaillierten Informationen zu den Projekten. Wiedereinmal eine sehr bürgernahe Aktion, wer hat den schon Zeit, bis nach Mals zu fahren, um die Ausstellung zu sehen? Wohltuend im Vergleich ist dazu die Darstellung der Monte-Rosa-Hütte in der Schweiz, hier wird umfassend informiert.

  5. Thomas Benedikter avatar
    Thomas Benedikter

    Sehr erhellender Beitrag eines Fachmanns, der die Bescheidenheit aufbringt, die Architektenurteile nicht grundsätzlich bei Bauten im öffentlichen Raum als überlegen zu betrachten, und der seiner Zunft abverlangt, dass sich vor allem Projekte für öffentliche Bauten – und das sind vom Land finanzierte Schutzhütten – auch dem Urteil der ganzen Bevölkerung und speziell der Bergsteiger stellen müssen. Zumindest hat der Protest gegen die vorliegenden Entwürfe dazu geführt, dass Auftraggeber und Architekten ihre Vorschläge argumentativ begründen müssen. Allein die Diskussion über solche Bauprojekte führt zu einer wichtigen Bewusstseinsbildung. Ich wäre jedoch froh, wenn über viele völlig misslungenen, unzumutbaren und Ensemble-verschandelnden Bauten im Tal, die von Baukommissionen und Landesregierung durchgewunken werden, auch so leidenschaftlich diskutiert würde. Auch dort gibt es sensible Landschaft, oder nicht mehr?

  6. pérvasion avatar

    Leider sind auch einige Befürworter der neuen Schutzhüttenprojekte ziemlich überheblich und verweisen etwa auf die verfassungsmäßig garantierte “Freiheit der Kunst”. Aber:

    • Selbst unter Architekten ist umstritten, ob Architektur auch eine Kunst ist. Was jedoch unumstritten ist, ist, dass es wennschon nicht nur eine Kunst ist — sie muss sich sehr vielen ästhetischen und technischen Sachzwängen und Vorschriften unterwerfen, ja, diese Notwendigkeit ist in den meisten Fällen sogar prädominant.
    • Auch wenn Architektur eine reine Kunst wäre, gilt zu bedenken, dass Künstler bei Auftragsarbeiten von ihren Geldgebern abhängig sind und sich mitunter an Vorgaben halten müssen.
    • Ich kann doch auch nicht auf einen Berggipfel steigen, dort — also im öffentlichen Raum — eine riesige Stahlkonstruktion aufstellen und mich dann, falls das beanstandet wird, auf die Freiheit der Kunst berufen. Freiheit der Kunst heißt nicht, dass jeder tun und lassen kann, was er will.

    Es tut also auch uns Befürwortern zeitgemäßer Architektur gut, redlich zu argumentieren und andere nicht einfach durch Totschlagargumente zu delegitimieren.

  7. AlexK avatar
    AlexK

    Nun, versuchen wir mal einen anderen Zugang zum Thema:
    Schutzhütten müssen müde Wanderer beherbergen können. Sollen Unterkunft bieten, um beim Begehen eines Höhenweges nicht jeden Abend ins Tal absteigen zu müssen, um einen abgelegenen Gipfel in zwei Tagen angehen zu können.

    Aber nicht jeder der da kommt hat diesen Anspruch an eine Hütte. Die MEISTEN kommen, weil die Hütte ihr Ziel ist und nicht der Berg. Etwas trinken, essen, Bekannte treffen, einen Tag in naturnaher Umgebung verbringen.
    Wenn die Neugierde auf ein Bauwerk dazu angetan ist Kunden anzulocken, ist ein großer Teil seiner Funktion erfüllt.
    In die Sagrada Familia geht ja auch keiner um zu beten!
    Auch der sattsam bekannte Frosch wurde von den Meisten ohne Kunstinteresse angeschaut. Wieviele Bauwerke waren in der Planungsphase umstritten und sind heute Publikumsmagneten. An das Hundertwasserhaus in Wien erinnere ich mich lebhafter als an den Stephansdom.

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