Categories
BBD

Die undemokratische Fassade des 2. Juni.

Für Jugendliche ist es auch wichtig zu lernen, welcher Ton und welche Botschaften in welchem Rahmen angebracht sind.

– Sigrun Falkensteiner

Grundsätzlich könnte man mit dieser Aussage der Landesschuldirektorin sogar einverstanden sein. Doch im Kontext der absolut adäquaten Rede des 16 Jahre alten Schülers Nathan Previdi, die er bei den Feierlichkeiten zum 2. Juni nicht halten durfte, kann man sie nur als Plädoyer für vorauseilendes Duckmäusertum und Heuchelei verstehen. Eine Republik, die die Gedanken von Previdi zum Thema Demokratie nicht aushält, ist am Ende.

Dass die Rede ohne Rücksprache entstellt und nach der Weigerung des Schülers, sie in dieser Form vorzutragen, von jemand anderem gehalten wurde, straft die Aussage der Schuldirektorin Lügen. Nicht um einen Lernprozess ging es da, sondern um die Wahrung der Fassade.

Mehr Mut macht glücklicherweise die selbstkritische Aussage der Direktorin der Pädagogischen Landesabteilung, Gertrud Verdorfer: Dass der Text »offenbar in seinem Mittelteil massiv verändert und umgeschrieben wurde und dieser neue Text ohne Rücksprache an das Regierungskommissariat übermittelt wurde« bezeichnete sie als »absolut nicht zu rechtfertigen – auch wenn es sicher in guter Absicht erfolgt ist«. Und:

Ich habe mir den Text Ihrer Rede angehört und kann absolut nichts Anstößiges daran finden.

– Gertrud Verdorfer

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

Kann Österreich Staat?
Von Zündlern, Hetzern und Hürdenspringern

Immer wieder kommen sie aus ihren Löchern hervor: die Hetzer und Zündler, die behaupten, dass Österreich kein richtiger Staat sei, eine ideologische Missgeburt, ein Unfall der Geschichte, dass die Alpenrepublik Staat gar nicht könne und überhaupt. Besser wäre es gewesen, sich nach dem Zweiten Weltkrieg Südtirol – oder gar gleich Italien anzuschließen. Aber als hätte es eines weiteren Beweises bedurft, um all die Ketzer Lügen zu strafen, hat die SPÖ – die Sozialdemokratische Partei Österreichs – nun einen Parteitag abgehalten und mit Bravour einen neuen Vorsitzenden gewählt. Bereits im zweiten Anlauf konnte jene staatstragende Partei, die acht der 16 Bundeskanzler der Zweiten Republik gestellt hat, mit großer Eleganz die Hürde überspringen und Andreas Babler als Vorsitzenden benennen, nachdem die Excel-Tabelle zuvor fälschlicherweise Hans Peter Doskozil als Gewinner ausgespuckt hatte. Wie jeder weiß, ist die Abhaltung eines Parteitages inkl. Wahl des Vorsitzenden eine unvergleichlich komplexere Aufgabe als ein Land zu regieren. Somit kann die Frage “Kann Österreich Staat?” ein für allemal mit einem überzeugten “Ja” beantwortet werden.

Siehe auch ‹1 ‹2

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

»Das macht doch die Demokratie aus!«
Quotation

Kritik kam bereits von der italienischen Rechten. Birgt das Buch [»Kann Südtirol Staat?«] Konfliktpotenzial?

Jede größere politische Idee birgt ein bestimmtes Konfliktpotenzial, das betrifft auch Überlegungen zur Weiterentwicklung der Autonomie und ist in einer Demokratie völlig normal.

Eher sind wir davon beeindruckt und auch dankbar, wie unaufgeregt unser Projekt im Großen und Ganzen aufgenommen wurde. Wir fühlen uns dadurch in unserer Grundannahme bestätigt, dass es möglich ist, das Thema auch in Südtirol der tagespolitischen Polemik zu entziehen, indem man sich ernsthaft damit befasst. Bis jetzt haben wir sehr positive Rückmeldungen erhalten, auch von Leuten, von denen wir sie ursprünglich nicht unbedingt erwartet hätte[n]. Wir vertreten einen inklusiven Ansatz, der alle gleichermaßen ansprechen und mitnehmen will.

Die italienische Rechte konnte aufgrund ihrer politischen Ausrichtung gar nicht anders, als uns zu kritisieren, das war sozusagen eine Art Pflichtübung. Darüber hinaus steht von unserer Seite aber ein ausdrückliches Angebot, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und über die Sache zu diskutieren, und zwar gerade auch mit Menschen, die sich einen unabhängigen Staat Südtirol ganz und gar nicht vorstellen können. Das macht doch die Demokratie aus!

Co-Autor und Noiland-Vorstandsmitglied Marco Manfrini im heute erschienenen Zett-Interview

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

Calderoli erneut wegen Rassismus verurteilt.

Roberto Calderoli (Lega), amtierender Regionenminister der rechtsrechten Regierung von Giorgia Meloni (FdI), wurde von einem Gericht in Bergamo erneut wegen rassistischer Verleumdung verurteilt, weil er 2013 die damalige schwarze Integrationsministerin Cécile Kyenge (PD) mit einem Orang-Utan verglichen hatte.

Zunächst hatte sich 2015 der Immunitätsausschuss des italienischen Senats (sogar mit Stimmen von PD und 5SB) dagegen ausgesprochen, Calderoli der Justiz zu übergeben — ein Entscheid, den das Verfassungsgericht (erst) 2018 aufhob. Die in der Folge ergangenen Urteile gegen den Rassisten wurden dann noch von der Kassation aus formalen Gründen wieder aufgehoben. Und jetzt wurde der Regionenminister zwar erneut verurteilt, doch schon im Dezember wird die Verjährung eintreten, wenn er — wie er bereits angekündigt hat — erneut in Revision gehen wird.

Trotz mehrerer eindeutiger Urteile wird sich also auch in diesem Fall am Ende langwieriger Prozesse wieder einmal alles in Luft auflösen. Wie so oft erweist sich die dysfunktionale italienische Justiz mit ihren absurden Verjährungsregeln als unfähig, einen Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen, umso mehr, wenn er sich lange Prozesse leisten kann. Und davon, dass es für einen verurteilten Rassisten wenigstens politische Konsequenzen geben wird, darf man im neofaschistisch regierten Italien ohnehin nicht ausgehen.

Siehe auch ‹1 ‹2

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

Tag der Republik: Kritische Töne unerwünscht.

Im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten zum italienischen Tag der Republik haben gestern am Bozner Waltherplatz drei Schülerinnen eine Rede gehalten. Jene, die Nathan Previdi (Gymnasium Walther von der Vogelweide) vorbereitet hatte, wurde jedoch vom Regierungskommissariat als »zu politisch« eingestuft und vom Schulamt — unabgesprochen — entstellend »überarbeitet«.

Ein weiterer Versuch des engagierten Schülers, seine Rede in unveränderter Form zu halten, scheiterte angeblich am erneuten Widerstand des Regierungskommissariats, weshalb Previdi es schlussendlich vorzog, sich zurückzuziehen und anderen das Feld zu überlassen.

In der Rede, die er nun in seinem Youtube-Kanal veröffentlichte, werden unter anderem die rechte Gefahr in Italien und Europa, die politische Einflussnahme auf die Rai, die zunehmende Armut in Südtirol sowie die Klimakatastrophe thematisiert und als große Herausforderungen für die Zukunft und die Demokratie aufgezeigt.

War das zu politisch? Habe ich irgendjemanden direkt angegriffen? War ich politisch zu links, zu rechts? Nein. Das war ich alles nicht, ich war auf der Seite der Demokratie — und das sollte auf einer Veranstaltung am Tag der Republik auch hoffentlich der gemeinsame Nenner sein. Hat es vielleicht gestört, dass ich auf die neofaschistische Gefahr in Italien aufmerksam gemacht habe? Ich hoffe doch nicht, und dennoch weiß ich, dass das Thema in Italien spaltet. Italien hat sich, im Gegensatz zu Deutschland, nie wirklich mit der eigenen dunklen Vergangenheit auseinandergesetzt. Hat es vielleicht gestört, dass ich auf die Armut in Südtirol aufmerksam gemacht habe? Oder war es verkehrt, dass ich die Klimakrise als Gefahr für die Demokratie benannt habe? Es ist wichtig, dass man diese großen Probleme anspricht und dass man sie nicht mit Wohlfühlrhetorik unter den Teppich kehrt. Auch das ist Ausdruck der Meinungsfreiheit und somit der Demokratie.

– Nathan Previdi (16 Jahre)

Youtube – Transkription von mir

Wir können uns glücklich schätzen, solche junge Menschen in unserem Land zu haben, die mit kritischem Blick auf die Gegenwart und auf die Herausforderungen der Zukunft schauen.

Wie kann es sein, dass sich das Schulamt zum Handlanger der Zensur macht? Aufklärung und Konsequenzen dringend erforderlich.

Siehe auch 1›

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

Gerichtspräsidentin will Deutsch vor Gericht schwächen.

Anfang Mai war eine Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut erlassen worden, derzufolge Bewerberinnen fortan bei öffentlichen Stellenwettbewerben zumindest einen Teil der Prüfungen in der Sprache absolvieren müssen, deren Gruppe sie sich zugehörig erklärt haben — und für deren Quote sie die Stelle besetzen möchten.

Die Bozner Gerichtspräsidentin Francesca Bortolotti zeigte sich wenige Tage später gegenüber dem Corriere (Südtirolbeilage vom 9. Mai) wenig begeistert — um es mit einem Euphemismus zu sagen. Aus der Feststellung, dass die Justiz wie das Gesundheitswesen zu den essentiellen Diensten zähle, zog sie vielmehr die Schlussfolgerung, dass die Zweisprachigkeit aufgeweicht werden müsse.

Dabei ist Deutsch vor Gericht schon heute eine absolute Seltenheit: Angaben von Stefan Tappeiner, dem Präsidenten der Strafsektion am Bozner Landesgericht zufolge, werden dreißig Jahre nach Wiedereinführung der Zweisprachigkeit nur 10% bis 20% der Strafprozesse auf Deutsch geführt.

Es wären Maßnahmen nötig, um diesen Anteil anzuheben.

Im Interview mit dem Corriere gab Präsidentin Bortolotti jedoch zu bedenken, dass auch viele Deutschsprachige im Studium nie mit der Rechtsterminologie in deutscher Sprache in Kontakt kommen, selbst wenn sie in Innsbruck studieren, wo Italienisches Recht in Zusammenarbeit mit der Universität Padua angeboten wird. Als wäre das normal. Mit einer Wettbewerbsprüfung in ihrer Muttersprache wären sie demnach überfordert. Doch anstatt daraus den Schluss zu ziehen, dass dringend nachzubessern wäre1durch Änderungen im Studium und/oder durch Wettbewerbsvorbereitungskurse, um das Recht der Bürgerinnen auf Gebrauch der eigenen Sprache vor Gericht sicherzustellen, schoss sie sich unter anderem auf die neue Durchführungsbestimmung ein.

Hoffentlich ist die Justizbehörde nicht schon mit der Abhaltung zweisprachiger Stellenwettbewerbe überfordert.

Darüberhinaus bemängelte Bortolotti jedoch auch, dass Richterinnen aufgrund der sogenannten Cartabia-Reform in der Phase vor dem Urteilsspruch nicht mehr mit den Anwältinnen sprechen dürfen — um unter anderem den Verzicht einer Seite auf Übersetzungen vereinbaren zu können. Man kann sich vorstellen, zugunsten welcher Sprache solche Abmachungen ausfallen.

Arme Justiz, die doch den Bürgerinnen ihre verbrieften Rechte so gerne verweigern würde und sich nun darin behindert sieht. Doch ich bin mir sicher, es werden neue Wege gefunden, um bei der unangefochtenen Vorherrschaft der lingua nazionale zu bleiben. Die passende Mentalität scheint in den Gerichtsämtern vorhanden zu sein.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 / ‹8

  • 1
    durch Änderungen im Studium und/oder durch Wettbewerbsvorbereitungskurse
Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

Südtirolerin forscht zu Sprache im Gesundheitswesen.

Sie absolviert ein Doktorat an der University of Ulster (Ollscoil Uladh) in Belfast und stellte ihr Projekt Sociolinguistic Justice and Language Barriers: Exploring Linguistic Unease in Healthcare Context am 23. Mai an der Universitat de Barcelona (UB) vor: die in Südtirol geborene und aufgewachsene Forscherin Nicole Marinaro. Darin befasst sie sich mit einem Thema, das auch hierzulande stets aktuell ist — den Sprachbarrieren im Gesundheitswesen. Konkret vergleicht und analysiert Marinaro die Lage in Südtirol, Katalonien und Nordirland.

Für die katalanische »Sprachzeitung« Diari de la llengüa wurde die Forscherin von Raül G. Aranzueque interviewt.

Sowohl in Katalonien als auch in Südtirol, so Marinaro, müssten Ärztinnen und Krankenpflegerinnen Sprachkenntnisse nachweisen, wenn sie im öffentlichen Dienst arbeiten wollen. Die irische Sprache hingegen verfüge derzeit in Nordirland über kein solches Schutzniveau, obwohl kürzlich ein neues Sprachgesetz erlassen wurde.

In ihrer Arbeit gehe es aber neben den autochtonen Minderheitensprachen auch um die Sprachen der Immigration.

Einer Person in ihrer eigenen Sprache begegnen zu können, sei im Gesundheitsbereich von großer Wichtigkeit. Spreche eine Ärztin die Sprache der Patientin, fühlte diese sich bereits besser versorgt. Zudem könnten Patientinnen ihre Anliegen besser vorbringen und die Anweisungen der Ärztinnen besser verstehen — was ja, etwa wegen der Fachterminologie, selbst in der eigenen Sprache manchmal nicht leicht sei.

Zahlreiche Studien, so Marinaro in dem Interview, wiesen auf die positiven Auswirkungen einer guten Verständigung mit der Ärztin hin. Dies könne auf kommunikativer wie auf symbolischer Ebene stattfinden — in Bezug auf den Wert, den man der Sprache beimisst und auf die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit (Anzahl der Hospitalisierungen, Anzahl vermeidbarer Untersuchungen usw.).

In Befragungen, die sie mit Menschen im katalanischen Sprachraum geführt hat, gaben viele an, viel mehr Nähe zur Ärztin zu spüren, wenn sie sich auf Katalanisch an sie wende. Patientinnen befänden sich in einer vulnerablen Lage, und die Sprache versetze sie in eine bessere Situation.

Manche Menschen gäben zwar an, dass es Personalmangel gebe und nichts passiere, wenn Ärztinnen auf Kastilisch (Spanisch) sprächen, doch laut Marinaro dürfe die Bedeutung der eigenen Sprache nicht unterschätzt werden.

Es gibt Gesetze, die angewandt werden müssen, und man muss zudem sicherstellen, dass sich das gesamte Gesundheitspersonal der Wichtigkeit bewusst ist, Patientinnen in ihrer Sprache zu betreuen.

— Nicole Marinaro

Übersetzung von mir

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
Categories
BBD

Rai-Information gleichgeschaltet.

Nach der Übernahme des öffentlich-rechtlichen italienischen Rundfunks durch die rechtsrechte Regierung schreitet die Besetzung von Schlüsselpositionen in großen Schritten voran. So wurde nun Gian Marco Chiocci, seit Ende 2018 Verantwortlicher Direktor der Nachrichtenagentur Adnkronos, die Führung der wichtigsten TV-Nachrichtensendung Tg1 übergeben. Seine Berufung soll Medienberichten zufolge direkt von Premierministerin Giorgia Meloni (FdI) durchgesetzt worden sein. Daneben wurde Antonio Preziosi zum Direktor von Tg2 ernannt — auf Wunsch von Silvio Berlusconis Forza Italia.

Entscheidend für das Gelingen dieses weiteren Gleichschaltungsschritts soll im Verwaltungsrat die Enthaltung von Alessandro Di Majo gewesen sein, der der 5SB nahesteht.

In seiner Rolle als Chefredakteur der rechten Zeitung Il Tempo hatte Chiocci den faschistischen Diktator Benito Mussolini Ende 2017 zum Mann des Jahres gekürt. Die Faschistinnen würden in Italien verfolgt, während die Gräuel des Kommunismus vergessen worden seien, hieß es damals in einem surrealen und wehleidigen Leitartikel von Marcello Veneziani. Das ist so sehr der Fall, dass Chiocci fünf Jahre später das Informationsflaggschiff der Rai übernimmt.

Zuvor hatte er unter der Führung von Vittorio Feltri (heute FdI-Regionalabgeordneter in der Lombardei) auch für Berlusconis Giornale gearbeitet.

Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.

You are now leaving BBD

BBD provides links to web sites of other organizations in order to provide visitors with certain information. A link does not constitute an endorsement of content, viewpoint, policies, products or services of that web site. Once you link to another web site not maintained by BBD, you are subject to the terms and conditions of that web site, including but not limited to its privacy policy.

You will be redirected to

Click the link above to continue or CANCEL