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EU hält an Nationalstaaten fest.

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ai

Die beiden neugeschaffenen EU-Spitzenposten des Ratspräsidenten und der »Außenministerin« waren als Beitrag gedacht, die Union zu stärken und ihr — nach innen und nach außen — ein Gesicht zu verleihen. Nun haben die Nationalstaaten mit der Ernennung zweier unbekannter und weitgehend uncharismatischer Persönlichkeiten ein klares Zeichen gesetzt.
Sie stellen klar, dass die Macht in den Hauptstädten der Mitgliedsländer liegt und dort auch bleiben soll. Es ist nämlich sehr unwahrscheinlich, dass der ehemalige belgische Ministerpräsident Herman Van Rompuy mit einer starken Agenda eine unabhängige EU-Politik positionieren wird. Er weiß, dass er der kleinste gemeinsame Nenner zwischen den großen und den kleinen EU-Ländern darstellt und nichts mehr. So war denn in seiner Antrittsrede auch sehr viel von den Nationalstaaten und ihrer Unabhängigkeit, und recht wenig von der EU und einer gemeinsamen Vision zu hören. Die neue Außenministerin, Catherine Ashton, Baroness Ashton of Upholland, bislang EU-Handelskommissarin, war von ihrer Ernennung sogar derart überrascht, dass sie erst gar keine Rede parat hatte. Eine Demütigung für das Amt, das auf dem Papier das einflussreichste sein soll, das die EU zu vergeben hat.

Somit ist der Vorfall ein herber Rückschlag nicht nur für die EU-Föderalisten, sondern für den politischen Einigungsprozess insgesamt. Es handelt sich um eine klare Ansage der Nationalstaaten: Die Grenzen sollen nicht überwunden werden, jede Regierung wird auch weiterhin ihr eigenes Süppchen kochen, so weit es geht, und nur so wenig Autorität wie unbedingt nötig an Brüssel abtreten.


Grenze/ Nationalismus/ Politik/ · · · · · EU/ ·

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Comentârs

5 responses to “EU hält an Nationalstaaten fest.”

  1. gadilu avatar
    gadilu

    Condivido in pieno la tua analisi.

  2. niwo avatar
    niwo

    Die EU war konzeptionell schon mal wesentlich weiter als heute. Die Nachkriegsgeneration, traumatisiert vom zweiten Weltkrieg, hatte noch die Vision einer politischen Union. Diese Generation ist abgetreten. Nationalstaatliche Egoismen bestimmen nun die Agenden.
    Im Prinzip hat es die EU in den 70er Jahren vor den ersten Erweiterungen versäumt, sich schon als föderalistisch ausgerichtete politische Union zu organisieren.
    Man hätte sich zuerst vertiefen müssen und dann erweitern. Zuerst die Spielregeln festlegen und wer damit einverstanden ist kann ja mitmachen.
    Der eingeschlagene Weg, kräftig erweitern und dann die Regeln anpassen ist faktisch gescheitert – wenn man als Ziel eine politische Union hat. Er ist nicht gescheitert, wenn man als Ziel eine vertiefte Freihandelszone hat. Etlichen Mitgliedsländern genügt dies ja.
    Der neue Verfassungsentwurf, der ja nicht einmal Verfassung heißen darf und übrigens auch die EU-Hymne und EU-Flagge nicht mehr als offizielle Symbole beinhalten durfte, hat es versäumt, einen echten europäischen Parlamentarismus einzuführen. D.h. ein europäisches Parlament, das eine europäische Regierung wählt. Derzeit liegt das Machtzentrum immer noch beim Ministerrat und der ist nationalstaatlich besetzt. Ohne europäische Regierung, legitimiert durch ein europäisches Parlament wird es auch nie (politisch) eine europäische Bevölkerung geben.
    Der in Südtirol häufig vernommene Ausspruch, die Grenzen in Europa existieren eh nicht mehr, wird leider noch auf unbestimmte Zeit, abgesehen von vielen wirtschaftlichen Freiheiten und den Schengen Vorzügen, eine inhaltsleere Floskel bleiben.

  3. anonym avatar
    anonym

    Wirtschaftlich ein Riese, politisch ein Zwerg. Wen wunderts dass die EU international nicht ernst genommen wird und höchsten blechen darf, wenn mal wieder irgendwo ein dummen Zahler gebraucht wird (z.B. Palästina, wo die EU mit Milliarden aufgebaut hat, was die Isrealis wenig später wieder zerbombten; und jetzt bauen wirs wohl wieder auf).

    Wirtschaftlich hat sie uns viel gebracht, ohne Zweifel. Aber im Gedächtnis der Leute bleiben zunehmend nur die negativen Folgen der EU hängen (Bürokratie, Geldverschwendung, usw.). So sind wir auf dem Holzweg!

    @niwo
    Ganz richtig, die Grenzen bestehen nach wie vor. Und wie! Einzig den Ausweis muss man nicht mehr vorzeigen und die Schranken sind nicht mehr sichtbar. Wie sehr das stimmt sieht man jedesmal wenn man die Brennergrenze in Frage stellt.

    Apropos: die Euregio ist in dem Zusammenhang ein Paradebeispiel für die von oben gesteuerte Volksverdummung. Da wird doch glatt suggeriert, man bräuchte keine Selbstbestimmung bzw. Wiedervereinigung mehr, es gäbe im vereinten Europa ja keine Grenzen mehr und wir haben ja schon die Euregio. Ein Papiertiger wie aus dem Bilderbuch – und eine wahre Geldverschwendung!

  4. phoenixblob avatar
    phoenixblob

    Bezüglich Ashton teile ich deine Aussage. Ich hätte D’Alema sehr gut im Amt des Außenministers gesehen, aber er ist es leider nicht geworden.

    Zu van Rompuy: nachdem ich folgendes Interview (http://www.fr-online.de/top_news/2092802_Joachim-Fritz-Vannahme-Erst-mal-machen-lassen.html) gelesen habe, bin ich ihm gegenüber eigentlich ganz optimistisch.
    Meine Hoffnung für den Ratspräsidenten wäre aber der luxemburgische Ministerpräsident Juncker gewesen, der im Gegensatz zu van Rompuy ein politisches Schwergewicht gewesen wäre.

  5. G0RGIAS avatar
    G0RGIAS

    Ich stimme deiner Analyse zu, sehe dies aber trotzdem nicht so negativ. Europa wächst weniger aus ideellen Gründen zusammen oder um ein Krieg zu verhindern, dazu genügt schon eine Freihandelszone. Es braucht aber Gelegenheiten, oder besser gesagt Krisen in denen die EU zusammenwachsen kann. So wie die Kaukasuskrise 2008, in der die Staaten der EU es geschafft haben zum ersten Mal außendpolitisch mit einer Stimme zu reden. Dies ist aber erst ein Anfang, doch die beiden neuen Ämter haben das potenzial mehr zu sein und wenn die Zeit reif ist, wird es auch dazu kommen.

    Und solange die Politiker der Nationalstaaten den Bürgern in ihren Heinmatländern “erklären” dürfen was sie in Brüssel getan wird, wird die Macht auch in den Hauptstädten liegen. Es existiert noch keine gemeinsame europäische Öffentlichkeit auf die sich eine starke EU stützen könnte.

    Europa besteht aus 27 Ländern mit eigenständiger Geschichte und ausenpolitischen Beziehungen. In der Außenpolitik Frankreichs und die des Vereinigten Königreichs kann man noch deutlich die Spuren ihrer Kolonialzeit sehen, und Deutschlands Außenpolitik ist weitgehend noch durch die Ereignisse des II. Weltkrieges beeinflußt. Es braucht Anstrengungen und Zeit, dass sich diese unterschiedlichen Linien miteinander abgleichen und zusammen finden können. Die Motivation dazu werden aber die Notwendigkeiten einer globalisierten Welt zur genüge noch bieten. Davon bin ich zumindest überzeugt.

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