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Beschmierte Girlaner Ortstafel.
Auf Differenzierungsentzug

Am 25. Jänner wurde in der Gemeinde Eppan eine Ortstafel beschmiert, wobei der italienisch klingende Name von Girlan übermalt wurde. Ob es sich bei dieser Sachbeschädigung um eine rassistische antiitalienische Aktion oder um einen misslungenen Akt zivilen Widerstands gegen die aufgezwungene, künstliche Zwei- und Dreinamigkeit handelt, ist schwer feststellbar. Die Indizien sprechen für ersteres.

Ziviler Widerstand gegen das Erbe von Tolomei wäre meiner Meinung nach legitim. Umso mehr, als der Südtiroler Landtag vor wenigen Jahren sprachgruppenübergreifend ein Ortsnamengesetz beschlossen hatte, das dann — auf Zuruf post- und neofaschistischer Kräfte! — von Rom hintertrieben wurde.

Doch um seinen Zweck zu erfüllen, hätte der Akt sich auf die Toponyme beschränken müssen, wohingegen zweimal auch der Zusatz »Comune di« ausgelöscht wurde. Unter Umständen hätte zudem das historisch gewachsene »Appiano« verschont werden müssen.

Anlass für dieses Posting ist aber auch ein Artikel von Teseo La Marca auf Barfuss, wo sonst meist wohltuend unvoreingenommen argumentiert wird. In diesem Fall jedoch werden die Ebenen derart durcheinandergeschmissen, dass eine Rückkehr der Diskussion in einen überwunden geglaubten, undifferenzierten Grabenkampf droht. 

Drei Gründe nennt La Marca, warum nicht »allein die deutschen und ladinischen Orts- und Flurnamen […] historisch gewachsen [sind] und somit eine Existenzberechtigung [haben]«. Schon diese Prämisse ist falsch, denn das behauptet eigentlich niemand.

Aber sehen wir uns die Argumente im Einzelnen an:

1. Die Ortsbezeichnung „Cornaiano“ wurde von den italienischen Faschisten gar nicht erfunden. „Cornaiano“ hat als Ortsname eine mindestens 800 Jahre alte Geschichte und geht auf das romanische „Corneianum“ zurück. Insofern sollte niemand, der sich über die Willkürlichkeit faschistischer Toponomastik aufregt, mit der italienischen Bezeichnung für Girlan ein Problem haben. Es sei denn, man stört sich gar nicht so sehr an der faschistischen Geschichte bestimmter Ortsnamen, sondern daran, dass sie einfach nur italienisch sind.

Zu behaupten, »Cornaiano« sei keine Erfindung, weil die Bezeichnung »Corneianum« (1210) belegt ist, ohne dass zwischen beiden eine historische Kontinuität bestünde, ist genauso Humbug, wie die Vorstellung des faschistischen Regimes, dass das Italien von 1920 der Nachfolger des römischen Reiches wäre. La Marca begibt sich hiermit auf die argumentative Ebene von Tolomei, der womöglich überzeugt war, mit seinem Fälschungswerk nur die verlorengegangene Italianität Südtirols wieder freizulegen.

2. Die selbsternannten Antifaschisten, die fast einem Drittel der Südtiroler Bevölkerung die Verwendung einer eigenen Toponomastik untersagen wollen, vergessen wohl, wie wichtig Sprache ist, um die Welt um sich herum zu erfassen. Eine Welt, deren Begriffe und Bezeichnungen fremdartig klingen, ist auch an sich fremd und kann nie zur Heimat werden. Italienische Ortsnamen – ob „historisch gewachsen“ oder nicht – sind daher eine Notwendigkeit, damit sich im Jahr 2020 alle Südtiroler – nicht nur die deutschsprachigen – zuhause fühlen. Italienische Ortsnamen zu entfernen, würde daher bedeuten, einem Drittel der Südtiroler die Heimat zu verweigern. Und das ist eine Praxis, die ironischerweise gerade von den Faschisten mit Vorliebe gepflegt wurde.

Erstens will niemand einem Drittel der Südtiroler Bevölkerung die Verwendung von irgendwas untersagen, denn es geht bei der Debatte einzig um die Amtlichkeit. Im nichtamtlichen Bereich sind alle ohnehin frei, jeden Ort so zu nennen, wie sie möchten. Dies ist schon heute mit Exonymen (Venedig, Florenz, Rom – Vienna, Monaco, Amburgo) der Fall. Völlig hanebüchen ist zweitens aber auch das Ubi-nomen-ibi-patria-Prinzip: Dieser Logik zufolge könnten sich Italienerinnen in Aosta, Französinnen auf Korsika, Spanierinnen im Baskenland oder englischsprachige Kanadierinnen in Québec niemals zuhause fühlen. Schlimmer noch: Keinen Zuwandernden von außerhalb des deutschen und des italienischen Sprachraums könnte Südtirol jemals zur Heimat werden, es sei denn, wir engagieren Dutzende neuer Tolomeis, die unsere Ortsnamen in alle Sprachen der Welt übersetzen. Mit einem derartigen Argument spielt man nicht zuletzt Rassistinnen in die Hände.

3. „Historisch gewachsen“ ist eine relative Kategorie. Die italienischen Orts- und Flurnamen sind inzwischen seit mindestens 75 Jahren in Gebrauch. Während dieser Zeit haben Südtiroler aller Sprachgruppen gelernt, friedlich und konstruktiv miteinander zusammenzuleben. Die Geschichte, wie ein Begriff entstanden ist, kann nicht von der Geschichte getrennt werden, wie der Begriff seither gebraucht wurde. Und noch weniger kann sie von der Gegenwart getrennt werden. Wer heute also italienische Ortsnamen verwendet, verherrlicht dadurch keinen Faschismus, genauso wenig, wie jemand, der sich einen Volkswagen kauft, ein Nazi ist.

»Historisch gewachsen« ist vor allem dann eine relative Kategorie, wenn man es mit »historisch« verwechselt (vgl. Punkt 1). Doch ein aufoktroyierter Name wird auch nach 500 Jahren nicht »historisch gewachsen« sein.

Natürlich sind nicht alle, die einen von Tolomei erfundenen Ortsnamen benutzen, Faschistinnen — so wie nicht alle, die Ayers Rock statt Uluru sagen, Kolonialistinnen sind. Aber diese vorbelasteten Namen haben per se keine Berechtigung, amtlich zu sein.

Auch Cristian Kollmann, Toponomastik-Experte der [Süd-Tiroler] Freiheit, hat dies in Ansätzen anerkannt. Als Kriterien für die „historische Fundiertheit“ nennt er unter anderen einen „hohen Verkehrswert des Namens auf Grund der Relevanz des benannten Objekts für den italienischen Sprachraum“. Das dürfte im Falle von „Cornaiano“ in der Gemeinde Eppan, wo sich 13,29 Prozent der Einwohner bei der letzten Volkszählung der italienischen Sprachgruppe zugerechnet haben, eindeutig zutreffen.

Was der Verkehrswert eines Namens mit der »historischen Fundiertheit« zu tun haben soll, ist mir genauso unverständlich, wie La Marcas Gleichsetzung von  13,29% italienischsprachigen Einwohnerinnen in der Gemeinde Eppan mit »dem italienischen Sprachraum«. Aber natürlich können Prozentlösungen ein Anhaltspunkt dafür sein, ob ein Ortsname offiziell sein soll. Auf eine solche Lösung und auf einen entsprechenden Schwellenwert müsste man sich aber demokratisch einigen — und im internationalen Vergleich sind 13% nicht unbedingt eine Garantie für die Amtlichkeit einer Bezeichnung. Nicht zuletzt wäre ohnehin zu klären, ob die Prozentlösung nur auf historisch gewachsene Ortsbezeichnungen angewandt werden soll oder auch (und unter welchen Voraussetzungen) auf die Erfindungen von Tolomei.

Die gute Nachricht: Wenn manchen Südtirolern wirklich so viel an der Aufarbeitung der faschistischen und nationalsozialistischen Geschichte Südtirols liegt, dann gibt es in der Gemeinde Eppan noch viel zu tun. In Hochfrangart steht ja immer noch – von weitem sichtbar – eine als Kunst ausgegebene, geschmacklose Riesenkugel, errichtet vom Herrn Karl Nicolussi-Leck, Mitbegründer des völkischen Kampfringes, SS-Hauptsturmführer und Nazi-Fluchthelfer, der sich durch geschäftliche Beziehungen zu geflüchteten Nazis in Argentinien finanziellen Wohlstand verschafft hatte. Was wäre, wenn sich hier einmal nächtliche Randalierer ans Werk machten? Aber dann müsste man, um ganz konsequent zu sein, auch gleich die Claudiana und das Museion (beide vom besagten Herrn Altnazi gegründet) abreißen. Und das geht ja nun wirklich nicht.

Was ein (schönes oder hässliches) Kunstwerk, eine Schule oder ein Museum, auch wenn sie von einem Altnazi errichtet/gegründet wurden, mit Geschichtsaufarbeitung zu tun haben sollen, ist mir (anders als etwa bei Benennungen von Schulen, Museen oder Straßen nach Altnazis!) völlig schleierhaft. Nirgendwo werden Kunstwerke eingestampft oder Bauwerke geschleift, weil sie mit irgendeinem Nazi in Verbindung stehen. Eine Erklärung für diese doch etwas abstruse Analogie bleibt La Marca leider schuldig.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 ‹8 ‹9 ‹10

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Doppelpass: Die inoes-Petition.

Eine neugegründete Initiative Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler (inoes) hat dem Innenminister sowie dem Außenminister der Republik Österreich eine Petition zum sogenannten Doppelpass zukommen lassen. Dies hatte zunächst die Tiroler Tageszeitung (TT) in ihrer heutigen Printausgabe auf der Titelseite berichtet. Der Initiative gehören 51 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und verschiedensten zivilgesellschaftlichen Bereichen an — darunter auch Mitglieder der Südtiroler Landesregierung.

In dem (von Salto publik gemachten) Schreiben berufen sich die Unterzeichnenden auf einen Entschließungsantrag, der vom österreichischen Nationalrat am 19. September verabschiedet worden war. Außerdem erinnern sie daran, dass sich im Herbst 2017 die Mehrheit der Landtagsabgeordneten für die Gewährung der doppelten Staatsbürgerinnenschaft ausgesprochen hatte — ein Wunsch, der auch beim Südtirolkonvent zum Ausdruck gekommen sei.

Deshalb ersuchen sie in ihrer selbst auferlegten Eigenschaft als »Vertreter der Südtiroler Bevölkerung« um ein direktes Treffen mit den beiden Ministern, um den angeblich bereits fertigen Gesetzesvorschlag zu erörtern und das weitere Vorgehen zu besprechen.

Auf welcher Grundlage die Unterzeichnenden bzw. die Initiative ihren Vertretungsanspruch erheben, ist jedoch äußerst fraglich. Dies mag zwar im Einzelnen für gewählte Mandatarinnen und Mitglieder der Landesregierung gelten, dann aber auch nur teilweise. Immerhin wird auch diese Petition von der Mehrheit der Landtagsabgeordneten unterstützt. Die anderen Petentinnen stellen zwar gewisse Bevölkerungsteile dar, sind aber mit Sicherheit nicht repräsentativ.

Nicht zuletzt gibt die inoes auch an, ihr gehörten Vertreterinnen »aller deutsch- und ladinischsprachigen Parteien im Südtiroler Landtag« an. Doch das ist falsch, denn von den Abgeordneten der Grünen trägt die Petition niemand mit.

Nachtrag vom 30. Oktober 2019: Die Unterzeichnenden sind laut oben verlinktem Salto-Beitrag Philipp Achammer, Maria Hochgruber-Kuenzer, Thomas Widmann (Landesrätinnen, SVP); Sepp Noggler (Landtagspräsident, SVP); Gert Lanz, Helmuth Renzler, Franz Locher, Helmut Tauber, Jasmin Ladurner, Magdalena Amhof und Manfred Vallazza (Landtagsabgeordnete, SVP); Sven Knoll und Myriam Atz Tammerle (Landtagsabgeordnete, STF); Alex Ploner, Franz Ploner, Josef Unterholzner, Maria Elisabeth Rieder und Peter Faistnauer (Landtagsabgeordnete, TK); Andreas Leiter Reber und Ulli Mair (Landtagsabgeordnete, F); Karl Ferrari und Alois Kofler (ehem. Senatoren, SVP); Georg Pardeller, Hanspeter Munter und Franz Pahl (ehem. Landtagsabgeordnete, SVP); Bruno Hosp (ehem. Landesrat, SVP) Christoph Perathoner (Bezirksobmann, SVP); Michael Epp (Plattform Heimat, SVP); Eva Klotz und Bernhard Zimmerhofer (ehem. Landtagsabgeordnete, SVP); Cristian Kollmann (STF); Tony Tschenett und Alexander Wurzer (ASGB); Jürgen Wirth Anderlan, Elmar Thaler, Paul Bacher und Egon Zemmer (Schützenbund); Roland Lang (Heimatbund); Wilhelm Haller (Bauernjugend); Luis Vonmetz (ehem. AVS-Vorsitzender); Franzjosef Roner (Herz-Jesu-Notfonds); Othmar Parteli (ehem. Abteilungsleiter der Landesregierung); Margareth Lun (Historikerin); Dietlind Rottensteiner (Lehrerin); Herbert Raffeiner (ehem. Schuldirektor); Ingemar Gatterer (Fa. SAD); Toni Corradina (Fa. Euro Alpe); Hugo V. Astner und Manuela Atz (HGV Kaltern); Pater Christoph Waldner (Superior Deutschordenskonvent Lana); Pater Reinald Romaner (Guardian Franziskanerkloster Bozen).

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 | 1› 2›

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Schule: Die Delegitimierung der Gegnerinnen.

Die Forderung der Grünen nach einer mehrsprachigen Schule (bzw. nach paritätischen Schulklassen) schlägt — wie bei einem so heiklen Thema nicht anders zu erwarten — hohe Wellen. Cristian Kollmann von der STF schreibt etwa folgenden Schmårrn Folgendes:

Die Kritik der Süd-Tiroler Freiheit an der Forderung der Grünen nach einer mehrsprachigen Schule in Südtirol reißt nicht ab.

Cristian Kollmann, selbst Sprachwissenschaftler, ortet bei den Grünen aufgrund ihres neuerlichen Vorstoßes „ideologisch motivierten Fanatismus, der darauf abzielt, Minderheitensprachen im fremdnationalen Staat Italien an den Rand zu drängen und damit den Minderheitenschutz obsolet zu machen.“

Für Kollmann ist klar: Die von den Verdi-Grünen-Vërc beschworene Freiwilligkeit des Besuchs von mehrsprachigen Schulen ist lediglich ein pseudowissenschaftlicher Deckmantel. Worum es den Grünen langfristig geht, ist die Etablierung und gesetzliche Festschreibung einer vierten – gemischtsprachigen – Sprachgruppe in Südtirol, die in Zukunft das Idealbild des Südtiroler Bürgers repräsentieren soll: mehrsprachig-altoatesinisch, unter klarer Vorherrschaft der Italianität. Auf Schüler, die nur rein deutsche Schulen werden besuchen wollen, soll unterschwellig Druck ausgeübt werden, indem man versucht ihnen einzureden, dass einsprachige Schulen nicht mehr zeitgemäß seien.

Der Hang der Grünen zum Mehrsprachigkeitsimperialismus und muttersprachlichen Raubbau wird regelrecht pathologisch und nimmt fast schon sektenartige Züge an. Der Südtiroler Autonomie wollen die Grünen ausgerechnet das Herz, das ist die muttersprachliche Schule, herausreißen. Davor muss eindringlich gewarnt werden!

Cristian Kollmann
Süd-Tiroler Freiheit

Eigentlich müsste man diesen Schwachsinn nur wiedergeben, um den Autor zu disqualifizieren — er tut es also ganz von selbst. Im Zusammenspiel mit der parallel dazu veröffentlichten Grafik, eine hässliche und furchteinflößende grüne Hand, die nach dem Herzen der Südtirolautonomie (»Deutsche Schule«) greift, müssen sich viele aufgeklärte Menschen schon fast reflexhaft dazu verleitet fühlen, der Forderung der Grünen zuzustimmen. Quasi aus Solidarität. Das sind nämlich Stilmittel, die an dunkle Zeiten erinnern (Stichwort: Entmenschlichung der Gegnerinnen) und mit einer demokratischen Auseinandersetzung nicht mehr viel gemein haben.

Wir von setzen uns beharrlich dafür ein, dass — im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung — alle politischen Themen (Stichwort: Selbstbestimmung) ergebnisoffen diskutiert werden können und dürfen. Alle heißt alle und darf bestimmt nicht vor den Säulen der Autonomie haltmachen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 | 1›

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Die Blutsbrüder.
Die Süd-Tiroler FreiheitLichen

Der neue Obmann der Freiheitlichen, Andreas Leiter Reber, hat es sich bekanntlich zum Ziel gesetzt, die Partei in Richtung bürgerliche Mitte zu führen. Bei der alten Garde scheint sich dieses Vorhaben allerdings noch nicht rumgesprochen zu haben. Blut vor Boden und Ethnos vor Demos sind die Parolen, die Ulli Mair weiterhin ausgibt:

Nein zum Ius Soli – Weil ein Afrikaner, der in Südtirol zur Welt kommt, noch lange kein Südtiroler ist!

Diesen ihren Facebook-Post verteidigte Mair in einem Leserbrief an die ff mit großer Vehemenz und noch größerem Widerspruch:

Norbert Dall’Ò hat nicht im Ansatz verstanden, worum es beim “Ius soli” geht. Erfunden wurde es von klassischen Einwanderungsländern, die jedem “Dahergelaufenen” die Staatsbürgerschaft schenkten. […] Für reguläre Einwanderung gibt es Einwanderungsgesetze und nach bestimmten Fristen und einer Bringschuld auch die Staatsbürgerschaft.

Da hat wohl Ulli Mair etwas nicht verstanden. Ius soli betrifft nicht Einwanderer, sondern deren Nachkommen, die hier geboren werden. Welche “Bringschuld” man von einem Kleinkind einfordern möchte, das das Land seiner Eltern vielleicht nie gesehen hat und womöglich nicht einmal die dortige Sprache beherrscht, würde mich interessieren.

Heute gilt es (Anm. Ius soli) als unzeitgemäß […]

Sagt wer? Ius sanguinis ist ein Ausdruck von Nationalismus und eines ethnozentrierten Verständnisses von Staatsvolk à la 19. Jahrhundert. Also genau jene Philosophie, deren Widersinnigkeit wir in Südtirol tagtäglich aufgezeigt bekommen. Die Logik, dass zum Beispiel das Kind zweier Nordtiroler, das in Südtirol geboren ist, sein ganzes Leben lang nicht den Südtiroler Landtag wählen darf, sofern es nicht die italienische Staatsbürgerschaft annimmt, während das Kind zweier Südtiroler, die in Australien wohnen und das seit 20 Jahren keinen Südtiroler Boden betreten hat, wahlberechtigt sein könnte, erschließt sich mir einfach nicht.

Wie viele Flüchtlinge hat der Gutmensch Dall’Ò in seinem Schlafzimmer aufgenommen?

Dieses Paradeargument darf natürlich nicht fehlen. Die Antwort von Armin Wolf.

Während also die Freiheitlichen noch einen langen Weg hin zur Mitte vor sich haben, marschiert die zweite große Oppositionspartei mit Freiheit im Namen stramm in die andere Richtung. Obschon die Süd-Tiroler Freiheit in sozialpolitischen Fragen wie der Gleichstellung homosexueller Paare im Gegensatz zu den Freiheitlichen wahrlich liberale Positionen vertritt, fährt man in Sachen Gesellschaftsverständnis einen zunehmend ethnozentrierten, tendenziell xenophoben bis deutschnationalen Kurs, den man so unter Eva Klotz nicht kannte.

In seltener Eintracht mit den Italofaschisten warnt zum Beispiel Landesleitungsmitglied Stefan Zelger ebenfalls vor dem Ius soli.

Die Ausländer in Süd-Tirol leben hauptsächlich in den Städten, und dementsprechend gehen ihre Kinder in die italienischen Schulen. Sie werden zu Italienern, und mit dem neuen Einbürgerungsgesetz noch schneller als zuvor. Diese Entwicklung wird sich negativ auf wichtige Bereiche der Autonomie, wie z.B. dem Proporz, auswirken. […] Das neue Einbürgerungsgesetz kann nicht im Interesse Süd-Tirols sein.

Hauptausschussmitglied und Strache-Fan, Matthias Hofer, wiederum geißelt Philipp Achammer und die SVP für ihre angebliche “Ausländerfreundlichkeit”. (Was ist eigentlich das Gegenteil von ausländerfreundlich?)

[S]pät aber doch [hat] auch der SVP-Parteiobmann erkannt […], dass Integration eine Bringschuld ist. Es stellt sich jedoch die Frage, warum der Landesrat gerade jetzt jahrelange Forderungen der Opposition kopiert. Gerade seine Partei hat diese Vorschläge bislang immer abgelehnt. Wahrscheinlich hat er erkannt, dass die Bevölkerung schon lange den ausländerfreundlichen Kurs der SVP nicht mehr mitträgt und so blieb ihm nichts anderes übrig, als die deutsche Opposition zu kopieren.

Und der Sprecher der Süd-Tiroler Freiheit, Cristian Kollmann, spricht sogar von einer drohenden “Entdeutschung” (!) und dekoriert das ganze mit Halbmond und Stern, eingebettet ins Südtirol-Logo.

Die EU ist nicht in Stein gemeißelt. Nur, was wird dann aus dem an Italien hängen gebliebenen Südtirol? Eine entdeutschte Provinz namens “Afro-Alto Adige”?

Interessant ist diese Entwicklung auch deshalb, weil die Süd-Tiroler Freiheit nach wie vor Mitglied der European Free Alliance (EFA) ist, die zusammen mit den Europäischen Grünen im Europaparlament eine Fraktion bildet.

Die EFA zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine konsequent inklusivistische und progressive Linie fährt. So wurde die Mitgliedschaft der Lega Nord 1994 suspendiert, da diese damals ein Bündnis mit der postfaschistischen Alleanza Nazionale einging. Zwei Jahre später schied die Lega freiwillig aus. Die Union für Südtirol (jetzt Bürgerunion) wurde gar rausgeworfen, da sie 2008 die Bilbao-Deklaration nicht mittragen wollte. Darin sprach sich die EFA entschieden gegen Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit aus und forderte verbesserte Einbürgerungsmöglichkeiten sowie Wahlrecht für Migranten.

Wie die oben dargelegten Positionen vor allem mit den beiden letzten Punkten kompatibel sind, ist schwer nachvollziehbar.

Siehe auch ‹1 ‹2 3›

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«Pazzesca» realtà.
Quotation

Il dibattito si anima poi su una via di Bolzano in particolare, via Vintola, “che è la traduzione di un nome tedesco”, puntualizza Margheri, “se questo nome in italiano è ormai entrato in uso non possiamo certo cambiarlo ora”, ribatte Zeller. “Cristian Kollmann lo farebbe”, provoca Di Luca. “Ma Kollmann è un estremista pazzo”, replica serafico il senatore.

Dal riassunto di Sarah Franzosini (Salto) di un dibattito sulla toponomastica con Karl Zeller (SVP), Maurizio Ferrandi e Guido Margheri (SEL) presso l’OstWestClub di Merano.

L’unica vera «pazzia» è forse che «via Vintola» anni fa è stata sostituita — non certo ad opera di Kollmann — da «via Vintler» e nessuno, nemmeno Margheri (che fino a pochi mesi fa sedeva in Consiglio comunale), sembra essersene reso conto. Un esempio di quanto indolore potrebbe essere, volendo, una soluzione sensata.

Siehe auch 1› 2›

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Ortsnamen: SWZ für Appeasement.
Chefredakteur Pfeifer weiß, was »das echte Südtirol« will

Seite eins der heute erschienenen Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ Nr. 11/2017) füllen zwei Leitartikel, in denen Chefredakteur Christian Pfeifer (auf Italienisch) und sein Vorgänger Robert Weißensteiner (auf Deutsch) für eine Appeasementpolitik in der Ortsnamenfrage plädieren.

Cristian Kollmann (STF), den Moderator Massimo Giletti kürzlich in seine dümmliche Arena eingeladen hatte, um unter anderem mit Michaela Biancofiore (FI) und Alessandro Urzì (AAnC) über Toponomastik und faschistische Relikte zu diskutieren, stelle nicht die Südtiroler Mehrheitsmeinung dar. Er habe bei der letzten Landtagswahl ja auch nur 897 Vorzugsstimmen erhalten.

Und überhaupt: In der Ortsnamenfrage sei die Politik »Lichtjahre« von der Meinung der Bürgerinnen entfernt. Statt Provokateure wie Kollmann solle man lieber ihn — Christian Pfeifer — in eine Sendung einladen, biedert sich der Chefredakteur an, denn er könnte den Italienerinnen das »echte Südtirol« erklären.

Nun weiß ich nicht, was für Herrn Pfeifer das echte Südtirol ist. Aber das, was er in seinem Artikel (Titel: «Brutta figura») beschreibt, ist es ganz sicher nicht. Denn eins steht fest: Zur Haltung in der Ortsnamenfrage gibt es repräsentative Daten des Astat — und die sprechen nicht dafür, dass die Südtirolerinnen mehrheitlich an Tolomei festhalten möchten. Im Gegenteil: Nur 41,9% (und gar nur 28,6% der Deutschsprachigen) waren demnach im Erhebungsjahr 2014 dafür, dass Orts- und Flurnamen in Südtirol eine Übersetzung brauchen.

Klar ist: Im Namen der Südtirolerinnen sprechen kann niemand, außer sie selbst. Weder Provokateur Cristian Kollmann, noch Chefredakteur Christian Pfeifer.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 4› 5›

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Zerschlagenes Porzellan.

Eigentlich ist jede Zeile zuviel, die man über die “Goldener Benito”-Aktion der Süd-Tiroler Freiheit schreibt, da man diesem Kasperltheater dadurch Aufmerksamkeit schenkt, welche es nicht verdient.

Foto: Süd-Tiroler Freiheit

Es ist evident, dass die faschistischen Umtriebe – vor allem der Casa Pound – in Bozen erschreckend sind und die Erinnerungskultur Aufholbedarf hat. Dennoch wurden in den vergangenen Jahren zaghafte Fortschritte gemacht. Und Bürgermeister Renzo Caramaschi (PD) in die Nähe des Faschismus zu rücken ist trotz der Renovierung der Statuen völlig absurd. Ebenso absurd wie der Vorwurf, Caramaschi habe im Zuge der Provokation sein wahres Gesicht – jenes eines faschistischen Podestà – gezeigt. Caramaschi hätte freilich souveräner reagieren können.

Es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die STF, die in jüngster Zeit immer weniger Berührungsängste mit dem rechtsnationalen Rand Europas zeigt, sich als Speerspitze im Kampf gegen den Faschismus aufspielt.

Jedenfalls scheint der Süd-Tiroler Freiheit wenig daran gelegen zu sein, dass sich – vor allem – bei den italienischsprachigen Bürgern im Lande langsam ein neuer Umgang mit der faschistischen Vergangenheit entwickelt, denn sonst müsste Kollmann und Co. klar sein, dass solche Aktionen absolut kontraproduktiv sind. Im Zuge der unbeholfenen Provokation ging nicht bloß der Mini-Duce kaputt, es wurde unnötigerweise auch reichlich Porzellan zerschlagen.

Dass politischer Aktionismus auch intelligent und humorvoll statt peinlich und geschmacklos sein kann, haben einmal mehr die Schotten bewiesen. Während der Brexit-Abstimmung im Unterhaus pfiffen die SNP-Abgeordneten die Europahymne.

P.S.: Könnte man der STF auf Basis des Mancino-Gesetzes eigentlich nicht “Verherrlichung des Faschismus” vorwerfen, nachdem sie mit einem goldenen Duce durch den Stadtratssaal paradiert sind?

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Unschöne Wendung.
Quotation

Im Gegensatz zur Süd-Tiroler Freiheit sind alle anderen Parteien, was die ethnische Komponente betrifft, völlig austauschbar!

— Cristian Kollmann, STF-Bürgermeisterkandidat für Bozen

Eine subjektive Einschätzung dazu:

Unter Eva Klotz war die Süd-Tiroler Freiheit eine Single-Issue-Partei. Dem Ziel der Selbstbestimmung hat man alles untergeordnet. Die Bewegung hat sich zwar immer mehr oder weniger aggressiv gegen den Staat Italien ausgesprochen, eine wirklich ethnische oder gar xenophobe Komponente hatte das Ganze aber meiner Einschätzung nach nicht, da sich die STF wohl in der Tradition des mehrsprachigen historischen Tirols sah. Gleichzeitig hatte man im machiavellischen Sinne jedoch auch kaum Berührungsängste. Der Zweck heiligt die Mittel.

Auf der anderen Seite hatte ich immer den Eindruck, dass Klotz ein sehr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und ein tief verankertes soziales Gewissen auszeichneten. Ich kann mich dunkel an eine Episode nach einer Abstimmung im Landtag erinnern, in der es – glaube ich – um den Zugang von Ausländern zu irgendwelchen Sozialleistungen ging. Der Antrag kam von den Grünen. Auf Facebook tat Riccardo Dello Sbarba im Anschluss an die Abstimmung seine Enttäuschung über den PD kund, da dieser — wie alle anderen Parteien mit Ausnahme der Süd-Tiroler Freiheit und natürlich den Grünen — den Antrag abgelehnt hatte. Daraufhin kommentierte Luigi Gallo von Rifondazione Comunista: “Come mai la Klotz?”. Dello Sbarba belehrte ihn sogleich, dass die meisten Italiener ein völlig falsches Bild von Klotz hätten und dass sie eine im sozialen Denken verhaftete Person sei. Dazu passt auch, dass die Süd-Tiroler Freiheit Mitglied der EFA (European Free Alliance) ist, in welcher sehr viele linke bis linksradikale Parteien aktiv sind und die im Europäischen Parlament zusammen mit den Grünen eine Fraktion bildet. Eine Konstellation, mit der die meisten Wähler der STF in Südtirol wahrscheinlich recht wenig anfangen können.

Mit dem offiziellen Abgang von Klotz im November 2014 setzte ein schleichender Richtungswechsel ein, der der Gesinnung eines Großteils der Wählerschaft wohl gerechter wird. Eine junge Garde übernahm das Ruder. Sven Knoll rückte an die vorderste Front und in jüngster Zeit ist auch der Sprachwissenschafter Cristian Kollmann stark präsent. Beide sind rhetorisch ausgesprochen versiert und verleihen der Bewegung einen intellektuelleren Touch. Mit der verstärkten Präsenz von Knoll, Kollmann, Hofer und Co. rückt die Bewegung von der Single-Issue-Partei in Richtung Rechtspopulismus mit noch weniger Berührungsängsten zu demokratisch zweifelhaften Organisationen. Eine befremdliche Deutschtümelei gehört in der STF mittlerweile zum guten Ton. Kollmanns Bemerkungen anlässlich seiner Kandidatur zum Bozner Bürgermeister fügen sich nahtlos in diesen Befund ein.

Wir sind natürlich für die Italiener wählbar. Und zwar für jene Italiener, die auch wollen, dass Bozen eine deutschere Stadt wird.

Siehe auch 1› 2› 3› 4› 5›

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