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Autorinnen und Gastbeiträge

Demonstrieren als Provokation?

Für den Koordinator der neofaschistischen Fratelli d’Italia war der Schützenaufmarsch nahezu ein Anschlag auf die staatliche Einheit.

Marco Galateo, bisher Gemeinderat der Fratelli im Bozner Gemeinderat, empfindet den Fackelzug der Schützen in Erinnerung an den faschistischen Marsch auf Bozen als eine Provokation. Diese »paramilitärische« Organisation (O-Ton Galateo) wagte es, gegen den demokratisch errungenen Wahlsieg seiner Parteichefin Giorgia Meloni zu demonstrieren.

Wie auch immer man/frau zu den Schützen stehen mag, laut geltender republikanischer Verfassung sind Kundgebungen und Demonstrationen Teil demokratischer Teilhabe. Für Galateo sind sie hingegen eine gegen seine Parteiführerin gerichtete Provokation. Offensichtlich übt sich Galateo ganz im Sinne seines Vorbildes im Südtirolbashing, tritt er doch in die breiten Fußstapfen seines Vorgängers im Landtag, Alessandro Urzì. Der wurde bei den Parlamentswahlen in Vicenza in die Abgeordnetenkammer gewählt und Galateo rückt stattdessen in den Landtag nach.

Er wiederholt Urzìs Kritik in Richtung Schützen, sie seien kein kultureller Verein, sondern eine paramilitärische Organisation. FdI-Koordinator Galateo fordert daher Landeshauptmann Kompatscher (SVP) und die Gemeinden auf, »die Millionenbeiträge an die Schützen« zu stoppen. Fake News der Marke Fratelli d’Italia: Laut Kulturlandesrat Philipp Achammer (SVP) beträgt der jährliche Landesbeitrag für die Schützen 100.000 Euro.

Galateo machte in den Reden und auf den Transparenten eine eindeutige Sprache aus: Sezession, die Ablösung von Rom und gar eine Rückkehr zum Faschismus sollen die Schützen gefordert haben. Damit hätten sie »die Grenze des von der Verfassung vorgesehenen Rechts auf freie Meinungsäußerung überschritten«. Das stellt ein »Postfaschist« fest, dessen Partei diese Verfassung abändern will. Der Schützenmarsch sei keine »wichtige, historische Gedenkveranstaltung« gewesen, sondern eine Militärparade und eine Provokation gegen die neue Regierung. Wahrscheinlich wird Alessandro Urzì, Kammerabgeordneter der Fratelli von Vicenza, ein Verbot der Schützen fordern.

Im Visier von Fratelli d’Italia sind aber nicht nur die Schützen, sondern auch der deutschsprachige Nachrichtendienst von Rai Südtirol. So warf Urzì Chefredakteurin Heidy Kessler vor, in Absprache mit der SVP »ideologischen Terrorismus« zu betreiben. Warum? Weil Kessler die neofaschistischen Fratelli als nationalistisch, zentralistisch und egoistisch beschrieb, weil sie Urzì als Kammerabgeordneten von Vicenza bezeichnete, um ihm angeblich seinen Südtiroler Wohnsitz abzustreiten. Kessler sei damit einer Vorgabe der SVP gefolgt, die mit ihrem Propagandasystem nach DDR-Muster politische Gegner einzuschüchtern versuche. Auf Facebook drohte der Neo-Parlamentarier aus Vicenza gar mit Konsequenzen.

Das widerspricht den gefälligen Darstellungen von Giorgia Meloni in der in der Tageszeitung Dolomiten. Jetzt nach den Parlamentswahlen machen ihre Männer vor Ort den Ton. Sie stehen in der Tradition ihrer Chefin, die pro-österreichischen Südtirolern die Auswanderung empfahl, auf einer Veranstaltung der spanischen Vox-Faschisten gegen die liberale Gesellschaft hetzte. Meloni findet außerdem »Duce« Benito Mussolini einen ernsthaften Politiker, der für sein Volk engagiert war.

Historiker Hannes Obermair kritisierte den Fackelumzug der Schützen als »schräg«, er habe bei ihm für Befremden gesorgt. »Weil er sich einerseits gegen den Faschismus richtet, aber andererseits für Tirol und den nationalistischen, letzten deutschen Bürgermeister Julius Perathoner«, sagte er Rai Südtirol. Warum ist ein Bekenntnis zu Tirol schräg? Obermair bedauerte, dass es keinen etablierten Antifaschismus in Südtirol gebe, denn gegen den Faschismus müssten andere demonstrieren.

Andere Kräfte müssten uns in Erinnerung rufen, was vor einer Woche in den Wahlurnen geschah und durchaus bedenkliche Züge trägt.

– Hannes Obermair

Bedenklich ist doch, dass auch Freiheitliche beim Fackelumzug der Schützen mit dabei waren. Die freiheitliche Landtagsabgeordnete Ulli Mair sagte auf Salto über Meloni:

Das große Schreckgespenst sehe ich allerdings nicht in ihr, … ich kann mir durchaus vorstellen, dass man auch unter Meloni Positives für Südtirol erreicht“.

– Ulli Mair (F)

Reinwaschung der Meloni von Mair. Schräg oder?

Doch auch Mitglieder der Süd-Tiroler Freiheit waren beim Fackelzug der Schützen mit dabei. In Erinnerung an den Marsch auf Bozen. Gudrun Kofler, Nichte von Eva Klotz, kandidierte bei den Landtagswahlen in Tirol für die Freiheitlichen. Die österreichischen Rechtsaußen zählten nach den Parlamentswahlen in Italien zu den ersten Gratulanten von Giorgia Meloni.

FPÖ-Europaparlamentarier Harald Vilimsky twitterte:

Italiener holen sich ihr Land zurück, bravissimo!

– Harald Viliminsky

und

Jetzt wird in Italien endlich eine Frau ohne jegliche Quote Regierungschefin und den ganzen Linken und Emanzen hier passt es wieder nicht. Da soll sich jemand auskennen. #bravo Italia.

– Harald Viliminsky

Die Landesparteiobfrau der FPÖ Salzburg und Stellvertreterin von Parteichef Herbert Kickl, Marlene Svazek, freute sich riesig über den Wahlerfolg von Meloni:

Eine starke Frau an der Spitze Italiens. Ganz ohne Quote und mit der Unterstützung von Männern wie Matteo Salvini im Rücken. In Italien hat man trotz mehrerer rechter Parteien erkannt, dass dieses Lager geeint auftreten und die Beste an die Spitze muss. Dann ist offenbar alles möglich.

– Marlene Svazek

Echt: Schräger geht es nimmer.

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Urzì attackiert Rai Südtirol.
Medienfreiheit

Seit den Wahlen vom letzten Sonntag steht fest, dass die postfaschistische FdI stärkste Kraft im neuen — von der rechtsrechten Koalition um Giorgia Meloni, Matteo Salvini und Silvio Berlusconi dominierten — italienischen Parlament sein wird. Meloni kann daher Anspruch auf das Amt der Ministerpräsidentin erheben.

Mit im Bunde auch das in Vicenza gewählte rechtsradikale Urgestein aus Südtirol, Alessandro Urzì (FdI). Der hat sich jetzt in einem langen FacebookEintrag öffentlich über Rai Südtirol beschwert, dessen Berichterstattung nicht nach seinem Geschmack ausfällt. So stößt er sich zum Beispiel daran, dass der öffentlich-rechtliche Sender seine postfaschistische Partei — wie es auch andere Medien tun — korrekt als postfaschistisch bezeichnet. Chefredakteurin Heidy Kessler habe sogar von einer nationalistischen, zentralistischen und egoistischen italienischen Rechten gesprochen.

Dass ihn Rai Südtirol als »Kammerabgeordneter von Fratelli d’Italia in Vicenza« bezeichnete, missfällt Urzì ebenfalls. Er wittert eine Verletzung des Überparteilichkeitsgebots und droht offen mit Konsequenzen.

Die deutschsprachige Rai fördere »ideologischen Terrorismus«. Hinter der Betonung, dass er nicht in Südtirol gewählt wurde, vermutet er eine Vorgabe der SVP, weshalb Urzì zudem von einem »Propagandasystem« nach DDR-Muster und gar von einem »Einschüchterungsversuch« der Rai faselt, die ihm nichts weniger als den Wohnsitz streitig mache. Dabei habe FdI doch nur »großzügigerweise« eine italienische Vertretung für Südtirol im Parlament gewährleisten wollen — über die aber, einem sonderbaren Demokratieverständnis folgend, die Wählerinnen in Venetien und nicht jene in Südtirol zu befinden hatten.

Wenn die Stellungnahme von Urzì ein Vorgeschmack auf die kommende Regierungszeit ist, die ja noch gar nicht begonnen hat, können wir uns auf einiges gefasst machen.

Siehe auch 1›

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BBD

Sebastian Kurz liebt uns nicht.

Chefredakteurin Heidy Kessler (Rai Südtirol) hat einen Kommentar zur politischen Haltung des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) verfasst — der sich gegen die Vergemeinschaftung von Schulden und derzeit auch gegen eine Grenzöffnung zu Italien (und somit Südtirol) ausspricht.

In Verlegenheit bringt die Haltung von Kurz in erster Linie natürlich die SVP und deren Obmann Philipp Achammer, der als persönlicher Freund von Sebastian Kurz gilt. Was ist diese Freundschaft wert, diese Frage muss sich Achammer wohl stellen. Und was bringt die Schutzmacht in dieser gelinde gesagt schwierigen Situation? Was ist sie wert?

— Heidy Kessler

Mit dieser Lesart ist Kessler nicht allein ‹1 ‹2. Sie offenbart eine sonderbare, in Südtirol nicht ungewöhnliche Auffassung von Freundschaft zwischen Politikern (Achammer-Kurz) oder Institutionen (Schutzmacht). Gerade persönliche Freundschaften können zwar Verhandlungen durchaus erleichtern, sollten jedoch in einem moderenen Rechtsstaat möglichst wenig Einfluss auf Sachentscheidungen haben.

Kurz’ politische Haltung darf man selbstverständlich gut, weniger gut oder gar schlecht finden. Dass er seinen Beschluss aber nicht aufgrund von Freundschaften fällt, sollte uns nicht überraschen.

Analog dazu können wir zwar die Entscheidung von Ministerpräsident Conte, Teile der Lombardei abzuschotten oder von LH Platter, Ischgl unter Quarantäne zu stellen, bewerten; von den ergriffenen Maßnahmen ableiten zu wollen, dass Conte etwas gegen die Lombardei oder Platter etwas gegen Ischgl hätte, wäre aber absurd.

Im konkreten Fall haben Teile Italiens die Epidemie derzeit noch immer nicht richtig unter Kontrolle. Davon kann man als Regierungschef eines Nachbarstaates sachpolitisch ableiten, dass die Grenze zu Italien vorerst besser geschlossen bleiben sollte. Eine Ausnahme nur für Südtirol zu machen wäre für Österreich schwer möglich — nicht nur, wie Kessler nahelegt, weil die Staatsgrenze am Brenner und nicht in Salurn liegt, sondern vor allem, weil Italien ab 3. Juni sämtliche Reisebeschränkungen zwischen den Regionen aufhebt. Ab dem Zeitpunkt ist es kaum noch möglich, innerstaatlich zwischen unterschiedlich stark betroffenen Gebieten zu differenzieren. Südtirolerinnen, die in Österreich einreisen möchten, könnten ja am Vortag in der Lombardei gewesen sein.

Hätte Südtirol eine weitreichende Autonomie, könnte es selbst entscheiden, ob es zuerst die Reisefreiheit in die Lombardei oder nach Österreich herstellen möchte. Weil wir diese Möglichkeit jedoch nicht haben, entscheiden das eben andere für uns.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 | 1›

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BBD

Rai: Geht hin und befetzt euch!

Die STF hat Rai Südtirol kürzlich vorgeworfen, zu »grünlastig« zu sein. Einer Aufstellung zufolge, die die Partei selbst ausgearbeitet hat, seien die Grünen seit 2017 insgesamt 33 mal bei Pro&Contra und Am Runden Tisch anwesend gewesen, die Freiheitlichen 19 und die Süd-Tiroler Freiheit selbst 14 mal. Ich bin ehrlich gesagt sehr skeptisch, ob eine allfällige Benachteiligung anhand dieser einfachen Aufzählung nachweisbar ist.

Die Antwort der Chefredakteurin von Rai Südtirol, Heidy Kessler, treibt mir aber — völlig unabhängig vom ursprünglichen Vorwurf der STF — geradezu die Falten ins Gesicht. Via Tageszeitung teilt sie unter anderem mit:

Öffentlich-rechtlich heißt nicht, dass die Besetzung von Diskussionsrunden nach der Stärke einer Fraktion im Landtag zu erfolgen hat.

– Heidy Kessler

um dann gleich doch wieder das Wahlergebnis zu bemühen:

Wir können nicht immer über die Selbstbestimmung und über den Gebrauch der Muttersprache diskutieren. Wir würden in dem Fall am Interesse der Seher vorbeidiskutieren, wie die Wahlen gezeigt haben.

– Heidy Kessler

Lassen wir das mit der Selbstbestimmung dahingestellt. Dass der Gebrauch der Muttersprache auf die STF reduziert wird, ist aber sonderbar. Interessiert sich die große relative Mehrheit, die die SVP gewählt hat, denn nicht für den Minderheitenschutz, dessen Pfeiler der Gebrauch der Muttersprache ist?

Noch beeindruckender finde ich aber diesen Satz:

[E]ine Ulli Mair oder eine Brigitte Foppa [sind] sehr beliebte Gäste, gerade auch weil sie durchaus bereit sind, sich zu befetzen.

– Heidy Kessler

Entspricht es tatsächlich der Aufgabe und dem Profil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Gäste nach ihrer Bereitschaft auszuwählen, sich gegenseitig »zu befetzen«? Ich wenigstens möchte möglichst sachlich informiert werden — und keinen öffentlichen Sender, der schrille, ausfällige Töne fördert und mit Einladungen belohnt.

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Rai-Millionen: Nullnummer mit Werbeeffekt?
Quotation

Heidy Kessler: Uns wirft man vor, ein Kompatscher-Medium zu sein, Sie hätten uns sozusagen gekauft mit 20 Landesmillionen. Wir in der Redaktion merken jetzt von diesen 20 Millionen relativ oder sehr wenig. Ist für Sie die Rechnung aufgegangen?

Arno Kompatscher: (lacht) Ich glaube ich könnte mir durchaus manchmal eine freundliche Berichterstattung wünschen, das würde sich jeder Politiker wünschen — also diese Rechnung war nie eine solche, ganz abgesehen davon, dass Sie nicht mehr Geld haben, als früher, als Rai. Sie haben früher vom Staat genauso viel bekommen, jetzt zahlt das das Land und bekommt es vom Staat zurückerstattet. Für uns, Land Südtirol, für den Südtiroler Steuerzahler ist das ein Nullsummenspiel, das muss man einmal betonen, also es kommt nichts zusätzlich heraus. Wir zahlen das, was früher der Staat bezahlt hat und wir bekommen das vom Staat zurück. So einfach ist diese Geschichte und deshalb hat sich für Sie nichts geändert. Was sich ändern sollte: etwas mehr Autonomie und daran arbeiten wir, ja, aber geldmäßig hat sich nichts geändert; aber auch für das Land nicht, für uns ist der Landeshaushalt nicht mehr belastet. Ich hab leider auch keine bessere Berichterstattung bekommen.

Arno Kompatscher: Die Frage ist berechtigt, warum macht man das dann? Warum hat man den Staat nicht einfach weiterzahlen lassen? Das hat mit dem Mailänder Abkommen zu tun: Da steht drinnen, dass das Land Südtirol dem Staat Italien jährlich 100 Millionen geben muss, als Beitrag zur Abtragung der Staatsschulden. Das Land kann aber auch alternativ vorschlagen, statt das einfach nach Rom zu schicken und Italien verwendet das dann für irgendwas — was weiß ich: das Kolosseum zu sanieren — da kann man das auch anders machen und sagen: Ich übernehme Dinge, die sonst du, Staat, hättest zahlen müssen, zum Beispiel die Kosten für die lokale Rai. Das sind diese 20 Millionen. Das ist im Ergebnis das Gleiche, dann schicken wir halt nur mehr 80 nach Rom und 20 geben wir hier aus. Es hat aber den Vorteil, wir stellen sicher, dass nicht bei der Rai auch noch weiter gekürzt wird, wo der Staat eh schon kein Geld hat, das Geld wird also in Südtirol ausgegeben, für Dinge, wo es bisher schon ausgegeben worden ist. Das ist der Vorteil.

aus dem Interview am ‘Runden Tisch’ von ‘Rai Südtirol’ mit Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) vom 4. Februar (von transkribiert)

Hand aufs Herz, wer hat den Sinn dieses Kartenspielertricks verstanden? Südtirol schickt das Geld nicht nach Rom, sondern zur Rai nach Bozen. Das macht wiederum die gleiche Summe für den Zentralstaat frei. Der Staat kann dieses Geld dann trotzdem für irgendetwas — was weiß ich: zur Sanierung des Kolosseums — verwenden.
Okay, man »blockiert« die 20 Millionen für die Südtiroler Rai, womit sie angeblich nicht mehr kürzbar sein sollen. Aber das ist zumindest aus Sicht des Zentralstaats unlogisch, denn er muss dann fortan dem Land Südtirol unkürzbare 20 Millionen (statt der Rai kürzbare 20 Millionen) überweisen, und das auch noch als Beitrag zur Abtragung von Staatsschulden verbuchen. Da ist doch was faul!?

Und nachdem wir wissen, dass meist nicht der Staat den Kürzeren zieht… ist das sehr, sehr zweifelhaft.

Könnte es nicht sein, dass da vielmehr ein kostenloser Mechanismus geschaffen wurde, mit dem sich die Landesregierung Werbung machen kann (»wir finanzieren die Rai«), ohne irgendeine neue Zuständigkeit im Sinne der Autonomie zu bekommen oder irgendetwas Substantielles an den Geldflüssen zu ändern?

In der einschlägigen Presseaussendung des Landes hieß es am 30. November 2017 entsprechend triumphal:

Die Finanzierung durch das Land Südtirol ermögliche es der Rai, ihre Programm- und Sendeangebote zur Stärkung der kulturellen und sprachlichen Identität der deutschen und ladinischen Volksgruppe in Südtirol nicht nur zu gewährleisten, sondern auszubauen, betonte Landeshauptmann Kompatscher.

So wurden die Sendezeiten der deutsch- und ladinischsprachigen Radio- und Fernsehprogramme ausgebaut, infrastrukturelle Verbesserungen vorgenommen (die Digitalisierung vorangetrieben, die Fernsehsendestudios erneuert), Fortbildungsangebote für Programmgestalter auf die Beine gestellt und die Zugänglichkeit der Sendungen für blinde und gehörlose Menschen verbessert. Angepeilt werde nun eine erweiterte Präsenz in den sozialen Netzwerken.

Mit der am 23. Dezember 2015 von Land Südtirol, Ministerrat und Rai unterzeichneten dreijährigen Konvention stellt das Land 20 Millionen Euro im Jahr für die Produktion und Ausstrahlung von Rundfunksendungen in deutscher und ladinischer Sprache bereit und leistet damit seinen Anteil an der Deckung der Staatsdefizits im Sinne des Mailänder Abkommens.

Da wurden konkrete Auswirkungen »verkauft« und in Aussicht gestellt — und nicht ein reines Nullsummenspiel.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

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Von einem Landessender kann nicht die Rede sein.
Rai-Millionen kommen nicht in Südtirol an

Demnächst wird im Südtiroler Landtag ein Beschlussantrag (711/16-XV) der STF diskutiert, mit dem unter anderem die Umwandlung von Rai Südtirol in einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Südtiroler Sender gefordert wird.

Dies hat Lisa Maria Gasser zum Anlass genommen, um für Salto bei Chefredakteurin Heidy Kessler nachzufragen. Was das Gespräch zutrage fördert, ist einmal mehr ein Armutszeugnis für die Südtiroler Vorzeigeautonomie:

  • Die Personalentscheidungen des Senders würden nicht in Bozen, sondern in Rom gefällt. Kessler könne nicht entscheiden, wen sie anstellt und wen nicht.
  • Um »einen Journalisten nach Salzburg oder Innsbruck [zu] schicken« müsse jedes Mal um eine Außendienst-Erlaubnis in Rom angesucht werden.
  • Die Chrefredakteurin sei »nicht einmal journalistisch letztverantwortlich für das Produkt, das wir abliefern – unser Direktor sitzt in Rom.«
  • Die 20 Millionen aus dem Mailänder Abkommen spüre Rai Südtirol kaum: »Rom finanziert uns, aber für uns hat das absolut nichts geändert. Wir haben weder mehr Spielraum noch mehr Freiheiten noch mehr Ressourcen.«

Einen echten Landessender hält Kessler — anders als kleinere Verbesserungen in der derzeitigen Struktur — für mittelfristig nicht umsetzbar, da dafür sogar eine Verfassungsreform nötig sei. Der Landtag habe auch hierzu keinerlei gesetzgeberische Befugnis.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 | 1› 2›

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Tag+Nacht: Landespolizei.

Vor rund zwei Jahren (am 25. Februar 2015) sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP), von Heidy Kessler in Rai Südtirol zur Sicherheitslage und eventuellen Bürgerwehren befragt, unter anderem folgenden Satz:

Das Thema löst man auch nicht, wenn man sagt, anstelle einer Staatspolizei hat man eine Landespolizei.

Am dieswöchigen Runden Tisch (am 10. Jänner 2017) zum Thema »Einwanderungsland Südtirol« verlautbarte Landesrat Philipp Achammer (SVP):

Ich denke, das Land täte gut daran […] auch Kompetenzen im Sicherheitsbereich zu haben, nämlich auch […] durch eine eigene Landespolizei auch Maßnahmen und Vorkehrungen treffen zu können. […] Gottseidank haben wir Kleinkriminalität und nicht andere Kriminalität, […] aber hier bräuchten wir andere Maßnahmen, als sie das restliche Staatsgebiet als solches hat, um auf diese Kleinkriminalität reagieren zu können. Hätte das Land mehr Kompetenzen im Sicherheitsbereich — das würde ich mir wirklich wünschen, ähnlich wie es in deutschen Bundesländern der Fall ist, dass man durch eine Landespolizei darauf reagieren kann!

  1. Was denn nun?
  2. Der Landesrat gibt also zu, dass ein gewöhnliches deutsches Bundesland (zum Beispiel im Sicherheitsbereich, aber auch im Justizvollzug) mehr Zuständigkeiten hat, als die Südtiroler Vorzeigeautonomie?
  3. Wer sagt nun den Dolomiten (und speziell Herrn Eschgfäller), dass auch die Landesregierung bzw. der SVP-Obmann sich eine Landespolizei wünscht?
  4. Wann werden wir soweit sein, wenn die SVP angeblich zwölf Jahre daran gearbeitet hat, lediglich das Verwaltungspersonal an den Gerichten in den Landesdienst zu übernehmen?
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LH: Landespolizei löst nichts.

Im Morgengespräch von Rai Südtirol vom 25. Februar 2015 wird Landeshauptmann Kompatscher von Heidy Kessler zur Sicherheitslage in Südtirol befragt.

Heidy Kessler: Was halten Sie von Bürgerwehren und was von der Landespolizei?

LH: Ich halte von Bürgerwehren relativ wenig, da diese natürlich dann manchmal problematisch sein können. Es können die Personen dann auch in bestimmten Situationen überfordert sein, es geht dann auch um Menschen, die nicht ausgebildet sind für den Ernstfall […] man sollte diese Arbeit schon den geschulten Polizeikräften überlassen.
Das Thema löst man auch nicht, wenn man sagt, anstelle einer Staatspolizei hat man eine Landespolizei.

Zustimmung mit dem Landeshauptmann was die Ablehnung von Bürgerwehren betrifft. Das Gewaltmonopol muss beim Land liegen und darf nicht privatisiert werden. Wild-West-Zustände wären nicht mehr weit.

Allerdings stellt sich die Frage inwieweit man von geschultem Personal sprechen kann, wenn die staatlichen Polizeikräfte über 40 Jahre nach Inkrafttreten des 2. Autonomiestatutes immer noch allzu häufig über keine oder nur sehr mangelhafte Deutschkenntnisse verfügen. Erstaunlich, dass dieses Problem im Morgengespräch nicht thematisiert wurde. Eine Landespolizei würde diesbezüglich sehr wohl der mehrsprachigen Situation unseres Landes gerecht werden. Es stellt sich die Frage, ob eine Behörde, die nicht über adäquate Kenntnisse der Landessprachen verfügt, überhaupt über die entsprechende Sensibilität verfügt, die im Morgengespräch angesprochenen Probleme zu lösen. Für den LH ist die Landespolizei augenscheinlich trotzdem kein Lösungsansatz.

Heidy Kessler: Da hat man ein bisschen den Eindruck, dass sich die Ordnungskräfte doch sehr auf die Zentren konzentrieren, sprich Bozen, Meran und auch Brixen. Was wollen Sie für die Peripherie tun?

LH: Nun in der Vergangenheit hat es ja die umgekehrte Diskussion in Südtirol gegeben, man hat sich eigentlich daran gestört, dass wir viel zuviel Präzenz an Militärpolizei, sprich Carabinieri in den Dörfern haben, heute ist man wiederum froh, wenn die Ordnungskräfte präsent sind […] wir wollen natürlich auch die Sicherheit in den Ortschaften draussen gewährleisten, das heißt einmal noch besser vernetzte Dienste, noch schneller am Einsatzort sein, auch mit Hilfe der Leistungen der Gemeinden selbst, auch Kameraüberwachnung in den Gemeinden, auch den Einsatz der Gemeindepolizei wie gesagt, auch als Hilfsleistung für die anderen Ordnungskräfte, auch das wird Thema heute beim Sicherheitsgipfel.

An der quantitativen Präsenz kann es wohl nicht liegen. Italien und nochmals verstärkt Südtirol, verfügen über eine sehr hohe Dichte an Polizeikräften. Ich z.B. wohne in Villnöß. Dort gibt es eine Carabinieristation. Die Aufgaben der dort stationierten Polizeikräfte sind mir bis heute schleierhaft. Verkehrskontrollen: außer ganz seltenen, der Sicherheit wenig dienlichen Führerscheinkontrollen, sind mir keine Kontrollen bekannt. Ahndung der systematischen Falschparker im Dorf mit entsprechender Gefährdung der Schulwege: Dafür fühlen sich die Carabinieri anscheinend nicht zuständig. Regelung des Verkehrs bei größeren Veranstaltungen, Umleitungen oder sonstigen Unregelmäßigkeiten: übernimmt in vorbildhafter Art und Weise die Feuerwehr.

Laut Morgengespräch soll in Zukunft auch die Finanzpolizei zur Verbesserung der Sicherheitssituation eingesetzt werden. Da kann man schon gespannt sein, ob eine effiziente Vernetzung bei der Vielfalt an Beteiligten optimal funktioniert.

Zumindest verwunderlich, dass es kein autonomiepolitisches Ziel zu sein scheint, eine autonome Landespolizei aufzubauen, die auch das eine und andere Koordinierungs- und Zuständigkeitsproblem lösen würde. Ganz abgesehen von adäquaten Sprachkenntnissen und mehr Bürgernähe.

Fürwahr kleine Brötchen, die mittlerweile in der sogenannten »Vorzeigeautonomie« gebacken werden.

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