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Globales linkes Bündnis.

Eine gemeinsame Front der progressiven Kräfte auf dem ganzen Planeten zu bilden, das waren Ende 2018 die Vision und der Aufruf von Demokratie in Europa (DiEM25) um Yanis Varoufakis und Sanders Institut um den linken US-Politiker Bernie Sanders. Dass die aus dieser Idee hervorgegangene Progressive Internationale (PI) genau jetzt — am 11. Mai inmitten einer weltweiten Pandemie — gegründet wurde, ist weder ein Betriebsunfall, noch Zufall. Die beteiligten Kräfte wollten gerade in dieser schwierigen Zeit ein starkes Zeichen gegen das Wiedererstarken nationalistischer Tendenzen setzen.

Bereits 41 Organisationen — NROs, Medien und Parteien — führt der Webauftritt von PI bereits als Teilnehmerinnen auf. Sie stammen aus Afrika, Nord- und Südamerika, Europa und Asien. Mit im Boot sind als Mitglieder des Rates, der für die strategische Ausrichtung der Internationale verantwortlich zeichnet, unter anderen Noam Chomsky, Katrín Jakobsdóttir, Fernando Haddad, Naomi Klein, Carola Rackete oder Vanessa Nakate.

Der eigenen Vision zufolge strebt PI nach einer Welt, die dieser Beschreibung entspricht:

  • Demokratisch. Alle Menschen haben die Macht, ihre Gesellschaft und deren Institutionen zu gestalten.
  • Dekolonisiert. Alle Nationen bestimmen, frei von Unterdrückung, ihre gemeinsame Zukunft.
  • Gerecht. Gesellschaftliche Ungleichheiten werden beseitigt und unsere gemeinsame Vergangenheit aufgearbeitet.
  • Egalitär. Die Gesellschaft dient den Vielen, nicht bloß den Wenigen.
  • Befreit. Alle Menschen genießen gleiche Rechte, Anerkennung und Macht.
  • Solidarisch. Der Kampf eines jeden ist der Kampf aller Anderen.
  • Nachhaltig. Die planetarischen Grenzen werden respektiert und gefährdete Gruppen beschützt.
  • Ökologisch. Die Gesellschaft wird mit ihrer Umwelt in Einklang gebracht.
  • Friedlich. An die Stelle der Kriegsgewalt tritt die Diplomatie.
  • Postkapitalistisch. Jede Form der Arbeit erhält ihre angemessene Anerkennung. Der Arbeitsfetisch wird abgeschafft.
  • Wohlhabend. Armut wird beseitigt und eine Zukunft des gemeinsamen Wohlstands investiert.
  • Vielfältig. Wir feiern Verschiedenheit als Stärke.

Da deckt sich vieles auch mit den Prinzipien von .

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

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100 Jahre für ein Referendum.
Tribunal Supremo beschließt hohe Haftstrafen

Heute früh gab das spanische Höchstgericht sein Urteil gegen die politischen Häftlinge aus Katalonien bekannt.

  • Insgesamt rund 100 (um genau zu sein: 99,5) Jahre betragen die verhängten Haftstrafen, dazu kommen Amtsverbote und Geldstrafen. Der siebenköpfige Senat entschied einstimmig.
  • Schon im Vorfeld waren Details des Urteils durchgesickert, mehrere Verteidigerinnen kündigten Beschwerden an.
  • Zwischen 9 und 13 Jahren Freiheitsentzug wurden im Einzelnen verhängt:
    • Oriol Junqueras (ERC): 13 Jahre (Aufruhr und Veruntreuung)
    • Dolors Bassa, Raül Romeva (ERC), Jordi Turull: je 12 Jahre (Aufruhr und Veruntreuung)
    • Carme Forcadell (JxC): 11,5 Jahre (Aufruhr)
    • Joaquim Forn, Josep Rull: je 10,5 Jahre (Aufruhr)
    • Jordi Cuixart (Òmnium Cultural), Jordi Sànchez (ANC): je 9 Jahre (Aufruhr)
  • Die katalanischen Ex-Ministerinnen Carles Mundó, Meritxell Borràs und Santi Vila wurden wegen Ungehorsams zu Geldstrafen verurteilt.
  • Den Vorwurf der Rebellion (Hochverrat) machte sich der Senat nicht zueigen, für den anerkannten Tatbestand des Aufruhrs ist das Strafmaß jedoch außergewöhnlich hoch.
  • Für Urteile des Höchstgerichts gibt es keine weitere innerstaatliche Instanz. Aller Voraussicht nach werden sich die Verurteilten an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden.
  • Im Fall des ERC-Vorsitzenden und ehemaligen stv. Regierungschefs Oriol Junqueras hatte sich das Höchstgericht an den EuGH gewandt, um dessen Immunitätsstatus als EU-Abgeordneter klären zu lassen. Beobachterinnen zufolge stellt es eine Anomalie dar, dass die Antwort des EU-Gerichts nicht abgewartet wurde.
  • In Katalonien kam es nach Bekanntwerden des Urteils zu massiven spontanen Kundgebungen, die zur Stunde andauern. Hochgeschwindigkeitsstrecken wurden lahmgelegt.
  • Auch in València, auf den Balearen und im zu Frankreich gehörenden Nordteil Kataloniens gingen die Menschen auf die Straße.
  • Die Bewegung Tsunami Democràtic rief (wohl nach Hongkonger Vorbild) zur Besetzung des Flughafens von Barcelona auf. Mehr als 100 Flüge mussten gestrichen werden.
  • Der katalanische Gemeindenverband (AMC) und die Vereinigung der Gemeinden für die Unabhängigkeit (AMI) riefen die Kommunen auf, die institutionelle Tätigkeit für 72 Stunden einzustellen.
  • Premierminister Pedro Sánchez (PSOE) schloss sich dem Urteil in einer ersten Stellungnahme entschieden an. Die Verurteilten hätten gegen die Interessen der nicht separatistischen »Mehrheit« gehandelt. (Es ging jedoch gerade um die Ermittlung eines mehrheitlichen Willens). Begnadigungsforderungen erteilte er eine erste Absage, wofür er von Podemos-Chef Pablo Iglesias postwendend kritisiert wurde.
  • Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon (SNP) twitterte: »These politicians have been jailed for seeking to allow the people of Catalonia to peacefully choose their own future. Any political system that leads to such a dreadful outcome needs urgent change. My thoughts and solidarity are with all of them and their families.«
  • Die Europäischen Grünen veröffentlichten eine Stellungnahme. Eine politische Lösung der Katalonienfrage könne es nicht geben, solange politische Anführerinnen im Gefängnis sitzen.
  • Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis schrieb auf Twitter: »I have no right to comment on Catalan independence. It is for the Catalans to decide. BUT, the rest of us must rise up against politicians being sentenced to long prison stretches in the heart of Europe for pursuing political agendas mandated by voters«
  • Den einst von Spanien empört aufgenommenen Entscheiden ausländischer Gerichte, dass (etwa im Fall des ehemaligen Präsidenten Puigdemont) kein Hochverrat vorliege, stimmte das Gericht mit dem Urteil indirekt zu.
  • Richter Pablo Llarena erließ bereits einen neuen Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont (diesmal wegen Aufruhr und Veruntreuung, nicht aber wegen Rebellion).
  • Die Zentrale Wahlkommission (JEC) veranlasste umgehend die Streichung der Verurteilten von den Wahllisten der Kongresswahl vom 10. November.
  • Die Sprecherin der EU-Kommission Mina Andreeva bezeichnete das Urteil in der täglichen Pressekonferenz einmal mehr als interne Angelegenheit Spaniens.
  • Die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau (BenC) rief die vom Urteil »verletzten« Unabhängigkeitsbefürworter- und -gegnerinnen auf, gemeinsam die Stimme zu erheben.
  • Der katalanische Präsident Quim Torra (JxC) verlangte ein unverzügliches Treffen mit Premier Sánchez und dem König.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 | 1› 2› 3› 4› 5› 6› 7› 8› 9› 10› 11› 12›

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DiEM25 für geregelte Sezession.

Yanis Varoufakis hat für DiEM25 einen Vorschlag zur Lösung der Krise in Katalonien unterbreitet. Demnach sollen europäische Regionen unter bestimmten Auflagen die Möglichkeit bekommen, sich von ihrem bisherigen Staat zu lösen.

Die bisherige Rolle der EU in dem Konflikt, den DiEM25 als »europäisch« bezeichnet, kritisiert die linke Plattform scharf. Diese Union der Staaten, die keine Union der Bürgerinnen und Regionen sein wolle, habe den Katalaninnen paradoxerweise bewiesen, dass sie einen eigenen Staat gründen müssen, wenn sie etwas zählen wollen.

Karte: DiEM25

Die Region im Nordosten der iberischen Halbinsel mag heute in den Schlagzeilen sein, so Varoufakis, doch sie werde nicht das letzte Gebiet sein, das eine Separation anstrebt. Die jetzige Krise biete aber eine außerordentliche Gelegenheit, einen neuen, progressiven und paneuropäischen Rahmen zur Lösung derartiger Fragen festzulegen.

Die von DiEM25 vorgeschlagenen Scheidungsregeln sehen vor, dass europäische Regionen grundsätzlich das Recht haben sollen, ein Selbstbestimmungsreferendum abzuhalten, wenn zuvor bei einer Regionalwahl separatistische Kräfte mindestens 50% plus eine Stimme erhalten. Aufgrund dieser Regelung entstandene Staaten müssten sich dazu verpflichten

  • die Personenfreizügigkeit zu gewährleisten;
  • ihren Bürgerinnen Mehrfachstaatsbürgerschaften, einschließlich der Beibehaltung jener des alten Staates, zu erlauben;
  • Fiskaltransfers an den alten Staat zu zahlen, und zwar in derselben Höhe, wie vor der Abspaltung;
  • Handelsdefizite oder -überschüsse mit dem alten Staat zu vermeiden.

Man kann an diesen Bedingungen einiges aussetzen, wie zum Beispiel, dass man damit jede Regionalwahl in eine Art Vorreferendum über die Selbstbestimmung verwandeln würde; oder dass es der alte Staat in der Hand hätte, absurd hohe Finanztransfers zu erzwingen. Doch das Wesentliche scheint mir hier zu sein, dass endlich jemand »europäische Scheidungsregeln« zu definieren versucht, anstatt verbissen am Status Quo festzuhalten. Über das wie kann man dann ja streiten — wobei mir im Sinne von durchaus interessant erscheint, dass Varoufakis weder historische Faktoren, noch eine eigene Sprache oder das Vorhandensein eines klar umrissenen »Volkes« als Kriterium definiert.

Diesen sinnvollen Vorschlag von DiEM25 verdanken wir dabei der Beharrlichkeit der Katalaninnen — und nicht dem Südtiroler »Realismus«.

Siehe auch ‹1 ‹2

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Intellektuelle und Politikerinnen wenden sich an die EU.

Rund hundert Intellektuelle, Wissenschafter- und Politikerinnen haben in Zusammenhang mit der Lage in Katalonien einen offenen Brief über »Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union« an die Präsidenten Jean-Claude Juncker und Donald Tusk sowie — zur Kenntnis — an den Vizepräsidenten Frans Timmermans geschickt. Unter den Unterzeichnerinnen befinden sich unter anderem Barbara Spinelli, Ulrike Guérot, Robert Menasse, Gustavo Zagrebelsky und Yanis Varoufakis.

UPHOLDING THE RULE OF LAW IN THE EUROPEAN UNION

Dear President Juncker, dear President Tusk:

We are scholars, politicians, public intellectuals and members of the European Parliament writing to you with the following concern:

The European Union has proclaimed the Rule of Law principle and respect for fundamental rights and freedoms to be binding on its Member States (Articles 2 and 6 of the Lisbon Treaty). The EU’s leadership has been a staunch protector of these fundamental norms, most recently in countering the Polish government’s attempts to undermine the independence of judges as well as the Hungarian government’s actions to limit civil society and media freedoms.

However, we are deeply concerned that the EU’s governing bodies are condoning the systematic violation of the Rule of Law in Spain, in particular regarding the Spanish central authorities’ approach to the 1 October referendum on Catalan independence. We do not take political sides on the substance of the dispute on territorial sovereignty and we are cognizant of procedural deficiencies in the organisation of the referendum. Our concern is with the Rule of Law as practised by an EU Member State.

The Spanish government has justified its actions on grounds of upholding or restoring the constitutional order. The Union has declared that this is an internal matter for Spain. Issues of national sovereignty are indeed a matter of domestic politics in liberal democracies. However, the manner in which the Spanish authorities have been handling the claims to independence expressed by a significant part of the population of Catalonia constitutes a violation of the Rule of Law, namely:

1/ The Spanish Constitutional Tribunal banned the referendum on Catalan independence scheduled for 1 October, as well as the Catalan Parliament session scheduled for 9 October, on grounds that these planned actions violate Article 2 of the Spanish Constitution stipulating the indissoluble unity of the Spanish nation, thus rendering secession illegal. However, in enforcing in this way Article 2, the Tribunal has violated Constitutional provisions on freedom of peaceful assembly and of speech – the two principles which are embodied by referendums and parliamentary deliberations irrespective of their subject matter. Without interfering in Spanish constitutional disputes or in Spain’s penal code, we note that it is a travesty of justice to enforce one constitutional provision by violating fundamental rights. Thus, the Tribunal’s judgments and the Spanish government’s actions for which these judgments provided a legal basis violate both the spirit and letter of the Rule of Law.

2/ In the days preceding the referendum, the Spanish authorities undertook a series of repressive actions against civil servants, MPS, mayors, media, companies and citizens. The shutdown of Internet and other telecom networks during and after the referendum campaign had severe consequences on exercising freedom of expression.

3/ On referendum day, the Spanish police engaged in excessive force and violence against peaceful voters and demonstrators – according to Human Rights Watch. Such disproportionate use of force is an undisputable abuse of power in the process of law enforcement.

4/ The arrest and imprisonment on 16 October of the activists Jordi Cuixart and Jordi Sànchez (Presidents, respectively, of the Catalan National Assembly and Omnium Cultural) on charges of sedition is a miscarriage of justice. The facts resulting in this incrimination cannot possibly be qualified as sedition, but rather as the free exercise of the right to peaceful public manifestation, codified in article 21 of the Spanish Constitution.

The Spanish government, in its efforts to safeguard the sovereignty of the state and indivisibility of the nation, has violated basic rights and freedoms guaranteed by the European Convention on Human Rights, the Universal Declaration of Human Rights, as well as by Articles 2 and 6 of the basic law of the EU (the Lisbon Treaty). The violation of basic rights and freedoms protected by international and EU law cannot be an internal affair of any government. The silence of the EU and its rejection of inventive mediation is unjustifiable.

The actions of the Spanish government cannot be justified as protecting the Rule of Law, even if based on specific legal provisions. In contrast to rule-by-law (rule by means of norms enacted through a correct legal procedure or issued by a public authority), Rule of Law implies also the safeguarding of fundamental rights and freedoms – norms which render the law binding not simply because it is procedurally correct but enshrines justice. It is the Rule of Law, thus understood, that provides legitimacy to public authority in liberal democracies.

We therefore call on the Commission to examine the situation in Spain under the Rule of Law framework, as it has done previously for other Member States.
The EU leadership has reiterated that violence cannot be an instrument in politics, yet it has implicitly condoned the actions of the Spanish police and has deemed the actions of the Spanish government to be in line with the Rule of Law. Such a reductionist, maimed version of the Rule of Law should not become Europe’s new political common sense. It is dangerous and risks causing long-term damage to the Union. We therefore call on the European Council and Commission to do all that is necessary to restore the Rule of Law principle to its status as a foundation of liberal democracy in Europe by countering any form of abuse of power committed by Member States. Without this, and without a serious effort of political mediation, the EU risks losing its citizens’ trust and commitment.

When this declaration appears, the crisis will have developed further. We follow closely the situation with the interests of democracy in Catalonia, Spain and Europe in mind, as they cannot be separated, and we insist all the more on the importance for the EU to monitor the respect of fundamental freedoms by all parties.

Signatories (in personal capacity):

  • Albena Azmanova, University of Kent
  • Barbara Spinelli, writer, Member of European Parliament
  • Etienne Balibar, université Paris Nanterre and Kingston University London
  • Cristina Lafont, Northwestern University, USA (Spanish citizen)
  • David Gow, editor, Social Europe
  • Kalypso Nicolaidis, Oxford University, Director of the Center for International Studies
  • Rosemary Bechler, editor, openDemocracy
  • Gustavo Zagrebelsky professor of constitutional law, University Turin
  • Antonio Negri, Philosopher, Euronomade platform
  • Jane Mansbridge, Kennedy School of Government, Harvard University
  • Thor Gylfason, Professor of Economics at the University of Iceland and Research Fellow at CESifo, Munich/former member Iceland Constitutional Council 2011
  • Sophie Wahnich, directrice de recherche CNRS, Paris
  • Mark Davis, University of Leeds, Founding Director of the Bauman Institute
  • Ash Amin, Cambridge University
  • Yanis Varoufakis, DiEM25 co-founder
  • Ulrike Guérot, Danube University Krems, Austria & Founder of the European Democracy Lab, Berlin
  • Costas Douzinas, Birkbeck, University of London
  • Judith Butler, University of California, Berkeley and European Graduate School, Switzerland
  • Philip Pettit, University Center for Human Values, Princeton University (Irish citizen)
  • Jón Baldvin Hannibalsson, former minister for foreign affairs and external trade of Iceland
  • Anastasia Nesvetailova, Director, City Political Economy Research Centre, City University of London
  • Craig Calhoun, President, Berggruen Institute; Centennial Professor at the London School of Economics and Political Science (LSE)
  • Arjun Appadurai, Institute for European Ethnology, Humboldt University, Berlin
  • Judith Revel, Université Paris Nanterre
  • Robert Menasse, writer, Austria
  • Nancy Fraser, The New School for Social Research, New York (International Research Chair in Social Justice, Collège d’études mondiales, Paris, 2011-2016)
  • Roberta De Monticelli, University San Raffaele, Milan.
  • Christoph Menke, University of Potsdam, Germany
  • Robin Celikates, University of Amsterdam
  • Gerard Delanty, University of Sussex
  • Boaventura de Sousa Santos, Coimbra University and University of Wisconsin
  • Madison Sandro Mezzadra, Università di Bologna
  • Camille Louis, University of Paris 8 and Paris D
  • Philippe Aigrain, writer and publisher
  • Yann Moulier Boutang and Frederic Brun, Multitudes journal
  • Anne Querrien and Yves Citton, Multitudes journal
  • Susan Buck-Morss, CUNY Graduate Center and Cornell University
  • Seyla Benhabib, Yale University; Catedra Ferrater Mora Distinguished Professor in Girona (2005)
  • Bruce Robbins, Columbia University
  • Michèle Riot-Sarcey, université Paris-VIII-Saint-Denis
  • Zeynep Gambetti, Bogazici University, Istanbul (French citizen)
  • Andrea den Boer, University of Kent, Editor-in-Chief, Global Society: Journal of Interdisciplinary International Relations
  • Moni Ovadia, writer and theatre performer
  • Guillaume Sibertin-Blanc, Université Paris 8 Saint-Denis
  • Peter Osborne, Centre for Research in Modern European Philosophy, Kingston University, London
  • Ilaria Possenti, University of Verona
  • Nicola Lampitelli, University of Tours, France
  • Yutaka Arai, University of Kent
  • Enzo Rossi, University of Amsterdam, Co-editor, European Journal of Political Theory
  • Petko Azmanov, journalist, Bulgaria
  • Etienne Tassin, Université Paris Diderot
  • Lynne Segal, Birkbeck College, University of London
  • Danny Dorling, University of Oxford
  • Maggie Mellon, social policy consultant, former executive member Women for Independence
  • Eric Fassin, Université Paris-8 Vincennes – Saint-Denis
  • Alexis Cukier, Université Paris Nanterre
  • Diogo Sardinha, university Paris/Lisbon
  • Dario Castiglione, University of Exeter
  • Hamit Bozarslan, EHESS, Paris
  • Frieder Otto Wolf, Freie Universität Berlin
  • Vanessa Glynn, Former UK diplomat at UKRep To EU
  • Alex Orr, exec mbr, Scottish National Party/European Movement in Scotland
  • Bob Tait, philosopher, ex-chair Langstane Housing Association, Aberdeen
  • Isobel Murray, Aberdeen University
  • Grahame Smith, general secretary, Scottish Trades Union Congress
  • Pritam Singh, Oxford Brookes University
  • John Weeks, SOAS, University of London
  • Jordi Angusto, economist at Fundació Catalunya-Europa
  • Leslie Huckfield, ex-Labour MP, Glasgow Caledonian University
  • Ugo Marani, University of Naples Federico II and President of RESeT
  • Gustav Horn, Scientific Director of the Macroeconomic Policy Institute of the
  • Hans Böckler Stiftung Chris Silver, journalist/author
  • James Mitchell, Edinburgh University
  • Harry Marsh, retired charity CEO
  • Desmond Cohen, former Dean, School of Social Sciences at Sussex University
  • Yan Islam, Griffith Asia Institute
  • David Whyte, University of Liverpool
  • Katy Wright, University of Leeds
  • Adam Formby, University of Leeds
  • Nick Piper, University of Leeds
  • Matilde Massó Lago, The University of A Coruña and University of Leeds Jim Phillips, University of Glasgow
  • Rizwaan Sabir, Liverpool John Moores University Pablo Ciocchini, University of Liverpool
  • Feyzi Ismail, SOAS, University of London Kirsteen Paton, University of Liverpool
  • Stefanie Khoury, University of Liverpool
  • Xavier Rubio-Campillo, University of Edinburgh
  • Joe Sim, Liverpool John Moores University
  • Hannah Wilkinson, University of Keele
  • Gareth Dale, Brunel University
  • Robbie Turner, University of St Andrews
  • Will Jackson, Liverpool John Moores University
  • Louise Kowalska, ILTUS Ruskin University
  • Alexia Grosjean, Honorary member, School of History, University of St Andrews
  • Paul McFadden, York University
  • Phil Scraton, Queen’s University Belfast Oscar Berglund, University of Bristol
  • Michael Lavalette, Liverpool Hope University Owen Worth, University of Limerick
  • Ronnie Lippens, Keele University
  • Andrew Watterson, Stirling University
  • Steve Tombs, The Open University
  • Emily Luise Hart, University of Liverpool
  • David Scott, The Open University
  • Bill Bowring, Birkbeck College, University of London
  • Sofa Gradin, King’s College London
  • Michael Harrison, University of South Wales

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5

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Katalonien, Europa, 2017.
Unser Versuch, die Abstimmung vom 1O2017 zu erzählen

Der Kontinent der Freiheit, Aufklärung und Demokratie.

Vorwarnung: Dieser Beitrag ist von höchst provinzieller Empörung über eine rein innerspanische Angelegenheit geprägt.

00:25

Good night.

Die EU hatte heute nichts zu sagen, genauso wie fast alle Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten.

00:23

https://twitter.com/OwenJones84/status/914597172351504385

00:18

00:16

00:14

Raphael Minder ist Madrid-Korrespondent der New York Times:

00:10


00:07

Morgen (heute) im Guardian:

00:04

00:02

23:58

23:54

23:53

23:48

Polizist bricht einer Frau einzeln und absichtlich mehrere Finger:

23:46

23:27

23:24

23:17

Sechs katalanische Gerichte sollen Medienberichten zufolge Ermittlungen gegen die Mossos d’Esquadra aufgenommen haben, weil sie die richterlichen Anordnungen, gegen das heutige Referendum vorzugehen, nicht ernsthaft befolgt hätten.

22:44

22:34

Katalanischer Präsident Puigdemont soeben in öffentlicher Ansprache: Spanien hat eine schändliche Seite des Verhältnisses zu Katalonien geschrieben. Europa darf nicht mehr wegschauen. Die heutige Verletzung europäischer Grundwerte und Rechte ist keine interne Angelegenheit mehr. Katalonien hat das Recht, seine Zukunft selbst zu entscheiden. Katalanische Regierung wird im Sinne des Referendumsgesetzes das Ergebnis der heutigen Abstimmung dem Parlament übergeben, das entsprechend handeln wird.

22:21

Senad Sabovic, “Head of the Office of Political Affairs and Communications @OSCE Kosovo”:

22:13

Auch Barça-Spieler Gerard Piqué hat heute abgestimmt:

Ich habe bereits abgestimmt. Gemeinsam sind wir unaufhaltsam in der Verteidigung der Demokratie.

22:01

22:00

21:55

Jetzt auf Süddeutsche Online:

21:48

Su La7, in corso uno speciale sul referendum catalano in attesa dei risultati.

21:22

https://twitter.com/AdaColau/status/914455867281563650

Ho votato indignata dalla repressione della polizia, ma anche speranzosa per’esemplare risposta della cittadinanza. #PiùDemocrazia #RajoyDimissioni

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Democracy in Europe Movement.
für Pluralismus und Dezentralisierung

Gestern Abend hat der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in der Berliner Volksbühne (am Rosa-Luxemburg-Platz) das Projekt Democracy in Europe Movement 2025 (DiEM25) lanciert, eine paneuropäische linke Bewegung, die sich als Netzwerk von alten und neuen Linken, Sozialisten, Liberalen und Radikaldemokraten versteht. Erklärtes Ziel ist die Demokratisierung der Europäischen Union von unten, wozu mittelfristig eine verfassungsgebende Phase eingeleitet werden soll.

DiEM25.

In seiner Rede warnte Varoufakis eindringlich vor der Rückkehr des Nationalen und vor einer Situation, wie sie in den 1930er Jahren entstanden war.

Das DiEM25-Manifest soll denen, die die europäische Einigung unter neuen Vorzeichen vertiefen möchten, eine konkrete und gangbare Vision anbieten. Weder der Rückzug in den Kokon des Nationalstaats, noch die mangelhaft demokratisierte EU seien erstrebenswerte Modelle, weshalb ein demokratisches Miteinander in Vielfalt angepeilt wird.

Derzeit, etwa im Rahmen der Flüchtlingskrise, könne man beobachten, dass viele Nationalstaaten Probleme nicht vor der eigenen Haustür haben möchten, so Varoufakis. Doch nicht Abschottung sei die Lösung, vielmehr müsse man die Vorherrschaft des Finanzkapitals brechen.

Zur Umsetzung eines geeinten, solidarischen, gerechten und demokratischen Europa postuliert DiEM25 unter anderem auch:

  • ein dezentralisiertes Europa, das die Zentralgewalt nutzt, um möglichst viel Demokratie am Arbeitsplatz, in großen und kleinen Städten, Regionen und Ländern durchzusetzen
  • ein pluralistisches Europa der unterschiedlichen Regionen, Ethnien, Glaubensüberzeugungen, Nationen, Sprachen und Kulturen.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 | 1›

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Yanis’ Selbstbestimmung.
Quotation

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis (Syriza) sieht keinen Widerspruch zwischen Unabhängigkeit und Internationalismus.

Sind die Forderungen gewisser Regionen, die nach Unabhängigkeit streben, wie Katalonien in Spanien, in Ihren Augen legitim?

Was ich sage bedeutet nicht, dass ich gegen die Unabhängigkeit bin. Denn ich glaube an das Selbstbestimmungsrecht. Wenn Sie in Barcelona leben und effektiv spüren, kolonisiert zu sein, dann bedeutet der Internationalismus nicht, dass Sie die Kolonisierung akzeptieren. Gleichzeitig heißt das nicht, dass wir nicht eine EU haben können, in der Katalanen, Madrilenen, Griechen, Franzosen und sogar Briten zu demselben Magma gehören, das eine neue Identität gebiert, eine europäische Identität und eine neue Souveränität.

Übersetzung: 

Auszug aus dem Interview der französischen Revue Ballast mit Varoufakis.

Siehe auch ‹1 ‹2

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Wer ist hier der Clown?

Ich entschuldige mich im Voraus für das, was jetzt kommt. Das Chaos, die Gedankensprünge und die Zusammenhänge, die keine sind. Dies ist kein gewöhnlicher Artikel, sondern ein Gedankenprotokoll. Spontan niedergeschrieben.

Undifferenziertheit, Bigotterie und Schwarz-Weiß-Malerei bestimmen den politischen und medialen Kurs dieser Tage. Dies ist zumindest mein Eindruck. Egal ob ich Merkel, Obama, Putin oder Tsipras höre oder ob ich Bild, Focus, Zeit oder Welt lese. Ukraine, Griechenland, Flüchtlingsströme. Symptombekämpfungen werden als Lösungen präsentiert, Täter zu Opfern — und vice versa — gemacht sowie Deutungshoheiten über richtig und falsch beansprucht.

Auslöser dafür, dass ich nun die Gedanken, die schon seit langer Zeit in meinem Kopf rumschwirren, niederschreibe, war ein kürzlich erschienenes “Vorausgeschickt” zum Thema Griechenland unter dem Titel “Am Ende nur Verlierer” von Rainer Hilpold in den Dolomiten. Es ist exemplarisch für die Art und Weise, wie ein Großteil der Medien heutzutage tickt. Die Regierung Tsipras sei — sinngemäß — des griechischen Volkes nicht würdig, eine Clowntruppe, argumentationsunempfindlich, populistisch, manipulativ und im Schwarz-Weiß-Denken verhaftet. Grautöne und Argumente sucht man paradoxerweise aber auch in Hilpolds Analyse vergeblich.

Ich bin weder “Putinversteher” noch glaube ich, dass Tsipras alles richtig macht. Im Gegenteil. Der Kremlchef bewegt sich nahezu unentwegt außerhalb demokratischer Standards und ein Linker, der sich Rechtsradikale in die Regierung holt, ist mir grundsätzlich suspekt. Es geht mir hier vielmehr um die Oberflächlichkeit, die den Diskurs bestimmt. Um die Tendenz, politische Gegner nicht argumentativ zu entzaubern, sondern auf persönlicher Ebene zu delegitimieren. Um die Heuchelei, dem Gegenüber jenes Fehlverhalten anzukreiden, das man bei sich selbst geflissentlich übersieht. Um die Taktik, Dinge nur oft genug wiederholen zu müssen, dass sie wahr werden — auch wenn sie jeglicher Grundlage entbehren.

Populismus, Radikalismus und Extremismus sind Wörter, die einem schnell über die Lippen gehen. Tsipras’ politische Heimat mag vielleicht radikal, von mir aus auch populistisch sein, aber extremistisch im politikwissenschaftlichen Sinne ist sie nicht. Und wenn wir das Wort “Extremismus” einmal nicht in seiner wissenschaftlichen Bedeutung verstehen, dann könnten wir ja auch umgekehrt argumentieren bzw. fragen: Ist ein System, das auf der einen Seite unglaublichen Reichtum und auf der anderen Seite unfassbare Armut produziert nicht auch eine Form von Extremismus? Ist es nicht extrem, dass diese Schere im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise noch weiter auseinandergeklafft ist? Ist es nicht extrem, dass Menschen mit einem Vollzeitjob sich das Leben in Europa nicht leisten können? Ist es nicht extrem, dass unser System halb Afrika als “Wirtschaftsflüchtlinge” zur Abwanderung gen Norden zwingt? Ist es nicht extrem, dass wir Leuten, die auf unsere Kinder (Kindergartenpersonal, Lehrer…), Gesundheit (Krankenschwestern, Pflegerinnen…) und körperliche Unversehrtheit (Feuerwehr, Polizei…) achtgeben, weniger bezahlen als jenen, die auf unser Geld schauen? Ist es nicht extrem, dass wir privaten Bankkonzernen, die ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht vernachlässigt haben, ihr ureigenstes unternehmerisches Risiko abnehmen und mit öffentlichen Steuermilliarden unbedarfter Bürger die Löcher neoliberaler Exzesse stopfen? Ist es nicht extrem, wenn die Lösung des durch hohe Politik und Hochfinanz verschuldeten Desasters, die Arbeitslosenzahlen explodieren und die ohnehin schon Armen ausbluten lässt, während die Reichsten ihren Wohlstand in wirtschaftlich schweren Zeiten zu ungunstenen der Schwächsten ausbauen, ja sogar durch geschickte Spekulation die Krise selbst zu ihrem Vorteil nutzen konnten?

Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Tsipras’ und Varoufakis’ “Verbrechen”, dass sie gegen dieses System sind, dass sie politisch nicht in der neoliberalen Brüsseler Lobby sozialisiert wurden und dass sie ihre Wahlversprechen halten wollen. Sie möchten nicht auf einem Weg, der offensichtlich — seit Jahren — zu keiner nachhaltigen Lösung führt, noch schneller voran gehen. Sie wollen einen anderen Weg gehen. Ob es der richtige ist, kann ich nicht beurteilen. Aber die Forderung danach ist politisch legitim. Und viel falscher als der bisherige Weg kann er wohl nicht sein. Wenn dann EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die vom griechischen Volk gewählte Regierung als “Spaßhanseln” und “nicht ernstzunehmende Gesprächspartner” bezeichnet, ist das nicht nur demokratiepolitisch ein starkes Stück. (Helle Aufregung herrschte, als Varoufakis seine Verhandlungsgegner im Anschluss des Terrorismus bezichtigte. Man könne nicht auf so einem Niveau miteinander sprechen, hieß es von Seiten der EU). Da passte es dann auch gut ins Bild, dass die Ankündigung einer demokratischen Urabstimmung die EU-Verantwortlichen völlig aus der Bahn wirft und auszucken lässt. Oder wie es der Postillon ausdrückte: “Wo kämen wir denn hin, wenn jetzt auf einmal die Menschen über ihr eigenes Schicksal entscheiden dürften? Wir steuern direkt in eine Volksherrschaft, wenn dieses Beispiel Schule macht.” Man mag Tsipras vieles vorwerfen können. Aber Schuld an den Problemen Griechenlands oder gar der ganzen Eurokrise trifft ihn keine. Er ist gerade einmal ein halbes Jahr im Amt. Die Milliardenkatastrophe haben schon die “ernstzunehmenden Realisten” von den Sozialdemokraten und Konservativen zu verantworten. Diese sind dann paradoxerweise genau jene, die die einzig wahre Lösung für jene Misere parat haben wollen, die sie und ihre Berater (Experten aus der Hochfinanz) zu verantworten haben und die jetzt jeden Ansatz außerhalb ihres Systems ins Lächerliche ziehen und als “Träumerei” abtun. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Das ist von der Logik her ungefähr so kohärent wie ein Einbrecher, der Alarmanlagen verkauft. Da können Tsipras und Co. noch lange Clown spielen, bis sie den Schaden anrichten werden, den ihre etablierten Kritiker bereits angerichtet haben. Wobei Clownerie das Letzte ist, was mir in den Sinn kommt, wenn ich diesen Brief von Alexis Tsipras im Handelsblatt lese oder mir diesen stringent argumentierten TED-Talk von Yanis Varoufakis ansehe, der mich inhaltlich an eine der besten und visionärsten Bundestagsreden überhaupt erinnert — Gregor Gysi 1998 anlässlich der Einführung des Euros: Man kann einen Kontinent nicht über Geld einen”. Gezwungen, Tsipras, Varoufakis oder Gysis Meinung zu teilen, bin ich deshalb trotzdem noch lange nicht. Nur soviel: wenn Gregor Gysi heute genau so präzise die Zukunft vorhersagt, wie er es damals getan hat, dann gnade uns Gott.

Das hält die deutsche Presse (und nicht nur die) aber nicht davon ab, die griechischen Politiker in lächerlichster Art und Weise persönlich anzugreifen, anstatt ihnen argumentativ entgegenzutreten – und da muss man gar nicht einmal die Bild-Zeitung zitieren. Unter dem Titel “Gianis Varoufakis verdiente sich als Finanzminister eine goldene Nase” wirft das nicht offen boulevardeske Magazin focus.de dem Wirtschaftsprofessor (Universität Athen, Cambridge University, University of Texas) vor, “abgecasht” zu haben. Er habe 75 Euro (sic!) Sitzungsgeld, eine monatliche Telefonkostenpauschale von 616 Euro sowie 1.780 Euro für sein Athener Büro zusätzlich zum Ministergehalt bezogen. Dieses belief sich für 22 Wochen auf 31.000 Euro brutto. Das verdient der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, eines jener Institute, das durch die “Milliardenkredite” an Griechenland seine selbstverschuldeten Ausfälle vom Steuerzahler ersetzt bekommt, am Tag und Wolfgang Schäuble in acht Wochen! Zudem habe Varoufakis, obwohl er keine Politikerpension beziehen wird, keine Zukunftssorgen, denn er bekomme als Professor an der Uni 2.200 Euro brutto und sei ein erfolgreicher Buchautor (Schande aber auch!). In einem Video legt focus.de dann noch nach:

Auch uns hat Varoufakis mit seinen betont lässigen Auftritten in Muskelshirt und Lederjacke genervt. Während sich die griechischen Bürger mit Geldsorgen plagen, ließ er es sich bei einem Glas Wein mit seiner Frau Danae auf einer Dachterrasse in Athen gut gehen.

Wo hier der Informationswert ist, bleibt schleierhaft. Aber die Diktion fügt sich nahtlos in die vorherrschende personen- und nicht sachzentrierte Rhethorik ein. Wir lernen: Es kommt nicht auf Inhalte an, sondern wie ich mich anziehe. Und als Inhaber eines der undankbarsten, verantwortungsvollsten und zeitaufwändigsten Jobs der Welt darf man sich nicht einmal mit seiner Frau bei einem Glas Wein entspannen. Selten bekommt man — wie hier oder hier — die andere Seite der Medaille präsentiert.

Exkurs: Wie ein 11-Millionen-Einwohner-Land von der Wirtschaftskraft des deutschen Bundeslandes Hessen überhaupt die gesamte Eurozone (350 Millionen Einwohner), ja sogar die ganze Weltwirtschaft, in seinen Grundfesten erschüttern kann, ist mir und auch Altkanzler Helmut Schmidt schleierhaft. Kann mir das mal bei Gelegenheit wer erklären?

Hilpold schließt sein “Vorausgeschickt” mit der Diagnose, dass sowohl rechter als auch linker Populismus nichts als Scherben hinterlasse. Er vergisst wie alle anderen auch jedoch darauf hinzuweisen, dass es die vermeintlich “Seriösen” und die Etablierten waren, die uns den größten wirtschaftlichen Scherbenhaufen seit 75 Jahren überhaupt eingebrockt haben.

Und natürlich darf am Ende eben auch die obligate Gleichstellung von links und rechts nicht fehlen. Rechtsradikalismus ist böse. Linksradikalismus aber auch. Auf gewaltbereiten Extremismus mag das vielleicht zutreffen, aber zwischen demokratischem Rechtsradikalismus und demokratischem Linksradikalismus (bzw. Populismus) besteht ein gravierender qualitativer Unterschied. Rechtsradikalismus geht von einem homogenen “Volkskörper” und somit von angeborenen Qualitäten aus, die eine Ungleichbehandlung und Superiorität rechtfertigen. Er richtet sich gegen Menschen, gegen das Fremde, gegen die Feinde von außen. Linksradikalismus tut das nicht. Seine Feinde sind bekehrbar, denn er richtet sich gegen ein System, nicht gegen Menschen.

Pflichtlektüre
Stephan Schulmeister: Der Weg in die Depression
Constantin Seibt: Die gefährlichste Idee Europas

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