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Der Prophet und die Rindviecher.

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“Je suis Charlie”. “Ich bin nicht Charlie”. “Helden der Meinungsfreiheit”. “Selber schuld”. Mannigfaltig waren die Reaktionen auf die abscheuliche Terrorwelle mit 17 Toten in Frankreich. Übrigens weit weniger mannigfaltig waren die Reaktionen auf ein Massaker der Boko Haram mit geschätzten 2000 Opfern, das nahezu zeitgleich in Nigeria stattfand. Aber das nur am Rande.

Stutzig wurde ich hingegen, als Yussif al-Qaradawi, Präsident des Weltverbandes der muslimischen Religionsgelehrten, in seiner Reaktion auf die neuerliche Veröffentlichung einer Mohammed-Karikatur in der “Ausgabe der Überlebenden” von Charlie Hebdo das Wort Logik in den Mund nahm. “Das ist weder sinnvoll, noch logisch, noch klug”, meinte der in Katar ansässige ägyptischstämmige Prediger.

Sogleich schossen mir einige Gedanken zu Sinn, Logik und Klugheit durch den Kopf:

Das Prinzip der Meinungsfreiheit ist die Voraussetzung, dass es überhaupt Religionsfreiheit gibt. Letztere ist somit ein Resultat der Meinungsfreiheit. Die Regeln, die für eine Religion gelten, können daher nicht auf alle übertragen werden. Das Resultat kann nicht seine eigene Voraussetzung ummanteln. Das wäre nämlich unlogisch.

Wenn ich Religionsfreiheit für mich einfordere, heißt das nicht nur, dass ich meine Religion frei ausüben darf, sondern dass ich akzeptieren muss, dass meine religiösen Regeln für andere nicht gelten. Anknüpfend an meine Eingangsthese könnte man folgende Analogie bemühen: Wenn Muslime sich beleidigt fühlen wenn ein Christ/Jude/Atheist Mohammed darstellt und sie bisweilen sogar dessen Tod fordern, dann könnte doch ein Hindu genauso gut den Tod eines jeden Moslems fordern, der Rindfleisch isst. Die Kuh wird in der Veda, einem der wichtigsten religösen Texte der Hindus, als Gottheit beschrieben. Das Töten und Verzehren einer Kuh, eines göttlichen Wesens, ist somit Blasphemie.

Das Darstellungsverbot des Propheten lässt sich überdies meines Wissens nicht einmal durch den Koran legitimieren. Was einigermaßen außergewöhnlich ist, denn normalerweise kann man mit heiligen Schriften so ziemlich alles rechtfertigen. Das Verbot ist vielmehr das Ergebnis einer kulturhistorischen Entwicklung. Es gibt nämlich sogar Mohammend-Darstellungen auf Kunstwerken aus der muslimischen Welt – freilich nicht so provokativ, wie jene in Charlie Hebdo. Einer Usance also eine derartig hohe Bedeutung beizumessen, ist auch nicht gerade logisch.

Und wie logisch ist es, dass ein allmächtiges Wesen überhaupt durch die Aktionen unwürdiger sündiger Menschen beleidigt werden kann bzw. es der Unwürdigen und Sündigen bedarf, einen Propheten oder eine Gottheit zu verteidigen oder gar zu rächen. Was für eine Anmaßung. Zumindest Letzteres haben die Gelehrten der Al-Azhar-Universität in Kairo erkannt:

Der Prophet ist zu erhaben, um durch diese hasserfüllte Frivolität Schaden zu erleiden.



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Comentârs

8 responses to “Der Prophet und die Rindviecher.”

  1. ProEuregio avatar
    ProEuregio

    … ob das jetzt mit dem Verteidigen der Meinungsfreiheit zu tun hat, wenn der Leitsatz lautet “jetzt erst recht” …? – Und dass dabei Menschenopfer “einkalkuliert” werden, – mir wird wirklich langsam schlecht !

  2. Kompatscher avatar
    Kompatscher

    Ich kann dieses Geschwafel, man muss auf die muslimische Welt Rücksicht nehmen ecc. nicht mehr hören.
    Unsere Eltern haben nach dem zweiten Weltkrieg unter der italienischen Herrschaft wirklich gelitten und hatten meiner Ansicht nach das Recht sich durch Gewalt zu wehren, weil die demokratischen Mittel nicht funktioniert haben. Und wenn man dann noch weiss, dass unter diesen Umständen versucht wurde unter allen Umständen Menschenopfer zu vermeiden, stehen Karikaturen wie immer man zu ihnen stehen mag, in keinem Verhältnis dazu.
    Es wird keiner gezwungen diese Karikaturen anzusehen oder gar zu kaufen. Wenn man sich schon rächen will, kann man das tun indem man den westlichen Lebensstiel verunglimpft, aber um das zu tun fehlt diesen Leuten wohl die Intelligenz dazu. Gewalt ist in diesem Fall ohne Wenn und Aber absolut inakzeptabel.

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