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L’autonomia oggi e domani.

Venerdì 20 gennaio alle ore 10.30 al primo piano del Kolpinghaus sarà presentato il libro

La nostra autonomia oggi e domani
Proposte per il terzo Statuto del Trentino-Alto Adige/Sudtirolo

a cura di Thomas Benedikter ed edito da Politis (ISBN: 978-88-88203-66-9). Ospite speciale della mattinata sarà l’ex senatore Oskar Peterlini.

Come si potrebbe ampliare l’autonomia? Ci sono alternative alla proporzionale? Abbiamo bisogno di una scuola bilingue? La “concordanza etnica” nel governo provinciale potrebbe essere rafforzata? Quali nuovi diritti di partecipazione diretta dei cittadini andrebbero inseriti nello Statuto? Questi e altri aspetti centrali della nostra autonomia vengono ripresi nell’ultima pubblicazione di POLITiS che sarà presentata il 20 gennaio 2017, esattamente 45 anni dopo l’entrata in vigore del 2° Statuto di autonomia, in presenza dell’ex-senatore Oskar Peterlini.

La riforma dello Statuto del 1972 viene discussa da parecchio tempo, da un anno anche all’interno di un processo partecipativo, cioè della “Convenzione sull’autonomia”: per la prima volta la cittadinanza è chiamata a collaborare affiancandosi alla rappresentanza politica e ad esperti nell’elaborazione di questo importante progetto politico per la nostra società. Questo invito POLITiS certamente non ha voluto declinare.

Le nostre proposte hanno un obiettivo preciso: quello di potenziare l’autogoverno conferendo alla Provincia maggiori responsabilità  politiche. Il Sudtirolo/Alto Adige è ormai maturo per un grado più avanzato di autonomia: non soltanto nei confronti di Roma, ma anche di Trento e di Bruxelles. I tre gruppi linguistici potrebbero avere più spazi nell’autogestirsi, gli organi democratici sarebbero rafforzati e i cittadini avrebbero un ruolo più forte nella democrazia locale.

Il volume analizza gli aspetti centrali dell’autonomia: dalla gamma di competenze alla parità delle lingue, dalla proporzionale alla scuola, dalle finanze alla politica economica. Inoltre si presentano proposte per garantire più equità sociale, concordanza etnica e partecipazione democratica all’interno del sistema della nostra autonomia. Il volume è arricchito con dieci interviste e contributi di politici ed esperte di varia estrazione politica.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Das SVP-Vademecum zur Verfassungsreform.
Verfassungsreferendum 8/10

Gegendarstellung zum Vademecum der SVP zum Verfassungsreferendum vom 4. Dezember (Abschnitt “Abschließende Bewertung”.

von Thomas Benedikter, Oskar Peterlini, Thomas Vaglietti

Im Zuge der Debatte um die Verfassungsreform hat die SVP ein Dokument herausgegeben, das auf zwölf Seiten die Reform erläutert und dazu abschließend Stellung bezieht. Das Dokument bestreitet nicht, dass diese Reform eine Reihe von Schwachpunkten und Ungereimtheiten enthält und insbesondere Titel V der Verfassung stark zentralistisch ausgerichtet ist. Wenn sich Wahlberechtigte der Normalregionen dagegen wehren, sei dies “nachvollziehbar”. Bei den Wahlberechtigten der Regionen mit Sonderstatut sei dies anders. Die Begründung dafür lässt allerdings schwerwiegende Zweifel offen. Unser “Bürgerkomitee fürs NEIN” betrachtet die Schlussfolgerungen dieses Vademecums als nicht haltbar, weshalb wir hier auf diese zehn Punkte kurz eingehen.

  1. “Neuer Titel V bezieht sich nicht auf Sonderautonomien.”

Die Sonderautonomien müssen sich aber an diese Verfassungsbestimmungen in nächster Zeit im Zuge einer Revision ihrer Statuten anpassen. Im Verfassungstext heißt es zwar “revidieren”, aber der Verfassungsgeber geht damit klar davon aus, dass eine Anpassung zu erfolgen hat. Sie werden nicht auf Dauer von der Wirkung und Geltung des Titel V der Verfassung ausgeklammert. Es gibt nicht auf Dauer zwei Verfassungen, eine für die Normalregionen und eine für die Sonderregionen. Dafür wird auf jeden Fall der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sorgen.

  1. “Mit der vorliegenden Reform werden die Sonderautonomien sogar gestärkt.

Wo bitte genau? Es gibt bloß eine temporäre Übergangsklausel, optimistisch “Schutzklausel” genannt, die diese Regionen zur Revision der Statuten treibt. Sonst wendet der VfGH die aus der Reform abzuleitenden Prinzipien an und Regionalautonomie wird allgemein eingeschränkt. Nach 2001 erfolgte es so, obwohl es eine eher föderale Reform war. Die neuen Prinzipien hingegen geben dem VfGH alle Instrumente zur Einschränkung in die Hand. Auch verschwinden alle Zuständigkeiten, die Südtirol dank der Besserstellungsklausel von 2001 erhalten hat (ca. zwanzig wichtige Bereiche von der Energie, den strategischen Infrastrukturen, dem Außenhandel, der Universität, bis zu den Zusatzrenten). Die Möglichkeit, neue Zuständigkeiten über das enge Korsett des Art. 116, Abs. 3, zu erhalten, hängt von einem erschwerten Staatsgesetz mit hohen Mehrheiten ab, das beim derzeitigen Neid in weiter Ferne liegt. Außerdem wurde dieser Absatz durch das Wegfallen der konkurrierenden Zuständigkeiten so eingegrenzt, dass für Südtirol kaum wesentliche Zusatzbefugnisse herausschauen. Die Sonderregionen werden auch explizit dem Art. 120 Verfassung (Ersatzvornahme des Staates) unterworfen, was bisher zwar so ausgelegt wurde, aber mit der Reform 2016 erstmals in Verfassungsrang gehoben wird. Die alte Verfassung gilt insofern nicht mehr, als neue Zuständigkeiten schon wieder zurückgenommen oder vom VfGH relativiert worden sind.

  1. “Erstmals seit 1948 ist das Einvernehmen, also ein Vetorecht der Autonomen Regionen, bei dieser Revision verankert.”

Eine glatte Falschbehauptung, denn genau dies ist in der vorliegenden Reform nicht vorgesehen. Es gibt kein Vetorecht wie etwa im Verfassungsreformentwurf der Regierung Berlusconi 2005. Wenn kein Einvernehmen erzielt werden kann, entscheidet das Parlament über unser Autonomiestatut. Das gibt sogar Unterstaatssekretär Bressa zu, der sich darum bemühen will, dass am Ende das Parlament nur mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann. Dafür bräuchte es ein neues Verfassungsgesetz, sonst erfolgt die Parlamentsentscheidung mit absoluter Mehrheit.

  1. “Aufgrund des Einvernehmens wird es möglich sein, das Ergebnis des Autonomiekonvents im Parlament einzubringen und zu diskutieren, ohne Risiko, dass das Parlament einseitige Abänderung vornimmt.

Bisher wurden seitens der Parlamentarier zwar Änderungen vorgelegt, aber auf deren Behandlung wurde nicht gedrängt, weil die Gefahr einer einseitigen Abänderung durch das Parlament bestand. Die derzeitige so genannte “Schutzklausel” bietet aber genau diesbezüglich keinen Schutz. Bei der Behandlung des Verfassungsgesetzes zur Änderung des Autonomiestatutes können Änderungen im Parlament nicht verhindert werden, solange man nicht ein Vetorecht (wie 2005 mit Berlusconi und 2006 mit Prodi) vorsieht. Die Möglichkeit, Entwürfe vorzuschlagen, war auch bisher gegeben (Vorschläge des Landtags, Initiative des Regionalrats), insofern diese überhaupt vom Regionalrat übernommen und im Parlament eingebracht werden. Diese Möglichkeit wird auch von Südtiroler und Trentiner Parlamentariern mit Verfassungsgesetzentwürfen (Nr. 32/2013 Zeller/Berger, Nr. 56/2013 Alfreider et. al., Nr. 2220/2016 Palermo/Zeller et al.) in Anspruch genommen, aber eine Behandlung erfolgte bisher noch nicht.

  1. “Die völkerrechtlichen Garantien bleiben aufrecht, zusätzlich wird eine innerstaatliche Sicherung eingebaut.”

Durch die Verfassungsreform ändert sich nichts am Völkerrecht, aber auch nicht durch die Ablehnung dieser misslungenen Reform. Eine innerstaatliche Sicherung besteht nur temporär, dann müssen sich die autonomen Regionen auch an die neue Verfassung anpassen. Das permanente Vetorecht (Pflicht zum Einvernehmen, Recht auf Ablehnung durch den Landtag) ist eben nicht verankert worden. Das Völkerrecht ist der letzte Anker. Denken wir daran, dass es von 1946 bis zur Streitbeilegung vor der UNO 1992 fast ein halbes Jahrhundert gedauert hat, bis der Pariser Vertrag einigermaßen zufriedenstellend erfüllt wurde. Eine starke innerstaatliche Schutzklausel würde sofort wirken, aber genau das fehlt in der derzeitigen schwammigen Formulierung.

  1. “Mit der Anwendung des Art. 116, Abs. 3, wird ein erleichtertes Verfahren für die Übertragung von wichtigen Kompetenzen wie jene für den Umweltschutz geschaffen.”

Falsch. Es werden nur sehr wenige übertragbare Kompetenzen aufgelistet, die Südtirol zum Großteil schon hat. Diese Kompetenzen können nur vom Staat mit erschwerter Mehrheit im Parlament übertragen werden, bei der politischen Großwetterlage gegenüber den Sonderstatutsregionen fast unmöglich. Dabei werden sie damit aber nicht im Autonomiestatut permanent verankert. Es gibt keine Bestimmung, die explizit den Regionen mit Sonderstatut das Recht auf freie Weiterentwicklung ihrer Autonomie einräumt.

  1. “Die beiden autonomen Provinzen sind mit jeweils zwei Senatoren proportional stärker als bisher vertreten.”

Dies ist ein Privileg, das wegen des Prinzips der Gleichheit der Stimmen und damit der proportionalen Vertretung der Regionen im Senat vor dem VfGH angefochten werden kann. Die Polemik ist schon entbrannt und hat den Neid gegenüber den autonomen Regionen noch mehr geschürt. Dabei hat man den Eindruck, dass es mehr um die Posten als um den Schutz Südtirols ging. Gleich ob ein oder zwei Senatoren: Ihre bloße Zahl kann die zahlreichen Nachteile in der Konstruktion des neuen Senats nicht wettmachen. Aufgrund seiner Zusammensetzung wird der Senat den Autonomen Regionen eher feindlich gegenüberstehen und als Vertretung geschwächter Regionen keinen wesentlichen Erweiterungen der Sonderautonomien zustimmen. Doch gerade dafür braucht es die Mehrheit des Senats, weil er auch für Verfassungsgesetze (einschl. Autonomiestatuten) zuständig ist. Der Gesamtkontext wird zentralistischer, damit auch der Senat. Die voraussichtlich acht Senatoren der Sonderstatutsregionen können nicht dagegen halten.

  1. “Es ist angesichts der negativen Grundstimmung im Parlament gegen die Sonderregionen bei einer Ablehnung der Reform absehbar, dass bei der nächsten Verfassungsreform die Abschaffung der Sonderregionen thematisiert wird.”

Dies kann für Südtirol ohnehin nicht greifen, denn wozu haben wir dann die völkerrechtliche Absicherung? Für Südtirol (und das Trentino) wäre dies Anlass für die Anrufung des IGH und neuen internationalen Streit zwischen Österreich und Italien. Die reale Gefahr ergibt sich aus der schleichenden Aushöhlung der Autonomie durch einen zentralistischen Staat, dessen Instrumente mit der Suprematieklausel geschärft werden. Bei einer scheibchenweisen Aushöhlung hingegen kräht kein Hahn auf internationaler Ebene. Im Übrigen ist es eine Aufgabe der Südtiroler Politik, sich gegenüber Rom mit dem demokratischen Rückhalt der Südtiroler Bevölkerung nach Kräften für die optimale Lösung bei der Autonomie und für einen weiteren Ausbau einzusetzen, anstatt Schreckgespenster an die Wand zu malen.

  1. “Die parlamentarische Vertretung der Sonderautonomien ist bei der nächsten Reform fraglich”.

Woher wollen die Verfasser des Vademecums das wissen? Das Klima ist auch deshalb vergiftet, weil die Kluft zwischen Sonderregionen und Normalregionen immer größer wird und wir als Privilegierte dastehen, auch wenn es nicht der Fall ist. Wenn die Reform fällt, dann gerade aus berechtigten Gründen: Ablehnung des Zentralismus, Ablehnung der Suprematie des Staates, Ablehnung des damit indirekt verquickten Wahlgesetzes Italicum, das kombiniert mit der Verfassungsreform die Macht in Rom in wenigen Händen konzentriert, Widerstand gegen diesen neuen Senat mit unzureichender Senkung der Politikkosten und Rückbau demokratischer Kontrollrechte. Genau die Ablehnung der Reform schafft Freiraum und Verhandlungsspielraum für mehr Regionenrechte und Autonomie.

  1. “Wer mit NEIN stimmt, spricht sich nicht nur für die Beibehaltung der derzeitigen Verfassung aus, sondern auch gegen die Schutzklausel.”

Eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung und eine glatte Unterstellung. Wer mit NEIN stimmt, spricht sich für eine andere und bessere Verfassungsreform aus und überträgt diese Aufgabe dem Parlament, vor allem einem dazu vom Wähler legitimierten Parlament. Das NEIN richtet sich nicht gegen die Schutzklausel, die das Mindestmaß an Absicherung darstellt, sondern bringt zum Ausdruck: Das ist zu schwach und viel zu wenig. Es hängt ganz von der demokratischen Mobilisierung der Bevölkerung in den Regionen ab, wieviel an Regionalismus erhalten oder dazugewonnen werden kann.

Wer mit NEIN stimmt, stimmt gegen eine Übergangsklausel, die schlechter ist als jene Schutzklausel, die sogar mit der Berlusconi-Regierung ausgehandelt wurde, gegen eine Übergangsbestimmung, die keine Sicherheit bietet, dem Landtag kein Vetorecht gegen einseitige Änderungen des Autonomiestatutes einräumt, unsere Autonomie der Willkür des Parlamentes aussetzt. Derentwegen kann man unmöglich in Kauf nehmen, für die Zentralisierung des Staates zu stimmen. Mit dieser Haltung begeht die SVP einen sehr schwerwiegenden Fehler. Man stelle sich vor, Italien stimmt gegen die Reform, so wie es derzeit laut Umfragen aussieht, und Südtirol stimmt für die Zentralisierung des Staates. Ein historischer Fehler für ein autonomes Land und seine ethnischen Minderheiten.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Die Schutzklausel: Offene Fragen.
Verfassungsreferendum (4/10)

SVP, PD und andere “Komitees fürs JA” beim Verfassungsreferendum vom 4. Dezember 2016 rechtfertigen das JA vor allem mit dieser famosen Klausel (Verfassungsgesetz Renzi-Boschi, Art. 39, P.13). Welche Logik steckt hinter dieser Klausel, die angeblich das Machwerk für Südtirol akzeptabel sein ließe?

Diese Übergangsbestimmung soll dem Staat und den fünf Regionen mit Sonderstatut ausreichend Zeit geben, um ihre Statuten einvernehmlich an die neue Verfassung anzupassen, auch wenn das etwas vornehmer mit “Überarbeitung der Statuten” (revisione) bezeichnet wird. Die zentralistischen Bestimmungen des neu gefassten Abschnitt V der Verfassung sollten nur insofern angewandt werden, als die betroffenen Regionen einverstanden sind. So z.B. wird zu klären sein, ob die neue Suprematieklausel im Sinne eines übergeordneten Verfassungsprinzips auch auf Südtirol angewandt wird. Man wird weiters klären müssen, ob die Kategorie der konkurrierenden Zuständigkeiten auch für die autonomen Regionen abgeschafft wird und ob der Staat solche an sich zieht. Die Schutzklausel gewährt einen Aufschub, aber keine Sicherheit, dass es zu einem positiven Arrangement mit Rom kommt.

Wie wird dieses Einvernehmen zwischen den autonomen Regionen und dem Staat hergestellt? Ideal für Südtirol wäre eine “intesa forte”, was einem Vetorecht Bozens und Trients gleichkäme, d.h. wenn man sich nicht einigt, bliebe alles beim Alten. Alles deutet aber darauf hin, dass es sich um eine “intesa debole” handelt, wie Florian Kronbichler und Riccardo Dello Sbarba bei einer Info-Veranstaltung der Grünen am 19. September in Bozen ausgeführt haben. Dieses Einvernehmen könne nämlich keinesfalls das Parlament in seiner Souveränität binden. Das Verfahren zur Erzielung des Einvernehmens müsse allerdings per Verfassungsgesetz festgelegt werden. Gemäß einer Vorlage des “tavolo Bressa” würde zunächst die Reform des Autonomiestatuts im Parlament beschlossen und dem Regionalrat und den beiden Landtagen zur Begutachtung binnen drei Monaten zugeleitet. Wenn diese ihr Einverständnis nicht abgäben, würde eine Art Vermittlungsausschuss eingesetzt, bestehend aus vier Parlamentariern und vier Vertretern Trentino-Südtirols. Wenn kein Kompromiss gefunden würde, kehrte die Vorlage fürs neue Statut ins Parlament zurück und könnte dort mit 2/3-Mehrheit dennoch beschlossen werden. Das Parlament hat somit das letzte Wort. Das mag für Sizilien gut gehen, hieß es, keinesfalls für die “regione specialissima” Südtirol (am Rande bemerkt: bei all diesen Verhandlungen spielt der mit Landesgesetz eingesetzte Autonomiekonvent überhaupt keine Rolle). So pochten die Südtiroler Vertreter angeblich am “Bressa-Tisch” auf ein Vetorecht. Dies würde das letzte Wort den Trentinern und Südtirolern belassen, andernfalls bliebe beim Statut einfach alles beim Alten.

Auch wenn im besten Fall ein Vetorecht durchgesetzt werden könnte, wäre das Problem überhaupt nicht gelöst, denn Südtirol ist auf einen Ausbau der Autonomie eingestimmt, nicht bloß auf eine einvernehmliche Anpassung an eine zentralistischere Verfassung. Die Bevölkerung erwartet sich zu Recht einen Schritt nach vorn, nicht bloß einen teilweisen Schutz gegen Eingriffe Roms, also einen “Schwimmreifen mit Löchern”, wie Oskar Peterlini die Schutzklausel nennt. So werden eine Reihe von erstaunlichen Fehlleistungen in der konkreten Autonomiepolitik der letzten Jahre erkennbar:

  1. Warum sind die positiven Neuerungen der Verfassungsreform von 2001 nie im Autonomiestatut festgeschrieben worden? Zumindest die Zeit der Prodi-Regierung 2006-2008 hätte dafür die Gelegenheit geboten.
  2. Warum ist hier ein Autonomiekonvent erst 2016 gestartet worden, obwohl die autonomen Regionen Friaul-Julisch Venetien und Aostatal dasselbe schon 10 Jahre früher abgeschlossen haben?
  3. Warum hat die SVP beim Verfassungsreferendum 2006 dagegengestimmt, obwohl diese von Berlusconi und Bossi ausgehandelte Reform mehr “devolution” und ein klares Vetorecht der Landtage bei einseitiger Abänderung des Statuts durchs Parlament enthielt?
  4. Warum haben die Vertreter der “regione specialissima” in der Verhandlung zur Schutzklausel nicht den Einbau des Vetorechts sofort geltend gemacht? Eine Übergangsbestimmung zur Anpassung an die neue Verfassung hätten die großen autonomen Regionen ohnehin durchgesetzt, ein Vetorecht Bozens und Trients war ja schon früher auf dem Tisch und hätte die Sonderrolle Südtirols verankert.
  5. Warum haben nicht alle autonomen Regionen im Rahmen der Verfassungsreform eine explizite Ausnahme vom Suprematieprinzip erwirkt, die das nationale Interesse wiedereinführt?
  6. Warum hat die SVP (mit den Trentinern) erst am 28. Jänner 2016 mit VerfGE Nr. 2220 den Anspruch erhoben, dass alle konkurrierenden Zuständigkeiten der Region und der Länder zu primären erhoben werden? Gerade mit einem Junktim zur SVP-Zustimmung zur Verfassung hätte der Entwurf mehr Chancen gehabt.
  7. Seit 15. März 2013 liegt der VerfGE Nr. 32 von Zeller und Berger zur Einführung der Vollautonomie (Gesamtrevision des Statuts) im Parlament. Warum hat die SVP dies nie zur Auflage ihrer Koalition mit dem PD gemacht?

Ohne Zweifel ist die Schutzklausel, mit der heute Kompatscher, Zeller und Achammer den Südtirolern die Renzi-Verfassungsreform schmackhaft machen wollen, zu wenig und zu schwach. Das wird auch dadurch ersichtlich, dass Bressa, Zeller, Rossi usw. schon eine Überarbeitung der Schutzklausel andenken (vgl. A. Adige vom 23.9.2016), was natürlich nicht mehr vor dem Referendum vom 4. Dezember erfolgen kann. Man hat in der Brennerstraße nicht nur die Felle zu billig verkauft, sondern macht auch eine strategische Fehleinschätzung. Die neue Verfassung in Verbindung mit dem Italicum verschlechtert nämlich ganz klar die Rahmenbedingungen im Gesamtsystem. So wird der von geschwächten Regionenvertretern dominierte Senat nie einer echter Erweiterung der Südtirol-Autonomie Richtung “Vollautonomie” zustimmen, abgesehen davon, dass die Autonomiegruppe in der neuen Kammer kein Gewicht mehr haben wird.

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Autorinnen und Gastbeiträge

Was bringt die Schutzklausel?
Verfassungsreferendum (3/10)

Die sogenannte Schutzklausel ist der einzige Trumpf, den die SVP ausspielt, um ihr JA zur Verfassungsreform zu begründen. 2006, als die damalige Rechtsregierung eine Verfassungsreform vorlegte, welche etwas mehr Regionenrechte, eine stärkere Position des Regierungschefs und für Südtirol ein Vetorecht gegen Abänderungen des Autonomiestatuts zum Referendum brachte, sagten SVP und PD dezidiert NEIN. Heute, wo der PD mehr Zentralismus und Demokratieabbau mit geschwächten Regionen und einem hybriden Senat bietet, ruft die SVP zum JA beim Referendum auf. Da muss für Südtirol schon eine gewichtige Gegenleistung erreicht worden sein. Dem ist aber nicht so.

Eine echte und obendrein völkerrechtlich abgesicherte Autonomie braucht einen permanenten Schutz vor einseitigen Eingriffen des Zentralstaats, am besten über ein Vetorecht des Landtags, weil demokratisch am besten legitimiert. Daneben braucht eine autonome Region ein klares Recht, ihre Autonomie demokratisch weiterzuentwickeln: Wenn Südtirol einhellig eine Abänderung seiner Landesverfassung (Autonomiestatut) wünscht, die den Rest Italiens nicht stört, sollte es dies eigenständig einleiten und durch das Parlament ratifizieren lassen können. Es ist einer Autonomie und eines demokratischen Regionalstaats unwürdig, ständig um Schutz kämpfen zu müssen.

Die heutige, “Schutzklausel” genannte Übergangsbestimmung leistet das nicht. Sie legt bloß die erfolgte Reform der Staat-Regionen-Beziehung (Abschnitt V der Verf.) für die fünf Regionen mit Sonderstatut aufs Eis. Dann müssen sich die Sonderautonomien aufgrund von Übereinkommen (intese) mit Rom in kurzer Zeit anpassen. “Es handelt sich laut herrschender Rechtslehre”, führt Senator a.D. Oskar Peterlini dazu aus, “um ein sog. schwaches Einvernehmen und um kein Vetorecht der Autonomien.” Über diese “intesa” entscheidet letztendlich das Parlament und im Zweifelsfall der Verfassungsgerichtshof (VfGH), der schon die Reform von 2001 zentralistisch ausgelegt hat. Diese Klausel ist nicht nur zu wenig, weil sie z.B. Südtirol nicht dauerhaft vor den negativen Auswirkungen der Renzi-Verfassungsreform schützt, sie ist auch zu schwach: so lässt sie für die Zeit nach der Anpassung des Statuts kaum Spielraum für die Weiterentwicklung der Autonomie.

Zudem ist diese Übergangsbestimmung, entgegen der Darstellung von LH Kompatscher und Senator Zeller, der schwächste Schutz unter den bisher erreichten. Wie Oskar Peterlini nachweist, hatte nicht nur die Verfassungsreform von Berlusconi-Fini-Bossi eine Schutzbestimmung erhalten, die jede Änderung vom Einvernehmen zwischen Staat und Land abhängig machte, sondern auch die Verfassungsänderung der Regierung Prodi von 2001. Wesentlich war damals — so Peterlini — dass die damaligen Klauseln ein Vetorecht der Landtage und des Regionalrats vorsahen. Mit 2/3-Mehrheit hätte der Landtag eine Abänderung des Statuts durch das Parlament blockieren können. Die damalige Pflicht zum Einvernehmen wäre als permanente Norm, nicht bloß als Übergangsnorm eingeführt worden. Jetzt gilt die Schutzklausel, und zwar nur bis zur ersten Revision des Statuts. Dann tritt die stark einengende Bestimmung gemäß Art. 116, Abs. 3 Verf. in Kraft, und zwar explizit auch für alle Regionen und Provinzen mit Sonderstatut: Sie könnten ihre Autonomie nur mehr in Bereichen weiterentwickeln, die für Südtirol völlig uninteressant sind. Das ist Verfassungstext.

Im Unterschied zur Verfassungsreform von Prodi 2001 und zu der am Referendum gescheiterten Reform von Berlusconi 2006 sieht die jetzige Reform auch keine Besserstellungsklausel für Südtirol vor. 2001 gab es einige Bereiche, in welchen die autonomen Regionen automatisch mit den Normalregionen gleichziehen konnten, also mit ihnen “bessergestellt” wurden. Mit der Renzi-Reform von 2016 werden die Normalregionen bekanntlich stark entmachtet, mit einer Ausnahme: Die konfliktträchtige konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis der Regionen entfällt. Warum wurde diese Neuerung nicht automatisch für die autonomen Regionen übernommen? Warum müssen die Parlamentarier jetzt in Rom kämpfen, dass über ein eigenes Verfassungsgesetz (Nr. 2220 vom 28.1.2016) die sekundären Zuständigkeiten zu primären erhoben werden?

Die vorliegende Übergangsnorm — Schutzklausel genannt — ist die schwächste, die bisher in Rom erzielt wurde. Sie ist auch zu wenig, weil Südtirol im Rahmen dieser Renzi-Verfassungsreform sofort ein permanentes Vetorecht und eine Ausnahmeklausel vom Suprematieprinzip hätte erreichen müssen. Mir ist etwas rätselhaft, warum die SVP ihre Felle in Rom so billig verkauft hat. Zudem sitzt sie einer mittelfristig gefährlichen Fehleinschätzung auf: Eine temporäre Ausnahmebestimmung allein (“si salvi chi può”) kann nicht verhindern, dass der verfassungsrechtliche Gesamtkontext und damit die Rahmenbedingungen für regionale Autonomie sich wesentlich verschlechtern.

Serie I II III IV V VI VII VIII IX X

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Autorinnen und Gastbeiträge

Zentralisierung Gefahr für Autonomie.

von Oskar Peterlini

Das Gedenken an den Pariser Vertrag war ein äußerst unpassender Rahmen, um ohne Möglichkeit der Widerrede für die zentralistische Verfassungsrefom zu werben.

Die Verfassungsreform, die zu einer Zentralisierung des Staates führt und über die das Volk im November zu entscheiden habe, wirft ihre dunkle Schatten voraus. Die Veranstaltung zum 70-jährigen Gedenken an den Pariser Vertrag war hohem geschichtlichem Wert und hat die Schwächen und Stärken dieses Abkommens herausgestellt. Umso bedauerlicher ist es zu bezeichnen, dass sei es Außenminister Gentiloni als auch Landeshauptmann Kompatscher offen für die Verfassungsreform geworben und sie als große Opportunität für Südtirols Autonomie bezeichnet haben. Das ist eine schwerwiegende Verstellung der Tatsachen, zu der — angesichts des feierlichen Charakters — niemand Stellung nehmen konnte. Eine solche Äußerung darf aber nicht unwidersprochen im Raum stehen bleiben. Die Reform entmachtet die Regionen und zentralisiert die Macht in Rom. Auch die Sonderautonomien werden in ein enges Korsett gepresst. Die zaghafte Föderalisierung von 2001 wird rückgängig gemacht. Zwanzig Regionalkompetenzen gehen zurück an den Staat. Auch die Besserstellungen für Südtirol gehen verloren. Kombiniert mit dem neuen Wahlsystem, das einer einzigen Partei 55% der Sitze garantiert, handelt es sich um eine gefährliche Tendenz. Die als Schutzklausel bezeichnete Norm ist lediglich eine Übergangsbestimmung, die keinen echten Schutz bietet. Die Reform geht davon aus, dass auch die Sonderautonomien sich anpassen. Bei allen guten Beziehungen zu Südtirol, die man der Regierung Renzi zuerkennen kann, darf man nicht vergessen, dass Politiker kommen und gehen und eine Verfassung bleibt.

Es ist sehr bedauerlich, dass man den feierlichen Rahmen einer solchen Veranstaltung für solche Äußerungen missbraucht hat. Das Gedenken an den Pariser Vertrag war ein äußerst unpassender Zeitpunkt, um ohne Möglichkeit der Widerrede für eine zentralistische Verfassungsrefom zu werben, die der Autonomie noch gefährlich werden wird.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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Sammelgesetz vor Verfassungsgericht angefochten.

Die römische Zentralregierung hat wieder einmal ein Landesgesetz — bzw. Teile davon — angefochten. Diesmal handelt es sich um zwei Artikel eines sogenannten Sammelgesetzes ( LG 71/2016), die angeblich gegen die »Grundsätze der Rechtsordnung der Republik« verstoßen. Es handelt sich um Vorschriften bezüglich der Hausärzte (Dauer der Vertragsbindung) und der Betriebskontrollen.

Der Corriere berichtet in seiner Südtirolbeilage von letztem Sonntag, dass Karl Zeller (SVP) diese Anfechtung als ein unschönes Signal bezeichnet, da der Staat die Differenzen auf dem Verhandlungsweg hätte ausräumen können, anstatt den konfliktreichen Weg über das Verfassungsgericht zu wählen. Für die Landesregierung handle es sich dabei um eine »kalte Dusche«. Landeshauptmann Arno Kompatscher habe bereits Kontakt zur Zentralregierung aufgenommen, um den Weg vor das Verfassungsgericht zu vermeiden.

Wahrscheinlich läuft es auf einen erneuten Kniefall hinaus. Postfaschist Alessandro Urzì hatte ja schon Ende 2013 einen Vorschlag gemacht, wie man zentralstaatskonform — faktisch — auf die Autonomie verzichten könnte: Ungeachtet der eigenen Zuständigkeiten alle Landesgesetze präventiv mit der Zentralregierung verhandeln.

Hier (ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit) eine kleine Chronologie der Anfechtungen, Konflikte und Angriffe auf die Autonomie:

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Die »indirekte« Zentralisierung.

Alt-Senator Oskar Peterlini (SVP) war in letzter Zeit schon mehrmals medial in Erscheinung getreten, um die italienische Verfassungsreform und speziell auch ihre potenziellen Auswirkungen auf Südtirol zu kritisieren. Nun hat er im Internet einen kurzen Aufsatz veröffentlicht, in dem er die Reform analysiert.

Über die bereits früher zum Ausdruck gebrachten Zweifel hinaus beschreibt er darin auch, welche indirekten — aber nicht minder konkreten — Folgen die Rezentralisierung des italienischen Staates auf die Südtirolautonomie haben könnte.

Die Verfassungsreform von 2001 hatte bekanntlich zu einer zaghaften Stärkung der »gewöhnlichen« Regionen geführt. Um jedoch die autonomen Regionen und Länder nicht zu benachteiligen, war damals auch eine sogenannte »Besserstellungsklausel« eingeführt worden, die sicherstellen sollte, dass neue Zuständigkeiten für die 15 Regionen mit Normalstatut automatisch auch auf jene mit Sonderstatut übertragen würden.

Derartige neue Zuständigkeiten waren sozusagen eine indirekte Auswirkung des damals noch erstarkenden Regionalismus und wurden in der Regel nicht gesondert in das Südtiroler Autonomiestatut aufgenommen. Peterlini nennt hier

beispielsweise die Energie, die Regelung der Berufe, der Außenhandel, das Gesundheitswesen, des Personals [sic] der öffentlichen Verwaltungen, auch der Regionen und Gemeinden, oder die ergänzende Sozialvorsorge, mit der man das Zusatzrentensystem in der Region kräftigen konnte.

Nachdem die Regionen mit Normalstatut nun aufgrund der Renzi-Reform diese Zuständigkeiten wieder verlieren, gibt es auch keinen Grund, warum sie für Südtirol erhalten bleiben sollten. Wir hatten sie ja nur aufgrund der Besserstellungsklausel erhalten, weshalb auch die sogenannte Schutzklausel in der jetzigen Reform kaum etwas dagegen wird ausrichten können.

Natürlich könnte man argumentieren, dass man sich diese Kompetenzen möglicherweise durch die Autonomiereform wieder zurückholen könnte, doch das muss (gerade wenn man die extrem zentralistischen Tendenzen in Italien berücksichtigt) erst bewiesen werden. Schließlich warten wir schon seit Jahren auf die immer und immer wieder versprochene Wiederherstellung von Zuständigkeiten (wie etwa im Handelssektor), die durch Mario Monti gestrichen bzw. in Frage gestellt wurden. Angeblich autonomiefreundliche Regierungen wie die von Enrico Letta und Matteo Renzi haben bislang nichts Konkretes hervorgebracht.

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Absicherungen.
Quotation

In der Politik gibt es keine Garantie. […] Und von wegen endgültiger Absicherung, da braucht man sich nur das Finanzabkommen anzuschauen. […] Da von einer Absicherung zu reden, habe ich lächerlich gefunden, denn es handelt sich um kein Abkommen mit Österreich, sondern um einen Briefwechsel zwischen einem Ministerpräsidenten und einem Bundeskanzler. […] Aber fürs Zahlen brauchen wir eh keine Absicherung. Wir haben vielmehr statuarisch freiwillig verankert, fast eine Milliarde jährlich nach Rom abführen zu müssen. Der Staat kann die Summe erhöhen, wenn der Schuldenberg und Zinsen Italiens steigen. Und wenn wir vors Verfassungsgericht ziehen, dann geht es uns wie mit dem Mailänder Abkommen. Da haben wir fast alle Verfahren gewonnen und trotzdem keinen Cent gekriegt. […]

Aus dem Interview mit dem ehemaligen SVP-Senator Oskar Peterlini, Dolomiten, 14. Oktober 2015.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 | 1›

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