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›Nationales Interesse‹ gilt für uns, aber nicht für Normalregionen.
Autonomiereform

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Die von der SVP als großer Wurf gefeierte Autonomiereform wurde vorgestern von der italienischen Abgeordnetenkammer in erster Lesung ohne Gegenstimmen genehmigt. Mit ihr soll bekanntlich unter anderem die Schranke der »grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik« für die Ausübung der autonomen Gesetzgebungsbefugnisse abgeschafft werden. Aufrecht bleibt jedoch das Prinzip des »nationalen Interesses«, dem sich Südtirol und das Trentino weiterhin zu unterwerfen haben.

Wie Ex-Senator Oskar Peterlini (SVP) in Südtirols Autonomie – Rückbau, Instandhaltung — Ausbau? (Europa Ethnica 1-2/2025) schreibt, gilt diese Schranke allerdings für Normalregionen schon seit der Verfassungsreform von 2001 nicht mehr. Genauso wie der staatliche Gesetzgeber, müssen sie sich bei der Ausübung ihrer Befugnisse nur noch an die Verfassung, die EU-Rechtsordnung und an die internationalen Verpflichtungen halten.

Auch nach Genehmigung der Autonomiereform bleiben hingegen für Südtirol und Trentino — zusätzlich zu den drei Vorgaben, die für die Normalregionen gelten — zwei weitere Grenzen bestehen: Die Grundsätze der Rechtsordnung (also die Verfassung, aber auch alle »Kodexe«, Wahlgesetze, Amtsdauer der Organe) und das bereits genannte nationale Interesse.

Bleibt das Absurdum, dass für die Sonderregion zwei Grenzen mehr (Nationale Interessen und Grundsätze der Rechtsordnung) gelten als für die ordentlichen Regionen. Die Besserstellungsklausel (Art.10 Vf-Gesetz 3/2001), sieht zwar vor, dass bis zur Anpassung der Autonomiestatuten die weitergehenden Formen an Autonomie auch auf die Regionen mit Sonderstatut anzuwenden sind. Der Vf-GH hat aber im Zuge dessen die generelle Reduzierung der Grenzen für die Sonderegionen abgelehnt. Nur auf die neuen Befugnisse, die auch den ordentlichen Regionen zu­ stünden, könnten diese angewandt werden, für die anderen gelten die alten Grenzen (ex plurimis Urteile Nr. 536/2002, Nr. 29/2003, Nr. 48/2003; Nr. 321/2005, Nr. 227/2003).

– Oskar Peterlini in Europa Ethnica

Der Entwurf, den LH Arno Kompatscher (SVP) zu Verhandlungsbeginn der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni (FdI) überreicht hatte, enthielt noch die Forderung nach einer Angleichung der Gesetzgebungsschranken an die des Staates und der Normalregionen. Vielsagenderweise wurde dies jedoch von der Zentralregierung abgelehnt.

Während die »wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik« wegfallen werden, muss sich die angebliche Vorzeigeautonomie™ also auch weiterhin Prinzipien unterwerfen, die für andere nicht gelten. Das italienische Verfassungsgericht wird es wie immer zu Lasten der Autonomie zu nutzen wissen.

Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06



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Comentârs

2 responses to “›Nationales Interesse‹ gilt für uns, aber nicht für Normalregionen.
Autonomiereform

  1. Stuff avatar
    Stuff

    Für die einen sind/waren wir eine Herzensangelegenheit, für die anderen sind wir nationales Interesse.

  2. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Ich kann diese ganze Verwunderung über das rasche Durchwinken im Parlament nicht verstehen. Das italienische Parlament wäre ganz schön blöd gewesen, sich die Chance zu verbauen, weitere wertvolle Zeit zu bekommen, Südtirol weiter zu assimilieren. Mit dieser Reform werden Minderheitenrechte aufgeweicht oder nicht zurückgefordert, andere in der Reform enthaltene Errungenschaften wiegen die Verluste nicht auf. Und dies alles mit einer imagemäßig gelungenen scheinbaren Kehrtwende der Rechten hin zu echtem Minderheitenschutz.
    Aber: Nicht alles, was zuerst schlecht scheint, ist auch wirklich schlecht.
    Immerhin haben wir es mit diesem Verbleib des Nationalen Interesses und den Grundsätzen der Rechtsordnung praktisch amtlich, dass wir weiterhin eine Kolonie sind und nicht eine Provinz/Region auf Augenhöhe. Dem Geist des Pariser Vertrages widerspricht dies ganz eindeutig, in dem Südtirol eine Autonomie zugesichert wird, die den ethnischen Charakter und die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung schützt.
    Vielleicht hat uns Italien damit langfristig sogar einen Dienst erwiesen. Einigen helleren Köpfen in Südtirol könnten möglicherweise doch noch die Augen aufgehen.

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