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Bauern und Abendland gerettet.

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Wölfe dürfen abgeschossen werden und nur eine Wurscht aus Fleisch ist eine Wurscht

Fast alle Probleme gelöst. Wölfe dürfen endlich »entnommen«, also er/geschossen werden. Wahrscheinlich auch Bären, wenn sie frech werden. Denn für sie ist kein Platz auf den Almen. Und schon ist die Berglandwirtschaft aus dem Gröbsten. Das war zumindest die Botschaft der monatelangen landesweiten Kampagne.

Das Sahnehäubchen, selbstredend aus richtiger Milch, lieferte das Europaparlament. Während die USA in Kombi mit dem »Schurkenstaat« Katar — dort gab es nicht nur die umstrittene Fußball-WM, sondern dort gibt es auch Sklavenarbeit — einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas aushandelten, entschied das Europaparlament, aus was Wurst, Schnitzel und Milch — Simon frotzelte zurecht — zu bestehen haben.

Die verschiedenen Fraktionen rechts der Mitte entschieden, Bezeichnungen wie »Tofu-Wurst« und »Veggie-Burger« zu verbieten. Auch sozialdemokratische und liberale Abgeordnete unterstützten das Verbot. Ein Schnitzel darf künftig nicht mehr »veggie« sein. Und damit ist auch das fleischkonsumierende Abendland gerettet.

Begründet wurde dieser ideologisch aufgeladene fleischige Kulturkampf mit der abenteuerlichen These, Landwirte zu schützen. Denn pflanzliche Lebensmittelhersteller versuchten den guten Ruf tierischer Lebensmittel für die Vermarktung von Konkurrenzprodukten zu nutzen. Einfach nur Pfui.

Den Begriff »Fleisch« schützen?

Der Verband der deutschen Fleischwirtschaft forderte gar, die Bezeichnung Fleisch zu schützen. So als ob Verbraucher:innen nicht wüssten, dass »Veganes Seitan-Schnitzel« kein Fleisch-Schnitzel ist. Dann zieht nächstens die Wasserwirtschaft nach und verlangt den »Marken«-Schutz für Wasser, die Holzindustrie für Holz, usw. 

Die rechte Mitte und die radikale Rechte agieren wie Vormundschaften der Verbraucher:innen. Konservative und Rechtsradikale schreiben verbindlich fest, wie der Begriff Fleisch zu verwenden ist. Der SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann trat diesem Schwachsinn beherzt entgegen. Politik sollte dafür sorgen, zitiert die Tageszeitung Dorfmann, dass Konsumentinnen und Konsumenten ordentlich informiert werden.

Noch vor drei Jahren wetterte Dorfmann gegen die Hafermilch, die er als »abartig« abqualifizierte. Abartig deshalb, seine These, »wenn die Tirolwerbung Werbung für ein Produkt macht, das mit Tirol nichts zu tun hat«, also zu Lasten eines Tiroler Produktes geht.

Laut einer EU-Verordnung dürfen Begriffe wie »Milch«, »Sahne«, »Butter« oder »Käse« nur für Produkte verwendet werden, die aus tierischer Milch stammen. Eine Verordnung nicht gegen die Hafermilch, sondern um Betrüger auszubremsen, die Kalk und Mehl mit Wasser gemischt als Kuhmilch verkaufen wollten. Hafermilch ist Getreidemilch aus Saathafer.

Über diese Milch entbrannte auch ein handfester Streit. Hafermilch ist ungesund, warnten Social-Media-»Mediziner:innen«, Öko-Test befindet, Hafermilch sei ein guter Milchersatz für manche Allergiker. Wie auch immer, auch Hafermilch darf laut zitierter EU-Verordnung nicht als Milch bezeichnet werden.

Langer Kampf um Lebensmittel-Kennzeichnung

Stichwort »ordentlich informieren«, wie von Dorfmann angeregt. Letztendlich geht es doch darum, was auf dem Etikett draufsteht. Es geht um die Lebensmittelkennzeichnung. Verbraucherschützer führten einen langen Kampf um die Lebensmittelkennzeichnung, die seit 2014 in der EU gilt. Seit 2020 müssen vorverpackte Lebensmittel eine Herkunftskennzeichnung aufweisen.

Nicht von ungefähr hätte der EU-Rechnungshof vor einem Jahr die Lebensmittelkennzeichnung als oft irreführend kritisiert. So fehlen für die Aufschriften »vegan« und »vegetarisch« EU-weit verbindliche Definitionen, stellte der Rechnungshof fest. Lebensmitteletiketten schaffen nicht Klarheit, sondern Verwirrung, fanden die Prüfer des Rechnungshofes. »Es gibt hunderte verschiedene Kennzeichnungssysteme, Logos und Werbeversprechen, die die Käufer entschlüsseln müssen«, zitiert die Kleine Zeitung einen Mitarbeiter des Rechnungshofs.

Und auch bei den Vorschriften wurden Mängel ausgemacht: Produkte mit hohem Fett-, Zucker- oder Salzgehalt dürfen als »gesund« oder »nahrhaft« bezeichnet werden, beispielsweise zuckerhaltige Energieriegel als »High-Protein-Produkte«. Angaben zum Nährwert auf der Vorderseite von Verpackungen wie »Nutri-Score« oder »NutrInform« würden nicht in allen EU-Ländern genutzt, da sich keines der Systeme wirklich durchgesetzt habe, heißt es in dem Bericht.

In Deutschland war es 2019 die CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die die präzise Lebensmittelkennzeichnung — die Angabe der Nährwerte der Produkte — einbremste. Die Verbraucherorganisation Foodwatch warf ihr deshalb vor, mit der Lebensmittellobby zu kuscheln.

Es ist deshalb mehr als absurd, dass das Europaparlament pflanzliche Fleischbezeichnungen verbietet. Statt konkreten Verbraucher:innenschutz zu garantieren, schwenkten die europäischen Volksvertreter:innen auf eine ideologisch verseuchte Verbotspolitik ein.

Unantastbare Konzerne

Kürzlich richtete das ZDF seine Objektive auf die Nutella-Produktion von Ferrero. Ergebnis der Recherche, Ferrero betreibt ungeniert Greenwashing. Die Rohstoffe für Nutella, Haselnüsse, Kakao und Palmöl werden rücksichtslos produziert, abseits von Umweltauflagen und Arbeitsschutz.

Das liberal-konservative Magazin Focus kommentierte die ZDF-Rechercheergebnisse zutreffend: »Wenn es darum geht, die mächtige Fleischindustrie gegenüber Start-ups aus der Veggie-Szene zu unterstützen, steht Brüssel ganz vorn an der Theke. Anders sieht es aus, wenn es um wohlfeile Versprechen geht, die Industriekonzerne auf ihre Ware drucken. So wie Ferrero bei Nutella Plant-Based.«

Focus wirft Ferrero vor, ihre unter horrenden Bedingungen hergestellte Nutella mit schick klingenden verbraucherfreundlichen Formulierungen auf den Markt zu bringen. Focus fragt sich, ob das nicht die sehr viel größere Verbrauchertäuschung ist, als ein Tofu-Grillstängel als Veggie-Würstchen zu verkaufen? Doch in Brüssel wetzt man die Messer lieber weiter am Sojaschnitzel, als sich an den wirklich großen Brocken die Zähne auszubeißen.

Agrarindustrie bestimmt EU-Agrarpolitik

Die Agrarpolitik in Brüssel wird nicht für kleine und mittelständische bäuerliche Betriebe gestaltet, sondern für die Agrarindustrie. Dafür sorgen tausende Lobbyisten und die Landwirtschaftsvertreter aus den Mitgliedsländern. Deshalb sind die Nutznießer des Agrarbudgets, satte 300 Milliarden Euro für den Zeitraum 2028-2034, die landwirtschaftlichen Bigs.

Laut der Plattform FragdenStaat — ein Projekt zur Förderung der Informationsfreiheit — scheiden kleinere Betriebe aus der EU-Agrarförderung aus, die Großen profitieren, die Kleinen sterben. Denn der Grundsatz der Förderung lautet mehr Fläche, mehr Geld. Ein Großteil der Subventionen, dokumentiert die Seite Statista, »landet bei Großbetrieben, die selbige nicht zwingend nötig hätten«.

Das sind die Probleme, nicht die Wölfe und die Bären und auch nicht die »Tofu-Wurst« und der »Veggie-Burger«.

Cëla enghe:


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