In Südtirol sind nur 6,6 Prozent der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung gefährdet, ein Wert, der in keiner anderen Region der EU so niedrig ist. Diese von Eurostat veröffentlichte veröffentlichte Erkenntnis klingt ebenso gut, wie sie leider falsch und irreführend ist. Das europäische Statistikinstitut bemisst die Armutsgefährdung nämlich am staatsweiten Median des verfügbaren Äquivalenteinkommens. Einkommen, die nach Sozialtransfers unter 60 Prozent dieses staatsweiten Wertes liegen, gelten als armutsgefährdet.
Das mag in Staaten, wo die Einkommen einigermaßen homogen verteilt sind, noch recht gut funktionieren. In Italien, einem der Länder mit den größten regionalen Unterschieden in der gesamten EU, hat das aber wenig Sinn. Statistisch mag es durchaus zutreffen, dass in Südtirol nur wenige Prozent der Bevölkerung unter dem Schwellenwert liegen, der aufgrund des italienischen Medians berechnet wurde. Nur sagt dies auf Südtirol mit seinen viel höheren Lebenshaltungskosten bezogen nur sehr wenig aus. Möglicherweise sind Menschen hier auch mit 70 oder gar mit 80 Prozent des staatsweiten Äquivalenteinkommens noch armutsgefährdet — den genauen Wert müsste man erst berechnen.
Die Kehrseite derselben Medaille — und vermutlich eine Bestätigung für das, was ich hier behaupte — ist übrigens die Tatsache, dass Kalabrien (48,8%) und Kampanien (43,5%) zu den drei europäischen Regionen mit der höchsten Armutsgefährdung gehören. Auch das liegt daran, dass Wirtschaftskraft und Einkommen in Italien äußerst ungleich zwischen Nord und Süd verteilt sind und die Lebenshaltungskosten ebenfalls regional sehr stark variieren. Wie im Fall von Südtirol ist es daher auch für ärmere Regionen im Süden irreführend, sie an einer staatsweit festgelegten Armutsgefährdungsschwelle zu messen. Mit der sozioökonomischen Realität vor Ort hat das dann relativ wenig zu tun.
Natürlich schneidet Südtirol — am italienischen Wert gemessen — auch deutlich besser ab als etwa Nord- und Osttirol, die am höheren österreichischen Median gemessen werden.
Cëla enghe: 01
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