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Autorinnen und Gastbeiträge

SVP-FdI: Operation Weichspülen.
Teil 2

Es wächst zusammen, was nicht zusammengehört. SVP und Fratelli d’Italia. Wirklich nicht?

Das Unternehmen Athesia hat der SVP mit der Meloni-Wahlpropaganda den Hinweis gegeben, mit einem großen Zaunpfahl, wohin es nach den Landtagswahlen im Herbst gehen soll.

Wolkig äußerte sich dazu — ganz in diesem Sinn — Landeshauptmann Arno Kompatscher im Corriere della Sera.

Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen  […] Mit wem wir reden können, hängt dann auch vom Wahlverhalten der Bürger ab.

— LH Arno Kompatscher (SVP)

Vor fünf Jahren wurde die Lega zur stärksten italienischen Partei, laut SWZ-Umfrage werden aber die Fratelli die Lega ablösen. Die Italiener in Südtirol wählen meist nach dem gesamtstaatlichen Trend. Der liegt laut Umfragen für Fratelli d’Italia derzeit bei 30 Prozent der Stimmen.

Die Operation Weichspülen ist deshalb schon voll im Gange. Die SVP-Parlamentarier enthielten sich bei der Abstimmung über die Bildung der Regierung Meloni der Stimme. Meloni versprach, die angeknabberte Autonomie wieder herzustellen. Ein ernsthaftes Unterfangen? Als wohlwollend galt auch die Stimmenthaltung der SVP-Vertreter in der Sechserkommission, die damit die Wahl von Alessandro Urzì, gewählt im Kammerwahlkreis Vicenza, zum Präsidenten ermöglichten. Diese Kommission ist für den Ausbau der Autonomie zuständig.

Ohne sich mit dem zuständigen Landesrat abzusprechen, sicherte Landeshauptmann Arno Kompatscher dem Landtagsabgeordneten Marco Galateo von den Fratelli zu, den Ordnungs- und Streitkräften sowie den Bediensteten des Zivilschutzes Wohnungen billiger zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollen sie den öffentlichen Personennahverkehr kostenlos nutzen können. Warum dieses Privileg? Das hätte sich das Pflegepersonal wohl auch verdient.

Landesrat Massimo Bessone von der Lega fühlt sich zurecht übergangen, ist er doch für den Bau von vergünstigten Wohnungen zuständig. Vom Deal Kompatscher-Galateo erfuhr Bessone aus den Medien. Respektvoll ist das keineswegs. Der Mohr hat offensichtlich seine Schuldigkeit getan, um den großen englischen Literaten Shakespeare zu zitieren.

Galateo kann gleichzeitig beim Besuch des Südtirol-Ausschusses in Wien gegen die österreichische Schutzmacht poltern und deren Aufhebung fordern. Weil — ja weil Südtirol eine inneritalienische Angelegenheit sei. Der Widerspruch der Volkspartei blieb aus.

Wahrscheinlich wird die SVP den Wunsch von Galateo unterstützen, das faschistische Siegesdenkmal bombastisch zu beleuchten. Möglicherweise wird diesem Anliegen auch die geschrumpfte italienische Linke zustimmen. Galateo möchte auch, dass in den 115 Gemeinden des Landes — dem Beispiel Bozens folgend — Gedenkstätten an die jugoslawischen Karsthöhlenmassaker an den italienischen Istriern nach 1945 errichtet werden.

In seiner Eigenschaft als Vertreter der italianità versuchte Galateo auch, die Vorstellung des Buches »Kann Südtirol Staat?« des Vereins Noiland Südtirol-Sudtirolo im Landtag zu verhindern.  Galateo bezeichnete die Studie über eine mögliche Eigenstaatlichkeit Südtirols als »Schlag für die Autonomie und das friedliche Zusammenleben«. Als besonders verstörend empfand er die Tatsache, dass der Verein für sein Buch eine Landesförderung erhielt.

Galateo, ein ethnischer Einpeitscher? Urzì, inzwischen ein Südtirol-Versteher? In mehreren Interviews mit der Tageszeitung skizzierte Urzì seine Grundzüge für ein Koalitionsprogramm mit der SVP. Er gibt sich autonomiefreundlich — die Autonomie ist ja immerhin in der italienischen Verfassung verankert. Kein Wort aber zum Pariser Vertrag, zur internationalen Dimension der Autonomie. Urzì lässt die SVP wissen, dass die Autonomie nicht ihr gehört, sondern allen. Wer kann da auch schon was dagegen haben?

Urzì und seine Thesen

Urzì wirbt auch mit angeblich alle verbindenden Werten wie Familie, unternehmerische Freiheiten, Wettbewerb und weniger Steuern. »Wir treten für eine stolze Idee ein: den Wiederaufbau Italiens«, sagte Urzì in einem Interview mit der Tageszeitung.

Die unverblümten Worte von Urzì vor den Parlamentswahlen scheinen in der Brennerstraße angekommen sein. Er ließ die SVP in der Tageszeitung wissen, wenn sie ihr Verhalten nicht ändere, seien die Bedingungen für eine Zusammenarbeit schlecht, falls FdI in Rom regieren sollte. Eine Zusammenarbeit, um das von der SVP unterstützten Mitte-Links-Regierungen heruntergewirtschaftete Land wieder aufzubauen, schob er hinterher. Diese Töne freuen hier im Land besonders die Wirtschaft, wie schon Professor Pallaver auf Salto angedeutet hatte.

Urzì sucht zwar die Nähe zur SVP, wirft ihr aber gleichzeitig Opportunismus vor. Hätte seine Partei bei den Landtagswahlen vor fünf Jahren mehr Mandate erhalten als die Lega, gäbe es bereits eine Koalition aus SVP und FdI.

Grundlage für eine solche Koalition müsste eine Vereinbarung sein, ergänzte Urzì in der Tageszeitung, »die nicht nur in der Brennerstraße geschrieben werden darf«. Als eine weitere Grundlage beschreibt der rechte Rechtspolitiker eine mehrsprachige Schule, gegen die sich die SVP noch versperrt.

Und Urzì rammte im Tageszeitungs-Gespräch eine weitere Leitplanke ein: Einen Ausbau der Autonomie wird es nicht geben, sondern eine Verbesserung der Autonomie, eine unmissverständliche Botschaft an den möglichen Koalitionspartner SVP.

Die Autonomie muss allen Bürgern Möglichkeiten bieten, unabhängig von der Sprachgruppe. Derzeit wird die italienische Sprachgruppe aufgrund von ideologischen Vorurteilen benachteiligt. Wir brauchen kein System von Herren und Sklaven, sondern gegenseitigen Respekt. Damit dies gelinget, muss die SVP, was ihr demokratisches Bewusstsein betrifft, reifen.

— Alessandro Urzì (FdI) in der Tageszeitung

Urzì stellt der SVP ein undemokratisches Zeugnis aus, sie diskriminiere mit ihrem Sklavensystem die italienische Sprachgruppe. Warum will Urzì mit einer solchen Partei unbedingt in eine Koalition? Magnago wird angesichts dieser Entwicklung die Reste seines Sarges vollkotzen.

Serie I II

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SVP-FdI: Operation Weichspülen.
Teil 1

Es wächst zusammen, was nicht zusammengehört. SVP und Fratelli d’Italia. Wirklich nicht?

Landwirtschaftsminister Lollobrigida, fratello von »Ministerpräsident« Meloni, geißelte die Migration als »Umvolkung«. Auf die Grenzen, Migranten rein. Europaweit schwafeln Rechtsradikale, bekanntermaßen gesponsert vom russischen Kriegspräsidenten Putin, von einem »Bevölkerungsaustausch«. So als ob eine geheime Macht diese Migration — um Italien zu schaden — steuern würde.

Ministerpräsidentin Meloni lässt Anti-Terror-Einheiten gegen »Klimakleber« ausrücken. Der Applaus der Autofans und Klimaleugner ist ihr gewiss. Auch in Südtirol. Wo bleiben die Anti-Terror-Einheiten im Kampf gegen die Mafia?

Eine der ersten Maßnahmen dieser rechts-rechten Regierung war das Rave-Verbot. Raven, ein Anschlag auf die Einheit des Staates? Raven, eine Gefahr für Land und Leute?

Aus den Reihen dieser Regierung tönt es immer wieder lesben- und schwulenfeindlich, gegen Queere, kurzum gegen »Andere«. Kinder und Jugendliche müssen gegen diese »sexuellen Abartigkeiten« geschützt werden, so die Begründung für die Hetze. Das katholische Lager und viele Südtiroler klatschten begeistert.

Rechtskonservativ, reaktionär ist dieses Arsenal, extrem nationalistisch wird es, wenn die Fratelli die italienische Sprache zur ausdrücklichen Pflicht erheben wollen. Simon Constantini bezeichnete dieses Ansinnen von Fabio Mollicone (FdI) als besorgniserregend. Bisher galt das Prinzip, dass jede Staatsbürgerin das Recht genießt, die italienische Sprache zu gebrauchen. Mollicone will daraus eine Pflicht basteln.

»Insbesondere … in Südtirol, wo die deutsche der italienischen Sprache laut Autonomiestatut gleichgestellt sein sollte, hätte die Pflicht zur Kenntnis der Staatssprache unabsehbare Folgen«, warnte Constantini in seinem Artikel »Zwang zur Beherrschung der italienischen Sprache«.

Halb so schlimm? Die Äußerungen von Vertreterinnen der Fratelli d’Italia über Faschismus und Antifaschismus sind erschreckend. Schon der ehemalige Ministerpräsident Berlusconi, der sich immer wieder abfällig über den Antifaschismus geäußert hatte, ebnete damit den Faschisten des 21. Jahrhunderts den Weg. Er holte Alleanza Nazionale, vormals der noefaschistische MSI, aus dem politischen Eisschrank der italienischen Nachkriegsdemokratie. Die Erben des Faschismus haben sich in dieser Republik eingenistet, eine Republik, die auch von Antifaschistinnen erkämpft worden ist.

Aber wen kümmert das?

Ansonsten hält sich diese doch sehr rechte Regierung mit krassen radikalen Tönen strategisch zurück. Kreidefressen scheint angesagt zu sein. »Warum agiert die Regierung so unauffällig?« fragte sich Rainald Manthe vom Zentrum Liberale Moderne: »Die Regierung muss nun liefern — nicht nur für gute Wahlergebnisse sorgen. Als Regierungskoalition muss man sich an Verträge und Zusagen halten, die Verwaltung muss rechtskonforme Gesetzesvorschläge machen, die Wirtschaft laufen — und die Öffentlichkeit schaut zu. All dies schränkt die Handlungsmöglichkeiten Melonis ein.“

Manthe hat noch eine andere Erklärung zur Hand: »Meloni und ihre Partei haben es von Anfang an darauf angelegt, durch Mitregierung zu gestalten, nicht durch Populismus aus der Opposition. Melonis Regierung wäre dann ein Ausdruck des „Techno-Populismus“, einer Verbindung von Populismus und Technokratie. War der Populismus also nur Wahlkampftaktik, gepaart mit dem nicht aufgearbeiteten Erbe des Faschismus von Fratelli d’Italia und Italien?«

Südtirol ist Italien

Diese Strategie geht auf, italienweit, aber auch und besonders in Südtirol. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist mit der Arbeit der Regierung Meloni zufrieden. Die bereits bekannte Apollis-Umfrage der SWZ, aufgearbeitet von der Neuen Südtiroler Tageszeitung, belegt, dass die Zustimmung unter der deutsch- und ladinischsprachigen Bürgerinnenschaft höher ist als unter der italienischsprachigen. Die Mehrheit der SVP, Team-K-, F- und STF-Wählerinnen äußert sich positiv über Meloni. Südtirol ist Italien.

Diese Sympathien müssen verwundern. Constantini schaute sich die parlamentarische Aktivität von Francesco Lollobrigidia, ausgewiesener Freund des Bauernbundes, in seiner Oppositionszeit genauer an. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Fratelli in der Abgeordnetenkammer und Schwager von Giorgia Meloni fiel durch eine besondere Südtirolbesessenheit auf. Die Vorstöße waren untergriffig, eine besessene Südtirolfeindlichkeit quillt aus seinen Anfragen. Tatkräftig unterstützte der ehemalige Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì das Treiben seines Kameraden.

Die Erklärungen für die Zustimmung zu Meloni sind vielfältig. Als »klar, kohärent, konkret, seriös und verantwortungsvoll« lobt der Meloni-Mann Alessandro Urzì seine Chefin. »Meloni wird als staatstragend wahrgenommen, dieses Image hat sie konsequent aufgebaut«, ergänzt die Grüne Brigitte Foppa. »Die SüdtirolerInnen waren einerseits auf das Schlimmste gefasst und sind jetzt erleichtert, dass es nicht so gekommen ist. Andererseits ist Meloni eine kompetente junge Frau, die bis jetzt noch nicht viel falsch gemacht hat. Das honorieren die SüdtirolerInnen«, analysiert die ansonsten Meloni-kritische SVP-Senatorin Julia Unterberger.

Zu einem gänzlich anderen Schluss kommt der emeritierte Universitätsprofessor und Politikwissenschaftler Günther Pallaver auf Salto. Die Südtiroler leiden in Sachen Faschismus anscheinend an Vergesslichkeit, frotzelte der Professor. Er erinnerte an den Sager »Se fossi italiano, probabilmente sarei fascista« des Südtiroler Abgeordneten Friedrich Graf Toggenburg 1921. Gilt das heute auch noch?

»Der Faschismus war in den 1920er Jahren einem Teil des Südtiroler Bürgertums durchaus willkommen, wie heute die rechtsrechten Fratelli d’Italia. Die Wirtschaft Südtirols denkt gleich wie vor 100 Jahren an den Profit. Hauptsache, die Kassa stimmt. Law and Order sind wichtiger als Demokratie und Menschenwürde. Wer gegen die angebliche „Invasion der Ausländer“ poltert, ist in Südtirol willkommen. Wer eine reaktionäre Familienpolitik propagiert, erhält in Südtirol Applaus«, konstatiert bedauernd der Wissenschaftler Günther Pallaver. Der Toggenburg-Spruch von 1921 klingt heute, leicht abgewandelt: »Se fossi italiano, probabilmente voterei Fratelli d’Italia.«

»Se fossi italiano, probabilmente voterei Fratelli d’Italia.«

Tatsächlich sagte dies Angelika Kaufmann von der Initiative Zomholtn in der Corona-Ära. Als Südtirolerin wähle sie zwar die Lega, heute Partner in der Meloni-Regierung, als Mailänderin würde sie Meloni wählen. Viel Applaus erntete Lega-Chef Matteo Salvini, im Oktober 2018 Innenminister, bei einem Auftritt der Kastelruther Spatzen. »Salvini wurde herzlich empfangen«, fand die Neue Südtiroler Tageszeitung. Weil er radikal feindlich gegen Migranten und Flüchtlinge auftrat, deutsche Seenotretter populistisch als Kriminelle verunglimpfte oder weil die Lega einst föderalistisch und minderheitenfreundlich war?

Der Klagenfurter Universitätsprofessor Hans-Karl Peterlini zitiert in der Neuen Südtiroler Tageszeitung den ehemaligen Grünen-Politiker Alexander Langer mit der Frage, »warum Südtirol, das doch von rechts nie gutes erfuhr, genau auf dem rechten Auge blind ist […]«

Südtirols Autonomie gibt es auch deshalb, weil die kommunistische Partei PCI im Parlament 1971 dem Zweiten Autonomiestatut zugestimmt hatte. Ein Gemeinschaftswerk von DC und SVP, gesponsert von Österreich. Fast verzweifelt weist der langjährige SVP-Parlamentarier Karl Zeller darauf hin, dass die nach 1992 erlassenen 88 Durchführungsbestimmungen zum Ausbau der Autonomie Mitte-Links-Regierung erlassen haben. Im Land macht sich ein autonomistischer menefreghismo breit — stattdessen begrüßen Südtirolerinnen das Meloni-Projekt eines starken Staates, scheinen ihren Sager verdrängt zu haben, Südtiroler sollen nach Österreich auswandern, wenn sie sich nicht mit Italien identifizieren.

Wenn sich nun die Mehrheit der SVP-Wählerinnen positiv zu Meloni äußert, wird sich die SVP wohl auf den Weg in die Arme von Meloni machen. Der Maschinenraum der SVP, so die Wochenzeitung ff über den Bauernbund (SBB), brummt bereits für Meloni und ihre Partei. Der SBB fühlt sich bei Landwirtschaftsminister Lollobrigida gut aufgehoben, weil er laut Sonntagsreden Bären und Wölfe »entnehmen« möchte. Der Chef im Maschinenraum, der Landtagsabgeordnete Franz Locher, schwafelte von einer starken Region, nicht von einer starken »Provinz«. Wie sein offensichtliches Vorbild Meloni?

In der Tageszeitung Dolomiten durfte sich vor den Parlamentswahlen im Herbst 2022 Spitzenkandidatin Giorgia Meloni auf einer ganzen Seite ausbreiten. Ja, starke Autonomie, aber ein noch stärkerer Staat, textete sie unwidersprochen im Tagblatt der Südtiroler. Die Tageszeitung Dolomiten nimmt noch immer massiven Einfluss auf die politische Stimmung, sagt Peterlini in der Tageszeitung zur Meloni-Zustimmung im Land.

Serie I II

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Journalism is printing what someone else does not want printed.
Christoph Franceschini ist die "Politische Persönlichkeit des Jahres 2022"

politika, die Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft, hat im Oktober vorigen Jahres beschlossen, die Auszeichnung “Politische Persönlichkeit des Jahres”, ein Titel der alljährlich für “besondere Leistungen im Bereich der Politik” vergeben wird, an den Journalisten, Buchautor und Dokumentarfilmer Christoph Franceschini zu vergeben. Die Verleihung erfolgte am vergangenen Dienstag im Alten Rathaus in Bozen.

Auslöser für die Wahl Franceschinis war das Buch “Freunde im Edelweiß”. “Aber der Anlassfall hätte nicht genügt. Es ist die jahrelange, hartnäckige, nicht nachlassende journalistische, investigative Tätigkeit, die Christoph Franceschini über den Anlassfall hinaus kennzeichnen”, schreibt politika in einer Aussendung. In der ausführlichen Begründung heißt es:

Christoph Franceschini [ist] seit Ende der 1980er-Jahre ein verlässlicher investigativer Journalist, dessen Scoops mitunter weit über die Grenzen Südtirols Resonanz finden. Er war und ist ein konstanter Faktor im Spiel von Checks and Balances in Südtirol und repräsentiert als Aufdeckungsjournalist wie kaum ein anderer seiner Zunft die Kontrollfunktion der Vierten Gewalt gegenüber den Machthabenden.

Franceschinis Arbeit bildet durch ihre Tiefe, Beharrlichkeit und Überparteilichkeit eine Alternative zu einem Journalismus, der sich auf Agenturmeldungen und Presseaussendungen stützt und weite Teile der Nachrichtenwelt in Beschlag genommen hat. Der auch in Südtirol gegenwärtigen Verquickung von Journalismus, Politik und Wirtschaft versucht sich Franceschini zu entziehen, auch dank eines für seine Arbeit unabdingbaren Netzwerks.

Meinungs- und Medienpluralismus sind Grundpfeiler der Demokratie. Das Wissen um Vorgänge und Hintergründe in Politik und Wirtschaft ist eine Voraussetzung für demokratische Teilhabe. Dieses stärkt Franceschini zusätzlich, indem er seine investigativ-journalistischen Einsichten in Büchern und Filmen aufbereitet, vertieft und/oder historisch einordnet. Die Auszeichnung Franceschinis als Politische Persönlichkeit des Jahres 2022 anerkennt, dass die Arbeit unabhängiger Journalistinnen und Journalisten den Boden demokratischer Prozesse bereitet und die Pressefreiheit einen fundamentalen und somit unverzichtbaren Aspekt der Grundfreiheiten darstellt, die es in einer Demokratie zu verteidigen gilt.

Mir wurde bei der Verleihungszeremonie die Ehre zuteil, die Laudatio auf Franceschini zu halten, welche ich hier wiedergebe:

Die Laudatio: würdevoller, hochgeistiger Höhepunkt einer jeden Auszeichnung. Wenn man sie aber einen Kindskopf wie mich bestreiten lässt, können daraus schon einmal

„Flache Witze für einen steilen Typen“

werden. Los geht’s: „Die Presse hat die Aufgabe das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.“ Wenn man diesen Aphorismus des österreichischen Schriftstellers und Theaterkritikers Alfred Polgar in einen hiesigen Kontext stellt, dann wird klar: Christoph Franceschini ist der Rasenmäher Südtirols. Und wie es sich für einen ordentlichen Rasenmäher gehört, macht er gehörig Lärm. Seine Stimme wird gehört. Und obwohl er für sie singt, ist er das Gegenteil der Schneekatzen, die alles zudecken. Mit seinen Scoops hat er einigen überfliegenden Ambitionen bereits das Grab geschaufelt. Und dieses Schaufeln beherrscht er mittlerweile aus dem Effeff, für die er übrigens auch einmal gearbeitet hat. Bei einem bekannten österreichischen Nachrichtenmagazin hat er sich ebenfalls profiliert. Mag er eigentlich Wortspiele? SEL denk I woll, wenn I an SELfservice denk. Max Rainer Sensationsjournalismus um des Skandals willen sein, wie manche mit Schaum vor dem Mund poltern, pirchern und stockern, oder das Gegenteil: Der Wilde aus Eppan geht den Mächtigen nicht auf den Laim.Er klebt ihnen vielmehr an den Fersen. Wenn er zu mähen beginnt – ach seine Philippika in die Tasten hammert – steigt in Hausnummer 7 – in der Brennerstraße wie am Weinbergweg – und eventuell auch überall dazwischen der Blutdruck. Seinem Äußeren entsprechend hat er sich nie für den einfachen, den glatten, den geebnerten Weg entschieden. Seines ist die harte Tour, das Zottelige. Er eilt von einer journalistischen Brandstätte zur nächsten. Zwischenstopp höchstens mal vor Gericht. Die Bauernschläue ist ihm ebenso zuwider, wie der Urlaub bei diesen. Stellt man ihn vor die Wahl,traud er sich statt des Deegens die noch spitzere Feder zu nehmen, womit er schon so manchen Mannfreddo – also kalt – erwischt und von der Komfort- in die Erweiterungszone oberhalb der Wahrnehmungsgrenze befördert hat. „Das geht nicht“ gibt es für ihn nicht. Das sagt er selber. Wenngleich der Weg zum tatsächlichen Abschluss seines Studiums – Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft hat er sich aufgehalst – dann doch ein zu steininger war. Zwischenzeitlich hat er in Eppan aktiv die Seite gewechselt. Aber er bleibt Pressemensch und nicht Gutmensch, denn das Wort mag er nicht. Er sieht sich wie Südtirol lieber im Fadenkreuz der Mächte. Dementsprechend wenige Freunde hat er im Edelweiß. Seine zweite Rolle ist beim Film. Für „Bombenjahre – Die Geschichte der Südtirol-Attentate“ hat er 2005 sogar einen Preis – Achtung, jetzt wird es sehr sehr flach! – ergattert. Mit über 50 wagte er schließlich den Sprung. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Er ist nach 17 Jahren von der Neuen Südtiroler Tageszeitung, die ihm zu boulevardesque wurde, ab- und bei salto.bz aufgesprungen. Online statt Print. Auf Linie ist er dennoch nicht. Er bleibt sich treu, ohne sich verbiegen zu müssen. Ein grader, kein ebner Michl. Oder wie George Orwell niemals sagte: „Journalism is printing what someone else does not want printed. Everything else is public relations.”

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7 ‹8 ‹9 ‹10 ‹11 ‹12

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Nationalistisches Selbstverständnis.
Quotation

„Auch wenn sie sich noch so bemühen, sich minderheitenfreundlich zu geben, zeigen die Brüder Italiens immer wieder ihr wahres Gesicht“, meint [Senatorin Julia Unterberger (SVP)]. Mit deren nationalistischen Selbstverständnis sei es nämlich nicht vereinbar, dass die Südtiroler Österreich als ihre Schutzmacht sähen. Ihr Bestreben sei es, „aus uns überzeugte italienische BürgerInnen zu machen, die ihr Schicksal vertrauensvoll in die Hände des italienischen Staates legen“. Gerade wegen politischer Kräfte wie FdI sei die Schutzmachtfunktion alles andere als unzeitgemäß. Dass viele deutschsprachige Südtiroler im Ausland blieben, wie es [LAbg. Marco Galateo (FdI)] anmerke, hänge auch damit zusammen, dass Italien bei der Anerkennung von Studientiteln [sic] und Berufsbefähigungsnachweisen „auf dem Nährboden eines überholten Nationalismus absurde Hürden vorsieht“.

– Quelle: Tageszeitung

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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FdI gegen Schutzfunktion Österreichs.

Wie viel Kreide sie im Hinblick auf die baldige Landtagswahl auch fressen, um sich als mögliche Koalitionspartner der SVP zu positionieren, so richtig aus ihrer Haut können die neofaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) anscheinend nicht. Wie die TAZ berichtet, hat sich der Nachfolger von Alessandro Urzì im Landtag, Marco Galateo (beide FdI), ausgerechnet während einer Wienreise von Landtagspräsidium und Fraktionsvorsitzenden zur unerhörten Forderung hinreißen lassen, die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol abzuschaffen. Weil es nichts zu schützen gebe.

Dabei musste Wien auch während der letzten Jahre intervenieren, unter anderem um die Wiederherstellung der schwer ramponierten Autonomie zu fordern. Erst kürzlich hatte der ehemalige Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani (FI), nach seiner Ernennung zum Außenminister für schnelle Euphorie unter Autonomistinnen gesorgt, als er der Schutzmacht in dieser Angelegenheit Zusammenarbeit versprach.

Seitdem wurde Rechtsaußen Urzì, der einen U-Ausschuss mit den Südtiroler Bombenjahren befassen möchte, zum Mitglied der Sechserkommission ernannt, auf Vorschlag von Regionenminister Roberto Calderoli (Lega) der Haushaltsvorschlag angefochten und nun auch noch die Beendigung der Schutzmachtfunktion gefordert. Grandios.

Siehe auch 1› 2› 3›

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HGV gegen Transparenz und Autonomie.

Laut einem Bericht der TAZ sollen sowohl Rom als auch Brüssel einer in Südtirol geplanten verpflichtenden Herkunftsangabe von Lebensmitteln in der Gastronomie zugestimmt haben. Bislang bestehende Unsicherheiten wären somit ausgeräumt.

Doch das reicht dem HGV offenbar nicht. Im unerschütterlichen Bestreben, ein entsprechendes Landesgesetz abzuwenden, spannt er jetzt auch noch den staatsweiten Verband der Lokalbetreiberinnen (FIPE) ein, der angeblich — wie der HGV selbst — zum Schluss kommt, dass eine derartige Vorschrift nur von EU-Mitgliedsstaaten und nicht von »Regionen oder Provinzen« erlassen werden dürfe. Der Hoteliers- und Gastwirteverband und seine italienischen Freunde arbeiten also nicht mit inhaltlichen Argumenten, sondern stellen der Südtirolautonomie — in Vorwegnahme von Urteilen, die womöglich gar nie gefällt werden — die Zuständigkeit in Abrede, ein eigenes Gesetz zu erlassen, sogar wenn dies mit Zustimmung der EU und des Staates geschieht.

Dem EuGHGV ist offenkundig jedes argumentative Mittel recht, nur um eine unliebsame Regelung zu verhindern — selbst wenn sie von einer Mehrheit im Landtag gewollt wäre. Das ist undemokratisch und autonomiefeindlich.

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H3K: Rassistische Karikatur.

Die Antifa Meran weist in den sozialen Netzwerken auf eine rassistische Karikatur von Peppi Tischler hin, die letzte Woche in der TAZ erschienen ist:

Querbalken von mir

Unglaublich, dass noch nicht einmal vor Kindern Halt gemacht wird.

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4

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Lernstandserhebung Deutsch 2021/2022.

Die vor wenigen Tagen veröffentlichten Ergebnisse der Lernstandserhebungen (2021/22) haben für Schlagzeilen gesorgt. Der fast einhellige Tenor war, dass die Schülerinnen an deutschsprachigen Schulen in Englisch »spitze« (TAZ), in Deutsch und Italienisch aber mies seien.

Laut Südtirolbeilage des Corriere vom 15. Dezember (Titelseite) soll das angeblich schlechte Abschneiden in Deutsch auf den Dialekt zurückzuführen sein.1Originaltitel: »Effetto dialetto: scuole sudtirolesi male in tedesco«

Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich mir die Mühe gemacht, den 161 Seiten umfassenden Bericht zu lesen — und möchte hier zunächst kurz auf die Ergebnisse zur Erstsprache Deutsch eingehen.

Die Deutschkenntnisse der Schülerinnen an Südtirols deutschsprachigen Schulen wurden 2021/22 nur in den ersten und in den dritten Klassen der Mittelschule erhoben. Ab dem laufenden Schuljahr 2022/23 soll dann auch ein Test in der Maturaklasse dazukommen.

Ich werde mich hier in erster Linie auf die Ergebnisse der dritten Klasse Mittelschule (Bericht S. 53ff.) konzentrieren, weil sie — im Unterschied zu jenen der ersten Klasse (S. 45ff.) — mit Bezug auf die Kompetenzstufen K1 bis K5 des Invalsi2Italienisches Institut für die Evaluation des Bildungssystems für die Erstsprache Italienisch durchgeführt wurden.

Ergebnisse

Die sogenannte Lösungshäufigkeit bei dem Test betrug 62,73%, wobei 71,5% der Teilnehmenden die Kompetenzstufe K3 erreichten oder überschritten, die von Invalsi als Mindestanforderung »für die Bewältigung der alltäglichen Anforderungen« definiert wurde.

Dabei gab es signifikante3im Sinne von »statistisch signifikant« Unterschiede zwischen den Geschlechtern, da zwar 78,1% der Mädchen, aber nur 65,4% der Jungen Kompetenzstufe K3 oder mehr schafften.

Anders als bei der ersten Klasse Mittelschule wurde in diesem Fall leider nicht die zuhause gesprochene Sprache der Teilnehmenden erhoben. Dort hatte sich gezeigt, dass bei den Gesamtergebnissen der untersuchten Domänen4Leseverständnis, Hörverständnis und Sprachgebrauch diejenigen deutlich vorn lagen, die daheim nur Deutsch sprechen, der Reihe nach gefolgt von den — in Bezug auf die Familiensprache — Zweisprachigen5Deutsch und Italienisch, Italienisch- und Anderssprachigen. Wobei es zwischen den beiden letzteren keine signifikanten Unterschiede gab.

Doch zurück zur dritten Klasse Mittelschule.

Die durchschnittliche Lösungshäufigkeit6Die Lösungshäufigkeit ist nicht mit dem Erreichen der Kompetenzstufe K3 zu verwechseln. war bei denen, die in einem anderen Land geboren sind, deutlich niedriger (48,56%) als bei im Inland Geborenen (63,74%).

Was tatsächlich stimmt, ist, dass im Vergleich zum Schuljahr 2020/21 die durchschnittliche Lösungshäufigkeit (von 67,36% auf 62,73%) gesunken ist.

Dass dies jedoch auf den Dialekt zurückzuführen sein könnte, halte ich für Humbug, da es den ja auch schon in den Jahren zuvor gegeben hat.

Ob es allerdings eine strukturelle Erstsprachenschwäche der Schülerinnen an den deutschsprachigen Schulen gibt, lässt sich so nicht sagen.

(Etwas Gewagter) Vergleich

Durch die Kompetenzstufen, wenn auch die für die Erstsprache Deutsch nicht eins zu eins mit denen des Invalsi für die Erstsprache Italienisch übereinstimmen mögen, ergibt sich immerhin eine gewisse Vergleichbarkeit.

Wie erwähnt erreichten in Südtirol 71,5% der teilnehmenden Mittelschul-Drittklässlerinnen die Kompetenzstufe K3 oder höher.

Aus dem Invalsi-Bericht für dasselbe Testjahr geht hervor, dass für die Erstsprache Italienisch in der dritten Mittelschule auf dem gesamten Staatsgebiet im Durchschnitt nur 61% der Teilnehmenden dieses Mindestniveau erreichten. In Nordwest- und Nordostitalien, die die besten makroregionalen Werte erzielten, waren es jeweils 66%.

Die beste Region war Aosta, wo 72,4% K3 oder höher schafften, gefolgt von Umbrien mit 69,8%. Die italienischsprachige Schule in Südtirol lag gar nur bei 55,8%.

Bezüglich der Erstsprache Deutsch lagen in Südtirol sogar 16,7% der Schülerinnen in der höchsten Kompetenzstufe K5. Das ist ein Wert, der für die Erstsprache Italienisch in keiner italienischen Region erreicht wird.

Obwohl also die unmittelbare Vergleichbarkeit durch die unterschiedliche Erstsprache nicht gegeben ist, traue ich mich doch zu behaupten, dass das Abschneiden der deutschsprachigen Schulen diesbezüglich solide ist. Umso mehr, wenn wir die Minderheitensituation berücksichtigen.

Serie I II

Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3

  • 1
    Originaltitel: »Effetto dialetto: scuole sudtirolesi male in tedesco«
  • 2
    Italienisches Institut für die Evaluation des Bildungssystems
  • 3
    im Sinne von »statistisch signifikant«
  • 4
    Leseverständnis, Hörverständnis und Sprachgebrauch
  • 5
    Deutsch und Italienisch
  • 6
    Die Lösungshäufigkeit ist nicht mit dem Erreichen der Kompetenzstufe K3 zu verwechseln.
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