67% der Sarden haben am vergangenen Sonntag JA gesagt zu einer tief greifenden Reform des politischen Systems ihrer Region. Bei einer Beteiligung von 35,5% ist das Quorum von 33,3% deutlich übertroffen worden, obwohl das Referendum bewusst von der Regionalregierung von den Kommunalwahlen am 20. Mai abgekoppelt worden war. Die Referenden hatte eine kleine Partei, die “Riformatori sardi” um Pierpaolo Vergiu, angestrengt, die dafür 30.000 Unterschriften gesammelt hatten. Bei 1,6 Millionen Einwohnern genügen in Sardinien 15.000 Unterschriften für ein solches Referendum. Bei den fünf abschaffenden und den fünf konsultativen Referenden ging es um die Aufhebung von vier eben geschaffenen, kostenträchtigen Provinzen, um die Verkleinerung des Regionalparlaments, um die Direktwahl des Regionspräsidenten, um die Auflösung überflüssiger öffentlicher Körperschaften. Die Wähler haben mit 2/3-Mehrheit auch die Norm abgeschafft, mit der die Diäten der Regionalratsmitglieder auf 80% der Gehälter der Parlamentarier festgeschrieben werden. Das hatte den sardischen Regionalräten Netto-Monatsbezüge von 11.000 Euro verschafft. Da auch der Regionalrat selbst von 80 auf 50 Mitglieder verkleinert wird, bringt dieses Referendum ganz wesentliche Einsparungen für die öffentliche Hand und schwächt “die Kaste”.
Für Südtirol und andere Regionen mit Sonderstatut besonders interessant die Entscheidung der Sarden, die rechtlichen Voraussetzungen für eine “Konstituierende Versammlung” zu schaffen. Diese direkt von den Bürgern zu wählende Versammlung (parallel zum Regionalrat) soll ausschließlich mit der Reform des Autonomiestatuts der Insel betraut werden. Obwohl die zuständige Senatskommission schon einige kleinere Reformen dieses Statuts bearbeitet, soll dieser Weg die betroffenen Bürger an der Reform besser beteiligen. Dieser Teil des Referendums vom 6. Mai war allerdings nur konsultativ, nicht zwingend, denn eine echte Volksinitiative (referendum propositivo) gibt es auf Sardinien nicht. So liegt nun der Ball beim Regionalrat, der dem Bürgerwillen entsprechen muss und die Gesetze anzupassen hat.
Das ganze sardische Referendum ist ein gutes Beispiel, wie die Bürger die Parteienherrschaft eingrenzen und auch in den Regionen tiefgreifende Reformen anstoßen können. Leider werden die Referenden in den Regionen Italiens kaum genutzt, weil sie fast überall schlecht geregelt sind. Wenn das sardische Statut nun mit einem offenen, partizipativen Verfahren reformiert wird, muss auch ein Aspekt wesentlich verbessert werden: die direkte Demokratie. Trotz zwei gelungener Volksabstimmungen (2011 gegen jede Art von Nukleareinrichtung; 2012 Reformen der Institutionen) fehlen nämlich auf Sardinien wesentliche Instrumente der Bürgerbeteiligung. Für Südtirols Reform des Statuts zwecks Vervollständigung der Autonomie wäre ohne Zweifel eine direkt gewählte “Konstituierende Landesversammlung” mit anschließender bestätigender Volksabstimmung der Königsweg.
Cëla enghe: 01
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