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Was können Südtirol und Europa von der Schweiz lernen?

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Gastbeitrag von Adelheid Mayr, Südtirol/Schweiz

Autonomie und Unabhängigkeit sind in der Schweiz keine Besonderheit, sondern Selbstverständlichkeit. Denn jeder Kanton (so ähnlich wie bei uns die Länder und Provinzen), ja sogar jede Gemeinde ist ein Stück weit unabhängig. Aber wie funktioniert dieses dezentrale System und was kann Südtirol daraus lernen?
Folgende Prinzipien sind im politischen System der Schweiz verankert:

  • Weitgehender Föderalismus: Föderalismus bedeutet, dass jeder Kanton und sogar die Gemeinden stark autonom sind. Die Verantwortung für die Erstellung von Gesetzen wird wenn möglich an diese übertragen. Ziel davon ist es, dass Regelungen auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten, näher am Betroffenen erstellt werden und dadurch die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht wird. Andererseits wird damit eine fruchtbare Konkurrenz zwischen Kantonen und Gemeinden angestrebt; z.B. Konkurrenz über niedrigere Steuern oder effizientere öffentliche Verwaltung. Die Nachteile, die dadurch entstehen, z.B. erschwerter Wohnortwechsel wegen kantonal unterschiedlichem Schulsystem, können durch die vielen genannten Vorteile leicht wettgemacht werden.
  • Ausübung der direkten Demokratie: Durch Referenden (Abstimmungen in jedem Quartal) und Volksinitiativen können Bürger direkt in die Tätigkeiten auf Kantons- und Gemeindeebene Einfluss nehmen. Alle Teile der Bevölkerung werden ständig in den politischen Prozess eingebunden. Die Arbeit der Politiker ist es, komplexe Sachverhalte so zu formulieren, dass die Bürger sie verstehen, ein Konsens gefunden werden kann und die Bürger entsprechend abstimmen können. Die Regierung bilden also die Politiker aller Parteien, die Opposition ist das Volk.
  • Vernehmlassung: Neue Gesetzesvorschläge werden unter Einbezug verschiedenster Interessens- und Expertenkreise geprüft. Auch Einzelpersonen haben die Möglichkeit, sich zu einem Gesetzesvorschlag zu äußern. Alle erhaltenen Anregungen werden bearbeitet und es wird dazu Stellung genommen. Dies ist ein hoher Aufwand, jedoch führt es auch dazu, dass Gesetzesinitiativen entsprechend durchdacht sind und von der Bevölkerung eher akzeptiert werden.
  • Kollegialitätsprinzip: Alle Mitglieder eines Entscheidungsgremiums können ihre Meinung gleichberechtigt vorbringen. Beschlüsse werden nach Meinungsmehrheit getroffen. Die Abstimmung erfolgt geheim. Nach außen hin wird der Entschluss von allen Mitgliedern mit einer Stimme mitgetragen und mit den Hauptargumenten begründet. Dies garantiert eine Diskussion auf Sachebene, überparteiliche Einigkeit und Vermeidung von Silo-/Parteidenken.
  • Milizsystem: Schweizer Politiker (National- und Ständerat) üben ihr Mandat nur nebenberuflich aus. Sie kassieren für ihre Tätigkeit keinen fixen Lohn, sondern bekommen Sitzungsgelder und Entschädigungen für anfallende Spesen. Dadurch dass die Politiker hauptberuflich einer anderen Beschäftigung nachgehen, bleiben sie volksnah und sind den Anliegen der Arbeiterschaft nahe.
  • Jährlich wechselnde Präsidentschaften: Um nicht zu viel Macht und Einfluss zu erlangen wechseln Präsidentschaften sowohl auf Kantons- als auch auf Bundesratsebene jährlich.

Durch diese Konzepte wird sichergestellt, dass das Volk als der “Kunde” wahrgenommen wird und die Politiker als Dienstleister agieren, die liefern müssen. Die Steuern sind so gering (z.B. Mehrwertsteuer 8%, auf Lebensmittel 2,5 %) dass sich das Risiko von Schwarzverkäufen oder Schwarzarbeit nicht lohnt. Die Gegenleistung für diese geringe Steuerlast ist dafür sehr hoch: Straßen, Infrastrukturen und öffentliche Verwaltung funktionieren ausgezeichnet.

Es dauert sicher einige Zeit, diese Prinzipen in anderen Regionen wie in Südtirol zu übernehmen. Zweifelsohne ist es für Südtriol, ja für ganz Europa lohnend, sich am erfolgreich etablierten System der Schweiz zu orientieren. Nur schon durch die Umsetzung der direkten Demokratie, die Einführung der Vernehmenlassung sowie das Milizsystem wären einige Probleme in Südtirol nie entstanden (wie z.B der Rentenskandal) bzw. würden sie sich recht schnell lösen lassen.


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Comentârs

One response to “Was können Südtirol und Europa von der Schweiz lernen?”

  1. ProEuregio avatar
    ProEuregio

    … besten Dank Frau Mayr für Ihren fundierten Beitrag! – AltoAdige/Hochetsch begnügt sich lieber damit, weiterhin auf die Warnungen von Sig. Bressa aus Rom beschwichtigend einzugehen und dem “Autonomiekonvent” entgegen zu dösen …

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