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Demokratie in Geiselhaft.

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Im Anschluss an die Gemeinderatswahl vom 4. Mai hatte Wolfgang Mayr scharfe Kritik an den vielen Wahlmuffeln geübt, die die Beteiligung im Landesdurchschnitt auf 60 Prozent gedrückt haben.

Daraufhin ist bei uns die verbitterte Mitteilung eines Bürgers eingegangen, dessen Identität wir überprüfen konnten und der uns glaubwürdig von erheblichen Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung bereits konkret angedachter Listen in seiner Gemeinde berichtet hat. Von der bisher — und auch weiterhin — im Ort regierenden Partei sei großer Druck in Form von »Ausgrenzung« und »Sippenhaftung« ausgeübt worden, sodass die alternativen Kandidaturen letztendlich nicht zustande gekommen sind.

Die betreffende Gemeinde gehört zu denen, wo die Wahlbeteiligung im Vergleich zur letzten Wahl deutlich zurückgegangen ist.

Als ich den Fall mit Harald Knoflach besprechen wollte, teilte er mir mit, ihm sei etwas Ähnliches, wenn möglich noch Schlimmeres, von einer ihm persönlich bekannten, vertrauenswürdigen Person zugetragen worden — aus einem ganz anderen Landesteil.

Ich hätte nicht gedacht, dass es auch in Südtirol tatsächlich Orte geben soll, wo die allergrundlegendsten Regeln der Demokratie, ja selbst des zivilisierten Zusammenlebens nicht gelten und wo sich sogenannte Politikerinnen erdreisten, mit krimineller Energie ein Machtsystem zu errichten, um die öffentliche Sache durch Angst und Einschüchterung für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen.

Das hat mich dazu veranlasst, diese Zeilen zu verfassen: Einerseits, um diese Fälle trotz (offensichtlich nötiger) Anonymität einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und auch in die Betrachtung der sinkenden Wahlbeteiligung einfließen zu lassen. Andererseits, um vielleicht auch andere dazu zu ermutigen, erschreckende Vorfälle wie diese — und sei es unter einem Pseudonym — öffentlich zu machen. Im besten Fall aber, sich an die Justiz zu wenden.

Dass skrupellose Opportunisten ganze Gemeinden im Land in Geiselhaft nehmen und somit dazu beitragen, die ohnehin unter Druck stehende Demokratie zu zerstören, dürfen wir meiner Meinung nach nicht zulassen.



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Comentârs

2 responses to “Demokratie in Geiselhaft.”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Ähnliche Fälle gibt es immer wieder, wobei sich meistens nicht beweisen lässt, ob tatsächlich Druck ausgeübt wurde oder ob die potentiellen Kandidaten von sich aus vorbeugend auf die Kandidatur verzichtet haben, um negative Folgen zu vermeiden. Wer will es sich schon mit den Mächtigen verderben. Ich kenne einen Fall aus Brixen, wo ein Kandidat einer Opposittionsliste sich im letzten Augenblick zurückgezogen hat. Auf der ersten Sitzung des neuen Stadtrates wurde ein Gesuch des Mannes in einer Bauangelegenheit angenommen.

  2. Martin Brugger avatar
    Martin Brugger

    Die Verbitterung von Mayr über die Nichtwähler ist ebenso verständlich, wie die Verbitterung des Bürgers, der sich dazu geäußert hat. Auch ich kenne einige Fälle, in denen das Demokratieverständnis mit Füßen getreten wurde. Ich nenne nur eine Begebenheit, die schon mehrere Jahre zurückliegt, als einem Bürger in einer Gemeinde nach einer Wahl von “politischer Seite” dazu angeraten wurde, das nächste Mal wählen zu gehen. Wenn ich nicht falsch liege, können Nichtwähler ja jederzeit aus den Wählerlisten ausgemacht werden, insofern würde auch dies – wenn man es mit der “freien und geheimen Wahl” genau nimmt – einer Farce gleichkommen und gehört anonymisiert, so wie dies bei “Privacy” der Fall ist, wo personenbezogene bzw. sensible Daten geschwärzt werden, was ja absolut korrekt ist.

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